Berichte der Bundesanstalt für Straßenwesen, Reihe M: Mensch und Sicherheit
Filtern
Erscheinungsjahr
Dokumenttyp
- Buch (Monographie) (236)
- Konferenzveröffentlichung (7)
- Bericht (3)
Sprache
- Deutsch (246) (entfernen)
Schlagworte
- Deutschland (158)
- Germany (155)
- Forschungsbericht (141)
- Research report (136)
- Safety (72)
- Sicherheit (69)
- Unfall (66)
- Accident (60)
- Verhalten (45)
- Behaviour (43)
347
Machbarkeitsstudie zum Fahrradsimulator mit besonderer Berücksichtigung von Senioren als Radfahrer
(2024)
In der vorliegenden Machbarkeitsstudie werden die ersten experimentellen Erfahrungen mit dem Fahrradsimulator der BASt berichtet. Für die Untersuchung kam ein statischer Fahrradsimulator, der ebenfalls wie die Simulatorsoftware SILAB vom Würzburger Institut für Verkehrswissenschaften (WIVW) entwickelt worden ist, zum Einsatz. Da Senioren aufgrund ihrer steigenden Mobilität bei zugleich erhöhter Vulnerabilität als Fahrradfahrer in der Verkehrssicherheitsforschung eine wichtige Zielgruppe darstellen, wurden sowohl Fahrradfahrer ab einem Alter von 65 Jahren (Experimentalgruppe: EG), als auch – aufgrund der bis dato kaum vorhandenen Erfahrungen mit dem Fahrradsimulator – vergleichend Probanden im Alter von 25–50 Jahren (Kontrollgruppe: KG), in die Studie miteinbezogen.
Ziel der Studie ist es, grundsätzliches Wissen über die Voraussetzungen, Möglichkeiten und Grenzen zum Einsatz von Fahrradsimulatoren für Verhaltensbeobachtungen zu gewinnen und darzustellen. Neben der eigentlichen Testfahrt, die in einem komplexeren Stadtszenario stattfand, wurden auch die drei vorausgehenden Übungsfahrten zur Eingewöhnung an den Fahrradsimulator evaluiert. Zur Datengewinnung kamen neben der Verhaltensbeobachtung (Versuchsleitersicht/Fremdurteil) und der Fahrdatenaufzeichnung (Geschwindigkeitsmessung) mehrere Fragebögen (Probandensicht/Selbsturteil) zum Einsatz.
Die Stichprobe umfasst in der EG 35 ältere Radfahrer (Altersspanne: 65–89 Jahre; MW = 72,43 Jahre/65,7 % männlich; 34,3 % weiblich) und in der KG 31 Radfahrer einer mittleren Altersgruppe (Altersspanne: 25–50 Jahre; MW = 38,42 Jahre/48,4 % männlich; 51,6 % weiblich). Elf Probanden aus der EG sind den älteren Senioren mit einem Alter von mindestens 75 Jahren zuzurechnen. Die Auswertungen des Vorher-Fragebogens mit Fragen zum realen Fahrverhalten ergaben alterstypische Unterschiede zwischen den beiden Untersu¬chungsgruppen: Die älteren Radfahrer bezeichneten sich im Vergleich zu den Probanden der KG als langsamere und vorsichtigere Fahrradfahrer, die risikoreichere Fahrbedingungen meiden. Allerdings gaben die älteren Probanden häufiger an, regelmäßig längere Radtouren über 20 km zu unternehmen. Der Anteil der Probanden mit Vorerfahrungen im Pkw-Fahrsimulator war in der EG niedriger als in der KG.
Die Abbruchrate (= Drop-out-Rate) unterscheidet sich zwischen den beiden Untersuchungsgruppen erheblich. Etwa die Hälfte der Senioren (n = 18) brach die Studie vorzeitig ab; bei den älteren Senioren (≥ 75 Jahre) beträgt die Drop-out-Rate sogar 72,7 % (n = 8). Dagegen haben nur 2 Probanden (6,5 %) der KG ihre Teilnahme vorzeitig beenden müssen. Die Hälfte der älteren Probanden brach bereits während der ersten, kurzen Übungsfahrt ab; v. a. aufgrund von Problemen mit dem Handling des Fahrradsimulators. Abbrüche, die erst während der Testfahrt vorgenommen wurden, fanden aufgrund von Unverträglichkeit (Simulatorkrankheit) statt.
Beim Vergleich der übrigen Studien-Completer (EG: n = 17; KG: n = 29) zeigt sich, dass die Fahrperformanz der Probanden der EG im Vergleich zu denen der KG im Fremdurteil (aber nicht im Selbsturteil) insgesamt schlechter bewertet wurde. Viele Senioren wiesen ein unsicheres Fahrverhalten auf (auch aufgrund von Problemen mit dem Handling des Fahrradsimulators) und sind im Durchschnitt deutlich langsamer gefahren als die Probanden der KG. Die Gesamtanzahl der Fahrfehler war dagegen in beiden Completer-Gruppen relativ hoch, was zumindest in Teilen auf die noch optimierbare Fahrdynamik zurückgeführt wird. Rein deskriptiv überwogen in der EG Fahrfehler wie das unabsichtliche Verlassen der Fahrbahn, falsches Abbiegen sowie das Auslassen des Handzeichens. Bei den Probanden der KG konnten demgegenüber mehr Kollisionen und mehr Vorfahrtsfehler beobachtet werden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Probanden der KG aufgrund ihrer höheren Fahrgeschwindigkeit mehr kritischen Verkehrsszenen ausgesetzt waren als die Probanden der EG. Schließlich ist positiv zu erwähnen, dass die Studie erste Hinweise für eine gelungene Immersion (= ‚Eintauchen in die virtuelle Welt‘) liefern kann.
Für zukünftige Studien werden zwei Ansatzpunkte als besonders aussichtsreich gesehen, um die hohe Drop-out-Rate bei den Senioren zu reduzieren. Zum einen könnte ein umfangreicheres Eingewöhnungstraining mit einem langsameren und systematischeren Aufbau des Schwierigkeitsgrades den Bedürfnissen der Senioren besser gerecht werden. Hierbei wird empfohlen, sich zunächst auf die Gruppe der jüngeren Senioren (65–74 Jahre) zu konzentrieren. Zum anderen könnte eine weitere Optimierung der Fahrdynamik hinsichtlich der Lenkung, Bremsung und Geschwindigkeit die Drop-out-Rate durch einen geringeren Adaptionsbedarf verringern. Erste Lösungsansätze hierzu können bereits aufgezeigt werden. Für zukünftige experimentelle Verkehrssicherheitsstudien ist es erforderlich, dass zunächst eine systematische Validierung durch Vergleiche mit Realfahrten erfolgt.
346
Um die Entwicklung von Fahrzeugen mit alternativem Antrieb in Deutschland beurteilen zu können, initiierte die Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) im Auftrag des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) schon im Jahr 2010 die Einrichtung einer langfristigen Beobachtung des Fahrzeugmarktes und des Unfallgeschehens von Fahrzeugen mit alternativen Antriebsarten mit dem Ziel, die tatsächliche Umsetzung des technologischen Fortschritts in marktgängige Produkte zu verfolgen, frühzeitig Kenntnis über die Bestandsentwicklung zu erhalten sowie mögliche Fehlentwicklungen – insbesondere mit Blick auf die Verkehrssicherheit – zu identifizieren. Vor allem die Betrachtung des letzten Punktes soll die Möglichkeit schaffen, Vorschläge für eine sinnvolle Steuerung der Entwicklung leisten zu können. Der Bestand an Pkw mit alternativem Antrieb stieg von rund 900.000 Fahrzeugen im Jahr 2019 auf rund 1,74 Millionen Pkw im Jahr 2021 (ein Plus von 91 %). Die größte Gruppe stellen Hybridfahrzeuge mit mehr als 1.1 Millionen Pkw, dessen Bestand sich seit 2019 fast verdreifacht hat. Die Entwicklung des Plug-In-Hybrid-Bestandes ist noch deutlicher: im Zeitraum von 2019 bis 2021 stieg der Wert auf das 4-fache. Bei reinen Elektro-Pkw stieg der Bestand auf 300.083 Fahrzeuge im Jahre 2021. Lediglich der Bestand von Pkw, die mit Erdgas (CNG) oder Flüssiggas (LPG) fahren, ist rückläufig. In 2021 stellen sie nur noch 25 % aller Pkw mit alternativem Antrieb. Der bisherige Trend setzt sich bei allen alternativen Antriebsarten auch im Jahr 2022 fort. der Bestand von Pkw mit alternativem Antrieb lag im Jahr 2022 schon bei 2,70 Millionen Fahrzeugen. Im Januar 2022 wurden bereits 618.460 Pkw mit reinem Elektroantrieb registriert; eine Verdopplung gegenüber 2021.
345
Das Forschungsprojekt FE87.0015/2019 „Analyse des Leistungsniveaus im Rettungsdienst für die Jahre 2020 und 2021“ beinhaltet die bundesweite Erhebung und Auswertung von rettungsdienstlichen Leistungsdaten in der Bundesrepublik Deutschland. Folgende Kernpunkte sind im Rahmen des Forschungsprojekts festgestellt worden: In der Bundesrepublik Deutschland sind im öffentlichen Rettungsdienst im Erhebungszeitraum 2020/21 jährlich rund 13,1 Mio. Einsätze bedient worden. Daraus entstanden rund 16,1 Mio. Einsatzfahrten. Von den Einsätzen entfallen rund 5,03 Mio. (38,3 %) in die Einsatzart Krankentransport und 8,09 Mio. Einsätze sind der Notfallrettung (61,7 %) zuzuordnen. Ein Notarzt wurde im Erhebungszeitraum in rund 2,19 Mio. Fällen pro Jahr alarmiert (16,7 %). Die Notfallrate der Einsätze pro Jahr und 1.000 Einwohner beträgt 97,3, die Krankentransportrate 60,5 und die Notarztrate 26,4. Von den Notfalleinsätzen sind 1,8 % als Verkehrsunfall deklariert, was einem Einsatzaufkommen von rund 134.000 pro Jahr entspricht. Dies entspricht einem Allzeittief und hat sich im Vergleich zur vergangenen Erhebung (Bezugsjahre 2016/17) nochmal verringert. Der größte Anteil am Notfallaufkommen ist durch den Einsatzanlass „sonstiger Notfall“ mit 70,1 %, gefolgt vom „internistischen Notfall“ mit 21,5 % und dem „sonstigen Unfall“ mit 6,3 %. Arbeitsunfälle machen 0,2 % des Notfallaufkommens aus. Für das gesamte Einsatzaufkommen wurden vornehmlich Rettungswagen (RTW) mit einem Anteil von 55,8 % eingesetzt. Darauf folgen Krankentransportwagen (KTW) mit 26,4 % sowie Notarzteinsatzfahrzeuge (NEF) mit 16,9 %. Rettungshubschrauber (RTH) sind im Erhebungszeitraum in 0,4 % aller Einsätze vertreten, was einem jährlichen Auf¬kommen von rund 66.800 Flügen entspricht. Bei Notfalleinsätzen ist nur ein geringer Unterschied des Einsatzaufkommens an Wochentagen (Montag bis Freitag) und an Wochenenden (Samstag und Sonntag) zu erkennen. Das durchschnittliche Einsatzaufkommen in der Notfallrettung in Deutschland liegt an einem mittleren Wochentag bei rund 22.500 Einsätzen sowie bei rund 21.500 Einsätzen an einem Samstag oder Sonntag. Im Krankentransport hingegen werden an Wochentagen im Durchschnitt 16.000 Einsätze pro Tag und an Wochenenden 8.200 Einsätze pro Tag bedient. Bei der Anfahrt zur Einsatzstelle wurde in rund 45,8 % der Einsätze das Sondersignal genutzt, was einem Gesamtaufkommen von 8,42 Mio. Einsatzfahrten mit Sondersignal pro Jahr im Erhebungszeitraum entspricht. Die mittlere Zeit zur Disposition und Alarmierung des Einsatzmittels betrug im Erhebungszeitraum 2,5 Minuten bei Einsätzen, die mit Sondersignal bedient wurden. Ohne die Nutzung von Sondersignal verlängerte sich die mittlere Dauer auf 3,8 Minuten. Zur Berechnung der Hilfsfrist werden nur Einsätze mit Sondersignal betrachtet. Hierbei markiert das zuerst eingetroffene geeignete Rettungsmittel die Hilfsfrist. Der Bundesdurchschnitt der mittleren Hilfsfrist im Erhebungszeitraum 2020/21 liegt bei 8,7 Minuten. 95 % aller Hilfsfrist-Einsätze werden in 16,2 Minuten erreicht. • Die mittlere Einsatzdauer der Notfalleinsätze liegt bei 74 Minuten, die mittlere Einsatzdauer der Krankentransporte liegt bei 81 Minuten. • Für den Zeitraum 2020/21 liegt der Anteil an Fehlfahrten bei ca. 2,5 %, was 0,4 Mio. Fehlfahrten pro Jahr in der Bundesrepublik Deutschland entspricht. • Für die Jahre 2020/21 beträgt die bundesweite mittlere Prähospitalzeit (Zeitraum vom Hilfeersuchen bis zum Erreichen des Krankenhauses) bezogen auf Notfalleinsätze 52,1 Minuten. 95 % der Notfallereignisse (95 %-Perzentil) erreichen innerhalb von 88,4 Minuten die Zielklinik. Bei Verkehrsunfällen ist die mittlere Prähospitalzeit mit 50,3 Minuten etwas kürzer. Das 95 %-Perzentil der Prähospitalzeit bei Verkehrsunfällen beträgt 84,6 Minuten.
344
Erhebung der Nutzungshäufigkeit von Smartphones durch Pkw-Fahrer, Radfahrer und Fußgänger 2022
(2024)
Der Stellenwert von Mobiltelefonen nimmt in der Bevölkerung stetig zu. Damit einher geht auch das Risiko der Nutzung von Mobiltelefonen im Straßenverkehr, welche die Verkehrssicherheit von Zufußgehenden, Radfahrenden und Pkw-Fahrenden negativ beeinflusst. Deshalb erscheint es essenziell, repräsentative Daten über die Mobiltelefonnutzung dieser Zielgruppen systematisch und kontinuierlich zu dokumentieren. Der vorliegende Bericht beschreibt die Vorgehensweise einer aktuellen Beobachtungsstudie und stellt die Ergebnisse als Basis für die zukünftige Fortschreibung dar.
Im Sommerhalbjahr 2022 wurden hierzu in 17 Erhebungsgemeinden in Deutschland Zufußgehende, Radfahrende und Pkw-Fahrende im Zeitraum von Montag bis Freitag jeweils zwischen 7:00 Uhr und 18:00 Uhr und am Samstag zwischen 9:00 Uhr und 15:30 Uhr hinsichtlich der Nutzung eines Mobiltelefons, im Sinne einer Punktprävalenz, beobachtet. Die Beobachtungsdaten wurden in Anlehnung an MiD2017-Befragungsdaten gewichtet.
Die gewichteten Beobachtungsdaten umfassen 68.819 Zufußgehende, 52.572 Radfahrende und 78.980 Pkw-Fahrende. Diese Daten wurden sowohl hinsichtlich differenzierter Smartphonenutzungsarten ausgewertet als auch aggregiert, zur aktiven und potenziellen Nutzung sowie zur Nutzungsbereitschaft, und zu einer Punktprävalenz der Smartphonenutzung. Dabei lassen sich folgende zentrale Befunde benennen:
• Zum Beobachtungszeitpunkt waren 15,3 % der Zufußgehenden aktiv oder potenziell mit ihrem Mobiltelefon beschäftigt oder hielten das Mobiltelefon lediglich in der Hand. 7,4 % der Zufußgehenden nutzten ihr Smartphone aktiv, 4,2 % haben es potenziell genutzt und 3,7 % zeigten eine Nutzungsbereitschaft. Als Prävalenz der Smartphonenutzung unter Zufußgehenden (aktive und potenzielle Nutzung) lässt sich ein Anteil von 11,6 % der Beobachteten berechnen.
• Unter den Radfahrenden waren zum Beobachtungszeitpunkt 11,7 % potenziell mit ihrem Mobiltelefon beschäftigt, nutzten das Mobiltelefon aktiv oder zeigten sich nutzungsbereit. Die aktive Nutzung eines Smartphones ließ sich bei 3,6 % der Beobachteten dokumentieren, eine potenzielle Nutzung bei 7,9 %. 0,2 % der beobachteten Radfahrerinnen und Radfahrer zeigten ihre Nutzungsbereitschaft durch das Halten des Smartphones in der Hand. Diese Summe der aktiven und potenziellen Nutzung sowie der Nutzungsbereitschaft entspricht unter Radfahrenden auch der Prävalenz ihrer Smartphonenutzung.
• Zum Beobachtungszeitpunkt haben sich 11,4 % der Pkw-Fahrenden aktiv oder potenziell mit ihrem Smartphone beschäftigt. Dieser Wert entspricht auch der Prävalenz ihrer Smartphonenutzung. 4,9 % der beobachteten Pkw-Fahrenden nutzten ihr Smartphone aktiv, 6,5 % wurde eine potenzielle Nutzung zugeschrieben.
Für jede der drei Verkehrsbeteiligungsarten konnte festgestellt werden, dass mehr als jede oder jeder zehnte Beobachtete das Smartphone aktiv oder zumindest potenziell (Kopfhörer tragen, sprechen oder Blick auf Mittelkonsole bzw. in den Schritt) genutzt hat.
Ein weiterer Befund, der über alle Verkehrsbeteiligungsarten verallgemeinert werden kann, ist die höhere beobachtete Smartphonenutzung von Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmern ohne Begleitperson. Besonders für die Smartphonenutzung im Pkw-Verkehr bietet sich die Ansprache und Sensibilisierung von Mitfahrenden für den Regelverstoß und die damit verbundene Ablenkung an.
Hinsichtlich der Wochentage zeigte sich für Zufußgehende der Donnerstag, für Rad- und Pkw-Fahrende der Dienstag als der Tag, an dem die höchste Smartphonenutzungsquote beobachtet werden konnte. Für alle Verkehrsbeteiligungsarten war die Smartphonenutzung am Samstag mit am geringsten. Dies wurde mit der an diesem Tag häufigeren Begleitung der beobachteten Zielpersonen in Verbindung gebracht. Der Befund der samstäglichen Besonderheit rechtfertigt ex post die Ausweitung der beobachteten Wochentage von der Kernwoche (Dienstag, Mittwoch, Donnerstag) auf sämtliche Werktage.
Im Tagesverlauf war die Prävalenz der Smartphonenutzung im Fuß- und im Radverkehr nachmittags am höchsten, im Pkw-Verkehr dagegen zu dieser Zeit am niedrigsten.
Für beobachtete Männer ließen sich durchweg bei allen Verkehrsbeteiligungsarten höhere Prävalenzen der Smartphonenutzung feststellen als für Frauen.
Ebenfalls bei allen Verkehrsbeteiligungsarten zeigten sich klare Altersunterschiede in der Smartphonenutzung. Während die jüngsten Beobachteten (bis unter 25 Jahre) deutlich am häufigsten ihr Mobiltelefon im Straßenverkehr nutzten, ließ sich dieses Verhalten unter den ältesten Probanden (über 65 Jahre) nur selten beobachten. Dies ist ein klarer Hinweis darauf, dass zukünftige Präventionsmaßnahmen zur Vermeidung einer Smartphonenutzung im Straßenverkehr sich primär an Jugendliche und junge Erwachsene richten sollten. In einer Lebenslaufbetrachtung hebt dieser Befund die Bedeutung der schulischen Mobilitäts- und Verkehrserziehung und der Fahrausbildung im Zuge des Fahrerlaubniserwerbs zur Prävention der Smartphonenutzung im Straßenverkehr hervor.
343
Kommunikationsmaßnahmen können zur Verbesserung der Radverkehrssicherheit im Kontext der Realisierung von infrastrukturellen Maßnahmen, wie beispielsweise bei Fahrbahnerneuerungen oder der Einrichtung einer Fahrradstraße, eingesetzt werden. Sie sind im Gegensatz zu den in den Gesetzen und Richtlinien festgelegten verkehrstechnischen und verkehrsrechtlichen Maßnahmen nicht rechtlich verankert. Sie können eingesetzt werden, um sowohl alle Verkehrsteilnehmenden im gleichen Maße zu adressieren als auch um einzelne Gruppen, wie beispielsweise Radfahrende, anzusprechen. Im Rahmen dieses Forschungsprojekts standen insbesondere lokal einsetzbare kommunikative Maßnahmen im Vordergrund, welche die Sicherheit von Radfahrenden gewährleisten sowie deren subjektives Sicherheitsempfinden erhöhen. Da in der Praxis derzeit kein umfassender Überblick über das Spektrum an lokalen Kommunikationsmaßnahmen sowie Handlungsempfehlungen für deren Einsatz vorhanden ist, bestand das primäre Ziel darin, bestehende Kommunikationsmaßnahmen systematisch zu erfassen und zu strukturieren. In die Gesamtübersicht wurden dabei sowohl Maßnahmen aufgenommen, die bereits im Kontext der Realisierung infrastruktureller Maßnahmen eingesetzt werden sowie weitere lokal eingesetzte Kommunikationsmaßnahmen aus anderen Anwendungsfeldern ohne bisherigen infrastrukturellen Bezug. Ein weiteres Ziel war, eine erste Abschätzung zur Wirksamkeit dieser Maßnahmen durchzuführen.
Kommunikationsmaßnahmen wurden zunächst auf Grundlage einer Literatur- und Internetrecherche zusammengetragen. Im Ergebnis ergab sich ein vielfältiges Spektrum. Für Kommunikationsmaßnahmen, die bisher (noch) keinen Bezug zur Realisierung infrastruktureller Maßnahmen aufweisen, wurden die potenziellen Einsatzmöglichkeiten im Zuge von Infrastrukturvorhaben aufgezeigt. Grundsätzlich konnte für alle entsprechenden Maßnahmen ein Potenzial herausgestellt werden. Zur Validierung und Erweiterung der Recherchearbeit wurden ergänzend Interviews mit ausgewählten Radverkehrsfachleuten durchgeführt. Je nach Realisierungsphase (Planung, Bau, Inbetriebnahme) des Infrastrukturvorhabens können unterschiedliche analoge (u. a. Schilder, Flyer, Bodenmarkierungen) und digitale Kommunikationsmaßnahmen (u. a. Online-Beteiligungsformate, soziale Medien, Rundfunk) eingesetzt werden.
Der Fokus dieses Projekts lag auf der Untersuchung von Kommunikationsmaßnahmen, durch die in den verschiedenen Realisierungsphasen auf das Infrastrukturvorhaben aufmerksam gemacht und eine Steigerung der Sicherheit für den Radverkehr erreicht werden könnte. Um erste Erkenntnisse zu den zwei genannten Zielen der zusammengetragenen Kommunikationsmaßnahmen zu erhalten, wurde mithilfe von weiteren Radverkehrsfachleuten im Rahmen einer Online-Befragung eine Einschätzung der Eignung vorgenommen. Für die Planungs- und Bauphase wurden insbesondere analoge und digitale Informations- und Beteiligungsmöglichkeiten als geeignet eingeschätzt, um auf anstehende Infrastrukturvorhaben aufmerksam zu machen. In der Bauphase wurde ebenfalls Maßnahmen eine hohe Eignung zugesprochen, die punktuell am Straßenrand eingesetzt werden könnten (z. B. Schilder, Plakate, Banner). Eine Erhöhung der Radverkehrssicherheit in der Bauphase könnte dagegen laut der Einschätzung der befragten Fachleute durch punktuelle (z. B. Bodenmarkierungen) oder durchgehende (z. B. sich wiederholende Bodenmarkierungen und durchgehende Farbmarkierungen der Radverkehrsinfrastruktur) Maßnahmen am Boden sowie durch punktuelle Maßnahmen am Straßenrand (s. o.) erreicht werden. Für die Phase der Inbetriebnahme stimmten die Einschätzungen in Hinblick auf das Erzeugen von Aufmerksamkeit auf Infrastrukturvorhaben sowie die Erhöhung der Sicherheit des Radverkehrs überein. Hier kam ebenfalls den drei zuvor genannten Maßnahmen die höchste Wertung zu.
In einem letzten Schritt wurden auf Grundlage der erzielten Forschungsergebnisse Ableitungen für die Praxis vorgenommen. Es konnte festgehalten werden, dass eine Kombination von Maßnahmen am Ort des Infrastrukturvorhabens sowie begleitenden Maßnahmen sinnvoll erscheint und, dass die Auswahl der Kommunikationsmaßnahmen maßgeblich von der Dauer und dem Umfang des jeweiligen infrastrukturellen Vorhabens abhängt. Weiterhin wurde ersichtlich, dass die geschätzte Wirksamkeit von Kommunikationsmaßnahmen stark von ihrer jeweiligen Ausgestaltung abhängt. Dabei sind insbesondere die Faktoren Größe und Standort, Kontrastwirkung und Farbgebung sowie der dargestellte Inhalt zu berücksichtigen. Abschließenden ist zu sagen, dass Bedarf an weiteren Forschungsarbeiten besteht. Dazu gehören insbesondere konkretisierende Untersuchungen zum Einsatz und zur Gestaltung der einzelnen Maßnahmen sowie darauf aufbauende praktische Handlungsempfehlungen für kommunale Vertreter.
342
Der demografische Wandel wird Deutschland sowie viele EU-Länder und Industriestaaten in den kommenden Jahren stark prägen. Neben wirtschaftlichen sowie finanziellen Auswirkungen des demografischen Wandels, wird auch verstärkt die Verkehrssicherheit älterer Menschen thematisiert. Grund ist die Wechselwirkung zwischen demografischem Wandel und zunehmender Mobilität älterer Verkehrsteilnehmer (SCHLAG, 2008).
Die Tätigkeit „Autofahren“ erfordert das Zusammenspiel mehrerer Teilfähigkeiten und die Interaktion sensorischer, kognitiver und motorischer Prozesse. Aus der Altersforschung ist bekannt, dass mit zunehmendem Alter verschiedene Fähigkeiten, welche auch für das Führen eines Kraftfahrzeuges entscheidend sind, alters- oder krankheitsbedingten Veränderungen unterliegen. So nehmen mit zunehmendem Alter funktionale, sensorische, kognitive und motorische Beeinträchtigungen zu, welche das sichere Führen eines Kraftfahrzeuges beeinflussen können.
Häufig wird aufgrund altersbedingter Veränderungen ein erhöhtes Unfallrisiko älterer Autofahrender angenommen. Eine solche defizitorientierte Betrachtung fördert den negativen Stereotyp des ältere Autofahrenden und vernachlässigt den Aspekt der Kompensation. Tatsächlich aber fehlen Daten, die einen direkten Zusammenhang zwischen bestehenden Defiziten und dem Unfallgeschehen aufzeigen.
Im vorliegenden Bericht wird daher auf Basis einer Literaturrecherche detailliert auf die altersbedingten Veränderungen im Bereich der Sensorik, Kognition und Motorik und deren Auswirkungen auf die Fahrkompetenz eingegangen als auch der Einfluss von Erkrankungen und Medikation sowie deren Einfluss auf die Fahrkompetenz erörtert, um aktuelle und zukünftige Problemfelder ableiten zu können. Auch Kompensationsmöglichkeiten werden beleuchtet.
Aus den Erkenntnissen einer umfangreichen Literaturrecherche wurden im nächsten Schritt relevante Hypothesen zu Ursachen und Wirkung im Bereich der Verkehrssicherheit entwickelt.
Die Prüfung der Hypothesen erfolgte im Anschluss anhand der Datenanalyse der German In-Depth Accident Study (GIDAS) sowie der speziellen Analysemethodik ACAS - Accident Causation Analysis System der Medizinischen Hochschule Hannover (OTTE et al., 2009) mit dem Ziel, vertiefende, aktuelle Erkenntnisse zu Unfallursachen sowie zu Unfallspezifika der Verkehrsteilnehmergruppe älterer Autofahrender zu gewinnen.
Hierbei ist anzumerken, dass ausschließlich Unfälle mit mindestens einer verletzten Person erfasst werden. Es sind also keine Aussagen bzgl. Unfälle mit „lediglich“ Sachschaden möglich.
Insgesamt zeigt sich auf der Grundlage der durchgeführten Unfallanalysen, dass ältere Pkw-Fahrende nicht generell eine Verkehrsteilnehmergruppe darstellen, von der ein Risiko für die Verkehrssicherheit sowohl für sich selbst und/oder andere ausgeht. Dennoch konnten die Ergebnisse auch einige Erkenntnisse bisheriger Studien zum Unfallgeschehen älterer Pkw-Fahrender stützen.
Ein zentraler Befund, welcher den Erwartungen bezüglich altersbedingter Veränderungen entspricht, ist ein erhöhter Anteil von Unfällen aufgrund alters- und krankheitsbedingter Einschränkungen (z. B. Demenz). So bestätigte die vertiefende Unfalldatenanalyse u. a., dass ältere Pkw-Fahrende häufiger aufgrund von Blendung durch Sonne bzw. andere Fahrzeuge sowie infolge einer Vielzahl bzw. Überzahl von Informationen (ACAS Code „komplexer Informationen“) verunglücken. Ältere Pkw-Fahrende scheinen zudem, den Annahmen entsprechend, häufiger aufgrund von Krankheit bzw. Medikation zu verunfallen als jüngere Pkw-Fahrende. Zudem werden auch bisherige Befunde, dass ältere Pkw-Fahrende häufiger aufgrund der Fehleinschätzung von Distanz sowie der Fehleinschätzung von Geschwindigkeit anderer Verkehrsteilnehmer verunfallen, bestätigt. Die Analyse von Unfallkategorien und Unfalltypen sowie von Unfällen an Kreuzungen und Einmündungen bestätigt die Ergebnisse bisheriger Studien (CLARKE et al., 2010; OXLEY et al., 2006; POTTGIEßER, 2012), wonach ältere Pkw-Fahrende häufiger an Knotenpunkten (Kreuzungen und Ein-mündungen) und hier vor allem beim Linksabbiegen verunglücken. Bestätigt werden konnte mit Hilfe der zugrundeliegenden Datenbasis der in der Literatur beschriebene „Frailty Bias“ (Verletzlichkeitsverzerrung) (OXLEY et al., 2006) nachdem mit steigendem Alter die Verletzungsschwere zunimmt. Häufig wird diskutiert, ob ältere Pkw-Fahrende vermehrt die Unfallverursacher im Straßenverkehr darstellen als Pkw-Fahrende unter 65 Jahren. Im Rahmen der vertiefenden Analysen, wurde auch dieser Frage nachgegangen.
Die zusammenfassende Analyse der Hauptschuld (größter Schuldanteil eines Beteiligten, wenn es mehrere Schuldige gab) sowie der Alleinschuld (nur ein Beteiligter trägt die Schuld dem Unfall) ergab, dass jüngere Pkw-Fahrende signifikant seltener die Schuld an einem Unfall tragen als ältere Pkw-Fahrende.
Im Abschluss des Berichts (Kapitel 7) erfolgt, basierend auf den Interpretationen der ausgewerteten Befunde, eine eingeschränkte maßnahmenbezogene Bewertung und Empfehlung für die Bereiche „Mensch“, „Umwelt“ und „Fahrzeugtechnik“. Aus den Erkenntnissen zu mobilitätsbezogenen und verkehrssicherheitsrelevanten Merkmalen älterer Pkw-Fahrender werden Modifikationen und Implikationen zu diesen Bereichen abgeleitet und thematisiert. Dabei wird auf Unterstützungspotentiale in den Bereichen Infrastruktur, Training und Fahrzeuggestaltung eingegangen, um die Verkehrssicherheit dieser stark anwachsenden Altersgruppe langfristig zu verbessern.
341
Das hier berichtete Projekt umfasst die Entwicklung einer Methodik zur Erhebung eines Key Performance Indicators (KPI) für das Fahren unter Alkoholeinfluss in Deutschland und die Durchführung der Ersterhebung dieses nationalen KPI. Angepasst an die gesetzlichen Rahmenbedingungen in Deutschland wird der KPI für Alkohol für diese Erhebung als der Prozentsatz der Fahrenden, die die für sie geltenden gesetzlichen Grenzwerte für die Blutalkoholkonzentration (BAK) einhalten, definiert:
„Anteil der Fahrenden innerhalb des gesetzlich zugelassenen Grenzwertes für die Blutalkoholkonzentration (BAK) – in Deutschland < 0,5 ‰.“ Von diesem Grenzwert ausgenommen sind Fahranfänger, für die in der Probezeit und vor Vollendung des 21. Lebensjahres eine BAK von 0,0 ‰ gilt.
Für Deutschland erweist sich die Erhebung von Selbstreports im Rahmen einer Befragung als Best Practice für die Erhebung des KPI für Alkohol. Die Grundgesamtheit für die durchgeführte Befragungsstudie bilden Personen ab 18 Jahren, die in den letzten 30 Tagen vor der Studie als Fahrerin oder Fahrer mit einem Auto bzw. einem motorisierten Zweirad gefahren sind. Für die Rekrutierung der Befragten wurde auf ein Online Access Panel zurückgegriffen. Die Hauptstudie war vom 10. bis 26. November 2021 im Feld. Der finale Datensatz umfasst n = 4.730 Befragte. Die Befragungsdaten wurden hinsichtlich Geschlecht, Alter, Bundesland und Bildungsabschluss gewichtet, auf Basis von Personen ab 18 Jahren, die im Besitz einer Fahrerlaubnis sind.
• Periodenprävalenz
Für den Zeitraum der letzten 30 Tage haben 86,5 % der Pkw-Fahrerinnen und Fahrer keinen Alkohol vor einer Fahrt konsumiert. Zudem halten 96,4 % für diesen Zeitraum fest, die gesetzlich geltende BAK-Grenze nicht überschritten zu haben.
Im gleichen Zeitraum wird von 88,5 % der motorisierten Zweiradfahrerinnen und fahrer keine Fahrt unter Alkoholeinfluss berichtet, und 92,7 % haben den gesetzlich zulässigen Grenzwert der BAK nicht überschritten.
• Fahrtenbasierte Prävalenz
Für eine zufällig ausgewählte Fahrt mit dem Pkw in den letzten sieben Tagen geben 0,7 % der Fahrerinnen und Fahrer an, davor Alkohol getrunken zu haben. Von diesen Befragten schätzen 42,9 %, dass ihre BAK dabei über der gesetzlich geltenden Grenze gelegen hat. Dies sind 0,3 % aller Pkw-Fahrenden mit einer Fahrt in den letzten sieben Tagen. Für diese Personen wird zudem festgehalten, dass sie zu 46,5 % vor mindestens einer weiteren Fahrt in den letzten sieben Tagen Alkohol getrunken haben. Die Nachfrage nach anderen Fahrten in den vergangenen sieben Tagen mit Alkoholkonsum ergibt einen Anteil von weiteren 5,7 % der Pkw-Fahrenden, die vor einer Fahrt in den letzten sieben Tagen Alkohol konsumiert haben.
Für eine zufällig ausgewählte Fahrt in den letzten sieben Tagen haben 3,5 % der Kraftradfahrenden angegeben, Alkohol getrunken zu haben. 23,3 % dieser Personen schätzen, dabei die geltende BAK-Grenze überschritten zu haben. Diese Personen machen einen Anteil von 0,9 % an allen motorisierten Zweiradfahrenden mit einer Fahrt in den letzten sieben Tagen aus. Zudem wird in den Befunden für 76,5 % dieser Kraftradfahrerinnen und fahrer festgehalten, dass sie auch vor weiteren Fahrten in den vergangenen sieben Tagen Alkohol getrunken haben. Im Nachfassen werden zudem 7,3 % der motorisierten Zweiradfahrerinnen und fahrer dokumentiert, die vor der zufällig ausgewählten Fahrt keinen Alkoholkonsum angegeben, vor mindestens einer anderen Fahrt in den letzten sieben Tagen jedoch Alkohol getrunken haben.
• Fahrtenspezifische Ergebnisse
Den erhobenen zufälligen und nachgefragten Fahrten unter Alkoholeinfluss wurden Fahrten gegenübergestellt und hinsichtlich Alter, Geschlecht und Fahranfängerstatus bivariat ausgewertet, die nicht unter Alkoholeinfluss absolviert und ausschließlich über die Zufallsauswahl einer Fahrt in den letzten sieben Tagen erfasst wurden.
Einschätzungen zu gesetzlichen Regelungen zum Fahren unter Alkoholeinfluss und zur Nutzung von Social Media-Kanälen runden das Fragenprogramm ab.
• Key Performance Indicator Alkohol
In Deutschland liegt der Prozentsatz der Fahrer von Personenkraftwagen und motorisierten Zweirädern, die den gesetzlichen Grenzwert für die BAK nicht überschreiten, laut der Erhebung dieser Studie bei 99,6 %. Dieser KPI für Alkohol bedeutet, dass nach den Ergebnissen der Befragung nur ein sehr geringer Anteil der Fahrer gegen die gesetzlichen Vorschriften verstößt. Der KPI für Alkohol liegt für männliche Fahrer von Pkw und motorisierten Zweirädern bei 99,5 % und für weibliche Fahrer bei 99,6 %.
Ausschließlich für Pkw-Fahrende berechnet sich ein KPI für Alkohol von 99,7 %. Unter den Subindikatoren wird deutlich, dass Männer, junge Fahrende sowie Fahranfängerinnen und Fahranfänger einen geringeren Anteil an Fahrenden innerhalb der gesetzlich erlaubten BAK-Grenze aufweisen als ihre jeweiligen Pendants.
Der KPI für Fahrende eines motorisierten Zweirads beträgt 98,0 % und ist damit sichtlich geringer als der KPI für Alkohol für Pkw-Fahrende. Bei den Kraftradfahrenden liegt der KPI für Alkohol für Frauen (96,5 %) unter jenem der Männer (98,8 %). Zudem machen die jungen Fahrerinnen und Fahrer motorisierter Zweiräder mit einem KPI für Alkohol von lediglich 87,5 % auf sich aufmerksam.
• Limitationen der Studie und Fazit
Ein Vergleich der Befragungsdaten mit Daten aus polizeilichen Alkoholkontrollen deckt Parallelen und Unterschiede auf. Limitationen der Befragungsstudie werden diskutiert und ein Fazit der Studie wird gezogen.
340
Die Unfallfolgenschwere von Verkehrsunfällen wird in der Regel in Form der akut beurteilbaren Verletzungen sowie des Sachschadens bemessen. Die Erfassung medizinischer und psychologischer Langzeitfolgen findet bislang hingegen kaum Berücksichtigung, obwohl sie aus humanitärer Sicht, aber auch zur Verbesserung von Kosten-Nutzen-Analysen von Bedeutung ist.
In dem vorliegenden Projekt wurde eine Erhebungsstrategie zur Erfassung medizinischer und psychologischer Langzeitfolgen im Rahmen vertiefter Unfallanalysen (GIDAS 4.0) entwickelt und erprobt. Es wurden Erhebungsinstrumente für die systematische Erfassung von Langzeitfolgen (z. B. Posttraumatische Belastungsstörung, Schmerzen) und relevante Prädiktoren (z. B. soziale Unterstützung) eruiert und Empfehlungen für deren praktischen Einsatz in der Datenerhebung (z. B. Messzeitpunkte) erarbeitet. Das Erhebungskonzept wurde auf Basis einer Literaturanalyse, der systematischen Aufbereitung der bisherigen Erfahrungen zur Langzeitfolgenerhebung der MHH Unfallforschung sowie pilotierenden Untersuchungen entwickelt.
Das Langzeitfolgenerhebungsdesign für GIDAS sieht vor, den medizinischen und psychologischen Gesundheitszustand sowie weiterführende Informationen aller Unfallbeteiligten in der repräsentativen GIDAS-Stichprobe ca. zwei Wochen nach dem Unfall (Zeitpunkt T1) sowie ca. neun Monate danach (T2) zu erfassen. Im Rahmen der T1-Erhebung wird zudem retrospektiv der Gesundheitszustand vor dem Unfall (T0) erhoben. Die T2-Erhebung wird als Screeninginstrument genutzt, um für weitere Befragungen nur noch unfallbeteiligte Personen mit Langzeitfolgen einzuschließen. Für die detaillierte Analyse der Langzeitfolgen sind 6 weitere Befragungszeitpunkte vorgesehen, um einen Zeitraum von bis zu 10 Jahren nach dem Unfall abzudecken.
Mit dem vorliegenden Konzept für die strukturierte Erfassung von Langzeitfolgen im Rahmen von GIDAS ist eine Grundlage geschaffen, um die Art und das Auftreten von Langzeitfolgen in Abhängigkeit von verschiedenen Einflussfaktoren in einer repräsentativen Stichprobe von Verkehrsunfällen mit Verletzten zu erheben und Details zu Langzeitfolgen in einem Beobachtungszeitraum von bis zu 10 Jahren nach dem Unfall für unfallbeteiligte Personen mit Langzeitfolgen zu erfassen.
339
Aufgabe der Studie war es, die Ausstattung der Pkw in Deutschland mit Fahrzeugsicherheitssystemen umfassend zu erheben. Ab 2013 hat infas die Studie in Zusammenarbeit mit dem Institut für Kraftfahrzeuge (ika) regelmäßig im zweijährigen Abstand durchgeführt, um Veränderungen bei der Marktdurchdringung der Systeme festzustellen. 2021 wurden dazu 5.006 Haushalte zur Ausstattung eines ihnen zur Verfügung stehenden Fahrzeugs befragt.
Für die Befragung wurden insgesamt 61 Fahrzeugsicherheitssysteme ausgewählt. Die weiteste Verbreitung haben weiterhin passive Sicherheitssysteme wie Airbags. Sowohl Front als auch Seitenairbags gehören zur Standardausstattung in allen Fahrzeugsegmenten. Gleiches gilt mittlerweile auch für Seat Belt Reminder und Gurtstraffer. Neuere passive Systeme, insbesondere zum Fußgängerschutz, sind dagegen überwiegend in neueren Modellen der oberen Mittel und Oberklasse vorhanden. Zur Fahrzeugausstattung gehören gleichzeitig aktive Systeme, die Risiken vermeiden oder auch einzelne Fahraufgaben übernehmen. Die häufigsten Vertreter aus dieser Gruppe sind Bremsassistent, ESP und Tempomat. Bereits 90 Prozent der Fahrzeuge sind mit ESP ausgestattet, das seit 2011 gesetzlich vorgeschrieben ist. Auch die Tagfahrleuchte ist aufgrund einer EURichtlinie bereits in 61 Prozent aller Fahrzeuge verbaut und wird in Zukunft eine volle Marktdurchdringung erreichen. Zu den neueren Entwicklungen gehören teilautomatisierte Systeme, wie der Überhol und Autobahnassistent, die bereits dem Automatisierungslevel 2 der Norm SAE J3016 entsprechen. Diese sind aufgrund der teuren und aufwendigen Technik jedoch bislang nur bei einem kleinen Teil der Geländewagen/SUV sowie der oberen Mittel und Oberklasse zu finden.
In den letzten Jahren nimmt besonders die Ausstattung im Segment SUV stark zu, sodass Fahrzeuge dieses Segments inzwischen bei einigen Systemen besser ausgestattet sind als Fahrzeuge der oberen Mittel und Oberklasse. Dies hängt auch mit der stetig wachsenden Anzahl der Neuzulassungen in diesem Bereich zusammen. Die Anzahl der Sicherheitssysteme nimmt mit der jährlichen Fahrleistung und der Nutzungshäufigkeit ebenso zu wie bei jüngeren Fahrzeugen und Dienstwagen. Betrachtet man die Ausstattungsraten nach Fahrzeugsegmenten zeigt sich ein Muster: Sind Systeme insgesamt selten, unterscheiden sich die Anteile innerhalb der verschiedenen Fahrzeugsegmente teilweise erheblich.
338
Das Forschungsprojekt hat untersucht, welche Geschäftsmodelle von und welche Kooperationsformen mit Social Media Influencer:innen (SMI) sich für die Verkehrssicherheitsarbeit eignen. Aufbauend auf vorherigen Forschungsprojekten der BASt und einer strukturierten Literaturanalyse internationaler, peer-reviewter Literatur wurde der derzeitige Kenntnisstand zu Geschäftsmodellen und Formen der Kooperation aufgearbeitet. Als zentrale Themenaspekte wurden im Bereich der Geschäftsmodelle die Produktion von Inhalten und der Online-Persona, Interaktion, Distributionsplanung und Wahl des Erlösmodells ausgemacht. Kooperationen können je nach SMI und Kampagnenzielen in Tiefe, Umfang und Dauer variieren. Verschiedene Faktoren beeinflussen die Durchführung maßgeblich, u.a. das Briefing, die Qualitätskontrolle während der Kooperation und die Messung des Erfolgs. Die Erkenntnisse wurden dann durch Interviews mit Branchenexpert:innen verschiedener Akteursgruppen (Auftraggeber aus dem Non-Profit-Bereich, SMI, SMI-Agenturen) mit Blick auf die Anforderungen der Verkehrssicherheitskommunikation präzisiert und um einen Praxisblick erweitert. Den Abschluss des Forschungsprojekts bildete ein Co-Creation-Workshop mit Vertreter:innen aller relevanten Stakeholder-Gruppen, der weitergehende Ansätze in der Kooperation von Verkehrssicherheitsträgern und SMIs entwickelte. Abschließend lassen sich mehrere Handlungsempfehlungen für Träger der Verkehrssicherheitsarbeit für die Kooperation mit SMIs ableiten, u.a. hinsichtlich der Ausgestaltung von Incentivierungen der SMIs und der begrenzten Rolle eines Reputationstransfers, der Bedeutsamkeit von einer reibungslosen Ausgestaltung der Kooperation, dem Hinweis auf höhere Aufwendungen bei der Auswahl bei Non-Profit-Kampagnen, der Relevanz langfristiger Influencer Relations, der Rolle von Agenturen als Mittler und schließlich der Anforderungen mit Blick auf Corporate Influencing. Schließlich wurden weitere Forschungsbedarfe skizziert.
337
Die Gewährleistung einer nachhaltigen und sicheren Mobilität für alle Verkehrsteilnehmer ist eine wichtige gesellschaftspolitische Aufgabe. Studien in der virtuellen Realität (kurz: VR) haben sich in den vergangenen Jahren als Instrument der experimentellen Verkehrsforschung etabliert. Als Voraussetzung für die Aussagekraft ihrer Ergebnisse gilt die Realitätsnähe oder Immersion der virtuellen Erfahrung. Hier versprechen VR-Brillen ein immersiveres Erleben der virtuellen Welt als klassische bildschirm- oder projektionsbasierte Simulatoren. Im Verbund mit zusätzlichen VR-Komponenten ermöglichen sie es, sich durch virtuelle Welten zu bewegen und mit (virtuellen) Objekten und Personen zu interagieren.
Es stellt sich jedoch die Frage, welche Zusammenstellung der oftmals für unterhaltungsbezogene Zwecke entwickelten VR-Komponenten sich für den Einsatz als Forschungsinstrument bestmöglich eignet. Insbesondere zur Untersuchung von Fußgängerverhalten wäre ein valides Forschungsinstrument von Nutzen, wie es der bereits etablierte klassische Fahrsimulator zur Untersuchung des Fahrverhaltens von Pkw-Fahrern ist.
Ziel des vorliegenden Projekts war daher, die Anforderungen an ein VR-System (d. h. an den Verbund von VR-Komponenten), zur Untersuchung von Fußgängerverhalten zu definieren und konkrete Empfehlungen zum Aufbau eines brillenbasierten VR-Systems zur Untersuchung der Fußgängersicherheit und -mobilität zu geben. In einer Literatur- und Marktübersicht wurde die Verbindung zwischen den Eigenschaften von VR-Komponenten (z. B. Displaymerkmale, Trackingmethoden u. a.) und der Erlebnisqualität der virtuellen Erfahrung aufgezeigt (z. B. Genauigkeit des Trackings, Realitätsnähe der visuellen Darstellung u. a.). Anschließend wurden zentrale Anforderungen an VR-Systeme, die in der verhaltenswissenschaftlichen Forschung eingesetzt werden sollen, definiert. Daraus entstand ein Kriterienkatalog, der in sechs Dimensionen (Realitätsnähe, Beeinträchtigungsfreiheit, Datenverfügbarkeit und -güte, Verwendbarkeit für unterschiedliche Einsatzzwecke, Versuchsökonomie und (Daten-)Sicherheit) die Kernanforderungen an ein VR-System beschreibt. Auf Basis einer Literaturübersicht wurden die bislang mit VR-Systemen untersuchten Anwendungsfälle (bei Fußgängern v. a. Querungsszenarien auf begrenztem Raum) und deren technische Umsetzung beschrieben.
Zur Identifikation eines VR-Systems, das sich zur Untersuchung von Fußgängerverhalten auch in größeren virtuellen Welten eignet, wurden Interviews mit VR-Experten (N = 11) geführt. Anhand zweier Beispielszenarien skizzierten die Experten das aus ihrem Erfahrungshintergrund jeweils geeignetste VR-System und bewerteten, inwieweit es die eingangs definierten Kriterien erfüllt. Aus den Befragungsergebnissen lassen sich drei unterschiedliche Systemvarianten ableiten, die sich in ihren Merkmalsprofilen teils erheblich unterscheiden:
1) Ein autarkes, ortsungebunden einsetzbares und preisgünstiges System, das jedoch hinsichtlich der Genauigkeit des Systems und der visuellen Erlebnisqualität – insbesondere der Größe des Sichtfelds – hinter den beiden Alternativen zurückbleibt.
2) Ein laborgebundenes System, das im Gegensatz zu den beiden anderen Systemvarianten, die eine natürliche Fortbewegung ermöglichen, auf eine vermittelte Fortbewegung setzt, dafür jedoch den Platzbedarf auf normale Raumgröße begrenzt hält.
3) Ein High Fidelity-System, das die Natürlichkeit der Fortbewegung mit einer hohen visuellen Erlebnisqualität vereint, dafür jedoch auch nicht leicht zu realisieren ist (Platzbedarf, Kosten, Auf-wand).
Anhand einer Übersicht über zentrale Forschungsthemen im Bereich der Fußgängersicherheit und mobilität wurden die Einsatzmöglichkeiten dieser drei VR-Systeme erörtert. Auf Basis der vorliegenden Ergebnisse lässt sich die für den eigenen Einsatzzweck und die vorliegenden Rahmenbedingungen geeignete Systemvariante bestimmen. Abschließend werden mögliche Entwicklungen der kommenden Jahre im Bereich VR prognostiziert und die damit verbundenen Implikationen für die Ergebnisse des vorliegenden Projekts aufgezeigt.
336
Erste Querschnittsanalysen aus der Dortmund-Bonner-Längsschnittstudie (DoBoLSiS).
Es gibt verschiedene Personenmerkmale, die das Fahrverhalten und die Fahrfähigkeiten von Menschen beeinflussen können. Dazu gehören nicht nur Persönlichkeitseigenschaften und das Selbstbild einer Person, sondern auch perzeptive, motorische und kognitive Fähigkeiten, die persönliche Fahrgeschichte, Einstellungen, bewusst oder unbewusst eingesetzte Kompensationsstrategien und auch die objektive Lebenssituation einer Person. All diese Personenmerkmale können sich im Laufe des Lebens verändern und – je nach Art und Ausmaß – das Fahrverhalten und damit auch die Fahrtüchtigkeit und Fahrkompetenz beeinträchtigen.
Im Rahmen einer auf mehrere Jahre angelegten Längsschnittstudie wird untersucht, ob und wie sich diese verkehrssicherheitsrelevanten Personenmerkmale im höheren Lebensalter verändern und welchen Einfluss sie (und andere Faktoren) auf das Fahrverhalten und damit auch auf die individuelle und allgemeine Verkehrssicherheit haben können. Dazu wurden über 480 Personen im Alter von 67 bis 76 Jahren im Abstand von 12-15 Monaten bis zu vier Mal eingeladen, um eine Fahrt in einem Fahrsimulator zu absolvieren. Dabei wurden zu jedem Messzeitpunkt neurophysiologische Para-meter (EEG) erfasst und mittels Fragebogen und kognitiven Leistungstests verschiedene verkehrssicherheitsrelevante Merkmale erhoben.
Der vorliegende Bericht enthält erste Ergebnisse der querschnittlichen Auswertung der Daten, die an dem ersten Messzeitpunkt von den Probanden und Probandinnen erfasst wurden. Dazu gehören unter anderem mittels Fragebogen erhobene Persönlichkeitseigenschaften (Big Five), das Selbstbild, Kompensationsstrategien sowie Angaben zur objektiven Lebenssituation und demografische Daten. Mithilfe psychometrischer Tests wurden verschiedene kognitive Fähigkeiten wie die Sensomotorik, die Reaktionsfähigkeit, diverse Facetten der Aufmerksamkeit (u. a. geteilte Aufmerksamkeit, Ablenkbarkeit, Flexibilität) sowie die visuelle Suche und die Beobachtungsfähigkeit / Überblicksgewinnung in verkehrsrelevanten Umgebungen erfasst.
Das Fahrverhalten der Probanden und Probandinnen wurde auf einer eigens für diese Studie entwickelten Fahrstrecke mit durchschnittlichem bis gehobenem Anforderungscharakter im Fahrsimulator erfasst und anhand verschiedener Leistungsdimensionen ausgewertet, die sich an dem – auch für die Beurteilung der Fahrleistung im Realverkehr verwendeten – TRIP-Protokolls orientieren. Diese Leistungsdimensionen wurden in zwei sogenannte Zielvariablen überführt, von denen die erste verschiedene einzelne Parameter zu einem Risikoindex (Zielvariable I) zusammenfasst und eine zweite erhebliche Verstöße gegen die Straßenverkehrsordnung enthält (Zielvariable II), die von den Probanden und Probandinnen während der Fahrt begangen wurden.
Bei den ersten querschnittlichen Analysen dieser Daten, die verschiedene Verfahren wie Multiple Lineare Regression, Diskriminanzanalyse und Binär Logistische Regression umfassten, kristallisierte sich eine überschaubare Zahl von Variablen als Klassifikatoren bzw. Prädiktoren heraus. Hierbei handelte es sich vor allem um die Konstanz der Aufmerksamkeitsfokussierung, die Überblicksgewinnung sowie als Persönlichkeitsmerkmal emotionale Stabilität bzw. Labilität, die Selbstzuschreibung von Fahrkompetenz und letztlich auch Alter und Geschlecht. Dabei bewegt sich die aufgeklärte Varianz im niedrigen einstelligen Prozentbereich (3,2 % bis 7,5 %). Ob diese Variablen auch in den längsschnittlichen Analysen als stärkste Prädiktoren Bestand haben werden, bleibt abzuwarten. Denn im Alternsprozess kann sich die Vernetzungsstruktur der von uns untersuchten biopsychologischen Kompetenzen mit Verhaltensweisen und Einstellungen ändern. Dies kann durchaus Auswirkungen auf Fahrverhalten und Unfallrisiko haben, sodass dadurch auch die Regressions- und Diskriminanzmodelle des ersten Messzeitpunktes nicht konstant bleiben
335
Im Frühjahr 2020 beauftragte die Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) das Institut für Demoskopie Allensbach mit einer Resonanzanalyse zur Verkehrssicherheitskampagne „Runter vom Gas“ der Jahre 2017 bis 2020 sowie zur Fahrradhelmkampagne unter dem Slogan „Looks like shit. But saves my life“, über die im Jahr 2019 vor allem in den sozialen Medien im Internet zeitweise intensive diskutiert worden war. Die Resonanzanalyse besteht aus zwei Elementen: Erstens einer repräsentativen Bevölkerungsumfrage, für die in der Zeit zwischen dem 20. Juni und 3. August 2020 insgesamt 1305 Personen im Alter ab 16 Jahren mündlich-persönlich („face-to-face“) befragt wurden, zweitens einer Inhaltsanalyse der Berichterstattung über die Kampagnen in den traditionellen Massenmedien sowie der Reaktionen auf sie in den sozialen Medien.
Die Ergebnisse der Resonanzanalyse lassen sich wie folgt zusammenfassen:
Die Zahl der Kommentare auf der Facebook-Seite der Kampagne „Runter vom Gas“ hat sich von 2018 bis 2019 in etwa verdoppelt, Die Internetseite „Runter vom Gas“ wurde im Jahr 2019 deutlich mehr genutzt als im Vorjahr, aber nur wenig mehr als im Jahr 2017. Hier ist also kein großer Zuwachs zu verzeichnen.
Im Jahr 2019 gab es insgesamt 11.256 Beiträge in allen ausgewerteten Medienformaten und über alle Kampagnen und Aktivitäten von „Runter vom Gas“ hinweg. Dabei lag die Zahl der Fundstellen im März weit über den anderen Monaten. Die hohe Zahl von Clippings in dieser Zeit geht auf die Fahrradhelmkampagne im Zusammenhang mit der Fernsehausstrahlung von „Germany’s Next Topmodel“ zurück, die von etlichen Medien skandalisiert wurde. Die Vermutung, es habe in den sozialen Medien einen „Shitstorm“ gegeben als Reaktion auf die Auswahl des Models für die Fahrradhelmkampagne im Rahmen der Fernsehsendung „Germany’s Next Topmodel“, bestätigt sich jedoch nicht.
Die Resonanz auf die Plakataktion „Laufen lernen“ in den sozialen Medien war etwas niedriger als die Resonanz auf die Kampagne im Vorjahr, die von einer stärkeren Thematisierung in TV-Nachrichten und reichweitenstarken Online-.Medien profitiert hatte. In den traditionellen Medien wurde über die Kampagne deutlich weniger kontrovers berichtet als über die Fahrradhelmkampagne.
Die Kritik an der Kampagne von Behindertenrechtsaktivisten in den sozialen Medien schlug sich in der redaktionellen Berichterstattung erkennbar, aber nur bedingt nieder.
Die allgemeine Bekanntheit der Kampagne „Runter vom Gas“ bewegt sich seit dem Jahr 2008 auf einem stabilen Niveau. Rund zwei Drittel der Bevölkerung sagen, sie hätten schon von der Existenz einer solchen Kampagne gehört. Der Name der Kampagne „Runter vom Gas“ ist dagegen nur bei einer Minderheit der Bürger präsent.
Die Plakate am Rand von Autobahnen und Bundesstraßen sind das mit Abstand wichtigste Medium, mit dem die Botschaften der Kampagne „Runter vom Gas“ die Bürger erreichen. Erst mit großem Abstand folgen Plakaten in Städten und die klassischen Medien wie Fernsehen, Radio und Zeitungen. Auch das Internet spielt nach wie vor eine untergeordnete Rolle.
Die Motive der Plakatserien „Kopfkino“ und „Laufen lernen“ wurden von etwas mehr als der Hälfte der Bevölkerung wahrgenommen. Sie liegen damit im Mittelfeld der „Runter-Vom-Gas“- Kampagnen seit dem Jahr 2008.
Die Motive der Serie „Unfallhandy“ wurden von einem deutlich größeren Teil der Bevölkerung wahrgenommen als die Serien „Kopfkino“ und „Laufen lernen“. Die Motive dieser Serie profitierten offensichtlich von der besonders klaren, kontrastreichen Darstellung, die es ermöglichte, die Botschaft in Bruchteilen von Sekunden zu erfassen.
Die getesteten Motive der Fahrradhelmkampagne wurden durchaus von einem beträchtlichen Teil der Bevölkerung wahrgenommen. Die Gesamtreichweite lag etwa auf dem gleichen Niveau wie bei den etwas schwächeren „Runter vom Gas“-Motiven. Dabei schnitt das Motiv, das das Nachwuchsmodel Alicija zeigt, deutlich besser ab als das Vergleichsmotiv mit einem männlichen Darsteller. Beide Motive erreichten überproportional stark die junge Generation. Die in den sozialen Medien geführte Diskussion um die angeblich sexistische Darstellung des Models Alicija lief an der Bevölkerung fast vollständig vorbei.
Insgesamt kann man - abseits kurzfristiger Erregungen wie der Sexismus-Debatte um die Fahrradhelm-Kampagne – von einer alles in allem zurückhaltenden, vielleicht sogar verglichen mit dem Medientenor zu klassischen politischen Themen, eher wohlwollenden Berichterstattung über „Runter vom Gas“ und die Fahrradhelmkampagne sprechen.
Generell ist festzuhalten, dass die Wirkung von Aufklärungskampagnen wie der Fahrradhelmkampagne oder „Runter vom Gas“ vermutlich weniger in einer unmittelbaren Überzeugung derjenigen besteht, bei denen eine Verhaltensänderung angestrebt wird, als in dem Einfluss auf das allgemeine gesellschaftliche Klima.
334
Mit der vorliegenden Untersuchung knüpft die Bundesanstalt für Straßenwesen an die letzte Untersuchung zum Unfallgeschehen von Wohnmobilen aus dem Jahr 2012 an. Neben der Entwicklung der Anzahl der Unfälle von Wohnmobilen im Zeitraum 2010 bis 2020 wird auch die Struktur der Unfälle beleuchtet. Die charakteristischen Merkmale der beteiligten Fahrer der Wohnmobile und einige technische Merkmale wie z. B. die Motorisierung und das zulässige Gesamtgewicht werden ebenfalls untersucht. Weiterhin wird die im Unfallgeschehen kleine Gruppe der Pkw mit Wohnanhänger soweit möglich in die Untersuchung einbezogen. Diese beiden Gruppen werden der Gesamtgruppe der Pkw-Unfälle insgesamt (alle von der Polizei als Pkw codierten Fahrzeuge inklusive Wohnmobile (bis 2013) und Pkw mit Wohnanhänger) vergleichend gegenübergestellt.
Wohnmobile werden in der amtlichen Unfallstatistik unter dem Merkmal „Verkehrsbeteiligungsart“ nur zu rund 60 % codiert. Somit sind - im Rahmen der regelmäßigen Veröffentlichungen des Statistischen Bundesamtes – keine vollständigen Informationen zum Unfallgeschehen von Wohnmobilen verfügbar. Dennoch ist es möglich, über die vom Kraftfahrt-Bundesamt ergänzten fahrzeugtechnischen Angaben zum Kraftfahrzeug, deutsche Wohnmobile zu identifizieren und mit der vollen Merkmalsbreite des amtlichen Datenmaterials auszuwerten.
Mit einem Anteil von weniger als einem Prozent an allen Unfällen mit Personenschaden stellen Unfälle unter Beteiligung von Wohnmobilen keinen Schwerpunkt im Unfallgeschehen dar.
Im Jahr 2019 wurden 920 Unfälle mit Personenschaden registriert, an denen ein Wohnmobil beteiligt war. Das sind 24 % mehr als zu Beginn des Betrachtungszeitraums 2010 (n= 723). Im Vergleich dazu bewegen sich die Unfälle mit Personenschaden unter Beteiligung von Pkw insgesamt im gleichen Zeitraum auf gleichbleibendem Niveau. Bei Unfällen unter Beteiligung von Wohnmobilen wurden im Jahr 2019 insgesamt 12 Personen getötet und 265 Personen schwer verletzt. Darunter waren jedoch nur 2 getötete und 79 schwerverletzte Personen Insassen eines Wohnmobils; die übrigen Verunglückten wurden beim Unfallgegner registriert.
Gleichwohl zeigt die nach Fahrern und Mitfahrern differenzierte Betrachtung der Unfallschwere bei den Wohnmobilen Ansatzpunkte zur Verbesserung der Sicherheit. Im Mittel des Zeitraums 2010 bis 2019 weisen die Mitfahrer von Wohnmobilen eine deutlich erhöhte Unfallschwere im Vergleich zu den Fahrern auf. So liegt die Kenngröße „Schwere Personenschäden bezogen auf die Fahrer bzw. Mitfahrer“ bei den Mitfahrern bei 70 schweren Personenschäden je 1.000 Mitfahrer und bei den Fahrern bei 35 schweren Personenschäden je 1.000 Fahrer.
332
Ziel dieses Projekts ist es, den Einfluss einer Protanopie (Rotblindheit) auf die Erkennbarkeit des Bremssignals von roten Bremsleuchten auf Basis einer explorativen Probandenstudie zu ermitteln.
In der Studie wird modellhaft die Situation einer plötzlichen Bremsung mit 15 m Abstand zum vorausfahrenden Fahrzeug nachgebildet, was einer realitätsnahen innerstädtischen und potenziell kritischen Situation bei 50 km/h entspricht. Zur Sicherstellung der Übertragbarkeit der Erkenntnisse werden die lichttechnischen Randparameter der Bremsleuchten im Rahmen der gesetzlichen Regelungen möglichst kritisch hinsichtlich ihrer Wirkung auf das Sicherheitsrisiko gewählt.
In der Studie wird eine maßstabsgetreue Modellnachbildung eines Fahrzeughecks vor einem Fahrzeugsitz mit Pedalen und Lenkrad aufgestellt. Im Modell des Fahrzeughecks befinden sich konventionelle Heckleuchten eines aktuell zugelassenen Kraftfahrzeugs (Kfz) in einer Version mit Glühlampen- und in einer mit LED-Lichtquellen mit vergleichbarem Erscheinungsbild.
In der Studie werden vier Situationen in den möglichen Kombinationen aus einer Tag- bzw. Nachtsituation mit beiden Lichtquellentechnologien getestet. Pro Situation werden dem Probanden 20 unterschiedlich helle Bremsleuchtenniveaus zwischen 12 cd und 120 cd mit je zwei Wiederholungen in zufälliger Folge dargeboten. Als Maß zur lichttechnischen Bewertung wird der Lichtstärkekontrast zwischen dem dauerhaft dargebotenen Schlusslicht und dem jeweiligen Bremsleuchtenniveau herangezogen.
Die Untersuchung der Wahrnehmungsunterschiede von roten Bremsleuchten zwischen Protanopen und Normalsichtigen wird mit folgenden Nullhypothesen durchgeführt.
H0,1: Es gibt in Bezug auf die ermittelten Kontrastschwellen des Bremssignals von Bremsleuchten keinen Unterschied zwischen protanopen Probanden und Probanden mit normalem Sehvermögen.
H0,2: Die verwendeten Technologien von Glühlampe und LED zeigen keinen Unterschied in Bezug auf die Kontrastschwellen zwischen protanopen Probanden und Probanden mit normalem Farbsehvermögen.
H0,3: Bei separater Betrachtung von Glühlampe und LED gibt es jeweils keinen Unterschied der Reaktionszeit zwischen protanopen Probanden und Probanden mit normalem Farbsehvermögen.
Zur Prüfung der ersten Nullhypothese H0,1 wird die Erkennbarkeitsschwelle bei einer Wahrscheinlichkeit von 50 % und 80 % der einzelnen Kontraststufen bestimmt. Die Erkennbarkeitsschwelle ist für beide Probandengruppen unter Berücksichtigung der Streubreiten gleich, was zur Annahme der Nullhypothese H0,1 führt. Aus der UN-Regelung Nr. 7, die die gesetzlichen Anforderungen für Schluss- und Bremsleuchten festlegt, ergibt sich ein minimaler Kontrast zwischen Schluss- und Bremsleuchten von 4 bis zum Jahr 2010 und 2,5 seit 2010. Diese minimalen Kontraste wurden von beiden Gruppen sicher erkannt.
Die zweite Nullhypothese H0,2 klärt den Einfluss der relativen spektralen Verteilung der verwendeten Lichtquellentechnologie, hier Glühlampe bzw. LED, auf die Wahrnehmbarkeitsschwelle für Protanope. Die gemessenen Kontrastschwellen zeigen keine Unterschiede zwischen den Technologien. Der Einfluss der relativen spektralen Verteilung der untersuchten Technologie auf die Wahrnehmung kann ausgeschlossen werden und die Nullhypothese H0,2 ist ebenfalls angenommen.
Die dritte Nullhypothese H0,3 untersucht den Einfluss der Lichtquellentechnologie auf Basis der Betrachtung der Reaktionszeiten über den Kontraststufen. Eine Differenzierung zwischen den Probandengruppen ist auch hier nicht zu erkennen, sodass die dritte Nullhypothese H0,3 ebenfalls angenommen ist.
Anhand der in dieser Studie ermittelten Daten kann kein sicherheitsrelevanter Einfluss einer vorliegenden Protanopie auf die Wahrnehmung von Kfz-Bremsleuchten (UN-Regelung Nr. 7) im Straßenverkehr nachgewiesen werden. Es hat sich gezeigt, dass im beschriebenen Untersuchungssetting in Bezug auf die ermittelten Kontrastschwellen des Bremssignals kein Unterschied zwischen protanopen Personen und Personen mit normalem Sehvermögen belegbar ist.
Die Untersuchungsergebnisse bieten daher keine Grundlage für eine Änderung der derzeit geltenden gesetzlichen Regelungen der Fahrerlaubnis-Verordnung. Da es sich allerdings um eine Untersuchung unter Laborbedingungen handelt, ist eine di-rekte Übertragbarkeit in den realen Straßenverkehr aufgrund der dort vorliegenden Komplexität nicht ohne weiteres möglich. Soll die Übertragbarkeit dennoch hergestellt werden, werden die ermittelten Werte üblicherweise mit dem sogenannten Praxisfaktor multipliziert. Die Anwendung des Praxisfaktors führt in diesem Fall zu dem Schluss, dass die in der UN-Regelung Nr. 7 festgelegten Anforderungen an die Bremsleuchten für beide Probandengruppen nicht ausreichend sind, um ein rechtzeitiges Erkennen der Bremsleuchten zu gewährleisten. Aufgrund dieser Erkenntnis besteht weiterer Forschungsbedarf hinsichtlich der Neubewertung der Mindest- und Maximallichtstärken für Schluss- und Bremsleuchten respektive deren Kontrast zueinander.
333
Für die Kosten-Nutzen-Analyse von Investitionsprojekten bzw. Maßnahmen, die Einfluss auf die Verkehrssicherheit haben, sind wissenschaftlich valide und belastbare Werte zur Zahlungsbereitschaft der Bevölkerung für eine Erhöhung des Sicherheitsniveaus erforderlich. Zur Ermittlung dieser Werte werden sowohl im akademischen Bereich als auch in der Praxis zunehmend Stated-Choice (SC) Methoden genutzt. Dabei werden im Rahmen eines SC-Experiments den befragten Individuen verschiedene Alternativen vorgestellt, deren – für die von den Befragten zu treffende Auswahlentscheidung – relevanten Merkmale (Attribute) im Rahmen eines experimentellen Designs jeweils unterschiedliche Ausprägungsniveaus aufweisen. Ausgehend von der Annahme, dass die Befragten die Alternative mit dem für sie höheren Nutzen auswählen, offenbaren sie ihre Präferenzen und damit implizit auch ihre Zahlungsbereitschaften. Der SC-Ansatz ermöglicht durch die an das Experiment anschließende ökonometrische Modellierung eine indirekte Schätzung der Zahlungsbereitschaft für nicht vom Markt bewertete Güter (ORTÚZAR und WILLUMSEN, 2011).
Für Deutschland liegen mittlerweile die Ergebnisse zweier SC-Studien vor: So wurde von einem internationalen Konsortium für Belgien, Frankreich, die Niederlande und Deutschland ein Projekt zur Ermittlung der Zahlungsbereitschaft für Verkehrssicherheit auf der Basis von SC-Befragungen durchgeführt, an dem u. a. auch die BASt beteiligt war (Projekt VALOR–Value of Road Safety, im Folgenden zitiert als VALOR, 2021). Außerdem wurde im Auftrag der BASt eine Konzeptstudie und Piloterhebung zur Zahlungsbereitschaft für Verkehrssicher-heit in Deutschland (FE 82.0689/2017, im Folgenden zitiert als OBERMEYER et al., 2020) durchgeführt. Im vorliegenden Bericht wird das internationale Projekt VALOR einer Prüfung der verwendeten Methodik und der erhaltenen Ergebnisse eischließlich ihrer Einordnung in den internationalen Wissensstand unterzogen und die Methodik sowie die ermittelten Werte für Deutschland mit denen von OBERMEYER et al. (2020) verglichen.
Im Ergebnis dieser Analyse ist festzuhalten, dass beide Studien auf der Grundlage eines soliden wissenschaftlichen Konzeptes erarbeitet wurden, das dem internationalen State-of-the-Art sowohl des akademischen als auch des verkehrsplanerischen und verkehrspolitischen Bereichs entspricht. Aus den unterschiedlichen Zielsetzungen (einheitliche, länderübergreifende Methodik in VALOR, 2021 einerseits und Pilotstudie mit kleiner und verzerrter Stichprobe in OBERMEYER et al., 2020 anderseits) ergeben sich allerdings wesentliche Unterschiede hinsichtlich des Stichprobenumfangs und der Stichproben-Repräsentativität, des Fragebogen-Designs, insbesondere im Hinblick auf die verwendeten Werte, und daraus folgend der Ergebnisse für die Zahlungsbereitschaften. Aufgrund dieser Unterschiede entspricht keine der beiden Studien den Anforderungen einer umfassenden und repräsentativen Zahlungsbereitschafts-Studie für Deutschland.
Als Fazit ist zu konstatieren, dass beide Studien zwar wertvolle Erkenntnisse liefern, die quantitativen Ergebnisse jedoch nicht geeignet sind, in die Unfallkostenrechnung der BASt und in die deutsche Kosten-Nutzen-Analyse des BVWP übernommen zu werden. Aus wissenschaftlicher und praktischer Sicht ist deshalb zu empfehlen, die vorliegenden Erkenntnisse zu nutzen und in eine umfassende deutsche Studie zur Zahlungsbereitschaft für Verkehrssicherheit einfließen zu lassen. Die wohl wichtigste Erkenntnis, die sich hierzu aus dem Vergleich der beiden Studien ableiten lässt, ist die Bedeutung der Realitätsnähe des SC-Experiments für die ermittelten Parameterschätzer des Modells und die daraus abgeleitete Zahlungsbereitschaft. Die in VALOR (2021) präsentierte hypothetische Fahrt mit der dort vorgegebenen Streckenlänge, den gewählten Referenzwerten und Priors zur Ermittlung der Variation in den Experimenten spiegelt die deutsche Realität nicht adäquat wider. Die Referenzwerte sollten durch Angaben der Befragten zur letzten Fahrt sowie realitätsnahe Werte ersetzt werden.
Weitergehende Überlegungen sollten zur Präsentation des Unfallrisikos (absolut versus relativ), zur Wahl der Straßenart (Untersuchung für eine weniger sichere Infrastruktur wie z. B. die Landstraßen), zur erforderlichen Differenzierung der Schadensarten sowie zur Berücksichtigung einer Null-Option im Experiment angestellt werden. Beide Studien haben zudem gezeigt, dass eine sorgfältige Prüfung des Umgangs mit als nicht konsistent angesehenen und lexikografischen Antworten erforderlich ist. Keine der beiden Studien hatte die Ermittlung des VSL von Nicht-Autofahrern zum Ziel. Ebenso wurden Externalitäten wie das Leid von Angehörigen und Freunden, aber auch Unterschiede in der Risikobewertung beim Alleinfahren und dem Fahren mit Beifahrer, womöglich Kindern und Enkelkindern bislang nicht untersucht. Hier besteht generell, nicht nur in Deutschland, Forschungsbedarf.
331
Ziel des vorliegenden Projektes war die Entwicklung eines computerbasierten Trainings, das gewinnbringend in der Fahranfängervorbereitung eingesetzt werden kann sowie der empirische Wirksamkeitsnachweis dieser Lernanwendung.
Entwickelt und evaluiert wurde ein multimediales Lernangebot, das den Erwerb sicherheitsrelevanter Fahrkompetenzen unterstützen sollte. Im Fokus stand die Vermittlung von Teilkompetenzen, die bei Fahranfängern noch weniger gut entwickelt und daher unfallrelevant sein können. In diesem Zusammenhang erschien die Förderung von Gefahrenwahrnehmung und damit verbunden Teilfertigkeiten geeignet.
Die Erstellung der Lernanwendung erfolgte unter Berücksichtigung allgemein geltender Gestaltungsrichtlinien für multimediales Lehr-Lernmaterial. Zur Veranschaulichung kritischer Verkehrsszenen wurden dynamische Visualisierungen (Computeranimationen) eingesetzt. Konzeptionell basiert die entwickelte Lernanwendung auf einem Instruktionsdesignmodell, das explizit auf die Förderung komplexer Fertigkeiten ausgerichtet ist, dem Four-Component Instructional Design (4C/ID)-Modell.
Neben authentischen Lernaufgaben sowie Teilübungsaufgaben postuliert das 4C/ID-Modell Unterstützende und Prozedurale Lerninformationen als unverzichtbare Komponenten von Lernumgebungen zur Förderung komplexer Fertigkeiten. In zwei Studien wurden daher zunächst geeignete Lernszenarien zur Vermittlung von Gefahrenwahrnehmung identifiziert sowie einerseits überprüft, ob Unterstützende und Prozedurale Zusatzinformationen für den Erwerb von Gefahrenwahrnehmungsfähigkeiten notwendig sind und anderseits, wie diese Zusatzinformationen gestaltet sein sollten, um diese Kompetenzen optimal zu fördern.
Die Überprüfung der Lernwirksamkeit einer adaptiven sowie einer non-adaptiven Variante des entwickelten multimedialen Trainings erfolgte im Rahmen einer dritten Studie, in der u. a. verhaltensnahe Maße wie die Geschwindigkeitsregulierung im Fahrsimulator erfasst wurden.
330
Die Fahrausbildung fungiert als ein zentraler Bezugspunkt für alle anderen Maßnahmen der Fahranfängervorbereitung: Von ihr müssen die Impulse, die fachliche Orientierung und die Koordination für die Weiterentwicklung des Gesamtsystems der Fahranfängervorbereitung ausgehen. Die derzeitige Fahrausbildung kann diesem hohen Anspruch jedoch noch nicht gerecht werden. Ihr fehlen sowohl wichtige pädagogisch-psychologische Steuerungsinstrumente (z. B. Kompetenzrahmen inklusive Mindest-Ausbildungsinhalte, Ausbildungsplan, Evaluationskonzept) zur eigenen Qualitätssicherung als auch fachlich-strukturelle Voraussetzungen für die Realisierung von Aktivitäten zu ihrer Weiterentwicklung im Rahmen des Gesamtsystems der Fahranfängervorbereitung (z. B. eine Fachkommission).
Zur Behebung der genannten Defizite wurde im vorliegenden Projekt ein Konzept für die Optimierung der Fahrausbildung zum Erwerb einer Fahrerlaubnis der Klasse B erarbeitet. Den Kern dieses Konzepts bilden ein Kompetenzrahmen und ein Ausbildungsplan. Im Kompetenzrahmen wurden sowohl die für den Erwerb von Fahr- und Verkehrskompetenz erforderlichen Kompetenzen als auch die zugehörigen Kompetenzstandards und Mindest-Ausbildungsinhalte nach aktuellen wissenschaftlichen Maßstäben festgelegt. Auf dieser Grundlage wurden dann im Ausbildungsplan die zum Erwerb der Kompetenzen zu vermittelnden Mindest-Ausbildungsinhalte den verschiedenen Lehr-Lernformen (Selbständiges Theorielernen, Theorieunterricht, Fahrpraktische Ausbildung) unter inhaltlichen, pädagogisch-psychologischen und fachdidaktischen Gesichtspunkten zugeordnet und mit Blick auf den Lehr-Lernprozess zeitlich angeordnet. Darüber hinaus wurden im Rahmen des vorliegenden Projekts inhaltliche, methodische und mediale Gestaltungsempfehlungen für das Selbständige Theorielernen und den Theorieunterricht bereitgestellt. Schließlich wurden ein belastbarer Implementationsplan und ein geeignetes Evaluationskonzept beschrieben, mit dem die Lern- und Sicherheitswirksamkeit der optimierten Fahrausbildung noch in der Implementationsphase weiter erhöht (Formative Evaluation) und danach summarisch überprüft (Summative Evaluation) werden kann.
329
Das vorliegende Forschungsprojekt hat die Zielsetzung, eine breite Datengrundlage zur Nutzung von Mobiltelefonen durch Fahrradfahrende zu schaffen. Dabei soll zum einen die Nutzungshäufigkeit von Mobiltelefonen beim Radfahren ermittelt sowie vertiefende Erkenntnisse zu Nutzungsarten, Motiven und Merkmalen der Nutzer gewonnen werden, auf deren Basis sich Empfehlungen für die (zielgruppenspezifische) Gestaltung von Verkehrssicherheitsmaßnahmen für Radfahrende ableiten lassen. Zur Ermittlung dieser Aspekte wurden Beobachtungen im Straßenverkehr zur Mobiltelefonnutzung bei Fahrradfahrenden (N = 5.382), eine Online-Befragung (N = 2.844) sowie Interviews mit Radfahrenden im Straßenverkehr (N = 309) durchgeführt.
Jeder zehnte bis sechste Radfahrende – je nach Erhebungsmethode – nutzt das Mobiltelefon während der Fahrt. Bei den Nutzungsarten dominiert die passive Nutzung des Mobiltelefons wie v. a. das Musikhören. Die Häufigkeit von anderen Nutzungsarten, die sich allesamt als aktive Nutzung klassifizieren lassen, fällt in der Beobachtung zum Teil deutlich niedriger aus als in den Befragungen. Dies ist auf die Tatsache zurückzuführen, dass in einer Beobachtung eine Punktprävalenz erfasst wird, d. h. ob ein bestimmtes Verhalten genau zum Beobachtungszeitpunkt ausgeführt wurde. Demnach wurde insgesamt nur 1,3 % aktive Nutzung (manuelle Bedienung, telefonieren, blicken) beobachtet. Hingegen wird bei den Befragungen ein Verhalten innerhalb eines bestimmten Zeitraums erfragt (Periodenprävalenz) und die Nutzungsart kann differenzierter ermittelt werden. Hier liegt die angegebene Häufigkeit einer aktiven Mobiltelefonnutzung während des Fahrradfahrens deutlich höher: Vergleichsweise häufig wird es zum Navigieren genutzt oder ein Blick auf das Display geworfen. Das Mobiltelefon wird häufiger für schriftliche Kommunikation (Lesen und Schreiben von Nachrichten) genutzt als zum Telefonieren. Wird auf dem Fahrrad telefoniert, so werden Anrufe häufiger entgegengenommen als selbst getätigt.
Insbesondere männliche und jüngere Radfahrende nutzen das Mobiltelefon häufiger. Auch Überzeugungen und Einstellungen spielen eine Rolle für die Mobiltelefonnutzung beim Radfahren, wie etwa eine hohe Handlungskompetenzerwartung, eine starke Bindung an das Mobiltelefon und eine positive Einstellung zum Mobiltelefonieren beim Radfahren. Wenn das Mobiltelefon während des Radfahrens aktiv genutzt wird, so erfolgt dies überwiegend mit dem Telefon in der Hand. Lediglich zu Navigationszwecken wird mitunter eine Halterung verwendet. Vorrangig wird das Mobiltelefon beim Radfahren aktiv genutzt, um Informationen zu beschaffen oder Absprachen zu treffen, bei der Nutzung zum Musikhören dominieren dagegen die Motive Spaß und Gewohnheit. Viele Radfahrende wissen zwar, dass es eine rechtliche Regelung zur Mobiltelefonnutzung auf dem Fahrrad gibt, können diese jedoch nicht korrekt benennen. Generell passen Fahrradfahrende ihr Verhalten eigenen Angaben zufolge selten explizit an, um Beeinträchtigungen durch die Mobiltelefonbenutzung auszugleichen (kompensatorisches Verhalten). Wenn konkrete Verhaltensanpassungen erfolgen, fahren die Radfahrende langsamer, erhöhen den Abstand oder bemühen sich um eine höhere visuelle Aufmerksamkeit. Fahrfehler und kritische Situationen werden von Radfahrenden in einem nennenswerten Ausmaß berichtet, es können in dieser Studie aus methodischen Gründen jedoch keine eindeutigen Zusammenhänge zwischen der Mobiltelefonnutzung und dem Auftreten kritischer Situationen bzw. Fahrfehlern nachgewiesen werden.
Ansatzpunkte für Verkehrssicherheitsmaßnahmen werden generell in der Förderung regelkonformen und sicherheitszuträglichen Verhaltens von Fahrradfahrenden gesehen. Zum einen gilt es, die geltenden rechtlichen Regelungen besser bekannt zu machen und zum anderen, die Radfahrenden für die Gefahren der Smartphonenutzung zu sensibilisieren sowie Tipps zur legalen und sicheren Nutzung des Mobiltelefons an die Hand zu geben. Aufklärungs- und Informationsmaßnahmen sollten sowohl auf die Gesamtgruppe der Radfahrenden als auch auf bestimmte Subgruppen von Radfahrenden abzielen. Für eine spezifischere Adressierung würden vor allem jüngere und männliche Radfahrende in Frage kommen sowie Vielfahrende und Radfahrende, deren Einstellungen zur Mobiltelefonnutzung auf dem Fahrrad positiv sind.
7
328
Im Auftrag der Bundesanstalt für Straßenwesen wurde vom Bearbeiterteam KE-CONSULT Kurte& Esser GbR und studio next mobility Wittowsky Garde Groth GbR das 2017 in Kraft getretene Carsharinggesetz (CsgG) evaluiert. Die vorliegende Evaluation verwendet den Input-Output-Outcome-Impact- Ansatz (Input: CsgG, Output: Begleitungs- und Umsetzungsschritte in Bund, Bundesländern und Kommunen; Outcome: Wirkungen auf dem Carsharingmarkt; Impact: intendierte langfristige Wirkungen) und basiert auf einer Analyse der Literatur sowie eigenen empirischen Erhebungen bei den Bundesländern, den Kommunen und Kommunalverbänden, den Carsharinganbietern und den Verkehrsteilnehmern.
Das CsgG ist die Grundlage, Carsharingfahrzeuge zur Förderung des Carsharing zu bevorrechtigen. Dies betrifft die Erteilung von Sondernutzungserlaubnissen an öffentlichen Straßen an Anbieter von stationsbasierten Carsharingfahrzeugen sowie das Parken und das Erheben von Parkgebühren auf öffentlichen Straßen für stationsunabhängige und stationsabhängige Fahrzeuge. Damit stößt das CsgG eine Wirkungskette an, die über die Aktivitäten des Bundes, der Länder und der Kommunen den Carsharingmarkt stimulieren soll, was wiederum eine höhere Marktdurchdringung des Carsharing begünstigt und somit die mit dem Carsharing verbundenen Verkehrs- und Umweltwirkungen begünstigen kann.
Mit dem CsgG wurden vor allem Verkehrs- und Umweltziele verbunden, namentlich die Verringerung des motorisierten Individualverkehrs, die Vernetzung des Öffentlichen Personennahverkehrs, die Schließung der Lücke zwischen den Verkehrsmitteln des Umweltverbundes, der Ersatz privater Pkw und damit die Senkung des Pkw-Bestandes und die Entlastung des öffentlichen Raums, die erhöhte Marktdurchdringung mit neuen und umweltschonenden Antriebstechnologien, die Vereinfachung und Stärkung der Nutzung von Carsharing und die Förderung einer nachhaltigen Mobilität sowie die Verbesserung der Bedingungen für die Leistungsfähigkeit der Volkswirtschaft.
Die im Rahmen der Evaluation des CsgG durchgeführte Erfolgskontrolle kommt zu dem Ergebnis, dass zentrale Interventionsziele des CsgG und der damit einhergehenden weiteren gesetz- bzw. verordnungsgeberischen Aktivitäten auf Bundes- und Landesebene erreicht worden sind. Die positiven Wirkungen, die durch das CsgG auf Output-, Outcome- und Impact-Ebene ausgelöst werden, könnten durch ergänzende Maßnahmen perspektivisch noch verstärkt werden. Ein akuter Fortschreibungsbedarf wird derzeit jedoch nicht gesehen. Diesbezüglich wird empfohlen, die weitere Marktentwicklung abzuwarten. Auf Basis der Evaluationsergebnisse werden 12 Punkte auf 4 Handlungsebenen zur Verstetigung und Verstärkung vorgeschlagen.
326
Kinderunfallatlas 2015-2019
(2022)
Die dritte Ausgabe des Kinderunfallatlas hat die Zielsetzung, amtliche Unfalldaten von Kindern im Alter von 0-14 Jahren, die im Zeitraum 2015-2019 als Fußgänger, Radfahrer oder Pkw-Insassen verunglückt sind, zu analysieren. Dazu werden zentrale Unfall- und Mobilitätskenngrößen nach den Vergleichsebenen Bund, Bundesländer, Kreise/kreisfreie Städte und Gemeinden aufbereitet und kartografisch visualisiert. Die Ergebnisse sollen dazu dienen, Verkehrssicherheitsmaßnahmen gezielt zu entwickeln und umzusetzen.
Neben den Kenngrößen „Verunglücktenbelastung“ und „Veränderungsrate der Verunglücktenbelastung“ werden im aktuellen Kinderunfallatlas erstma¬lig auch regionalisierte Daten zur Verkehrsleistung und somit auch zur Verunglücktenrate berichtet. Als weitere grundlegende Neuerung wird den Gemeindeanalysen die Regionalstatistische Raumtypologie (RegioStaR 7) des BMVI von 2018 zugrunde gelegt. Auf Bundesländer- und Kreisebene erfolgt zudem eine Schwerpunktsetzung auf Kinderunfälle mit schwerem Personenschaden.
Die bundesweite Analyse ergibt für die Teilgruppe der getöteten und schwer verletzten Kinder folgende Verunglücktenbelastungswerte (VB) je 100.000 altersgleiche Einwohner (gewichtete Mittelwerte 2015-2019): Kinder als Fußgänger: VB = 14,7, als Radfahrer: VB = 10,4 und als Pkw-Insassen: VB = 11,6. Im Vergleich zum zweiten Kinderunfallatlas 2006-2010 reduziert sich die Verunglücktenbelastung bei Kindern als Fußgänger und Radfahrer um -24,6 % resp. -26,3 %, wohingegen sich bei Kindern als Pkw-Insassen eine Zunahme um +13,9 % zeigt. Die steigende Verkehrsleistung für Kinder als Mitfahrer des motorisierten Individualverkehrs (MIV) bei zugleich sinkender Fußgängerverkehrsleistung jüngerer Kinder könnte mit diesem Trend (ursächlich) im Zusammenhang stehen. Wichtige Einflussfaktoren auf die Verunglücktenzahlen wie Alter, Geschlecht, Jahreszeit, Wochentag und Tageszeit korrespondieren mit Expositionsdaten (Anzahl der Wege). Die Verkehrsleistung pro Kind und Tag beträgt im Bundesdurchschnitt 1,0 km zu Fuß, 1,1 km mit dem Fahrrad und 17,3 km als MIV-Mitfahrer.
Die Analysen auf Ebene der Bundesländer, Kreise/ kreisfreien Städte und Gemeinden lassen sich wie folgt zusammenfassen: Dicht besiedelte Gebiete weisen v. a. eine vergleichsweise hohe Verunglücktenbelastung für Kinder als Fußgänger auf, während in ländlichen Gegenden bzw. in kleinstädtischen Räumen die Verunglücktenbelastung für Kinder als Pkw-Insassen besonders hoch ist. Kinder als Radfahrer sind in zentralen Städten ländlicher Regionen am meisten gefährdet.
Die Verkehrsleistung für Kinder als Fußgänger ist in den Stadtstaaten sowie in kreisfreien Städten tendenziell höher als in den meisten Flächenländern bzw. Landkreisen; auch in vielen ostdeutschen Gebieten ist die Fußgängerverkehrsleistung hoch. Hohe Radfahrerverkehrsleistungen zeigen sich primär in der nördlichen Hälfte sowie im äußersten Süden Deutschlands. Als MIV-Insassen sind Kinder v. a. im Norden bzw. Nordosten Deutschlands sowie in Baden-Württemberg und Hessen viel unterwegs. Allerdings sind die Unterschiede der Verkehrsleistungen im Vergleich zu denen der Verunglücktenzahlen eher als gering einzustufen, so dass die Karten zur Verunglücktenbelastung und -rate bei vielen Kreisen kaum differieren.
Mögliche Ansatzpunkte für Verkehrssicherheitsmaßnahmen sind – neben den oben genannten räumlichen Unfallschwerpunkten – die Schulwegsicherung von Grundschülern als Fußgänger und von älteren Kindern als Radfahrer, die Etablierung von Radfahrtrainings für 10-14-Jährige sowie ggf. auch die gezielte Ansprache von Eltern, die selbständige Verkehrsteilnahme von Kindern zu fördern und nicht durch Pkw-Fahrten zu ersetzen.
327
Aufgabe der Studie war es, die Ausstattung der Pkw in Deutschland mit Fahrzeugsicherheitssystemen umfassend zu erheben. Nach 2013, 2015 und 2017 hat infas die Studie in Zusammenarbeit mit dem Institut für Kraftfahrzeuge (ika) 2019/2020 erneut durchgeführt, um Veränderungen bei der Marktdurchdringung der Systeme festzustellen. Dazu wurden 5.049 Haushalte zur Ausstattung eines ihnen zur Verfügung stehenden Fahrzeugs befragt.
Für die Befragung wurden insgesamt 62 Fahrzeugsicherheitssysteme ausgewählt. Die weiteste Verbreitung haben weiterhin passive Sicherheitssysteme wie Airbags. Sowohl Front- als auch Seitenairbags gehören zur Standardausstattung in allen Fahrzeugsegmenten. Gleiches gilt mittlerweile auch für Seat Belt Reminder und Gurtstraffer. Neuere passive Systeme, insbesondere zum Fußgängerschutz, sind dagegen überwiegend in neueren Modellen der oberen Mittel- und Oberklasse vorhanden. Zur Fahrzeugausstattung gehören gleichzeitig aktive Systeme, die Risiken vermeiden oder auch einzelne Fahraufgaben übernehmen. Die häufigsten Vertreter aus dieser Gruppe sind Bremsassistent, ESP und Tempomat. Bereits über 85 Prozent der Fahrzeuge sind mit ESP ausgestattet, das seit 2011 gesetzlich vorgeschrieben ist. Auch die Tagfahrleuchte ist aufgrund einer EU-Richtlinie bereits in mehr als der Hälfte aller Fahrzeuge verbaut und wird in Zukunft eine volle Marktdurchdringung erreichen. Zu den neueren Entwicklungen gehören Systeme, die bereits den Automatisierungslevel 1 (bzw. Level 2) der Norm SAE J3016 aufweisen, wie der erweiterte ACC oder der Lenkassistent. Diese sind aufgrund der teuren und aufwendigen Technik jedoch bislang nur bei einem kleinen Teil der oberen Mittel- und Oberklasse sowie in Geländewagen/SUV zu finden.
In den letzten Jahren nimmt besonders die Ausstattung im Segment SUV stark zu, sodass Fahrzeuge dieses Segments inzwischen bei vielen Systemen ähnlich hoch ausgestattet sind wie Fahrzeuge der oberen Mittel- und Oberklasse. Dies hängt auch mit der stetig wachsenden Anzahl der Neuzulassungen in diesem Bereich zusammen. Die Anzahl der Sicherheitssysteme nimmt mit der jährlichen Fahrleistung und der Nutzungshäufigkeit ebenso zu wie bei jüngeren Fahrzeugen und Dienstwagen. Betrachtet man die Ausstattungsraten nach Fahrzeugsegmenten zeigt sich ein Muster: Sind Systeme insgesamt selten, unterscheiden sich die Anteile innerhalb der verschiedenen Fahrzeugsegmente teilweise erheblich.
325
Ziel des vorliegenden Projekts ist die Entwicklung und Validierung einer Prüfumgebung für die Fahrsimulation, die dazu geeignet ist, Patienten, deren Fahrkompetenz aufgrund von Tagesschläfrigkeit so weit eingeschränkt ist, dass die Fahrsicherheit nicht mehr gegeben ist, zu identifizieren. Hierzu wurde ein monotoner Simulatorfahrparcours gestaltet, der für Patienten mit diagnostizierter Tageschläfrigkeit besonders schwer zu fahren ist. Zur Validierung durchfuhren 30 tagesschläfrige Schlaf-Apnoe-Patienten und 10 Kontrollprobanden den simulierten Fahrparcours und eine Prüfstrecke im Realverkehr, welche analog zum Vorgehen in der Simulation gestaltet war. Patienten waren vor, während und nach der Testung in der Simulation nach eigener Einschätzung signifikant müder als die Kontrollprobanden. Deskriptiv zeigte sich ein Unterschied zwischen Kontrollprobanden und Patienten bei verschiedenen Fahrverhaltensparametern. Während Fahrfehler von Kontrollprobanden eher auf Drängeln und zu dichtes Auffahren zurückzuführen sind, konnten Fahrfehler von Patienten eher müdigkeitsassoziierten Spurverlassensereignissen zugeordnet werden. Dagegen zeigten sich für die Fahrt im Realverkehr auch deskriptiv keinerlei Unterschiede zwischen Kontrollprobanden und Patienten. Eine Erklärung hierfür ist, dass die Patienten wahrscheinlich durch das als Prüfungssituation wahrgenommene Untersuchungssetting bei der Realfahrt aufgeregt waren und diese Aufgeregtheit die Müdigkeit überdeckte. Für diese Annahme spricht, dass die Patienten vor und nach der Realfahrt nicht müder waren als die Kontrollprobanden. Die Simulation scheint besser geeignet als das Realfahrsetting, Unterschiede zwischen Kontrollprobanden und Tagesschläfrigkeitspatienten zu detektieren. Die Relevanz dieser Unterschiede für die Fahrsicherheit kann mit den vorliegenden Daten nicht belegt werden. Zu hinterfragen bleibt, ob eine Prüffahrt im Realverkehr ein geeignetes Validierungskriterium für die Fahrkompetenz tagesschläfriger Patienten sein kann, wenn die eigentliche Problematik dieser Patienten, die Müdigkeit, durch die spezifischen Charakteristika des Untersuchungssettings überlagert werden.
322
Influencer in der Verkehrssicherheitskommunikation: Konzeptentwicklung und pilothafte Anwendung
(2022)
Ziel der Studie ist es, Erfolgsfaktoren für den Einsatz von Influencer*innen in der Verkehrssicherheitskommunikation zu identifizieren. In einem Pilotprojekt wurde auf der Basis des aktuellen Forschungsstandes die Influencer-Kampagne #wirgeben8 entwickelt, die die Verkehrssicherheit von Kindern für die Zielgruppe der Eltern thematisiert. Konzeption und Umsetzung der Kampagne wurden umfangreich mit einem Mixed-Methods-Design wissenschaftlich evaluiert. Neben Social Media Analytics wurden Nutzerkommentare qualitativ ausgewertet, Online-Befragungen sowie Gruppendiskussionen durchgeführt. Die Kampagne #wirgeben8 kommunizierte über neun Influencer*innen mit fünf- bis sechsstelligen Reichweiten über YouTube und Instagram über einen Zeitraum von zwei Wochen zu Beginn des Schuljahres 2020/21 die Themen Kinder als Fußgänger, Kinder als Fahrradfahrer und Kinder als Pkw-Mitfahrer für Eltern von Kindern unterschiedlicher Altersgruppen. Dabei wurden jeweils acht Verhaltenstipps vermittelt. Das Pilotprojekt generiert erste Erfahrungswerte hinsichtlich des Einsatzes von Influencer*innen in der Verkehrssicherheitskommunikation. Insgesamt ist die Kampagne #wirgeben8 als Erfolg zu werten. Typische Kennwerte wie Reichweite und Engagement liegen in oder über vergleichbaren Benchmarks. Die Auswertung der Online-Befragung der Follower*innen direkt im Anschluss an die Kampagne zeigt, dass die Zielgruppe der Eltern erreicht werden konnte. Die kommunizierten Inhalte werden von fast allen Befragten als hilfreich oder sehr hilfreich eingeschätzt. Auch die qualitative Auswertung der Nutzerkommentare sowie die Gruppendiskussionen zeigen die sehr gute Bewertung der Kampagne sowie die hohe Relevanz und Akzeptanz der kommunizierten Inhalte. Daneben konnten Themen identifiziert werden, für die weiterer Informationsbedarf auf Seiten der Eltern besteht. Die Forschungsergebnisse zeigen, dass Influencer*innen die Zielgruppen der Verkehrssicherheitskommunikation erreichen und ihre zugeschriebenen Potenziale entfalten können: Rezipienten können bei ihrer alltäglichen Nutzung von Social-Media-Plattformen von Influencer*innen auf Themen der Verkehrssicherheit aufmerksam gemacht werden, ohne dass sie aktiv danach suchen. Influencer*innen wird von ihren Follower*innen eine hohe Glaubwürdigkeit zugeschrieben, die sich an den Faktoren der Expertise, einem hohem Involvement, Vertrauenswürdigkeit und Attraktivität manifestieren. Die Authentizität der Influencer*innen wird von den Nutzer*innen anhand von zeitlicher und inhaltlicher Konsistenz sowie Authentizitätshinweisen überprüft, wobei ihnen gleichzeitig die professionelle, berufliche Rolle als Influencer*in zugestanden wird. Follower*innen identifizieren sich aufgrund einer empfundenen sozialen Nähe und sich überschneidenden Alltagserfahrungen mit den Influencer*innen. Eine bereits kurzfristige, selbstberichtete Verhaltensänderung kann dann beobachtet werden, wenn die Nutzer*innen die kommunizierten Inhalte als unmittelbar relevant und ihrer eigenen Erfahrung entsprechend wahrnehmen sowie wenn die Influencer*innen ihr Verhalten selbst kritisch reflektieren. Der Einsatz von Verkehrssicherheitsexperten in Videos der Kampagne #wirgeben8 wird sehr positiv bewertet, da sie das Fachwissen einbringen und die Influencer*innen selbst zu Lernenden machen. Zwischen Influencer*innen und Follower*innen kann eine parasoziale Beziehung beobachtet werden. Den Influencer*innen gelingt es, ihre Follower*innen mittels Fragen und interaktiven Story-Elementen zu aktivieren; in einem hohen Maße konnten diese auch motiviert werden, an einer Online-Befragung teilzunehmen. Nutzer*innen erwarten von Influencer*innen, dass sie ihrer Rolle als Content Creator gerecht werden und die Inhalte emotional, erzählend, unterhaltend und kreativ umsetzen. Die Probanden schreiben Influencer*innen einen Einfluss zu und sind überzeugt, dass diese zur Vermittlung von verkehrssicherem Verhalten geeignet sind. Die intendierten Kampagnenwirkungen hinsichtlich des Wissens, der Einstellungen und der Verhaltensrelevanz konnten erreicht werden. Die formative Evaluation zeigt, dass der Auswahl der Influencer*innen für eine Verkehrssicherheitskampagne ein zentraler Stellenwert zukommt. Vor dem Hintergrund des erarbeiteten Konzeptes und den praktischen Erfahrungen des Pilotprojektes sowie den Befunden seiner formativen Evaluation werden Handlungsempfehlungen für den Einsatz von Influencer*innen in der Verkehrssicherheitskommunikation sowie Ansatzpunkte für weiteren spezifischen Forschungsbedarf in diesem Feld abgeleitet.
324
Das Thema der Radverkehrssicherheit wurde bereits in Forschungsprojekten verschiedener Fachdisziplinen fachspezifisch betrachtet. In diesem Projekt wurde ein interdisziplinärer Ansatz verfolgt, um Radverkehrsunfälle aus Sicht der drei Fachdisziplinen Infrastrukturplanung, Verkehrspsychologie und Fahrzeugtechnik zu analysieren und zu bewerten.
In einer Grundlagenanalyse wurden zunächst wissenschaftliche Erkenntnisse zur Radverkehrssicherheit aus Sicht der drei Fachdisziplinen zusammengetragen. Darauf aufbauend wurden Konstellationen erarbeitet, mit denen eine Fokussierung auf Unfälle ausgewählter Merkmale erfolgen konnte. Es wurden fünf relevante Konstellationen abgeleitet. Diesen konnten aus der Datenbank der German In-Depth Accident Study (GIDAS) insgesamt 1.125 Unfälle der Jahre 2005 bis 2018 zugeordnet werden. Davon wurden 40 ausgewählte Unfälle einer interdisziplinären Betrachtung unterzogen. Im Ergebnis wurde u. a. festgestellt, dass oftmals Wahrnehmungsfehler unfallursächliche Einflussfaktoren sind. Wahrnehmungsfehler sind beim Informationszugang (objektive Verfügbarkeit der notwendigen Informationen) und bei der Informationsaufnahme (aufmerksames Beobachten und Erkennen aller relevanten Informationen) zu finden.
Es wurde eine Anleitung zur interdisziplinären Analyse von Radverkehrsunfällen auf Grundlage eines Phasenmodells der Einflussfaktoren und Randbedingungen entwickelt. In diesem Modell werden den Prozessphasen (Informationsbereitstellung, Informationszugang, -aufnahme, -verarbeitung, Entscheidung, Verhalten und Verhaltensfolge) Einflussfaktoren des Menschen, der Infrastruktur oder des Fahrzeugs auf Radverkehrsunfälle zugeordnet.
Die Analyseanleitung zeigt auf, welche Fragen gestellt werden müssen, um Defizite im Zusammenhang mit Radverkehrsunfällen zu identifizieren und geeignete Handlungsmaßnahmen auszuwählen. Mit einer beispielhaften Darstellung des Analysevorgehens wurde demonstriert, wie für Wirkungszusammenhänge sensibilisiert wird. Die entwickelte Anleitung zur Analyse von Radverkehrsunfällen kann ein anlassbezogenes Verfahren darstellen, das u. a. zum Einsatz kommt, wenn das Unfallgeschehen durch die gängigen Methoden der Verkehrssicherheitsarbeit nicht plausibel erklärbar ist.
323
Im Pkw-Sektor wird bereits eine Vielzahl sicherheitsrelevanter Forschungsfragen mit Hilfe von Fahrsimulatoren untersucht. Zudem liegen viele Studien zur Übertragbarkeit der in Simulatoren gewonnenen Erkenntnisse auf den realen Straßenverkehr vor. Im Vergleich dazu befindet sich der Einsatz der Motorradsimulation in einem sehr frühen Stadium. Die langjährigen Erfahrungen im Pkw-Sektor zeigen, dass Fahrsimulatoren einen wesentlichen Beitrag zur Verkehrssicherheit leisten können. Dieses Potenzial gilt es für Motorradsimulatoren ebenfalls zu überprüfen. Motorradsimulatoren – insbesondere mit einem komplexen technischen Aufbau für Forschungs- und Entwicklungsfragestellungen – wurden bislang nur in sehr wenigen Forschungseinrichtungen aufgebaut. Wissenschaftliche Studien zur Anwendbarkeit bzw. Übertragbarkeit der mit Motorradsimulatoren erzielten Ergebnisse liegen kaum vor. Darüber hinaus ist nicht geklärt, welche Ausbaustufen der Motorradsimulation für die Beantwortung spezifischer Fragestellungen hinreichend oder notwendig sind. Dies stellt insbesondere vor dem Hintergrund der hohen Zahl schwerer und tödlicher Unfälle von Motorradfahren ein erhebliches Defizit dar (DESTATIS; 2020a). Die Durchführung sicherheitsrelevanter Studien an Motorradsimulatoren könnte – wie im Pkw-Bereich auch – als wichtiges Werkzeug zur gefahrlosen und effizienten Untersuchung z.B. von eingreifenden Assistenzsystemen wie automatischen Notbrems- oder Ausweichsystemen beitragen, oder als gefahrenfreies Werkzeug für Fahrtrainings genutzt werden und damit einen positiven Effekt auf die Sicherheit von Motorradfahrern haben. Um sich diesem Ziel zu nähern, müssen jedoch Erkenntnisse hinsichtlich der Eignung von Motorradsimulatoren vorliegen. Entsprechend verfolgt das vorliegende Projekt zwei Ziele: Erstens sollen Erkenntnisse über Einsatzmöglichkeiten von Motorradsimulatoren unterschiedlicher Ausbaustufen generiert werden. Daraus soll eine Entscheidungshilfe erarbeitet werden, die Anwendern aufzeigt, bei welcher Art von Fragestellung Motorradsimulatoren (in unterschiedlichen Ausbaustufen) eingesetzt werden können. Zweitens soll im Rahmen des Projekts eine Methodik zur Validierung von Motorradsimulatoren entwickelt werden, die mit einer definierten Anzahl an Untersuchungen Aussagen hinsichtlich der Validität für die im ersten Teil ermittelten Einsatzmöglichkeiten erlauben soll. Kern der entwickelten Methodik ist die Annahme, dass sich komplexe Fahraufgaben in kleinere, fahrhandlungsunterscheidende Einheiten, die sogenannten Minimalszenarien, unterteilen lassen. Hierbei handelt es sich um Aufgaben wie beispielsweise Anfahren aus dem Stand, Einleiten einer Kurve mit konstanter Geschwindigkeit oder Bremsung in den Stand. Des Weiteren wird angenommen, dass sich Minimalszenarien im Nachgang zu komplexen Fahraufgaben zusammenführen lassen. Hierdurch soll die Vielzahl möglicher Anwendungsfelder auf den kleinsten Satz gemeinsamer elementarer Aufgaben gebracht werden, um den Validierungsaufwand zu reduzieren. Um neben dem Vergleich zwischen Realfahrzeug und Motorradsimulation eine erste Abschätzung hinsichtlich der benötigten Ausbaustufe eines Simulators treffen zu können, wurde die Untersuchung mit einem Messmotorrad des Typs Honda NC 700 X, dem dynamischen „DESMORI“ Motorradsimulator und dem statischen Motorradsimulator der WIVW GmbH durchgeführt und die Ergebnisse miteinander verglichen. Zur umfassenden Betrachtung wurden neben fahrdynamischen Parametern Kenngrößen zum Fahrerverhalten sowie der messbaren und subjektiv erlebten Beanspruchung einbezogen. Auf Basis einer großen Anzahl potenzieller Anwendungsfelder wurden Minimalszenarien abgeleitet, die eine Beschreibung dieser zulassen. Mit einer Teilauswahl der relevantesten Minimalszenarien wurde eine Verifikationsstudie mit N = 6 Fahrern durchgeführt, in der Sequenzen (Aneinanderreihungen von Minimalszenarien) in unterschiedlichen Dynamikabstufungen untersucht wurden. Im Rahmen der Verifikationsstudie konnten anhand der unterschiedlichen Minimalszenarien stabile Eigenschaften der Simulatoren beobachtet werden, die sich auf Ebene von Geschwindigkeitseffekten, Stabilitätseffekten und Effekten auf Ebene der Regelung und Beanspruchung beschreiben lassen. Insgesamt zeigten sich Indizien für größere Potenziale des dynamischen Simulators für Fragestellungen, die eine Rückmeldung des „Fahrgefühls“ erfordern, wohin eine bessere Eignung des statischen Simulators für Fragestellungen indiziert ist, die ein Beanspruchungsniveau erfordern, wie es in der Realfahrt vorliegt. In einer anschließenden Probandenstudie mit N = 15 Normalfahrern wurde untersucht, inwiefern die in den Minimalszenarien beobachtbaren Fahreigenschaften der Simulatoren auch in dynamischeren Fahrsituationen auftreten. Zu diesem Zweck wurden die Minimalszenarien zu komplexen Fahraufgaben zusammengeführt. Dabei wurde der sogenannte Rapid Serial Visual Presentation Task (RSVP), ein Ausweich- bzw. Ausweich-Brems-Manöver und eine Fahrt im öffentlichen Straßenverkehr untersucht. Hierbei konnten die generellen Eigenschaften der zwei Simulatoren bzw. des Messmotorrads aus der Verifikationsstudie repliziert werden. Mit dem vorliegenden Projekt konnten erste Anwendungserfahrungen für eine neuartige Validierungsmethodik für Fahrsimulatoren gesammelt und dokumentiert werden. Darüber hinaus wurde auf Basis der gewonnenen Daten eine Entscheidungshilfe entwickelt, die Anwender dabei unterstützt in Abhängigkeit von der vorliegenden Fragestellung die richtige Versuchsumgebung auszuwählen.
321
Fahrräder sind weit verbreitet und beliebt zur Freizeitgestaltung sowie als günstiges und umweltfreundliches Transportmittel (VON BELOW, 2016). Zunehmend verbreiten sich auch in Deutschland Fahrräder mit elektrischer Tretunterstützung, wie z. B. Pedelecs (ZIV, 2018). Im Rahmen dieses Projektes wurde eine Methodik entwickelt, mit der man die Routenwahl von Fahrrad- und Pedelecfahrern besonders in Deutschland untersuchen kann. Vorbereitend wurden verschiedene Untersuchungsmethoden betrachtet sowie aktuelle Erkenntnisse zur Routenwahl identifiziert. Der gewählte Ansatz besteht aus einem Zwischengruppen-Design, das eine Kombination aus Revealed-Preference-Ansatz (dem Schließen der Routenwahl aus realen Fahrten) und verschiedenen Befragungsformen beinhaltet. Er wurde mit 14 Probanden (8 Fahrrad- und 6 Pedelecfahrern) in einer naturalistischen Fahrradpilotstudie in Chemnitz getestet. Sie zeichneten über 3 Tage hinweg jede ihrer Routen mit einem Datenaufzeichnungsgerät auf, das Video- und GPS-Daten lieferte und so Rückschlüsse über die tatsächliche Nutzung verschiedener Routenwahldeterminanten zuließ. Zudem wurden Begleitumstände und Informationen zu Präferenzen der aktuell gewählten Route in einem Wegetagebuch erfasst, während Fragebögen Informationen zu Einstellungen und fahrtübergreifenden Präferenzen verschiedener Determinanten lieferten. Eingeschlossen, aufbereitet und ausgewertet wurden 81 Fahrten mit einer Gesamtlänge von 440 km. Die Auswertung zeigte oft Übereinstimmungen von angegebenen Präferenzen in der Befragung und tatsächlichen Routen in den Videos. Die Ergebnisse sollten jedoch vor dem Hintergrund der geringen Probandenzahl und der örtlichen Beschränkung nur mit Einschränkungen interpretiert werden. Der Fokus des Projektes lag auf der Testung und Diskussion der gewählten Methodik, welche sich in den meisten Punkten bewährt hat. Stärken und Verbesserungsmöglichkeiten werden ausführlich diskutiert. Auf Basis der Erfahrungen wurde ein Manual für die Nutzung bei Folgestudien erarbeitet.
319
Hintergrund der Studie war die Harmonisierung des europäischen Rechts zur Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) bezüglich der Anforderungen an das Farbsehvermögen von Berufskraftfahrern und Berufskraftfahrerinnen. Mit der Umsetzung in deutsches Recht können seit dem 01.07.2011 Personen mit einer vorliegenden Rotblindheit oder Rotsehschwäche in Deutschland auch sämtliche Fahrerlaubnisse der Gruppe 2 (C1, C1E, C, CE, D1, D1E, D, DE, FzF) erwerben (zuvor nur C1, C1E, C, CE), bei Rotblindheit oder Rotschwäche mit einem Anomalquotienten unter 0,5 ist jetzt lediglich eine Aufklärung der betroffenen Person über die mögliche Gefährdung erforderlich. Gegen diese gelockerte Regelung werden von der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft und anderen Fachleuten Bedenken geäußert.
Um eine Grundlage in der Argumentation zu zukünftigen oder bestehenden gesetzlichen Regelungen zu schaffen, sollten in der vorliegenden Studie belastbare epidemiologische Daten, die Rückschlüsse auf das Ausmaß und die Relevanz von Protanopie und Protanomalie bei Berufskraftfahrern und Berufskraftfahrerinnen für die Verkehrssicherheit zulassen, recherchiert werden.
Die Datengewinnung erfolgte auf zwei Wegen. Zum einen fand eine systematische Literaturrecherche zur Identifizierung von Studien statt, wobei die Studien nach bestimmten Kriterien ausgewählt und anschließend die jeweiligen Daten extrahiert wurden. Zum anderen erfolgte eine Datenrecherche bei Behörden, Fachgesellschaften, Versicherern und Berufsgenossenschaften. In der Datenrecherche wurden veröffentlichte Zahlen recherchiert sowie Institutionen, Arbeits-/Betriebsmedizinpraxen und weitere Fachleute nach Daten befragt.
Eine Datengrundlage zur Schätzung der aktuellen Prävalenz speziell unter Berufskraftfahrern und Berufskraftfahrerinnen konnte weder über die Daten- noch über die Literaturrecherche geschaffen werden. Bei keiner der kontaktierten Institutionen liegen strukturierte personenbezogene Daten zur Diagnose von Farbsinnstörungen vor. In der Literaturrecherche konnten jedoch Prävalenzen für die Gesamtbevölkerung in Europa ermittelt und in einer Metaanalyse zusammengefasst werden. Die ermittelten Werte bestätigen die allgemein verwendeten Werte. Innerhalb der männlichen Bevölkerung sind ca. 1 % protanop und ca. 2 % protogestört, wohingegen die Prävalenzen beider Protostörungen bei Frauen deutlich unter 0,1 % liegen.
Eine Datengrundlage zur Schätzung des Unfallrisikos unter protogestörten Berufskraftfahrern und Berufskraftfahrerinnen konnte ausschließlich über die Literaturrecherche und lediglich in begrenztem Umfang geschaffen werden. Bis auf eine Studie, die 1996 veröffentlicht wurde, wurden die identifizierten Studien vor 1980 publiziert und es ist zweifelhaft, ob die damaligen Bedingungen (Straßenverhältnisse, Verkehrsaufkommen, lichttechnische Ausstattung der Kraftfahrzeuge, technische Anforderungen an die Verkehrszeichen usw.) mit heutigen Verhältnissen vergleichbar sind. Hinsichtlich des Unfallrisikos lässt sich übergreifend aus den identifizierten und eingeschlossenen Studien keine statistische Erhöhung des Unfallrisikos bei oder durch protanope, protanomale oder protogestörte Kraftfahrzeugführende nachweisen, sodass die auf Basis dieser Studie ermittelten Daten keine Grundlage für eine Rücknahme der im Rahmen der Harmonisierung des europäischen Rechts zum 01.07.2011 erfolgten Änderung der Anlage 6 FeV bieten.
314
Insgesamt 13,2 % aller im Straßenverkehr verunglückten Seniorinnen und Senioren ab 65 Jahre sind als Fußgänger verunglückt (verletzt oder getötet). Werden ausschließlich die im Straßenverkehr Getöteten dieser Altersgruppe betrachtet, beträgt der Anteil der getöteten Fußgänger 24,7 %. Im Vergleich dazu lag der entsprechende Anteil getöteter Pkw-Insassen bei knapp 46 %. Durch die mit der demographischen Entwicklung einhergehende erhöhte Verkehrsteilnahme Älterer ist auch eine Zunahme der Anzahl von unfallbeteiligten Zufußgehenden zu erwarten. Darin begründet sich die Notwendigkeit, die sichere Mobilität als Fußgänger älterer Verkehrsteilnehmer und -teilnehmerinnen zu gewährleisten.
Diese Studie schließt an das BASt-Projekt „Seniorinnen und Senioren im Straßenverkehr – Bedarfsanalysen im Kontext von Lebenslagen, Lebensstilen und verkehrssicherheitsrelevanten Erwartungen” (SENIORLIFE-Studie; HOLTE, 2018) an, das im Wesentlichen auf Autofahrer und fahrerinnen ausgerichtet war. Ein zentrales Ziel dieser Vorgängerstudie war die Erstellung einer differenzierten Charakterisierung unterschiedlicher Lebensstilgruppen, die bei der Entwicklung und Umsetzung von Verkehrssicherheitsmaßnahmen für Seniorinnen und Senioren herangezogen werden kann. Die in der vorliegenden SENIORWALK-Studie neue Ausrichtung auf Fußgänger fußt zwar auf den theoretischen und konzeptionellen Grundlagen dieser SENIORLIFE-Studie, bedeutet jedoch eine neue Operationalisierung der theoretischen Konzepte, um ein auf Fußgänger maßgeschneidertes Erhebungsinstrument zu entwickeln.
Erfasst werden persönliche verkehrssicherheits- und mobilitätsrelevante Bedürfnisse, Erwartungen sowie wahrgenommene Barrieren und Gefährdungen von Fußgängern und Fußgängerinnen. Die Studie hat zum Ziel, mit den gewonnenen Erkenntnissen und theoriegeleitet konkrete Empfehlungen zur Umsetzung von Maßnahmen sowohl für die Gesamtgruppe der älteren Zufußgehenden als auch für unterschiedliche Lebensstilgruppen abzuleiten.
Grundlegend für diese Studie ist eine bevölkerungsrepräsentative Befragung (N=2.099) der ab 55-Jährigen. Durch diese Festlegung können Vergleiche zwischen jüngeren und älteren Seniorinnen und Senioren durchgeführt werden. Neben der Darstellung umfangreicher deskriptiver Ergebnisse erfolgt eine Beschreibung von sechs identifizierten Lebensstilgruppen von Seniorinnen und Senioren im Hinblick auf ihre Gefährdung als im Straßenverkehr Zufußgehende sowie ihre Erwartungen und Probleme, die im Zusammenhang mit dieser Art der Verkehrsteilnahme berichtet werden. Die Lebensstilgruppen unterscheiden sich zwar signifikant in der Ausprägung verkehrssicherheits-relevanter Erwartungen und Verhaltensweisen, nicht jedoch in der Unfallbeteiligung als Zufußgehende.
Die Gültigkeit zweier theoretischer Modelle zur Erklärung (1) der Exposition des Zufußgehens und Unfallrisikos sowie (2) des Querens einer Straße als älterer Fußgänger bzw. ältere Fußgängerin konnte im Rahmen von Pfadanalysen bestätigt werden. Die Ergebnisse stützen somit die im vorliegenden SENIORWALK-Projekt gewählten theoretischen Grundlagen.
Es werden eine Reihe von Maßnahmen zum Erhalt oder zur Verbesserung der Verkehrssicherheit von älteren Fußgängern und Fußgängerinnen empfohlen, wie zum Beispiel die Unterstützung durch gezielte Sicherheitskommunikation (z. B. Beratung, Aufklärung, Kampagne) sowie Anpassungen der Infrastruktur (z. B. Barrierefreiheit) an die Bedürfnisse dieser Verkehrsteilnehmergruppe. Aber auch eine verbesserte Fahrzeugkonstruktion und -technologie kann dazu beitragen, Fußgängerunfälle zu vermeiden oder – im Falle einer Kollision – deren Folgen abzuschwächen.
318
In Deutschland wird Hausärztinnen und -ärzten bei der anlassbezogenen Aufklärung und Sensibilisierung älterer Autofahrender für altersbedingte, fahrrelevante Veränderungen und für den Aufbau entsprechender Kompensationsmöglichkeiten eine Schlüsselrolle zugedacht. Ziel des Projekts war eine detaillierte Bestandsaufnahme von Quantität und Qualität der ärztlichen Verkehrssicherheitsberatung. Hierzu wurde mit 130 Hausärztinnen und Hausärzten eine Online-Befragung durchgeführt.
Der Bedarf für eine Verkehrssicherheitsberatung in den Hausarztpraxen wird von allen Teilnehmenden bejaht. Verkehrssicherheitsberatung war bei einem Großteil der Teilnehmenden noch kein Gegenstand ihrer beruflichen Aus-, Fort- oder Weiterbildung. Es wird ein mangelndes Angebot passender Fortbildungen beklagt. Hauptprobleme, denen die Teilnehmenden bei der Verkehrssicherheitsberatung gegenüberstehen, sind fachliche Unsicherheiten (rechtlicher Rahmen, verkehrsmedizinisches Fachwissen) und Zeitmangel. Auch die Befürchtungen, die gute Beziehung zu Patientin oder Patient zu gefährden, werden erwähnt. Die meisten Teilnehmenden sehen ihre Aufgabe darin, bei eindeutigen Krankheitssymptomen oder bei Medikamenten mit fahrrelevanten Nebenwirkungen darauf hinzuweisen, dass die Fahreignung bzw. Fahrsicherheit eingeschränkt sein könnten. Es ist fraglich, ob das Konzept eines ausführlichen, anlassbezogenen Gesprächs als individualpräventive Maßnahme im Praxisalltag integriert werden kann. Zum jetzigen Zeitpunkt fehlen hierzu die zeitlichen und personellen Ressourcen, aber auch eine entsprechende Ausbildung.
Die Autorinnen empfehlen, bereits bei der Planung weiterführender Forschungsprojekte zum Thema ärztliche Verkehrssicherheitsberatung den engen Kontakt zu entsprechenden ärztlichen Fachgesellschaften oder auch Forschungsinstituten für Allgemeinmedizin von Universitäten zu suchen und eine Kooperation anzustreben. An diesen Instituten werden die Hausärztinnen und -ärzte von morgen ausgebildet und die Curricula der medizinischen Studiengänge entwickelt. Hier hätte man die Möglichkeit, überregionale Projekte zu koordinieren und zu implementieren.
315
Im Jahr 2018 trat in Deutschland ein reformiertes Fahrlehrergesetz in Kraft, das vier Reformschwerpunkte umfasste: die Optimierung der Fahrlehrerausbildung, die Weiterentwicklung der Fahrschulüberwachung, die Bekämpfung des Nachwuchsmangels und den Bürokratieabbau. Zur Ableitung qualifizierter Aussagen über die Wirksamkeit der beschlossenen Veränderungen im Hinblick auf die angestrebten Reformziele sind Evaluationsstudien notwendig. Aus diesem Grund wurde in einem ersten Teil des vorliegenden Projekts eine Konzeption zur summativen Evaluation des reformierten Fahrlehrerrechts erarbeitet. Darüber hinaus wurde eine erste Datengrundlage geschaffen, die bei der summativen Evaluation als Vergleichsmaßstab dienen kann. In einem zweiten Projektteil wurde eine formative Evaluation der reformierten Fahrlehrerausbildung der Klasse BE durchgeführt. Dazu wurden die ersten Ausbildungsdurchgänge nach neuem Recht an drei Fahrlehrerausbildungsstätten und an verschiedenen Ausbildungsfahrschulen empirisch begleitet.
Als grundsätzliche Empfehlung für die zukünftige summative Evaluation lässt sich festhalten, dass diese durch erfahrene externe Evaluatoren zu drei Erhebungszeitpunkten durchgeführt werden sollte. Als Bewertungskriterien wurden die Praktikabilität, die Zielerreichung, die Zufriedenheit und Nebenfolgen der Reform vorgeschlagen.
Die Vergleichsdatenerhebung sowie die formative Evaluation lieferten aktuelle Eindrücke zur Reformwirksamkeit und zur Stimmungslage. So fanden sich beispielsweise Hinweise darauf, dass die Reform einen ersten Schritt zur Reduktion des Nachwuchsmangels im Fahrlehrerberuf darstellen könnte. Grundsätzlich wurden zudem die Praktikabilität und die Akzeptanz der reformierten Fahrlehrerausbildung nachgewiesen, wobei auch Optimierungsmöglichkeiten und unerlässliche Nachsteuerungsbedarfe hervortraten. Dazu gehören beispielsweise die Erfordernisse zur Konkretisierung der Mindest-Ausbildungsinhalte des Rahmenplans für die Fahrlehrerausbildung der Klasse BE an Fahrlehrerausbildungsstätten und zur Wiedereingliederung der Fahrpraktischen Vorbereitung. Zudem hat sich die Notwendigkeit zur Erarbeitung kompetenzorientierter Steuerungsgrundlagen für die Ausbildung an den Ausbildungsfahrschulen gezeigt.
320
Vorliegendes Projekt untersuchte, ob die Fahrkompetenz älterer Autofahrer im Fahrsimulator vergleichbar gut gemessen werden kann wie im Realverkehr.
Der Fahrparcours für die Simulation enthält neben repräsentativen Fahraufgaben mittlerer Schwierigkeit auch Szenarien, die besonders für ältere Autofahrer schwierig sind. Mit der Tablet-Anwendung S.A.F.E. werden registriert und klassifiziert. Darauf basierend erfolgt eine globale Beurteilung der Fahrkompetenz. Der mit der Simulationssoftware SILAB erstellte Parcours wurde auf einem High-Fidelity-Simulator und einem kostengünstigeren Kompaktsimulator implementiert.
Der Fahrparcours wurde anhand einer Fahrverhaltensbeobachtung im realen Straßenverkehr validiert. Dabei handelt es sich um eine 60-minütige standardisierte Strecke, die strukturell mit der Fahrstrecke in den Simulatoren vergleichbar ist. Ein 2x3-Versuchsplan mit dem dreistufigen abhängigen Faktor ‚Methode‘ (Realverkehr vs. High-Fidelity-Simulator vs. Kompaktsimulator) und dem zweistufigen Gruppenfaktor ‚Alter‘ (25-50 Jahre vs. > 70 Jahre) wurde realisiert.
Ältere Fahrer schneiden in verschiedenen Fahrleistungsparametern in den Fahrverhaltensbeobachtungen sowohl im Simulator als auch im Realverkehr bei hoher interindividueller Varianz im Mittel schlechter ab als die Vergleichsgruppe. Globales Fahrrating und Gesamtzahl der Fahrfehler während der Fahrverhaltensbeobachtungen in der Simulation korrelieren bis zu r=.80 mit den globalen Fahrleistungsratings der Fahrverhaltensbeobachtung im Realverkehr. Die Befunde der beiden Simulatoren korrelieren sehr hoch miteinander.
Bei einer entsprechend gestalteten Fahrverhaltensbeobachtung lassen sich die Befunde zur Fahrkompetenz von Senioren aus dem Simulator auf den realen Straßenverkehr übertragen. Hierfür sind Kompaktsimulatoren ausreichend. Die Fahrverhaltensbeobachtung muss dazu, neben repräsentativen Fahraufgaben mittlerer Schwierigkeit auch die Verkehrsszenarien enthalten, die besonders älteren Autofahrern Schwierigkeiten bereiten
316
VERKEHRSKLIMA 2020
(2021)
Das Verkehrsklima eines Landes ist geprägt durch die Wahrnehmung und Bewertung der Interaktionen zwischen Verkehrsteilnehmern. Ziel dieser Studie ist es, das Verkehrsklima in Deutschland zu erfassen und aus den gewonnenen Ergebnissen Empfehlungen für eine zukünftige Anwendung der Verkehrsklima-Skala abzuleiten. Da für die Erfassung des Verkehrsklimas keine geeigneten objektiven Kriterien vorliegen, wird bei der Diagnose des Verkehrsklimas auf den subjektiven Angaben der Verkehrsteilnehmer zurückgegriffen. Im Rahmen eines Monitorings des Verkehrsklimas der Bundesanstalt für Straßenwesen liegen die Ergebnisse der ersten Messung (Basis-Messung) vor. Grundlegend für diese Studie war eine bevölkerungsrepräsentative Befragung (N = 2.446) der ab 16-Jährigen im Rahmen standardisierter Online- und Telefon-Interviews. Neben den Fragen zum Verkehrsklima wurden auch Fragen zu spezifischen aggressiven Verhaltensweisen und zur persönlichen Bedeutung des Autos gestellt.
Nach den Ergebnissen dieser Studie wird für ganz Deutschland das Verkehrsklima weder besonders positiv noch besonders negativ beurteilt. Unterschiede ergeben sich zwischen verschiedenen Verkehrsteilnehmergruppen und zwischen bestimmten Bundesländern und Regionen. Unterschiede ergeben sich auch, wenn eine getrennte Auswertung des Verkehrsklimas aus der Perspektive von Autofahrern und -fahrerinnen und Radfahrern und -fahrerinnen vorgenommen wird. Das Verhalten von Radfahrenden wird negativer beurteilt als das der Autofahrenden.
Einen statistisch bedeutsamen Einfluss auf das Verkehrsklima hat die Wahrnehmung von aggressivem Verhalten anderer Verkehrsteilnehmer. Je stärker diese Wahrnehmung ausgeprägt ist, umso negativer wird das Verkehrsklima bewertet.
Mit der vorliegenden Studie liegt ein zuverlässiges, praktikables Instrument zu Erfassung des Verkehrsklimas vor, das auch für den Einsatz in zukünftigen Erhebungen geeignet ist. Es wird empfohlen, dieses Instrument auch in Studien zu berücksichtigen, deren Fokus auf Aspekte der Verkehrskultur und Verkehrssicherheitskultur ausgerichtet ist.
317
Der Bestand an Pkw mit alternativem Antrieb stieg von rund 704.000 Fahrzeugen im Jahr 2015 auf rund 900.000 Pkw im Jahr 2019 (ein Plus von etwa 28 %). Pkw, die mit Erdgas (CNG) oder Autogas (LPG) fahren, stellen im aktuellen Fahrzeugbestand die größte Gruppe mit alternativem Antrieb (2019 rund 476.000 Pkw). Danach folgen die Hybridfahrzeuge mit mehr als 340.000 Pkw, dessen Bestand sich seit 2015 verdreifacht hat. Die Entwicklung des Plug-In-Hybrid-Bestandes ist noch deutlicher: im Zeitraum von 2015 bis 2019 stieg der Wert auf das 13-fache. Bei reinen Elektro-Pkw stieg der Bestand auf 83.175 Fahrzeuge im Jahre 2019. Dieser Trend setzt sich bei allen alternativen Antriebsarten – außer bei den Gasfahrzeugen – fort.
Im Januar 2020 wurden bereits 136.617 Pkw mit reinem Elektroantrieb registriert; ein weiterer Zuwachs gegenüber 2019 um 64 %.
Um die zukünftige Entwicklung von Fahrzeugen mit alternativem Antrieb in Deutschland beurteilen zu können, initiierte die Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) im Auftrag des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) schon im Jahr 2010 die Einrichtung einer langfristigen Beobachtung des Fahrzeugmarktes und des Unfallgeschehens von Fahrzeugen mit alternativen Antriebsarten mit dem Ziel, die tatsächliche Umsetzung des technologischen Fortschritts in marktgängige Produkte zu verfolgen, frühzeitig Kenntnis über die Bestandsentwicklung zu erhalten sowie mögliche Fehlentwicklungen – insbesondere mit Blick auf die Verkehrssicherheit – zu identifizieren. Vor allem die Betrachtung des letzten Punktes soll die Möglichkeit schaffen, Vorschläge für eine sinnvolle Steuerung der Entwicklung leisten zu können.
Nachfolgend werden in Kapitel 2 die technischen Entwicklungslinien des Marktes für Fahrzeuge mit alternativem Antrieb dargestellt. In den Kapiteln 3 und 4 werden der Bestand sowie das Unfallgeschehen näher betrachtet.
313
Die zunehmende Beliebtheit des Pedelecs zeigt sich in jährlich steigenden Absatzzahlen. In ähnlichem Maße steigt die Zahl der in der amtlichen Unfallstatistik verzeichneten Pedelecunfälle, sodass das Thema der Verkehrssicherheit von Pedelecfahrern zunehmend an Bedeutung gewinnt. Bisherige Forschungsarbeiten bieten weder ein repräsentatives Bild der Nutzergruppe noch ein ganzheitliches Bild ihres Unfallgeschehens. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wurden daher drei verschiedene methodische Ansätze gewählt, um die Nutzergruppe von Pedelecs und deren Unfallgeschehen zu beschreiben. Die Repräsentativbefragung bietet erstmalig einen breiten Überblick über personen- und fahrzeugbezogene Charakteristika der Pedelecfahrer in Deutschland, ihr Fahr- und Nutzungsverhalten, mögliche Probleme im Umgang mit dem Pedelec sowie erlebte Unfälle binnen der vergangenen drei Jahre (n = 775). Die beiden Unfallanalysen – eine Klinikbefragung verunfallter Pedelecfahrer (n = 39) sowie eine Analyse der in der German In-Depth Accident Study (GIDAS) enthaltenen Pedelecunfälle (n = 214) – liefern eine detaillierte Beschreibung des jeweiligen Unfalls und seiner Folgen.
Die Gruppe der Pedelecfahrer erweist sich vorwiegend als ältere, aber aktive Nutzergruppe, die das Pedelec oft und für unterschiedliche Zwecke nutzt. Ihr überwiegend hohes Sicherheitsgefühl im Straßenverkehr geht mit einer eher niedrigen Risikobereitschaft einher. In den vergangenen zwei Jahren haben allerdings insbesondere jüngere Fahrer zwischen 18 und 44 Jahren das Pedelec für sich entdeckt, die derzeit (noch) einen geringen Anteil an der Nutzergruppe wie auch im Unfallgeschehen stellen. Als Unfallschwerpunkte zeichnen sich Kollisionen mit einem Pkw sowie die nur selten polizeilich erfassten Alleinunfälle ab. Auch wenn die meisten Fahrer eigenen Angaben zufolge mit dem Pedelec schneller unterwegs sind als mit einem konventionellen Fahrrad, ereignen sich nur wenige Unfälle bei Geschwindigkeiten am Maximum der mit legalen Mitteln erreichbaren Tretunterstützung von 25 km/h. Häufig erfolgen sie beim Stehen oder Anfahren und spiegeln somit die von vielen Fahrern berichteten Balanceprobleme bei niedrigen Geschwindigkeiten wider. In beiden Unfallanalysen wirken Selektionseffekte, aufgrund derer die Generalisierbarkeit der Ergebnisse eingeschränkt ist. So beinhaltet GIDAS ausschließlich die polizeilich erfassten Unfälle und damit vorwiegend Unfälle mit einem weiteren Beteiligten, während in der Klinikbefragung stationär behandelte, ältere Pedelecfahrer überrepräsentiert sind. Zu den Nutzern von S-Pedelecfahrern und ihrem Unfallgeschehen lassen sich aufgrund geringer Fallzahlen keine belastbaren Aussagen treffen.
Auf Basis der gewonnenen Erkenntnisse werden verschiedene Empfehlungen zur Verbesserung der Verkehrssicherheit für Pedelecfahrer abgeleitet, die gemäß dem Fokus der vorliegenden Arbeit primär beim Fahrer (z. B. Erhöhung der Helmtragequote) oder dessen Fahrzeug (z. B. technische Unterstützung zur Verbesserung der Fahrstabilität auch bei geringen Geschwindigkeiten) ansetzen. Ferner bedarf es weiterführender Studien zur Beschreibung von Pedelecunfällen und ihrer Ursachen, auch mit Fokus auf den Pkw-Fahrern als häufigsten Unfallgegnern bei Pedelecunfällen mit mindestens zwei Beteiligten, sowie einer Überprüfung und Verbesserung der Güte amtlicher Statistiken bezüglich der Erkennung elektrifizierter Räder und ihrer korrekten Klassifikation als Pedelecs oder S-Pedelecs.
M 312
Um dem Defizit der bisher fehlenden Information über die Mobiltelefonnutzung unter Fußgängern und Radfahrern zu begegnen, verfolgte das hier bearbeitete Forschungsprojekt das Ziel, ein Konzept zu entwickeln, mit dem in Zukunft anhand von Verhaltensbeobachtungen regelmäßig repräsentative Daten zum genannten Forschungsgegenstand erhoben werden können. Durch ein kontinuierliches Monitoring der Nutzung von Mobiltelefonen durch Fußgänger und Radfahrer sollen Veränderungen im Nutzungsverhalten untersucht werden, um daraus gegebenenfalls rechtzeitig Verkehrssicherheitsmaßnahmen oder -kampagnen zur Erhöhung der Verkehrssicherheit ableiten zu können.
Zur Erstellung eines solchen Konzepts erfolgte zunächst eine Analyse wissenschaftlicher Publikationen zum Thema der Ablenkung durch Mobiltelefone unter Fußgängern und Radfahrern. Dabei wurden insbesondere solche Studien näher betrachtet, die auf Verkehrsbeobachtungen basieren und eine Messung der Prävalenz der Ablenkung durch Mobiltelefone vorgenommen haben. Aus den Ergebnissen der Literaturanalyse wurden zahlreiche Rückschlüsse für die Konzeption einer Pilotstudie gezogen.
Im Anschluss wurde diese Konzeption im Rahmen einer Pilotstudie in den Städten Nürnberg und Erlangen auf seine Praktikabilität hin überprüft. Aus den erhobenen Daten wurden Rückschlüsse für die zukünftige, regelmäßige Erhebung gezogen – insbesondere hinsichtlich der erfassten Standortmerkmale sowie der Kodierung verschiedener Nutzungsarten des Mobiltelefons und anderer Nebentätigkeiten.
Auf Basis der Pilotstudie und weiterführender Recherchen wurde schließlich ein finales Erhebungskonzept für die regelmäßige Beobachtung der Smartphonenutzung von Radfahrern und Fußgängern erstellt. Dieses beinhaltet die Berechnung des erforderlichen Stichprobenumfangs, einen Mechanismus für die Auswahl von Erhebungsregionen sowie Anforderungen an die einzelnen Erhebungsstandorte. Außerdem wird das in der Pilotstudie erprobte und optimierte Erhebungsinstrument vorgestellt und das empfohlene Vorgehen bei den regelmäßigen Erhebungen beschrieben.
Zudem wurde ein Manual erstellt, das alle relevanten Faktoren für die regelmäßigen Erhebungen in komprimierter Form beschreibt und zukünftigen Forschungsnehmern als Handreichung bereitgestellt wird.
M 311
Performance Indicators im Straßenverkehr– Überblick und Erfahrungen aus der internationalen Praxis
(2021)
Sowohl in Deutschland als auch im internationalen Kontext werden Anstrengungen zur weiteren Verbesserung der Verkehrssicherheit insbesondere hinsichtlich der Absenkung der Anzahl der im Straßenverkehr Getöteten oder Schwerverletzten unternommen. Dies schlägt sich in nationalen Verkehrssicherheitsstrategien nieder, die sich an der Vision Zero oder einem Safe System-Ansatz orientieren.
Vor diesem Hintergrund beschäftigen sich die organisierten Stakeholder im Verkehrssicherheitsbereich auf supranationaler Ebene und in den nationalen Jurisdiktionen intensiv mit Safety Performance- Indikatoren als möglichem Baustein einer proaktiven Verkehrssicherheitsarbeit. Diese Intensität spiegelt sich auch in der Menge der hierzu vorliegenden Publikationen wider.
Im Rahmen der im vorliegenden Bericht dokumentierten Projektarbeiten wurden in 24 Ländern 120 Safety Performance-Indikatoren identifiziert und systematisch ausgewertet. Die hohe Anzahl an SPIs schlägt sich in einer großen Bandbreite der von ihnen abgedeckten Problembereiche der Verkehrssicherheitsarbeit nieder. Dabei lässt die Gesamtschau der identifizierten SPIs die Dominanz von Indikatoren im Strategischen Feld Verkehrsverhalten hervortreten, mit dem Fokus auf der Nutzung von Sicherungssystemen. Im Strategischen Feld Straßeninfrastruktur wird die Straßensicherheitsausstattung am häufigsten mittels SPIs adressiert, im Strategischen Feld Fahrzeugtechnik dominieren Indikatoren zur Sicherheitsausstattung / zum Sicherheitsrating der Fahrzeuge.
Allerdings zeigt sich dabei auch eine große Heterogenität hinsichtlich ihres Implementierungsgrades im jeweiligen nationalen Kontext bzw. konkret hinsichtlich
• der Einbindung von SPIs in eine Verkehrssicherheitsstrategie oder ihrer Anlehnung an verkehrspolitische Maßnahmen,
• der Setzung von Zielwerten für SPIs,
• dem aktiven SPI-Monitoring sowie
• der Evaluation des Monitorings bzw. der Rückspiegelung seiner Ergebnisse in Form von Verkehrssicherheitsmaßnahmen.
Weitere Faktoren, die eine internationale Vergleichbarkeit von SPIs erschweren sind die unterschiedliche inhaltliche Schneidung der Indikatoren (umfassender Indikator oder Teilindikatoren), eine unterschiedliche Dokumentationsdichte (Quellenlage) oder auch gelegentlich ein Verständnis von SPIs, das sich auf den „Final outcome“ statt auf Aspekte
des „Intermediate outcome“ bezieht.
Auch der rechtliche Rahmen, z. B. Zulässigkeit bestimmter Erhebungsmethoden, wie verdachtsunabhängige Alkoholkontrollen (Random breath testing) im fließenden Verkehr (sog. Roadside surveys) bzw. der Einsatz von Foto- oder Filmaufnahmen, kann die Erhebung von SPIs und die Ausgestaltung des nationalen „Intermediate outcome“ bzw. die internationale Vergleichbarkeit der nationalen SPIs beeinflussen.
Als weitere Herausforderungen bei der Projektbearbeitung erwiesen sich teilweise die Quellenlage (Berichte, insbesondere sog. „graue Literatur“, lagen oftmals nur in der Landessprache vor) und Schwierigkeiten bei der Kontaktierung nationaler Experten.
Die im Bericht und seinem Anhang dokumentierte, offensichtliche Heterogenität der je nationalen Beschäftigung mit SPIs erschwert den internationalen Vergleich der bereits konzipierten bzw. vorgeschlagenen Safety Performance-Indikatoren. Ohne den Gründen für die unterschiedliche Ausdifferenziertheit der jeweiligen nationalen SPI-Systeme im Einzelnen nachgehen zu können, verweist diese Situation doch auf die bisher noch fehlende Durchsetzung einer übergreifenden Systematik (Standards) zur Erhebung von SPIs, sowie gegebenenfalls die Orientierung der länderspezifischen Stakeholder an nationalen Problemlagen der Verkehrssicherheit. Vor diesem Hintergrund erscheint das Engagement europäischer Institutionen zur Definition basaler Standards – sei es im Aufgreifen der Befunde des EU-Projektes SafetyNet, in der Orientierung an der ESRA-Methodologie, oder in Form konkreter SPI-Vorschläge – für die zukünftige Erhebung von SPIs zielführend.
Die in diesem Bericht zusammengetragenen internationalen Erfahrungen mit dem Einsatz von SPIs
in der Verkehrssicherheitsarbeit werden in dreifacher Weise dokumentiert: in Textform – sowohl als Länder(kurz)informationen als auch mittels eines Dokumentationsbogens pro Indikator – sowie elektronisch in Form einer Excel-Datenbank. Für die gegenwärtige Diskussion um die Entwicklung eines geeigneten SPI-Konzeptes sowie entsprechender Indikatoren für die Bundesrepublik Deutschland bieten diese Materialien vielfältige Anknüpfungspunkte hinsichtlich der Konzeption, der Implementierung, dem Monitoring und der Evaluation potenzieller Safety Performance-Indikatoren.
310
Im Rahmen des Projektes wurde ein online-basierter Selbstbericht-Fragebogen (Selbsttest) für Autofahrer ab 65 Jahren entwickelt, der die Zielgruppe für alters- und krankheitsbedingte Leistungseinbußen und Verhaltensweisen sensibilisieren soll. Das Ziel dieses Instruments besteht einerseits darin, den älteren Autofahrer für bereits erkannte Probleme und Schwierigkeiten im Fahralltag anhand ihrer individuellen Leistungsberichte konkrete Ratschläge zu geben, mit denen sie ihre Sicherheit im Straßenverkehr erhöhen können. Andererseits soll durch die Bearbeitung des Fragebogens und das Feedback die Selbstreflektion bezüglich der eigenen Fahrkompetenz erhöht und eine Sensibilisierung für das Thema Mobilität im Alter erreicht werden. Die Fragebogenkonstruktion erfolgte anhand der Erkenntnisse einer umfassenden Literaturrecherche zum Thema Fahrkompetenz im Alter sowie zu bereits bestehenden Selbsttest-Verfahren. Der Fragebogen thematisiert neben möglichen Defiziten in den Bereichen Visus, Kognition und Motorik auch die Handlungskompetenzerwartung und bereits angewandte Kompensationsmaßnahmen für bemerkte Einbußen. Die Nutzung des Fragebogens als quantitativ-diagnostisches Instrument zur Messung spezifischer Kompetenzen war in diesem Projekt nicht beabsichtigt und wird auch nicht empfohlen.
Der Fragebogen wurde in zwei empirischen Studien angewandt. Zunächst wurde eine Repräsentativbefragung mit insgesamt 608 Autofahrern durchgeführt, von denen insgesamt 406 Personen zur Zielgruppe (65 Jahre oder älter) gehörten. Die verbleibenden 202 Personen waren zwischen 35 und 55 Jahren alt und wurden in die Studie aufgenommen, um das Antwortverhalten älterer Autofahrer mit dem Jüngerer zu vergleichen. In der Repräsentativbefragung zeigte sich eine Tendenz zu durchgehend niedrigen Zustimmungsraten zu den Items des Fragebogens, die sich auf mögliche Defizite der Leistungsfähigkeit beziehen. Die meisten Befragten berichteten also nur selten und sehr vereinzelt Defizite. Dieses Antwortmuster war über alle Altersgruppen hinweg gleich. Es konnten ferner keine bedeutenderen Unterschiede zwischen den Altersgruppen identifiziert werden. Da sich dieselben Antwortmuster auch in der nachfolgenden Studie 2 replizieren ließen, kann davon ausgegangen werden, dass es sich bei den gefundenen Antwortmustern und auch dem ausgebliebenen Altersunterschied nicht um eine Stichprobenverzerrung handelt. Beides lässt sich vielmehr damit erklären, dass einerseits viele Aspekte der Fahrkompetenz naturgemäß nur schwer der Selbsteinschätzung durch die Fahrer zugänglich sind und andererseits beobachtbare und somit berichtbare Problemen im Fahralltag nur dann auftreten können, wenn ein Defizit vorliegt und dieses Defizit nicht durch entsprechende Kompensation ausgeglichen wird.
Das Ziel der zweiten Studie lag in einer Validierung der Selbstberichte aus dem Fragebogen anhand eines klinischen Assessments sowie einer einstündigen Fahrverhaltensbeobachtung, bei der die Fahrkompetenz von 40 teilnehmenden älteren Probanden per Schulnote und Zahl der Fehler durch zwei geschulte Fahrlehrer bewertet wurde. Es wurden die Zusammenhänge zwischen dem Selbsttest und den beiden Außenkriterien sowie der Zusammenhang des klinischen Assessments mit der Fahrverhaltensbeobachtung untersucht. Es zeigten sich nur sehr geringe und zum größten Teil nicht signifikante Zusammenhänge zwischen allen drei Erhebungen. Anhand der klinischen Ergebnisse und der Fahrverhaltensbeobachtung konnte geschlossen werden, dass die Stichprobe zwar insgesamt als durchschnittlich bis leicht überdurchschnittlich leistungsfähig klassifizierbar war und keine größere Zahl an extrem unfitten Fahrern beinhaltete, die Ergebnisse aber wiederum nicht allein auf eine zu varianzarme Stichprobe zurückgeführt werden können. Mögliche Gründe für die ausbleibenden Zusammenhänge werden u. a. in Form des grundlegenden Problems diskutiert, dass je nach Erhebungsform (Selbstbericht vs. Labormessung vs. Fremdbeobachtung in der Fahrverhaltensbeobachtung) unterschiedliche Defizite unterschiedlich auffällig und messbar sind. Eine wichtige Erkenntnis aus der zweiten Studie betrifft das Ergebnis, dass weder objektive Labormessungen der Leistungsfähigkeit noch die Selbsteinschätzung von Fahrern eine geeignete Prognose des realen Fahrverhaltens erlauben. Insbesondere der ausbleibende Zusammenhang von Selbsttest und Fahrverhaltensbeobachtung kann als deutliches Indiz gewertet werden, dass sich die Befragten oft nicht korrekt selbst einschätzen. Für eine Kompensation altersbedingter Einbußen ist allerdings eine realistische Selbsteinschätzung zwingend erforderlich. Dies untermauert die Relevanz des eigentlichen Hauptzieles des Fragebogens, der vor allem der Aufklärung und Sensibilisierung der Befragten dienen soll. Ein weiteres wichtiges Ergebnis fand sich indes in dem Umstand, dass in der Fahrverhaltensbeobachtung weniger als 50 % aller notwendigen Schulterblicke durchgeführt wurden und sich nur ein kleiner Teil dieser Auslassungen durch eine klinisch gemessene Einschränkung der Kopf- und Schulterbeweglichkeit erklären ließ. Aus qualitativen Randbemerkungen der Probanden gegenüber den Fahrlehrern ließ sich der Schluss ziehen, dass der Hauptgrund für die unterlassenen Schulterblicke oft vielmehr in mangelnder Motivation oder Einsicht in die Notwendigkeit des Schulterblicks begründet war.
309
Evaluierte Trainingsmaßnahmen zur Verbesserung der Fahrkompetenz älterer Menschen führen mitunter zu beachtlichen Leistungsverbesserungen. Deren Durchführung ist aber durchwegs sehr aufwändig und nicht ohne weiteres flächendeckend anbietbar. Im vorliegenden Projekt wurde ein modulares Trainingsprogramm entwickelt und evaluiert, das so konzipiert ist, dass es einfach, kostengünstig und wenig zeitintensiv durchzuführen ist. Anhand eines persönlichen Profils der fahrbezogenen Leistungsdefizite und des individuellen Mobilitätsbedürfnisses der älteren Autofahrenden erfolgt die Zusammenstellung des individuellen Trainingsplans, der neben spezifischen Fahrübungen auch Gruppensitzungen zur Auffrischung des Verkehrswissens sowie Beratung und Schulung zur Kompensation altersbedingter Einschränkungen und zum Nutzen ausgewählter Fahrerassistenzsysteme umfasst. Stärker eingeschränkten Personen, die das Fahren in ungewohntem Umfeld nicht (mehr) sicher bewältigen können, wird ein Training in begrenztem, bekanntem Umkreis angeboten. Für die Evaluationsstudie wurde ein Vorher-Nachher-Mess-Design mit N = 30 Personen realisiert. Kriterium für den Gesamterfolg des Trainingskonzepts war der Vorher-Nachher-Vergleich der Fahrkompetenz sowie der subjektiven Bewertungen (durch Teilnehmende, Fahrlehrer und Psychologinnen). Sowohl auf Konzept- als auch auf Modulebene verbesserte sich die Fahrkompetenz gemessen anhand unterschiedlicher Leistungsparameter durch die Trainingsteilnahme deutlich. Die Fahrlehrer fanden das Trainingskonzept nützlich und praktikabel im Fahrschulalltag. Die Teilnehmenden waren mit den Trainingsmaßnahmen sehr zufrieden und schätzten sie als sehr hilfreich ein. Somit erwies sich das Trainingskonzept als sehr vielversprechend für einen Einsatz über die Projektarbeit hinaus. Es wird eine wissenschaftlich begleitete Einführung des Trainingskonzepts an mehreren überregionalen Fahrschulen empfohlen Flankierend sollten Marketing- und Informationskampagnen erarbeitet werden.
308
Die vorliegende Evaluation untersucht im ersten Teil die Wirkung der Umsetzung des Formats „Elternveranstaltung“ durch speziell geschulte Moderatoren im Programm „Kind und Verkehr“ (KuV) des Deutschen Verkehrssicherheitsrats (DVR) und seiner Mitgliedsverbände. Hierzu wurden in einem Prüf- / Kontrollgruppendesign 3.854 Elternteile bis zu drei Mal befragt. Außerdem liegt zu 254 Elternveranstaltungen ein „Datenblatt Veranstaltung“ und von 261 teilnehmenden Kindergärten ein „Datenblatt Einrichtung“ vor. An der separaten Moderatorenbefragung nahmen 339 Ehrenamtliche teil.
Im Zuge der Wirkungsevaluation wird deutlich, dass KuV vornehmlich interessierte Eltern mit vergleichsweise höherer Schulbildung und ohne Migrationshintergrund erreicht („Mittelschichtbias“), die sich schon vor der Veranstaltung positiv zu Aspekten der Verkehrserziehung äußern („Deckeneffekte“).
Zusammenfassend lässt sich aufgrund der Befunde eine hinreichend erfolgreiche Ansprache von Eltern von Vorschulkindern im Sinne der Sensibilisierung und Unterstützung, mit dem Ziel der Erhöhung der Verkehrssicherheit ihrer Kinder bescheinigen. Die Befunde der Wirkungsevaluation von KuV sprechen deshalb für die weitere Förderung des Zielgruppenprogramms durch das BMVI, mit der Maßgabe der Verbreiterung der Basis der erreichten Zielgruppeneltern.
Im zweiten Teil des Berichts wird die Wirkung des Programms „Kinder im Straßenverkehr“ (KiS) der Deutschen Verkehrswacht (DVW) untersucht, in dem eigens ausgebildete Moderatoren Beratungsgespräche für Erzieherinnen in Kitas anbieten. Insgesamt beteiligten sich 69 Kitas bis zu drei Mal an Panelbefragungen und 385 an einer einmaligen retrospektiven Befragung. An der KiS-Moderatorenbefragung nahmen 265 Ehrenamtliche teil.
Zusammenfassend kann je eine Zielsetzung von KiS als uneingeschränkt (Kontinuierliche Betreuung), als größtenteils (Verankerung der Verkehrssicherheitsarbeit) und als mit Einschränkungen erreicht (Beratung, Unterstützung und Qualifizierung) bezeichnet werden. Diese Befunde der Wirkungsevaluation sprechen für die weitere Förderung von KiS durch das BMVI.
Die Umsetzungstreue von KuV und KiS ist, nach Angaben von Moderatoren und Zielgruppen, weitgehend gewährleistet. Ansatzpunkte zur Optimierung von KuV und KiS werden aufgezeigt.
307
Die vorliegende Evaluation untersucht die Wirkung von Verkehrssicherheitstagen an Schulen im Programm „Aktion junge Fahrer“ (AjF) der Deutschen Verkehrswacht (DVW). Hierzu wurden in einem Prüf- / Kontrollgruppendesign 5.227 Jugendliche und junge Erwachsene bis zu drei Mal befragt. Außerdem liegt zu 190 Verkehrssicherheitstagen ein „Datenblatt Aktionstag“ vor. An der separaten Befragung der Mitwirkenden an AjF nahmen 270 Ehrenamtliche teil.
Aufgrund des Erhebungsdesigns unterscheiden sich Teilnehmer und Nichtteilnehmer an AjF in geringem Ausmaß hinsichtlich soziodemographischer Merkmale und ihres Status der Verkehrsteilnahme. Allerdings trifft AjF nicht auf eine inhaltlich selektive Zielgruppe mit besonderer Affinität zum Thema „Verkehrssicherheit“.
Die AjF-Ziele, den Jugendlichen und jungen Erwachsenen eine adäquatere Selbsteinschätzung, eine erhöhte Gefahrensensibilisierung und ein sichereres Verhalten im Straßenverkehr zu vermitteln, werden nur teilweise erreicht. Kurzfristig zeigen sich zum Teil Einstellungsänderungen, die den Zielsetzungen entgegenstehen, es sind jedoch auch eine bessere Einschätzung von Fähigkeiten zur Gefahrenerkennung, -vermeidung und -bewältigung sowie eine ausgeprägtere Gefahrenwahrnehmung zu beobachten. Langfristig zeigen sich in den quantitativen Prä- / Post-Messungen der itembasierten Analysen vereinzelt Effekte, die mit den Zielsetzungen von AjF in Einklang stehen. Anhand der subjektiven Selbsteinschätzungen der Jugendlichen ist überwiegend von positiven Wirkungen durch AjF auszugehen.
Bezüglich der Umsetzungstreue zeigt sich eine große Heterogenität in der Umsetzungsrealität, die auch auf eine fehlende Qualifizierung der Ehrenamtlichen hindeutet.
Insgesamt zeigt die Wirkungsevaluation das grundsätzliche Potenzial des Zielgruppenprogramms AjF auf. Aufgrund einer Vielzahl von Befunden ist allerdings davon auszugehen, dass der Programmteil „Projektbausteine“ in seiner eigentlichen Konzeption von den Ehrenamtlichen weitgehend nicht wie definiert wahrgenommen und in AjF kaum den Vorgaben gemäß umgesetzt wird. Die weitere Förderung von AjF durch das BMVI sollte an die Umsetzung der ganzen Breite des Programmangebotes (Aktionselemente und Projektbausteine) gebunden werden.
Der Evaluationsbericht endet mit Ansatzpunkten zur Optimierung des Zielgruppenprogramms hinsichtlich Programminhalten, -organisation und -steuerung.
306
In der Wissenschaft und der praktischen Verkehrssicherheitsarbeit ist unbestritten, dass Kinder sich aufgrund ihrer noch nicht voll entwickelten Motorik, visuellen und akustischen Wahrnehmung sowie kognitiven Entwicklung im Straßenverkehr anders verhalten als Erwachsene. Das Ziel des vorliegenden Berichtes ist die Erschließung des aktuellen Kenntnisstandes zum Thema „Kinder im Straßenverkehr“, mittels einer breit angelegten, systematischen Analyse deutscher und internationaler Literatur zu entwicklungspsychologischen Fähigkeiten von Kindern unterschiedlichen Alters.
Einführend wird – ausgehend von aktueller Einführungsliteratur in die Entwicklungspsychologie – ein Überblick über relevante Dimensionen der kindlichen Entwicklung gegeben. Anschließend werden ausgewählte Befunde aus 251 gesichteten Literaturquellen schlaglichtartig vorgestellt. Neben einzelnen Dimensionen der Entwicklung von Kindern wird auch auf das komplexe Querungsverhalten und auf Verkehrssicherheitsmaßnahmen für Kinder eingegangen. Die im Zuge der Projektbearbeitung durchgeführte systematische Literaturrecherche führte zu einem paradoxen Ergebnis:
• Einerseits konnte eine große Bandbreite von Literaturquellen identifiziert werden, die sich mit mehr oder weniger spezifischen Aspekten der Entwicklung von Kindern und deren Relevanz für ihre sichere Verkehrsteilnahme als Fußgänger oder Radfahrer beschäftigen.
• Andererseits erweisen sich die vorgestellten Befunde als sehr spezifisch hinsichtlich des untersuchten Entwicklungs- bzw. Verkehrsbeteiligungsaspektes, des Alters der getesteten Kinder, des Untersuchungsdesigns, des zugrundeliegenden Settings oder des Stichprobenumfangs.
Vor diesem Hintergrund wurde im Bericht der Schwerpunkt auf die möglichst vergleichbare Darstellung der inhaltlichen und methodischen Aspekte der gesichteten Literaturquellen gelegt.
Abschließend werden Ansatzpunkte für die weitere Forschung und praktische Verkehrssicherheitsarbeit referiert.
304
Im vorliegenden Bericht wird das Unfallgeschehen von Motorrädern analysiert. In die Untersuchungsgruppe der Motorräder wurden zweirädrige Krafträder mit amtlichem Kennzeichen aufgenommen. Drei- und „schwere“ vierrädrige Krafträder wurden im Rahmen dieses Berichts nicht in die Gruppe der Motorräder einbezogen.
Innerhalb der zeitlichen Entwicklung der Jahre 2008 bis 2017 werden Eckgrößen, wie die Anzahl der Unfälle, die Unfallschwere und die Anzahl der Unfallbeteiligten dargestellt. Beteiligtenbezogene Kenngrößen werden – soweit möglich – ebenfalls für diesen Zeitraum berechnet.
Im Mittel ereigneten sich jährlich rund 28.000 Motorradunfälle, bei denen es zu einem Personen- schaden kam. 90 % der verunglückten Personen waren Nutzer des Motorrads. Während die Anzahl der getöteten Motorradnutzer sich seit 2008 um 11 % auf 579 verringert hat, ist die Anzahl der schwerverletzten Motorradnutzer um 1 % auf 9.555 im Jahr 2017 leicht angestiegen.
Die Anzahl der an Unfällen mit Personenschaden beteiligten Motorradfahrer ist im Zeitraum 2008 bis 2017 um 6 % zurückgegangen.
Dabei zeigen sich im Zeitraum 2008 bis 2017 beim Bezug auf den Bestand an Krafträdern, auf den Bestand an Fahrerlaubnissen sowie auf die erbrachte Fahrleistung rückläufige Kennwerte. So hat z. B. das fahrleistungsbezogene Risiko als Motorradfahrer an einem Unfall mit Personenschaden beteiligt zu sein um 19 % abgenommen.
Die Unfallschwere der Motorradunfälle mit Personenschaden hat sich im Untersuchungszeitraum tendenziell leicht erhöht - von 321 schwerverletzten Motorradnutzern pro 1.000 Unfälle mit Personenschaden im Jahr 2008 auf 346 im Jahr 2017. Die Anzahl der getöteten Motorradnutzer je 1.000 Unfälle mit Personenschaden hat sich dagegen kaum verändert. Im Mittel werden 22 Motorradnutzer je 1.000 Unfälle mit Personenschaden getötet.
Die detaillierte Betrachtung der verunfallten Motorräder und deren Fahrer zeigt, dass ein Trend zur Nutzung leistungsstärkerer Motorräder vorliegt. Diese Maschinen weisen zwar keine erhöhte Unfallbeteiligung auf, die Verletzungsschwere der Fahrer auf leistungsstärkeren Motorrädern ist allerdings immer deutlich höher als auf schwächeren.
302
Ziel des vorliegenden Berichtes ist es, Potenziale für eine nachhaltige und erfolgreiche Verkehrssicherheitskommunikation über Influencer in den sozialen Medien herauszuarbeiten, den aktuellen Forschungsstand darzustellen und Handlungsempfehlungen abzuleiten.
Vor dem Hintergrund des veränderten Mediennutzungsverhaltens kann davon ausgegangen werden, dass die Verkehrssicherheitskommunikation heute und in Zukunft ihre unterschiedlichen Zielgruppen nicht mehr ausreichend über die klassischen Medienangebote erreichen kann. Die umfangreiche Social-Media-Nutzung in allen Altersgruppen und die wachsende Popularität der digitalen Meinungsführer, die als „Influencer” über selbst produzierte Inhalte auf Social-Media-Plattformen Einfluss auf ihre Follower ausüben, wird ein großes Potenzial zugeschrieben, Rezipienten nicht nur zu informieren, sondern in ihren Einstellungen und Verhaltensweisen zu beeinflussen. Der erfolgreiche Einsatz von Meinungsführern im Marketing und in der Gesundheitskommunikation legt nahe, dass Influencer auch in der Verkehrssicherheitskommunikation eingesetzt werden können. Während es sich bei Social-Media-Influencern um ein relativ neues Phänomen handelt, werden Meinungsführer in der Medien- und Kommunikationswissenschaft bereits seit ihrer Entdeckung in den 1940er Jahren umfassend erforscht. Die Erkenntnisse gilt es nun mit der Social-Media-Forschung zu verknüpfen und im Hinblick auf die digitalen Influencer zu überprüfen.
Dargestellt werden die Hauptzielgruppen der Verkehrssicherheitsarbeit, bisherige Kommunikationsmaßnahmen und Erkenntnisse über deren Wirkungen. Beim Mediennutzungsverhalten lässt sich ein grundlegender Wandel von den klassischen Medien hin zur Online-Nutzung feststellen. Influencer sind vor allem auf YouTube und Instagram aktiv, der Bereich des Influencer Marketing hat sich rasch professionalisiert und kommerzialisiert. Potenziale für die Verkehrssicherheitskommunikation über Influencer ergeben sich in allen Zielgruppen, was anhand von Best Practices und Beispielen unterschiedlicher Themen- und Formatkategorien aufgezeigt wird. Auf der Basis der bisherigen Forschungsergebnisse werden Erfolgsfaktoren für die Auswahl und Zusammenarbeit mit Influencern benannt sowie weiterer Forschungsbedarf identifiziert.
305
Die Wirksamkeit des Alkoholverbots für Fahranfängerinnen und Fahranfänger, das seit dem 01. Au-gust 2007 gilt, wurde kurz nach dessen Einführung erstmals evaluiert (HOLTE, ASSING, PÖPPEL- DECKER & SCHÖNEBECK, 2010). Dabei konnte ein deutlicher Rückgang alkoholbedingter Unfälle und alkoholbedingter Verkehrsverstöße sowie eine hohe Akzeptanz der Maßnahme nachgewiesen werden.
In der vorliegenden Re-Evaluation wurden nunmehr die längerfristigen Wirkungen dieser Regelung untersucht. Dahinter steht die Frage, ob das Alkoholverbot neben der direkten Wirkung, das Fahren unter Alkoholeinfluss bei Fahranfängerinnen und Fahranfängern zu verhindern bzw. zu verringern, auch eine sozialisierende Wirkung dahingehend ausübt, dass Personen, die es von Beginn ihrer Karriere als Autofahrende gewohnt sind, Trinken und Fahren zu trennen, diese Verhaltensweise auch in ihrer weiteren Fahrkarriere beibehalten, auch wenn sie nicht mehr unter das Gesetz fallen.
Es wurde daher geprüft, wie sich das Alkoholverbot für Fahranfängerinnen und Fahranfänger langfristig auf das alkoholbedingte Unfallgeschehen und auf alkoholbedingte Verkehrsverstöße auswirkt und wie sich die Einstellungen zum Alkoholverbot entwickelt haben. Hierzu wurden die Daten der amtlichen Unfallstatistik sowie die Daten des Fahreignungsregisters (FAER) des Kraftfahrt-Bundesamtes herangezogen und eine Repräsentativbefragung zur Erfassung der Einstellungen gegenüber dem Alkoholverbot für Fahranfängerinnen und Fahranfänger durchgeführt.
Die Analyse des Unfallgeschehens zeigt, dass die (ehemaligen) Fahranfängerinnen und Fahranfänger der ersten Kohorte, die unter das Alkoholverbot fiel, auch langfristig seltener alkoholisiert an Straßenverkehrsunfällen beteiligt sind als Vergleichsgruppen. Somit ging das Alkoholunfallgeschehen in dieser Kohorte nicht nur für die Zeit zurück, in der das Alkoholverbot für sie galt. Auch nach Ende der Probezeit bzw. nach Erreichen des 21. Lebensjahres entwickelten sie sich bezüglich ihres Alkoholunfallgeschehens besser als die Vergleichsgruppen. Zudem ist der Alkoholisierten-Anteil bei den Fahranfängerinnen und Fahranfängern in den letzten elf Jahren seit Einführung des Gesetzes signifikant stärker zurückgegangen als bei den Fahrerfahrenen. Dieses Ergebnis wurde durch die Analyse der alkoholbedingten Verkehrsverstöße bestätigt. Die Zahl alkoholbedingter Delikte reduzierte sich auch langfristig deutlich stärker in der Gruppe der jungen Fahranfängerinnen und Fahranfänger im Vergleich zu der Gruppe der Älteren und Fahrerfahrenen. Die Akzeptanz des Alkoholverbots ist bei den heutigen Fahranfängerinnen und Fahranfängern weiterhin sehr hoch und gegenüber der ersten Evaluation noch gestiegen. Ebenso hat sich die Akzeptanz auch in der Kohorte derer, die bei Einführung des Alkoholverbots in 2007 erstmalig unter das Alkoholverbot fiel, erhöht. Demnach wird das Alkoholverbot auch langfristig für sinnvoll erachtet, auch wenn die Fahrerinnen und Fahrer selbst nicht mehr unter das Gesetz fallen.
Gegenüber der ersten Evaluation sind sowohl das Autofahren ebenso wie der Konsum von Alkohol für die heutigen Fahranfängerinnen und Fahranfänger weniger bedeutsam als noch in 2008. Gleiches gilt auch in der Kohorte der älteren Befragten, die die erste Kohorte der Fahrfängerinnen und Fahranfänger waren, die unter das Alkoholverbot fielen. Diese beiden Entwicklungen scheinen längerfristige gesellschaftliche Trends abzubilden, die die Wirksamkeit und Akzeptanz des Alkoholverbots für Fahranfänger und Fahranfänger unterstützen können.
Insgesamt belegen die Ergebnisse der vorliegenden Re-Evaluation eine überdauernde Wirksamkeit des Alkoholverbots für Fahranfänger und Fahranfängerinnen. Die positive Entwicklung des alkohol-bedingten Unfallgeschehens und der alkoholbedingten Verkehrsverstöße sowie die weitere Zunahme der Akzeptanz liefern einen deutlichen Beleg dafür, dass das Alkoholverbot für Fahranfänger und Fahranfängerinnen auch in der langfristigen Betrachtung einen positiven Beitrag zur Verkehrssicherheit leistet, indem es nicht nur auf die unmittelbare „Zielgruppe“ der Maßnahme – die Fahrneulinge – wirkt, sondern auch in den Folgejahren, wenn die Fahrerinnen und Fahrer nicht mehr unter das Alkoholverbot fallen, positive Wirkungen entfaltet. Daher gilt es, die Akzeptanz und Regelbefolgung in Bezug auf diese wirksame Maßnahme weiterhin aufrechtzuerhalten und die Gefährlichkeit und Nichttoleranz des Fahrens unter Alkoholeinfluss im Rahmen von Fahrausbildung, Verkehrserziehung sowie von Informations- und Aufklärungsmaßnahmen zu thematisieren.
299
Fußgänger sind in Unfallsituationen durch erhöhte Verletzlichkeiten gekennzeichnet. Der erhöhte Anteil von Kindern (0-14 Jahre) und Senioren (≥ 65 Jahre) bei dieser Verkehrsteilnehmergruppe und deren besonderen Verhaltensweisen verschärft diese Problematik. Es werden unterschiedliche Ver-haltensweisen bei Fußgängern vermutet, die in der Altersgruppe oder der Ablenkung durch z. B. Handynutzung begründet sind. Die Sicherheitsrelevanz der Ablenkung und weitere unfallbegünstigende und mitwirkende Faktoren wurden untersucht. Fußgängerverhalten und Fußgängersicherheit wurden gemeinsam in einer Grundlagenanalyse behandelt, unter Berücksichtigung der Infrastruktur, des Umfelds, der Personencharakteristika und der Konfliktgegner.
Im Fokus stand das Querungsverhalten auf Hauptverkehrsstraßen innerorts mit einer zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h entlang der freien Strecke außerhalb von Hauptverkehrsknotenpunkten. Die Untersuchungsmethoden umfassten eine makroskopische Unfallanalyse der amtlichen Straßenverkehrsunfallstatistik, eine Netzanalyse der Verteilung von Fußgängerunfällen, eine Analyse des Verkehrsaufkommens der Fußgänger differenziert nach Quer- und Längsverkehr in Zusammenhang mit dem Unfallgeschehen, Einzelstellenanalysen von Unfällen, Verhaltensbeobachtungen, quantitative Analyse von Konfliktparametern und Verfolgungsläufe.
Für eine Stichprobe von 82 Untersuchungsstelle ergänzt um 24 Stellen aus externen Erhebungen wurden Merkmale des Straßenraums, der Lage im Netz sowie verschiedener Expositionsgrößen des Fuß-, Rad- und motorisierten Fahrzeugverkehrs gegenübergestellt und ausgewertet. An acht Untersuchungsstellen wurden detaillierte Verhaltensbeobachtungen zum Sicherungsverhalten vor und während der Fahrbahnquerung durchgeführt.
Im Ergebnis wurden Auffälligkeiten im Unfallgeschehen und den Verhaltensweisen der Fußgänger herausgearbeitet. Das beinhaltet auch eine Priorisierung von Konfliktsituationen und unfallbegünstigender Merkmalen.
Abschließend wurden Maßnahmen der Bereiche Infrastruktur und Erziehung diskutiert.
303
Infolge bestimmter Erkrankungen kann es zu motorischen, sensorischen und/oder kognitiven Leistungsbeeinträchtigungen kommen, die sich negativ auf das Führen eines Fahrzeuges auswirken können. Trotz intensiver Forschungsbemühungen sind aktuell die komplexen Zusammenhänge zwischen kognitiven Leistungsbeeinträchtigungen und der Fahrkompetenz noch nicht vollumfänglich verstanden.
Primäres Ziel dieses Berichtes war es, anhand der Darstellung und Analyse aktueller und zentraler wissenschaftlicher Erkenntnisse zu einem besseren Verständnis krankheitsbedingter Beeinträchtigungen der Fahrkompetenz beizutragen.
Dazu wurde zunächst der Einfluss von sechs neurologischen und neurodegenerativen Erkrankungen auf das Fahrverhalten der Betroffenen beschrieben und analysiert. Die Auswahl der Erkrankungen erfolgte dabei aufgrund ihrer vergleichsweise hohen Prävalenzen und den typischerweise bei ihnen auftretenden neurologischen und neuropsychologischen Symptomen, welche für die Beantwortung zentraler Fragestellungen dieses Berichtes von besonderer Bedeutung sind. Aus der Kombination ausgewählter verkehrssicherheitskritischer Parameter wurde die Relevanz der einzelnen Erkrankungen für die Verkehrssicherheitsarbeit abgeleitet. Diese Erkenntnisse liefern wichtige Hinweise darauf, welche Erkrankungen zukünftig, beispielsweise im Rahmen von Informations- und Aufklärungsmaßnahmen oder Forschungsprojekten, verstärkt adressiert werden sollten. Um ein möglichst vollständiges Bild des aktuellen Forschungsstandes wiederzugeben, wurden auch Studien, die aufgrund von methodischen Schwächen (z. B. kleine Stichprobe) nur eine begrenzte Aussagekraft haben, bei der Bewertung der einzelnen Störungen berücksichtigt. Durch dieses Vorgehen sollten zudem mögliche (systematische) Schwächen in dem Forschungsgebiet identifiziert und analysiert werden können.
Anhand der zur Verfügung stehenden Daten ergibt sich für die Demenzen, Schädel-Hirn-Traumata und die hepatische Enzephalopathie eine hohe Relevanz für die Verkehrssicherheitsarbeit. Etwas geringer, aber weiterhin als hoch zu bewerten, stellt sich die Relevanz von Morbus Parkinson für die Verkehrssicherheitsarbeit dar. Die Relevanz von Schlaganfällen für die Verkehrssicherheitsarbeit ist anhand der zur Verfügung stehenden Daten am ehesten als moderat, die der leichten kognitiven Störung (LKS) am ehesten als gering zu bezeichnen. Diese Aussagen beziehen sich dabei auf ein aus den berücksichtigten Forschungsarbeiten abgeleitetes theoretisches Risiko auf Gruppenebene. Dieses eignet sich ausdrücklich nicht, um fahreignungsbezogene Rückschlüsse zu ziehen. Ableitungen auf das individuelle Risiko eines erkrankten Fahrers sind unzulässig
.
Anhand der berücksichtigten Veröffentlichungen konnten zudem Zusammenhänge zwischen kognitiven Leistungen und der Fahrkompetenz beschrieben werden. Dabei scheint neben den Aufmerksamkeits- und visuell-räumlichen Leistungen insbesondere exekutiven Leistungen eine besondere Relevanz bei der Bewältigung der Fahraufgabe zuzukommen. Es ergeben sich Hinweise, dass die Durchführung individueller Trainings zur Steigerung der kognitiven Leistungsfähigkeit, praktische Fahrtrainings sowie zielgruppenspezifische Maßnahmen zu einer nachhaltigen Verbesserung der Verkehrssicherheit beitragen können. Insgesamt gilt es, Betroffene, Behandelnde und Akteure der Verkehrssicherheit verstärkt für das Thema krankheitsbedingt beeinträchtigte Fahrkompetenz zu sensibilisieren.
Im Hinblick auf zukünftige Aktivitäten wird aufgrund der Limitation aktueller wissenschaftlicher Veröffentlichungen empfohlen, einen theoretisch und/ oder empirisch fundierten methodischen Leitfaden zur Erstellung von Fahrkompetenzstudien zu entwickeln und zu veröffentlichen. Zukünftige Forschungsschwerpunkte könnten kognitive Anforderungen spezifischer Fahraufgaben, vertiefende Analysen von Erkrankungen und ihrem Zusammenhang mit der Fahrkompetenz sowie die Entwicklung valider Mess- und Testverfahren sein.
Mittel- bis langfristig sollen sich anhand der dargestellten Maßnahmen krankheitsbedingte Risiken im Straßenverkehr reduzieren lassen und neue Wege zum Erhalt der Mobilität erkrankter Fahrer identifiziert werden können.
301
Im Vergleich zu vielen anderen Verkehrsteilnehmergruppen sind Motorradfahrerinnen und -fahrer bei Straßenverkehrsunfällen einem erhöhten Risiko einer schweren oder tödlichen Verletzung ausgesetzt. So wurden von den 28.774 im Jahr 2017 verunglückten Motorradbenutzern 33,3 % schwer und 2,0 % sogar tödlich verletzt. Bei allen verunglückten Kraftfahrzeugbenutzern (280.588) betragen diese Anteile 15,9 bzw. 0,8 %.
Zentrales Ziel der Studie ist eine umfassende Darstellung der Mobilitätsstrukturen im Motorradverkehr in Deutschland, was gleichzeitig die Bereitstellung von Expositionsdaten bedeutet, welche dann ggf. für anderweitige Unfallanalysen verwendet werden können. Darüber hinaus wird neben einer ausführlichen Darstellung der methodischen Grundlagen der Verkehrsunfallrisikoanalyse ein Überblick über vorhandene Ergebnisse zu Unfallrisiken sowie zu Unfallursachen im Motorradverkehr gegeben.
Von allen in der Fahrleistungserhebung 2014 (Verkehrszählung) untersuchten Kraftfahrzeugarten zeigt sich bei Fahrern motorisierter Zweiräder (erhebungsbedingt einschließlich Mofas und Mopeds) das höchste Risiko. Im Vergleich zum Durchschnitt über alle Kfz ergibt sich bei motorisierten Zweirädern ein rund 4,3-fach höheres Unfallbeteiligungsrisiko. Die Verunglücktenrate liegt sogar um das 7-fache über dem Gesamtwert, wobei die unter 18-Jährigen hier ein nochmals deutlich höheres Risiko aufweisen.
Zur Beschreibung von Mobilitätsstrukturen im Motorradverkehr wurden eigene Auswertungen auf Basis der Fahrleistungserhebung 2014 (Halterbefragung und Verkehrszählung) und der Erhebung „Mobilität in Deutschland (MiD) 2017“ vorgenommen, welche im Hinblick auf den Erhebungsumfang und die Aktualität am besten für diese Aufgabenstellung geeignet sind.
In 10,6 % aller Haushalte ist ein Motorrad vorhanden und 22,3 % der Personen ab 16 Jahren besitzen eine Motorradfahrerlaubnis. Der typische Motorradnutzer ist männlich, zwischen 45 und 65 Jahre alt, erwerbstätig und verfügt über einen Pkw.
Das Motorrad wird dabei überwiegend als Freizeitverkehrsmittel genutzt, wobei Sonn- und Feiertage die klassischen Tage für längere Motorrad-Ausfahrten sind.
Auf Basis der im Rahmen des Projektes ermittelten Ergebnisse werden abschließend Vorschläge zur Schließung von Daten- und Kenntnislücken gemacht.
300
Der aktuellen Gesetzeslage nach ist die Nutzung von Smartphones beim Fahren nach § 23 (1a) StVO verboten und wird mit 100 € Bußgeld sowie einem Punkt im Fahreignungsregister beim Kraftfahrt- Bundesamt bestraft. Dennoch kommt es häufig zu einer Missachtung dieses Verbotes. Die Kenntnis über das Nutzerverhalten von Smartphones beim Fahren stellt dabei vor dem Hintergrund verkehrssicherheitsrelevanter Fragen eine wichtige Grundlageninformation dar. In diesem Jahr wurde daher begonnen, dieses Nutzerverhalten von Smartphones beim Fahren unter Berücksichtigung möglicher Einflussparameter wie z. B. Alter des Fahrers, Verkehrsbedingungen, Streckenarten etc. zu erforschen. Ziel ist, diese Parameter zukünftig kontinuierlich zu erfassen und fortzuschreiben.
Der vorliegende Bericht beschreibt die Vorgehensweise der aktuellen Erhebung und stellt die Ergebnisse als Basis für die zukünftige Fortschreibung dar. Im Rahmen der Erhebungen wurden 145.040 Beobachtungen getätigt. Um die Ergebnisse auf den deutschen Verkehr insgesamt beziehen zu können, wurden sie anhand der aktuellen Fahrleistungserhebung aus dem Jahr 2014 (BÄUMER et al., 2017) und der aktuellen Erhebung der Mobilität in Deutschland (NOBIS & KUHNIMHOF, 2018) in Bezug auf die Eigenschaften der Wege (Tageszeit, Wochentag) und der Fahrer (Alter, Geschlecht, Anwesenheit von Beifahrern) gewichtet. Resultierend für das Fahren mit Nebentätigkeit ergibt sich, dass 3 % der Pkw-Fahrer zu einem zufälligen Beobachtungszeitpunkt ihr Smartphone nutzen. 2 % tippen auf dem Smartphone und haben dabei mindestens eine Hand vom Steuer entfernt und den Blick von der Straße. 1 % telefoniert, von diesen ungefähr die Hälfte mit dem Handy am Ohr. Im Hinblick auf das Tippen mit dem Smartphone zeigt sich dabei, dass junge innerorts alleinfahrende Männer dieses Verhalten besonders häufig zeigen. Das Telefonieren mit dem Handy am Ohr und mit Freisprechanlage oder Headset sind vergleichbar häufig feststellbar. Hier sind Männer und Frauen in ähnlicher Weise betroffen, wobei Männer vor allem allein, mittags und auf der Autobahn häufiger telefonieren.
Für beide Arten von Nebentätigkeiten ergibt sich damit, dass junge Fahrerinnen und insbesondere Fahrer eine besonders relevante Zielgruppe für entsprechende Verkehrssicherheitsmaßnahmen darstellen.
297
Fahrfremde Tätigkeiten stellen eine Quelle für Verkehrsunfälle dar. Die Häufigkeit von solchen Nebentätigkeiten -wurde daher vielfach in Befragungs- und Beobachtungsstudien untersucht. Angaben in Befragungen unterliegen jedoch häufig Erinnerungsverzerrungen und Beobachtungsstudien weisen Defizite bei der Erfassung subjektiv empfundener Ablenkungen auf. Das Ziel dieses Projektes war zum einen eine genauere Aussage über die Auftretenshäufigkeit von Nebentätigkeiten von Pkw-Fahrern in Deutschland zu treffen. Zum anderen sollte die hierfür eingesetzte Befragungsmethode mittels Abgleich mit Beobachtungsdaten validiert werden. In der ersten Studie wurde eine Befragung mittels Face-to-face Interviews zu Nebentätigkeiten mit 1.072 Pkw-Fahrern in vier verschiedenen Städten Deutschlands durchgeführt. Die Stichprobe orientierte sich in Alter und Geschlecht an den Führerscheinbesitzern in Deutschland. Im Schnitt gaben die Fahrer an, zwei Nebentätigkeiten innerhalb der letzten 30 Minuten ihrer Fahrt ausgeführt zu haben. Die am häufigsten genannten Nebentätigkeiten waren Interaktionen mit Mitfahrenden, die Bedienung von fahrzeugzugehörigen Geräten sowie selbstinitiierte Handlungen (z. B. Selbstgespräche). In der zweiten Studie wurde zur Validierung der verwendeten Befragungsmethodik eine naturalistische Fahrstudie (NDS) durchgeführt. In die Analyse gingen Daten von 76 Fahrern ein. Es zeigten sich Unterschiede zwischen den Angaben der Fahrer in den Befragungen und der Videobeobachtung. Mittels Befragung konnten vor allem bewusst ausgeführte und seltene Tätigkeiten (z. B. Telefonieren, Lesen /Schreiben von Textnachrichten) valide erhoben werden. Für eher unbewusst ausgeführte und oder sehr häufig auftretende kleinteilige Handlungen (z. B. Bedienung von fahrzeugzugehörigen Geräten, Körperhygiene, Wechseln von Kleidung) zeigte sich ein Vorteil für die Beobachtung. Aus den Ergebnissen zur Validierung lässt sich schlussfolgern, dass die Befragung unmittelbar im Anschluss an Fahrten eine geeignete Methode zur Erfassung der Häufigkeit von bewusst ausgeführten Nebentätigkeiten für große Stichproben darstellt.
298
Bei der Bewertung von Infrastrukturprojekten werden in Deutschland bspw. im Rahmen des Bundesverkehrswegeplans Kosten-Nutzen-Analysen eingesetzt. Eine wesentliche Nutzenkomponente innerhalb solcher Analysen stellt die Reduzierung der Personenunfallopfer dar, der zur Bestimmung des Kosten-Nutzen-Verhältnisses ein monetärer Wert beigemessen werden muss. Der aktuellen wissenschaftlichen Literatur folgend kann der Wert eines statistischen Menschenlebens (Value of a Statistical Life – VSL) bzw. der Wert der Risikoreduktion (Value of Risk Reduction – VRR) mithilfe von Zahlungsbereitschaftsanalysen unter Einsatz der Diskreten Wahltheorie bestimmt werden. In dieser für Deutschland erstmalig durchgeführten Konzeptstudie werden die VRR-Werte für vier verschiedene Verletzungskategorien bestimmt. Der Fokus der Studie liegt jedoch auf der Entwicklung und Überprüfung des Erhebungskonzeptes und hat nicht den Anspruch repräsentative Werte zu ermitteln. Routenwahlexperimente mit 214 Teilnehmern liefern die Datengrundlage. Die Routenalternativen sind durch die Attribute Reisezeit, Reisekosten und Unfallrisiko charakterisiert. Zur Steigerung der Realitätstreue wird die Befragung für eine Teilgruppe mit einer Fahrsimulation verknüpft. Hierbei soll der potentielle Einfluss einer visuellen Unterstützung auf die Zahlungsbereitschaft untersucht werden. Neben der Darstellung der Ergebnisse der Piloterhebung und den darauf aufbauenden Schlussfolgerungen mit Blick auf eine deutschlandweite Hauptstudie werden außerdem Möglichkeiten zur Eingliederung der ermittelten VRR in die deutsche Unfallkostenrechnung sowie der Fortschreibung der Werte aufgezeigt. Die verwendeten Diskreten Wahlmodelle erwiesen sich als geeignetes Instrument zur Ermittlung der Zahlungsbereitschaften für Verkehrssicherheit. Ebenso hat sich das Grundkonzept des verwendeten Fragebogens als zweckmäßig herausgestellt. Ein Einfluss der Fahrsimulation auf die Ergebnisse konnte jedoch nicht identifiziert werden.
138
Im Rahmen dieser Studie wurden aktuelle Expositionsdaten von Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren zur Art, Häufigkeit und Dauer ihrer Verkehrsbeteiligung, insbesondere den angesteuerten Zielen, den dabei benutzten Verkehrsmitteln, eventuellen Begleitpersonen und durchquerten Verkehrsräumen erhoben. Die Interviews wurden in 27 Kreisen mit mehr als 3.200 Kindern und Jugendlichen, in vier unterschiedlichen Zeiträumen des Jahres 1998 beziehungsweise zum Jahreswechsel 1998 / 1999 geführt. In den Kreisen wurden sample points bestimmt, von denen ausgehend eine Random route-Begehung zur zufälligen Auswahl von Haushalten stattfand. Die Ergebnisse der Stichprobe sind auf die Grundgesamtheit aller Kinder und Jugendlichen übertragbar. Bezüglich der Wege zu (Betreuungs-)Institutionen, dem häufigsten Spiel- beziehungsweise Freizeitort, dem Spielen beziehungsweise Treffen auf der Straße oder dem Gehweg sowie dem Besuch weiterer Freizeitorte zeigen sich zum Teil deutliche Unterschiede in den erfragten Dimensionen der Verkehrsbeteiligung, vor allem hinsichtlich des Alters der Kinder und Jugendlichen sowie deren Geschlecht. Auch die Differenzierung nach den siedlungsstrukturellen Kreistypen, der Region, der Nationalität oder den Erhebungswellen erweist sich als fruchtbar. In allen Differenzierungen der zeitlichen Lagerung der protokollierten Verkehrsbeteiligungen schlagen sich die "Zwänge" oder "Pflichten" der institutionellen Einbindung der Kinder und Jugendlichen nieder. Verkehrsbeteiligungen im Zuge des nachmittäglichen Freizeitverhaltens bilden einen zweiten, in den einzelnen Subpopulationen unterschiedlich stark ausgeprägten zeitlichen Höhepunkt unternommener Verkehrsbeteiligungen. Die Studie gliedert sich in die Teile Zielsetzung, theoretische Basis, Konzeption und Ergebnisse im Überblick sowie die Erfassung der Verkehrsbeteiligung der Zielgruppen auf der Grundlage altersspezifischer Befragungsdaten und aktueller Zeitbudgeterhebungen.
136
Im Mittelpunkt des Forschungsprojekts stand die Erarbeitung von Kontaktmöglichkeiten, Ansprachewegen und -formen für Verkehrssicherheitsmaßnahmen, die Ausländer tatsächlich erreichen. Hierzu wurden 18 Experteninterviews mit Vertretern von vier Nationalitäten und 18 Gruppendiskussionen mit Verkehrsteilnehmern aus der Türkei, Griechenland und Portugal durchgeführt. Dabei wurde seitens der Teilnehmer durchgängig die Schilderung der Straßenverkehrssituation im Herkunftsland als (negative) Folie für die Charakterisierung der entsprechenden (positiven) Situation in Deutschland verwendet. Vor diesem Hintergrund ist die bereits erfolgte Anpassungsleistung der Migranten an die deutsche Fahrkultur nicht gering zu schätzen und der bereits erreichte Grad der Integration ausländischer Verkehrsteilnehmer in den deutschen Straßenverkehr erscheint als durchaus beachtlich. Jedoch sollten weitere mögliche innovative Zugänge zum Zielpublikum Ausländer deshalb nicht ungenutzt gelassen werden. Widersprüche zwischen der objektiven Gefährlichkeit einer Situation im Straßenverkehr und der subjektiven Einschätzung durch die Diskussionsteilnehmer (zum Beispiel hinsichtlich der Kindersicherung) sowie die generell starke Orientierung des Verhaltens im Straßenverkehr an der subjektiv wahrgenommenen Entdeckungswahrscheinlichkeit bzw. der erwarteten Sanktionsschwere im Falle einer Regelübertretung kennzeichnen die Fahrkultur der interviewten Ausländer. Aufgrund von Sprachdefiziten, anderen Mediennutzungsgewohnheiten und lebensweltlichen Besonderheiten lässt sich das Fazit ziehen, dass ausländische Familien nach wie vor in gesonderter Form und im persönlichen Umfeld bzw. im Kreis der eigenen Ethnie, zum Beispiel in Ausländervereinen, angesprochen werden müssen. Hinsichtlich Form und Inhalt der Ansprache sind zielgruppenadäquate kulturell sensible Konzepte und muttersprachige Medien zu entwickeln. Diese sollten im Rahmen eines wissenschaftlich begleiteten Modellprojektes getestet werden. Der Originalbericht enthält als Anlagen Zusammenstellungen von Verkehrssicherheitsmaterialien aus der Türkei, aus Griechenland und aus Portugal sowie eine Liste von Fragestimuli für die Gruppendiskussionen. Auf die Wiedergabe dieser Anlagen wurde in dieser Veröffentlichung verzichtet.
135
Die zunehmende Nutzung von Inline-Skates im öffentlichen Straßenraum hat die Diskussion verstärkt, ob deren verkehrsrechtliche Einstufung als den Fußgängerflächen zugeordnetes "besonderes Fortbewegungsmittel" noch angemessen ist. Mittels Unfallanalysen, Zählungen, Verhaltensbeobachtungen und Befragungen soll die Auswirkung der Skate-Nutzung auf die Verkehrssicherheit bewertet und daraus Folgerungen abgeleitet werden, ob die Einführung neuer Regelungen sinnvoll ist. Die Ergebnisse zeigen, dass Skates im öffentlichen Straßenraum flächenhaft nur sehr vereinzelt vorkommen und sich ihre Nutzung auf einzelne freizeitrelevante Strecken konzentriert. Skater fahren auf Hauptverkehrstraßen überwiegend auf dem Gehweg, oft auf Radverkehrsanlagen, kaum jedoch auf der Fahrbahn. In Tempo 30-Zonen hingegen dominiert die Fahrbahnnutzung. Entsprechend dem zumeist geringen Auftreten der Skater ist das Unfallaufkommen im Vergleich zu dem des Fußgänger- und Radverkehrs nur gering. Neben Alleinunfällen, bei denen auch eine hohe Dunkelziffer zu erwarten ist, dominieren Unfälle mit Kfz, insbesondere beim Überqueren von Fahrbahnen, aber auch beim Befahren einer Fahrbahn im Längsverkehr. Skater sind auf der Fahrbahn stärker gefährdet, als wenn sie im Seitenraum einer Straße fahren. Die Verträglichkeit mit dem Radverkehr ist sowohl den Unfallergebnissen als auch den Befragungen nach geringer als die mit dem Fußgängerverkehr. Auffällig ist die geringe Ausstattung mit Schutzkleidung, insbesondere bei Kindern und Jugendlichen. Aus den Ergebnissen wird abgeleitet, dass die verkehrsrechtliche Einstufung der Skates als "besonderes Fortbewegungsmittel" beibehalten werden sollte, eine Zulassung von Skatern auf Radverkehrsanlagen aber in Einzelfällen zu empfehlen ist. Daneben sollte durch die Schaffung geeigneter Verkehrsangebote für Skater sowie eine zielgruppenorientierte Öeffentlichkeitsarbeit auf eine Erhöhung der Verkehrssicherheit hingewirkt werden.
134
Nach heutiger Einschätzung werden in Zukunft mehr ältere Menschen am Straßenverkehr teilnehmen, zudem werden sie voraussichtlich häufiger ein eigenes Fahrzeug besitzen. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, wie das Mobilitätsverhalten älterer Menschen aussieht, wie es in Zukunft aussehen könnte und durch welche Faktoren es beeinflusst wird. Mit diesen Fragen befasste sich die von der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) geförderte Studie AEMEIS (Ältere Menschen im Straßenverkehr), die von 1996 bis 2000 am Psychologischen Institut der Universität Bonn durchgeführt wurde. Die Datenbasis lieferte ein Survey, in dem über 2.000 Personen im Alter von 55 bis über 75 Jahren in den neün und alten Bundesländern zu ihrem Mobilitätsverhalten sowie verhaltenrelevanten psychologischen und soziologischen Konzepten - wie Lebensführung, soziales Netz, Gesundheit, Aspekte der Persönlichkeit sowie verschiedenen soziodemografischen Merkmalen befragt wurden. Um zu ermitteln, ob und - wenn ja - wie sich das Verkehrsverhalten älterer Menschen in den letzten 10 Jahren verändert hat, wurde ein Teil der Ergebnisse mit einer infas-Erhebung aus den 80er Jahren verglichen. Um ein Bild von der Teilhabe älterer Menschen im zukünftigen Verkehrssystem zu kreieren, wurde ein Szenario zur Sicherheit älterer VerkehrsteilnehmerInnen in der Verkehrslandschaft 2010 entwickelt. Hier wurden Expertinnen und Experten befragt über bereichsspezifische Einflussfaktoren für das Mobilitätsverhalten älterer Menschen und über zukünftige Veränderungen des Verkehrs und ihre Auswirkungen auf die Sicherheit Älterer. Diese Fachleute wiesen sich aus durch Erfahrungen in den Bereichen Gesellschaft, Individuum, Stadtentwicklung und Raumplanung, Demografie, Verkehr, Wirtschaft und Politik. Es handelte sich um VertreterInnen von universitären und nicht universitären Forschungseinrichtungen, um globale und kommunale Verkehrsanbieter, politische EntscheidungsträgerInnen und speziell um Interessenvertretungen aus dem Bereich Verkehr. Zur Konkretisierung und Fundierung angenommener Zusammenhänge und Veränderungen wurde auf die Ergebnisse des Surveys zurückgegriffen. Auf der Basis des Szenarios und des Surveys wurden abschließend Maßnahmen abgeleitet, die unter Bezug auf Mobilitätsangebote und -nutzung auf eine angemessene Mobilität und die Erhöhung der Sicherheit älterer VerkehrsteilnehmerInnen hinwirken können.
133
Verkehr auf der Straße, der Schiene, auf dem Wasser und in der Luft wird von Menschen betrieben, an deren Fähigkeit, ein Fahrzeug zu führen, hohe Anforderungen gestellt werden. Unfälle wird es hierbei immer geben. Technische Mängel am Fahrzeug, aber auch gesundheitliche Defizite oder Beeinträchtigungen des Fahrzeugführers durch Medikamente, Drogen oder Alkohol spielen hierbei eine wesentliche Rolle. Eine Aufgabe der wissenschaftlichen Forschung in der Verkehrsmedizin ist es daher, die Unfallursachen aufzuspüren und Wege zu ihrer Vermeidung aufzuzeigen, sie auf ein Minimum zu reduzieren. In 52 Vorträgen spiegelte sich auf der 31. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Verkehrsmedizin die ganze Spannweite verkehrsmedizinischer Forschung: Unfallursachen-Forschung, die Biomechanik von Unfallabläufen und Verletzungsmustern, die Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit durch Alkohol, Drogen und Medikamente, wie auch die messtechnische Erfassung von Ausfallerscheinungen, die Atemalkoholmessung und Beurteilungskriterien zur Fahreignung. Unfälle mit Kindern stellten einen besonders sensiblen Bereich dar, aber auch eine offenbar wenig beachtete Trendwende bei jugendlichen Verkehrsteilnehmern, gerade im Rhein-Main Gebiet: weniger Alkohol, dafür ein vermehrter Missbrauch von Drogen; zwei weitere Schwerpunkte der Tagung. Vermehrte gesetzliche Vorschriften etwa in der Fahrerlaubnisverordnung, erhöhte Anforderungen an die verkehrsmedizinische Begutachtung finden allerdings kaum ihren Niederschlag in der Forschungsförderung. Weitgehend unbemerkt haben sich zum Beispiel die Rahmenbedingungen für die Verkehrsunfall-Forschung im letzten Jahrzehnt derart verschlechtert, dass solide Forschung in diesem Bereich erschwert und zum Teil nicht mehr möglich ist. Neben dem Austausch und der Diskussion neuer Forschungsergebnisse war es daher auch ein Anliegen der Tagung, auf die steigende Bedeutung der Verkehrsmedizin in einer mobilen Gesellschaft hinzuweisen.
139
Ziel der vorliegenden Untersuchung war es, durch eine systematische Analyse der Verkehrssicherheitsmaßnahmen für Kinder weitere Potenziale zur Verbesserung ihrer Sicherheit im Straßenverkehr aufzuzeigen. In diesem Zusammenhang wurde eine differenzierte Analyse des Unfallgeschehens von Kindern durchgeführt, ein praktikables Raster zur Einordnung aktueller Verkehrssicher-heitsmaßnahmen für Kinder erarbeitet und diese Maßnahmen den Unfällen von Kindern gegenübergestellt. Die Analyse, die sich auf die Situation bis 1999 bezog, ergab, dass der Schwerpunkt der angebotenen Verkehrssicherheitsmaßnahmen für Kinder für die Zielgruppe der 6- bis unter 10-jährigen Grundschüler konzipiert ist. Mit weiter zunehmendem Alter der Kinder werden dann stetig weniger altersspezifische Verkehrssicherheitsmaßnahmen angeboten. - Verkehrssicherheitsmaßnahmen für Fußgänger sind insbesondere auf Kinder im Kindergartenalter, also im Alter von drei bis fünf Jahren, hin ausgerichtet. - Verkehrssicherheitsmaßnahmen für Fahrradfahrer werden insbesondere für 8- beziehungsweise 9-jährige Kinder angeboten, also vor allem für die dritten und vierten Klassen, in denen üblicherweise die Radfahrprüfung abgelegt wird. - Verkehrssicherheitsmaßnahmen, die sich auf die Mitfahrt in einem Pkw richten, lassen eine deutliche Konzentration dieser Maßnahmen auf die Sicherung von Babys und Kleinkindern in Pkw nachvollziehen. Mit dem Eintritt der Kinder in das Schulalter können dagegen nur noch vergleichsweise selten Maßnahmen mit der entsprechenden inhaltlichen Zielrichtung festgestellt werden. In den gesichteten Maßnahmen tritt die Dominanz des Teilbereichs Education deutlich zu Tage. Als eine mögliche Neuausrichtung der Verkehrssicherheitsarbeit wurde in Experteninterviews eine stärkere Betonung des Engineering angeregt, und damit die Konzentration auf die konkrete Verkehrssituation auf der kommunalen Ebene beziehungsweise im Stadtteil. Zudem eröffnen sich hinsichtlich des Enforcement einige bisher noch nicht hinreichend genutzte Maßnahmemöglichkeiten. Hinsichtlich des Alters der Kinder sollten solche Maßnahmen verstärkt werden, die sich an Kinder ab circa 10 Jahren richten. Inhaltlich sollten dabei das Radfahren und das Mitfahren im Pkw berücksichtigt werden. Die Gegenüberstellung der Häufigkeiten der Verkehrssicherheitsmaßnahmen und der Häufigkeiten der Unfälle zeigt hinsichtlich dieses Alters der Kinder bei diesen beiden Verkehrsbeteiligungsarten ein deutliches Auseinanderklaffen. Hier sind am ehesten die vermuteten Sicherheitsreserven in der "Landschaft der Verkehrssicherheitsmaßnahmen für Kinder" zu finden. Probleme in der schulischen Verkehrserziehung werden vor allem in der Sekundarstufe, und dort mit zunehmendem Alter der Kinder, gesehen. Im außerschulischen Bereich wird dagegen die Notwendigkeit einer Umorientierung betont. Hier sollte versucht werden, nicht mehr ausschließlich Veranstaltungen explizit zur Verkehrssicherheit von Kindern anzubieten, sondern Aspekte der Verkehrssicherheit von Kindern auch implizit im Kontext einer breiter auf das heutige Freizeitverhalten angelegten Veranstaltung zu transportieren.
130
Das vorliegende Projekt umfasst die Konzeption eines Instrumentes, das die Zielerreichung der unterschiedlichen Anspracheformen der Verkehrssicherheitsarbeit abbilden kann. Zudem soll das Verhältnis von Kosten und Wirksamkeit transparent gemacht werden können. Ziel ist es, das angestrebte Controlling-System als Entscheidungshilfe für Auswahlentscheidungen im Hinblick auf die günstigsten Anspracheformen hinsichtlich des Kosten-Wirksamkeitsverhältnisses nutzen zu können. Die Tauglichkeit des Konzeptes soll beispielhaft an vom Bund geförderten Maßnahmen zur Verkehrssicherheit von Senioren aufgezeigt werden. Die Arbeit hat das formale Ziel, konkrete Gestaltungsvorschläge zu machen, die für die Bewältigung anstehender Problemlagen notwendig sind. Das Projekt steht im inhaltlichen Kontext mehrerer Forschungsaufträge, die sich mit der Analyse und Reform von moderatorengestützten Verkehrssicherheitsprogrammen befasst haben und derzeit befassen. Das vorgestellte Informations- und Steuerungssystem enthält folgende Leistungsmerkmale: - Überführung des Managements von Aktionsformen in ein Steuerungssystem, das mit einfachsten Mitteln (MS Office, geringer Datenpflege-Aufwand und Verzicht auf laufende Aufwands-/Kostenermittlungen) realisiert werden kann und allgemeine Anforderungen pragmatisch abbildet. - Adaption des betriebswirtschaftlichen Konzepts einer produktorientierten Steuerung für die Steuerung von Aktionsformen. Die Aktionsformen werden als Produkte definiert, werden mittels eines Produktblatts beschrieben und auf der Basis der Zielerreichung von Produktzielen gesteuert. Die Zielerreichung wird durch Wirkungsindikatoren überprüft. Ziele und Wirkungsindikatoren können für quantitative Ziele (zum Beispiel Mindestanzahl an Veranstaltungen, regionale Verteilung von Veranstaltungen) und qualitative Ziele formuliert werden. - Die Adaption der produktorientierten Steuerung ermöglicht die Übernahme von in der Praxis bewährten Elementen und Verfahren. Ergänzendes, innovatives Element ist die Ableitung von Produkterfolgen und Kosten-Nutzen-Relationen, die eine übergreifende Vergleichbarkeit von Aktionsformen sicherstellen soll. Durch die pragmatische Ermittlung von "Kosten pro Erfolgspunkt" auf der Basis gewichteter Ziele (und Zielerreichungen) der Aktionsformen wird ein übergreifender Vergleich von Aktionsformen möglich. - Unterteilung des Systems in eine strategische Ebene (Koordinator) und operative Ebene (Umsetzerverbände). Es herrscht eine klare Aufgaben- und Kompetenzverteilung, die die Funktion des Koordinators auf die Gesamtsteuerung und die der Umsetzerverbände auf die operative Steuerung und Erfolgskontrolle vorsieht. - Die Analyse und Bewertung der derzeitigen Steuerung und Steuerungsinstrumente der Verkehrssicherheitsprogramme für Senioren dient insbesondere zur systematischen Abschätzung der übertragbaren Verfahren und Prozesse. - Für die gegenwärtig betriebenen Programme "Ältere Menschen als Fußgänger im Straßenverkehr" und "Ältere aktive Kraftfahrer" wird bei einer verbandsinternen Umsetzung von einem einmaligen Investitionsaufwand von circa DM 60.000,00 zur Realisierung des Informationssystems ausgegangen (ohne Personalaufwand in den Umsetzerverbänden). Die laufenden Kosten liegen nach derzeitiger Beurteilung nicht höher als die Aufwendungen im Status quo. - Für die Einführung des Informations- und Steuerungssystems wird ein Fahrplan der einzelnen Einführungsschritte erstellt. Analog zur Einführung eines Informations- und Steuerungssystems für die gegenwärtig betriebenen Moderatorenprogramme wird ein generalisierter Ansatz für Informations- und Steuerungsmaßnahmen für andere Aktionsformen der Verkehrsaufklärung für Senioren entwickelt. Die gegenwärtig betriebenen Programme werden exemplarisch für Informations- und Steuerungsmaßnahmen im Bereich der Verkehrsaufklärung für Senioren betrachtet.
131
Das Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen fördert seit vielen Jahren die Tätigkeit der Verkehrssicherheitsorganisationen auf dem Gebiet der Aufklärungsarbeit von älteren Menschen im Straßenverkehr. Es hat die Bundesanstalt für Straßenwesen beauftragt, gemeinsam mit den Umsetzern der Programme und einem interdisziplinären Team von Wissenschaftlern Konzepte zur Optimierung der Zielgruppenarbeit für Senioren im Straßenverkehr zu entwickeln und einer ersten Erprobung zu unterziehen. Die mit dieser Aufgabe betraute Projektgruppe der BASt hat die bisherige Verkehrssicherheitsarbeit für Senioren auf den Prüfstand gestellt und ein erweitertes Programmkonzept vorgelegt, mit dem ein Optimum an Reichweite und verhaltensbestimmender Wirkung erzielt werden soll. Als Voraussetzung für künftige Erfolge wird eine stärkere Nachfrageorientierung und eine differenziertere Zielgruppensegmentierung als bisher vorgeschlagen. Ferner wird großes Gewicht darauf gelegt, lokale Institutionen und Personen vor Ort, die in das vorhandene Netz der Arbeit mit Senioren eingebunden sind, stärker als bisher auch zur Mitwirkung im Bereich der Verkehrssicherheitsarbeit zu gewinnen. Zu diesem Zweck werden ihnen Handreichungen für vielfältige Aktionen gegeben, die konsequent an den Interessenslagen und Lebensgewohnheiten älterer Menschen ausgerichtet sind. Mit dem Programmkonzept sollen ältere Menschen in ihrer Rolle als Fußgänger, ÖPNV-Benutzer, Radfahrer und Autofahrer zu neuer Erfahrungsbildung und aktiver Auseinandersetzung mit dem Thema Mobilität und Verkehrssicherheit angeregt werden. Die nahezu 50 Einzelmaßnahmen, die von der Projektgruppe zusammengestellt wurden, dienen gleichermaßen der Breitenaufklärung von Senioren wie von jüngeren Altersgruppen, um einen verständnisvollen Umgang miteinander im Straßenverkehr zu fördern. Im Mittelpunkt der Maßnahmenvorschläge liegen Aktionsangebote, die sich in den Lebensalltag und die Freizeitgewohnheiten von Senioren einpassen und zum aktiven Mittun auffordern - vom thematischen Stadtspaziergang für Fussgänger über spezielle Sicherheitstrainings für ältere Autofahrer bis hin zur Beteiligung an Umgestaltungsmaßnahmen im Straßenraum, die im Interesse der Verkehrssicherheit älterer Menschen liegen. Es hängt nun von den jeweiligen Gegebenheiten vor Ort ab, in welcher Form und Breite diese Maßnahmen zur Anwendung kommen können. Im Zeitraum 2001/2002 soll das Programmkonzept in zwei Regionen in Deutschland erstmals in größerem Umfang erprobt werden. Zur Dokumentation und Evaluation dieses Modellversuchs hat die BASt ein begleitendes Forschungsprojekt in die Wege geleitet. Über die Ergebnisse des Modellversuchs und die Konsequenzen, die daraus für die künftige Verkehrssicherheitsarbeit für und mit Senioren zu ziehen sind, wird die Projektgruppe der BASt zu einem späteren Zeitpunkt berichten.
132
m vorliegenden Projekt werden Informationen über zwei Themengebiete gewonnen: zum einen über Charakteristika von Drogenfahrten (unter welchen Umständen finden Fahrten unter Drogeneinfluss statt, von welchen Personen werden diese durchgeführt und von welchen psychologischen und kriminologischen Faktoren hängt es ab, ob jemand unter Drogeneinfluss am Verkehr teilnimmt?), zum anderen darüber, inwieweit der Drogenkonsum fahrrelevante Aspekte der Leistungsfähigkeit bei den entsprechenden fahrenden Drogenkonsumenten beeinflusst. Im Sommer und Herbst 1998 wurden bei ausgewählten Diskotheken in Bayern (im Umfeld der Städte Würzburg, Nürnberg und München) Autofahrer interviewt. Entsprechend der Angaben zum Drogenkonsum wurden in einem zweiten Schritt Personen ausgewählt, die an einer Intensivuntersuchung teilnahmen, bei der die Leistungsfähigkeit mit Hilfe eines Fahrsimulators überprüft und ein ausführliches Interview durchgeführt wurde. Bei einer zusätzlichen ärztlichen Untersuchung wurden Blut-, Urin- und Speichelproben erhoben. Obwohl mit diesen Daten keine repräsentative Schätzung der Häufigkeit von Drogenfahrten möglich ist, sind doch eine Reihe von Aussagen über Merkmale von Drogenfahrten möglich. So wurden Aussagen zu den Merkmalen von Drogenfahrten und deren Auswirkungen je nach Dosis auf das Leistungsvermögen gefunden. Ferner erfolgte eine Auswertung der erhobenen Befunde im Hinblick auf Konsummuster je nach Alter, Geschlecht sowie Art der konsumierten Drogen nach einfachem und kombiniertem Konsum mit und ohne Alkohol. Darüber hinaus wurde untersucht, welche Rolle individuelle Einstellung und Risikobereitschaft beim Zustandekommen von Fahrten unter Alkohol und Drogen spielen. Sanktionierungen von Drogenfahrten beeinflussen die Fahrer solange, wie sie noch wenig Erfahrung mit dem Drogenkonsum haben. Ist die Schwelle zum Konsum einmal überschritten, dann unterminiert der subjektive Eindruck einer nur geringen Leistungsbeeinträchtigung diesen positiven Effekt der Gesetzgebung. Insbesondere Fahrten mit Cannabis und Stimulanzien werden dann kaum noch abgelehnt. Allerdings haben repressive staatliche Maßnahmen einen deutlichen Einfluss auf die Bewertung von Drogenfahrten. Drogenfahrer, die in einer Polizeikontrolle schon einmal entdeckt wurden, schätzen die Verwerflichkeit von Drogenfahrten höher ein, als Drogenfahrer, die bisher unerkannt blieben. Auch durch die gesetzliche Verschärfung des Umgangs mit Drogen im Straßenverkehr am 1.8.1998 wurde eine ablehnendere Einstellung zu Drogenfahrten gefördert. Die Ergebnisse der vorliegenden Studie bieten neben verlässlichen Aussagen zu den Konsumumständen und -wirkungen die Erkenntnis, dass für Drogenfahrten noch ein großes Präventionspotenzial vorhanden ist. Ansatzpunkte für verschiedene Präventionsstrategien werden abgeleitet.
171
Die Deutsche Gesellschaft für Verkehrsmedizin beschäftigt sich satzungsgemäß mit der Unfallursachenforschung, der Unfallrekonstruktion sowie den physiologischen und psychologischen Voraussetzungen beim Betrieb von Kraftfahrzeugen aller Art und den Leistungseinschränkungen in Abhängigkeit von Lebensalter, Krankheit, Arzneimitteln sowie psychotropen Substanzen. Neben Alkohol als nach wie vor prädominierender psychotroper Substanz nehmen Drogen und Medikamente, hier vor allem Cannabis, heute einen zunehmenden Stellenwert ein. Daher wurde auf der 33. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Verkehrsmedizin der Einfluss von Cannabis auf die Fahrsicherheit und Fahreignung aus Sicht der beteiligten Fachdisziplinen (Medizin, insbesondere Rechtsmedizin; Toxikologie; Psychologie) diskutiert. Kontroversen ergaben sich zu möglichen Grenzwerten absoluter Fahruntüchtigkeit bei Cannabiskonsum, während sich zur Fahreignung nach Cannabiskonsum ein homogeneres Meinungsbild abzeichnete. Vor der zunehmenden Alterspyramide sind die Auswirkungen von Erkrankungen auf Fahreignung und Fahrtüchtigkeit von nach wie vor aktueller Relevanz - auch im Hinblick auf neü Therapiemaßnahmen. Daher wurden auf der 33. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Verkehrsmedizin aus der Sicht klinischer Disziplinen die verkehrsmedizinische Relevanz großer Krankheitsgruppen erörtert und vor dem Hintergrund neuer Erkenntnisse zur Pathogenese und Therapie Begutachtungsleitlinien diskutiert, die teilweise bislang gültige Richtlinien modifizieren. Dies gilt vor allen Dingen für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, das Schlaf-Apnoe-Syndrom, den Diabetes mellitus, Anfallsleiden etc. Weitere Schwerpunkte waren die Ermüdung sowie die methodischen Probleme, die sich beim Zusammenwirken von Krankheiten und einer zur Behebung der Krankheitssymptome indizierten Arzneimitteltherapie und ihren jeweiligen Auswirkungen auf die Fahrsicherheit und -eignung ergeben. Zahlreiche weitere Vorträge beschäftigen sich mit der Traumatomechanik, Verletzungsrisiken neuartiger Fahrzeuge (Quads), der Epidemiologie der suchtstoffabhängigen Beeinträchtigung der Verkehrstüchtigkeit und dem beweissicheren Wirkungs- und Substanznachweis. Mehrere Beiträge befassten sich darüber hinaus mit der Begutachtung der Fahreignung aus medizinischer und psychologischer Sicht. Die insgesamt 66 Vorträge auf dem 33. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Verkehrsmedizin spiegeln aktuelle Diskussionen und künftige Entwicklungen innerhalb der Verkehrsmedizin wider.
178
In den letzten Jahren wurden zweifellos weitreichende Verbesserungen auf dem Gebiet der Kindersicherheit im Pkw erzielt. Die Einführung der gesetzlichen Sicherungspflicht im Jahre 1993 führte zudem zu einem erheblichen Anstieg der Gesamtsicherungsquote. Alarmierend ist aber nach wie vor die bei etwa 60 Prozent liegende Quote fehlerhafter Kindersicherungen ("misuse"). Dies war der Anlass, im vorliegenden Projekt alle Formen von Sicherungsfehlern zu sammeln und zu kategorisieren und nach ihren möglichen Ursachen in Form einer Taxonomie zu ordnen. Neben misuse-Beobachtungen im Feld wurden durch ergänzende Befragungen Kenntnisse, Einstellungen und Fertigkeiten der Betroffenen ermittelt. Die misuse-Beobachtungen (n = 350 Kinder) belegen mit einer misuse-Quote von 64,7 Prozent Fehlbedienung von Kinderschutzsystemen (KSS), fehlerhaften Einbau und fehlerhafte Sicherung, lose Sitzbefestigungen, Gurtlose im Sitz, Gurte auf falsche Schulterhöhe gestellt sowie Gurtverlauf mit Halskontakt. Schließlich stellen sich ausländische Mitbürger als eine Teilgruppe heraus, der die korrekte Sicherung von Kindern in Kindersitzen besondere Probleme bereitet. In Befragungen von 161 Eltern erwiesen sich die mangelnde Handlungsrelevanz von Herstelleranleitungen, die Art und Qualität der benutzten Informationsquellen im Vorfeld des Erwerbs eines Kindersitzes sowie der mangelhafte Informations- und Kenntnisstand der Nutzer als zentrale Problembereiche. Auf Basis der Untersuchungsergebnisse werden in der misuse-Taxonomie als ein zentrales Projektergebnis die erfassten Sicherungsfehler - unterschieden nach KSS-Arten - nach ihren Ursachen klassifiziert. Des Weiteren werden Folgerungen für die Entwicklung problem- und zielgruppenorientierter Aufklärungsmaßnahmen sowie geeigneter Anspracheformen gezogen. Abschließend werden Empfehlungen zur Verbesserung der Kindersicherheit im Pkw hinsichtlich der misuse-Problematik gegeben. Die Empfehlungen richten sich an KSS- und Fahrzeughersteller, Gesetzgeber und Exekutive, Akteure der Verkehrssicherheitsarbeit sowie an die Forschung.
170
Junge Erwachsene verunglücken in Deutschland weit überdurchschnittlich oft im Straßenverkehr. Hierfür sind zwei Risiken verantwortlich: das Jugendlichkeitsrisiko und das Anfängerrisiko. Jugendlichkeitsrisiko umschreibt bestimmte für junge Fahranfänger(innen) typische verkehrsbezogene Einstellungen, eine erhöhte Risikobereitschaft und die Überschätzung der eigenen Fahrfähigkeiten. Anfängerrisiko meint die bei Fahranfängern noch unzureichend ausgeprägten, erst durch das Fahren selbst erwerbbaren Fahrfähigkeiten. Mit dem Ziel, das Jugendlichkeitsrisiko zu reduzieren sowie zu einem ökologisch verantwortlichen Umgang mit der motorisierten Mobilität zu motivieren und zu befähigen führte das Land Niedersachsen (Ministerium für Wirtschaft, Technologie und Verkehr) einen Modellversuch durch, der eine erweiterte Fahrausbildung vorsieht, die darin besteht, dass jugendliche Führerscheinbewerber(innen) parallel zum Fahrschulunterricht freiwillig an einer 14 Doppelstunden umfassenden schulischen Arbeitsgemeinschaft (Führerschein-AG) teilnehmen. Die formative Evaluation dieses Modellversuchs zeigte eine hohe Akzeptanz der Führerschein-AG bei allen beteiligten Personen (Lehrer/innen, Fahrlehrer/innen, Jugendliche). Auch schätzten alle Beteiligten die Führerschein-AG als sinnvolle Maßnahme zur Reduktion des Jugendlichkeitsrisikos ein. Die summaktive Evaluation zeigte, dass der Besuch einer Führerschein-AG das Jugendlichkeitsrisiko reduziert. Er beeinflusst den Fahrstil junger Fahranfänger positiv, trägt zu einer konseqünteren Einhaltung der geltenden Verkehrsregeln bei und reduziert dadurch die Anzahl unfallträchtiger brenzliger Situationen, mit denen junge Fahrer konfrontiert werden. Auch trägt er zu einem umweltbewussteren Fahrverhalten bei. Die AG hatte keinen Einfluss auf das Anfängerrisiko. Die Führerschein-AG stellt somit eine sinnvolle Ergänzung von Maßnahmen dar, die sich der Reduktion des Anfängerrisikos widmen, wie beispielsweise das "Begleitete Fahren mit 17". Sie widmet sich dem Jugendlichkeitsrisiko bereits vor dem Erwerb der Fahrerlaubnis und zielt damit in die gleiche Richtung wie die wesentlich später ansetzende "Zweite Fahrausbildungsphase". Der Besuch der Führerschein-AG verdient daher gleichermaßen eine Förderung durch Anreize
194
Mit den Regelungen der Fahrerlaubnis auf Probe wurde 1986 in Deutschland ein umfassender Maßnahmenansatz zur Absenkung des Unfallrisikos junger Fahranfänger- und Fahranfängerinnen eingeführt. Die Regelungen wurden mit der Änderung des Straßenverkehrsgesetzes zum 1. Januar 1999 verschärft. Ziel des vorliegenden Projektes war es, zusätzlich zu Erkenntnissen über die globale Wirkungsweise im Sinne einer Unfallreduktion durch die veränderten Regelungen, Informationen über die internen Funktionen und die Wirkungsweise der Maßnahme sowie über international bewährte Maßnahmenansätze für junge Fahranfänger zu gewinnen. Daraus sollten Vorschläge für eine Optimierung der Regelungen für die Fahrerlaubnis auf Probe erarbeitet werden, um das vorhandene Sicherheitspotenzial auszuschöpfen. Für eine Überprüfung der globalen Wirkungsweise wurden in einer ersten Studie (Pilotstudie) polizeiliche Unfalldaten junger Fahrer vor und nach Verschärfung der Maßnahme auf einen Unfall senkenden Effekt hin untersucht. In einer zweiten Studie wurde geprüft, inwieweit die Regelungen der Fahrerlaubnis auf Probe bei den Fahranfängern kognitiv repräsentiert sind und ob sie zur Handlungsregulation beitragen. Die längsschnittlich angelegte Hauptstudie diente dazu, die Wirkung der einzelnen Maßnahmen der neün Fahrerlaubnis auf Probe im Rahmen eines Vorhersagemodells zu beschreiben, welches die Regelungen im Zusammenhang mit weiteren maßgeblichen unfallverursachenden Faktoren hinsichtlich ihres Einflusses und ihrer Vorhersageleistung zeitlich zurückliegender sowie zukünftiger Unfälle überprüft. In der ersten Studie gelang es nicht, durch einen Vergleich polizeilicher Unfalldaten junger Fahrer vor und nach 1999 einen positiven Effekt im Sinne einer Reduktion der Anzahl der von jugendlichen Fahrern verursachten Unfälle nachzuweisen, ein globaler Effekt der Maßnahmenverschärfung ist somit nicht gegeben. Das Wissen junger Fahrer über die Regelungen der Fahrerlaubnis auf Probe scheint marginal zu sein und dient nicht zu einer Verhaltensregulierung im erwünschten Sinne, wie die Ergebnisse der Pilotstudie zeigen. Die Längsschnittstudie mit circa 1.000 Schülerinnen und Schülern zeigte, dass maßnahmenspezifische Faktoren zur Überprüfung des Vorhersagemodells in der Probezeit kaum einen Beitrag zur Unfallvorhersage leisten. Die Daten deuten vielmehr darauf hin, dass sowohl Expertise als auch Persönlichkeitsfaktoren Varianz hinsichtlich selbst berichteter Unfälle und Beinahe-Unfälle aufklären können. Bei Unfällen gilt dies jedoch nur retrospektiv, nicht prospektiv. Es wird diskutiert, inwieweit die Regelungen der Maßnahme "Fahrerlaubnis auf Probe" auf der Grundlage der vorliegenden Ergebnisse optimiert werden können und inwieweit Maßnahmen, die eine Ausdehnung der Lernzeit unter protektiven Bedingungen anstreben, Potenzial haben, das Unfallrisiko zu senken.
4
Ziel des Projektes war die Untersuchung des Erkennungsabstandes bei Dunkelheit von für Landstraßen kritischen Bezugsobjekten. Für den experimentellen Untersuchungsansatz wurden wahrnehmungsrelevante Merkmale einer Nachfahrt (Konfrontation mit Fußgängern und Radfahrern; Reflexionsgrad der zu erkennenden Objekte; mit beziehungsweise ohne Vorwarnung von der Konfrontation; gerade beziehungsweise kurviger Streckenverlauf) variiert und in Bezug auf ihren Einfluss auf die Erkennungsabstände (Abstand in m vom Erkennungsobjekt) untersucht. Gemessen wurden Tages- und Dämmerungssehschärfe, Kontrastsensitivität und Blendungsempfindlichkeit. Das Alter wurde als Schichtungsvariable berücksichtigt. Entgegen der aus der Literatur abgeleiteten Annahme zeigten sich in den Sehtestwerten für die untersuchte Stichprobe keine Unterschiede zwischen älteren und jüngeren Versuchspersonen. Bei der Untersuchung des Erkennungsabstandes auf einer "Landstraße" bei Nacht war hingegen für alle experimentellen Variablen ein Einfluss nachweisbar. Die Erkennungsabstände wurden durch den Faktor Erwartung um 20 m vergrößert. Hinsichtlich des Faktors Streckenverlauf zeigte sich eine deutliche Reduzierung der Erkennungsabstände um 36,3 m bei kurvigem Streckenverlauf. Die Bezugsobjekte wurden signifikant unterschiedlich schnell identifiziert. Schon für den hellen Fußgänger ist der ermittelte Erkennungsabstand zu gering, um einen möglichen Unfall zu vermeiden. Daneben wiesen die jüngeren Versuchspersonen keine bedeutsam größeren Erkennungsabstände auf als die älteren. Es ergaben sich zudem keine signifikanten Korrelationen zwischen den verschiedenen Sehtests und den im Feld ermittelten Erkennungsabständen. Es wurde gefolgert, dass die derzeit eingesetzten Sehtests zu realitätsfremd sind, um valide Vorhersagen zu erlauben.
3
Die Aufgabe dieser Untersuchung besteht darin, die aktuelle Situation zur Verkehrssicherheit von Fußgängern bei eingeschränkten Sichtverhältnissen auf Außerortsstraßen deutlich zu machen und das Verhalten der Fußgänger im Straßenraum zu analysieren. Weiterhin sind Verbesserungsmaßnahmen zu dokumentieren und vorgefundene Maßnahmen bezüglich ihrer Wirksamkeit abzuschätzen und auszuwählen. Zur Bearbeitung waren erforderlich: - Kartierung von 1.088 km Straßen mit fußgängerrelevanten Daten; - Beobachtung von 835 Fußgängern (Verhalten, Ausstattung); - Psychologische Exploration (94 Fußgänger, 93 Autofahrer); - Autofahrer-Befragung (300); - Maßnahmen-Dokumentation (48). Ergebnisse: Fast 40 Prozent der außerorts erfassten Straßen haben begleitende Gehwege oder Geh-/Radwege. Diese sind zu 63 Prozent nicht beleuchtet. Es sind nur wenige Fußgänger bei Dunkelheit und außerorts unterwegs (alle 6 km ein Fußgänger). Die Gehwege werden gut genutzt, ohne Gehweg geht man zu 3/4 auf der linken Fahrbahnseite oder Fahrbahnrand dem Verkehr entgegen. 58 Prozent tragen dunkle Kleidung und sind vom Autofahrer schlecht zu erkennen. Kinder sind am hellsten gekleidet. Neben retroreflektierenden Ranzen und hellen Taschen werden nur selten die übrigen Materialien zur besseren Erkennbarkeit verwendet (Leuchtscheibe/Kristall/Aufkleber etc.). Für Autofahrer sind Fußgänger auf der Straße ein seltenes und meist unerwartetes Ereignis. Dagegen rechnen alle Fußgänger mit Autofahrern und versuchen, sich darauf einzustellen. Es bleiben aber gefährdete Gruppen (zum Beispiel jugendliche Disco-Besucher) und gefährliche Bereiche (zum Beispiel Ortsränder im Übergang zur freien Strecke). Es werden 15 wirkungsvolle Maßnahmen zur besseren Erkennbarkeit der Fußgänger empfohlen. Wenn die Trennung vom Kfz-Verkehr nicht möglich ist, erhöhen helle Beläge und Fahrbahnbegrenzungsmarkierungen die Kontrastwirkung. Beim Autofahrer sollte die Ausstattung der Kraftfahrzeuge für Nachtfahrten verbessert werden. Sehtests und generelle Geschwindigkeitsbegrenzung nachts auf 80 km/h sind zu überdenken.
2
Die exemplarischen empirischen Untersuchungen sowie die Befragung und die Expertendiskussion führen zu folgenden Schlussfolgerungen: - Eine EDV-Unterstützung bei der Festlegung und Behandlung von innerörtlichen Unfallstellen wird dringend gewünscht. - Die Vielschichtigkeit des Problems sowie die Notwendigkeit der Flexibilität in der praktischen Anwendung ermöglichen es aber nicht, einheitliche Schwellenwerte für die automatische Festlegung von Unfallstellen vorzugeben. Dagegen lässt sich eine Reihe von Kriterien und Werten angeben, die bei einer automatischen Vorauswahl der näher zu untersuchenden Stellen hilfreich sind. - Ein wesentlicher Faktor für die stärkere Nutzung der EDV bei der Untersuchung des innerörtlichen Unfallgeschehens ist in der Unterstützung bei korrespondierenden Aufgaben und Fragestellungen (Übersichtsauswertungen, Beantwortung von Anfragen etc.) zu sehen. - Neben den eigentlichen Unfalldaten besteht ein erheblicher Bedarf an anderen Informationen aus dem Bereich des Straßenverkehrs. Dieser Informationsbedarf gilt auch in umgekehrter Richtung. Diese Anforderungen lassen sich nur im Rahmen eines umfassenderen Informationskonzepts beziehungsweise in einem Informationssystem erfüllen, das die direkte dezentrale Nutzung bei den entsprechenden Polizeidienststellen ermöglicht.
1
Die kommunale beziehungsweise lokale Verkehrssicherheitsarbeit hat sich in der Vergangenheit überwiegend an bestimmten Schwerpunkten oder Zielgruppen orientiert. Da das Verbesserungspotential weitgehend ausgeschöpft ist, sind neue Strategien erforderlich, um die Verkehrssicherheit zu erhöhen. Ansatzpunkt hierfür ist das Konzept der "Integrierten Verkehrssicherheitsarbeit auf lokaler Ebene beziehungsweise kommunaler Ebene". Es wurde der gegenwärtige Kenntnisstand zum Thema "Integrierte Verkehrssicherheitsaktivitäten auf lokaler Ebene" anhand von Beispielen dargestellt; auch andere Sachbereiche mit querschnittsorientierten Verfahren wurden in die Analyse einbezogen. Fünf Einzelmaßnahmen wurden detailliert untersucht: - Verkehrssicherheitsaktion "Minus 10 Prozent" in Hessen; - Flächendeckende Verkehrsberuhigung in Buxtehude; - "Monat des Fußgängers" in Düsseldorf; -Verkehrssicherheitsbeauftragter in Bayern; - Arbeitskreis für Verkehrssicherheit im Saarland. Der Bericht nennt die idealen Voraussetzungen für erfolgreiche integrierte Verkehrssicherheitsaktivitäten und entwickelt Empfehlungen für die kommunale beziehungsweise lokale Verkehrssicherheitsarbeit. Wesentlich sind unter anderem die Diskussion und Beschlussfassung eines Verkehrssicherheitsprogramms durch politische Gremien, die Entwicklung und der Beschluss von qualitativen und quantitativen Zielsetzungen als Beurteilungskriterium, eindeutige Aussagen über die organisatorischen Voraussetzungen, eine Evaluierung des Verkehrssicherheitsprogramms sowie die Benennung eines Verkehrssicherheitsbeauftragten und die Einrichtung einer Kommission.
296
Ausgangspunkt der vorliegenden Forschungsarbeit ist die Frage, ob die Erarbeitung und Erprobung einer Konzeption zur „Leichten Sprache in der Theorieprüfung“ aus wissenschaftlicher Sicht angezeigt sind. Das Angebot einer TFEP in Leichter Sprache würde dem Leitgedanken der Inklusion –Menschen mit Behinderung die Teilhabe an der Gesellschaft zu ermöglichen – folgen. Ungeklärt sind allerdings die Fragen, ob die Leichte Sprache für eine Übersetzung der TFEP prinzipiell geeignet ist, sowie ob die TFEP ohne Verschlechterung der Prüfungsqualität und ohne Einschränkung der Verkehrssicherheit in die Leichte Sprache übersetzt werden kann.
Die Bearbeitung des Forschungsthemas erfolgte anhand von drei Arbeitsschritten, die als Ganzes einen Überblick über den in Wissenschaft und Praxisweitgehend unbearbeiteten sowie unverbundenen Forschungsgegenstand geben.
Den ersten Schritt zur Bearbeitung des Forschungsthemas bildete eine Literaturanalyse, die getrennt für die beiden Themenfelder der Leichten Sprache und der TFEP durchgeführt wurde. Die Literaturanalyse im Themenfeld der Leichten Sprache erfasst diese als ein Kommunikationsmittel, das durch sprachliche Vereinfachungen primär zum Leseverständnis von Menschen mit Lernschwierigkeiten, geistiger Behinderung oder kognitiven Einschränkung sowie auch von Menschen mit prälingualer Schwerhörigkeit bzw. Gehörlosigkeit beitragen soll.
Die Leichte Sprache folgt hierbei eigenen Regeln, die allerdings in konkurrierenden Regelwerken festgehalten sind. Ein einheitliches oder auch standardisiertes Konzept der Leichten Sprache ist dementsprechend nicht vorhanden.
Die Literaturanalyse im Themenfeld der TFEP nimmt für eine mögliche Übersetzung und Durchführung der TFEP in Leichter Sprache relevante organisatorische Aspekte in den Blick. Des Weiteren wird die Erstellung und auch die beständige Evaluation der Prüfungsfragen beleuchtet, deren methodischen Gütekriterien eine etwaige Übersetzung der Prüfungsfragen ebenso genügen müsste.
Im zweiten Arbeitsschritt erfolgte die Durchführung von insgesamt sieben Experten/-inneninterviews. Hierzu wurden Experten/-innen aus dem Themenfeld der Leichten Sprache sowie aus dem Themenfeld der TFEP rekrutiert. Die Experten/-innen des Themenfeldes Leichter Sprache weichen in ihren Einschätzungen hinsichtlich der Anwendbarkeit von Regeln, der Verwendung eines bestimmten Regelwerkes und der Übersetzbarkeit von Fachbegriffen und Formeln häufig voneinander ab. Mit der ex plorativen Methode der Experten/-innenbefragung konnten jedoch Problemfelder benannt werden, die sich etwa auf den Interpretationsspielraum bei einer Übersetzung, die Rechtssicherheit einer Übersetzung der TFEP in Leichte Sprache sowie den Zugang zu einer TFEP in Leichter Sprache erstrecken.
Der dritte Arbeitsschritt umfasste die Testübersetzung von zwölf ausgewählten Prüfungsfragen in Leichte Sprache, die von einem professionellen Übersetzungsbüro umgesetzt wurde. Dabei traten unter anderem bei der Übersetzung von Fachbegriffen und Formeln Schwierigkeiten auf. Der Aufwand, den eine vollständige Übersetzung aller Prüfungsfragen aus dem amtlichen Führerschein-Fragenkatalog zur Folge hätte, kann mit der Testübersetzung nur in Ansätzen erfasst werden. Die Erkenntnisse deuten auf einen umfassenden Arbeitsaufwand hin.
In der Gesamtschau der Resultate aus der Literaturanalyse, dem empirischen Material aus der Experten/- innenbefragung und der Testübersetzung zeigen sich in Teilen Einschränkungen in der prinzipiellen Eignung der Leichten Sprache für eine Übersetzung der TFEP. Eine Übersetzung der Prüfungsfragen und damit die Bereitstellung einer validen TFEP in Leichter Sprache könnte dadurch beeinflusst
werden.
Eine umfassende Erarbeitung und Erprobung einer Konzeption zur „Leichten Sprache in der Theorieprüfung“ erscheint deshalb weniger empfehlenswert. Im Falle einer weiteren Bearbeitung dieses Forschungsthemas wäre die Klärung der identifizierten Diskussionspunkte unter Beteiligung der jeweiligen Experten/-innen ein möglicher nächster Schritt.
295
Aufgabe der Studie war es, die Ausstattung der Pkw in Deutschland mit Fahrzeugsicherheitssystemen umfassend zu erheben. Nach 2013 und 2015 hat infas die Studie in Zusammenarbeit mit dem Institut für Kraftfahrzeuge (ika) 2017/2018 erneut durchgeführt, um Veränderungen bei der Marktdurchdringung der Systeme festzustellen. Dazu wurden 5.207 Haushalte zur Ausstattung eines ihnen zur Verfügung stehenden Fahrzeugs befragt. Für die Befragung wurden insgesamt 59 Fahrzeugsicherheitssysteme ausgewählt. Die weiteste Verbreitung haben passive Sicherheitssysteme wie Airbags. Sowohl Front- als auch Seitenairbags gehören inzwischen zur Standardausstattung in allen Fahrzeugsegmenten. Neuere passive Systeme, insbesondere zum Fußgängerschutz, sind dagegen überwiegend in neueren Modellen der oberen Mittel- und Oberklasse vorhanden. Zur Fahrzeugausstattung gehören gleichzeitig aktive Systeme, die Risiken vermeiden oder einzelne Fahraufgaben übernehmen. Die häufigsten Vertreter aus dieser Gruppe sind Bremsassistent, ESP und Tempomat. Bereits über 80 Prozent der Fahrzeuge sind mit ESP ausgestattet, das seit 2011 gesetzlich vorgeschrieben ist. Auch die Tagfahrleuchte ist aufgrund einer EU-Richtlinie bereits in knapp der Hälfte aller Fahrzeuge verbaut und wird in Zukunft eine volle Marktdurchdringung erreichen. Zu den neuesten Entwicklungen gehören Systeme, die bereits den Automatisierungslevel 1 der Norm SAE J3016 aufweisen, wie der erweiterte ACC oder der Lenkassistent. Diese sind aufgrund der teuren und aufwendigen Technik jedoch bislang nur bei einem kleinen Teil der oberen Mittel- und Oberklasse sowie in Geländewagen/SUV zu finden. In den letzten Jahren nimmt besonders die Ausstattung im Segment SUV stark zu, so dass Fahrzeuge dieses Segments inzwischen bei vielen Systemen ähnlich hoch ausgestattet sind wie Fahrzeuge der oberen Mittel- und Oberklasse. Dies hängt auch mit der hohen Anzahl der Neuzulassungen in diesem Bereich zusammen. Die Anzahl der Sicherheitssysteme nimmt mit der jährlichen Fahrleistung und der Nutzungshäufigkeit ebenso zu wie bei jüngeren Fahrzeugen und Dienstwagen. Betrachtet man die Ausstattungsraten nach Fahrzeugsegmenten zeigt sich ein Muster: Sind Systeme insgesamt selten, unterscheiden sich die Anteile zwischen den verschiedenen Fahrzeugsegmenten teilweise erheblich.
115(2019)
Die Begutachtungsleitlinien sind eine Zusammenstellung eignungsausschließender oder eignungs-einschränkender körperlicher und/oder geistiger Mängel und sollen die Begutachtung der Kraftfahreignung im Einzelfall erleichtern. Sie dienen als Nachschlagewerk für Begutachtende, die Fahrerlaubnisbewerber oder -inhaber in Bezug auf ihre Kraftfahreignung beurteilen. In der 6. Auflage im Jahr 2000 wurden die Begutachtungsleitlinien „Krankheit und Kraftverkehr“ (5. Auflage 1996) und das „Psychologische Gutachten Kraftfahreignung” von 1995 zusammengeführt. Für die weitere Überarbeitung wurden unter der Federführung der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) und unter Beteiligung der jeweiligen Fachgesellschaften Expertengruppen einberufen, die die Leitlinien kapitelweise überarbeiten. Die überarbeiteten Leitlinien werden nach Zustimmung des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur online veröffentlicht. Im allgemeinen Teil der Leitlinien werden grundsätzliche Beurteilungshinweise, Auswahl und rechtliche Stellung der Begutachtenden sowie die Anforderungen an die psychische Leistungsfähigkeit und die Möglichkeiten der Kompensation von Mängeln dargelegt. Im speziellen Teil werden in einzelnen Kapiteln körperliche und geistige Krankheiten und Mängel behandelt, die längerfristige Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit beim Führen eines Kraftfahrzeugs haben, und somit die Sicherheit im Straßenverkehr gefährden können.
294
Menschen mit geistiger Behinderung sind – trotz vorhandenem Hilfe- und Unterstützungsangebot – häufig in ihrer Mobilität eingeschränkt und verfügen über weniger umfangreiche Mobilitätskompetenzen, weshalb ihre selbstständige Teilhabe am öffentlichen Personennah- und Straßenverkehr erschwert ist. Durch die Anbahnung, Erweiterung und Festigung verkehrsspezifischer Kompetenzen mittels einer Mobilitätsförderung, basierend auf der Handreichung MobiLe – Mobilität lernen, soll es Erwachsenen mit geistiger Behinderung ermöglicht werden, mehr Sicherheit und Teilhabe im Straßenverkehr und somit am sozialen Leben zu erlangen. Innerhalb der MobiLe-Handreichung werden für die Planung der Mobilitätsbildung und -förderung die Mobilitätsarten zu Fuß gehen, mit dem Rollstuhl fahren, mit dem Bus fahren, mit der Bahn fahren und mit dem Fahrrad fahren explizit herausgegriffen. In Zusammenarbeit und Kooperation mit Partnereinrichtungen der Behindertenhilfe, Schulen, Eltern und Erwachsenen mit geistiger Behinderung wurde das Curriculum erstellt, empirisch erprobt und ausgewertet. Für die Erfolgsbewertung des Projekts wurden die Personen befragt, die für die Förderung zuständig waren. Die TeilnehmerInnen selbst wurden ebenfalls befragt, aber auch die Erfahrungen und Wünsche der Eltern von Menschen mit geistiger Behinderung wurden mit einbezogen. Die Entwicklung der MobiLe Handreichung gliederte sich in folgende Phasen:
• Phase 1 – Ist-Analyse
Ist-Analyse bestehender Ansätze und Konzeptionen zur Schulung von verkehrsspezifischen Kompetenzen für Menschen mit geistiger Behinderung. Weiter folgte eine bayernweite Online-Vollerhebung im Hinblick auf vorhandene und durchgeführte Förderkonzepte der eigenständigen Mobilität und Mobilitätsbildung von Erwachsenen mit geistiger Behinderung sowie eine Abfrage von Mobilitätskompetenzen und -verhalten einzelner Personen mit geistiger Behinderung an ausgewählten Einrichtungen, um mögliche Lerninhaltsbereiche festzulegen.
• Phase 2 – Konzeptualisierung der Handreichung mit Curriculum
Ableitung konkreter (Optimierungs-)Bedarfe bezüglich Förderkonzepte und Mobilitätskompetenzen, sowie vorläufige Entwicklung der Handreichung MobiLe.
• Phase 3 – Erprobung der Handreichung mit Curriculum in der Praxis und Evaluation
Praktische Erprobung und Evaluation des Entwurfs des Curriculums mit 16 Einrichtungen und insgesamt 109 TeilnehmerInnen im schulischen und außerschulischen Bereich von Juli 2017 bis März 2018. Die Ergebnisse wurden festgehalten und wissenschaftlich ausgewertet. Handlungsempfehlungen in Bezug auf Mobilitätsbildung und -förderung für MitarbeiterInnen wurden ab-geleitet.
• Phase 4 – Optimierung der Handreichung mit Curriculum und Bewertung
Auf Basis der in Phase 3 gewonnenen Erkenntnisse wurde die Handreichung mit Curriculum MobiLe überarbeitet und schließlich im Hinblick auf (weiterhin) bestehende Limitationen kritisch bewertet.
Als Bindeglied zwischen Forschung und praktischer Verkehrserziehung wurde mit VertreterInnen aus Schule, Berufsausbildung und Eltern ein Expertenrat eingerichtet. Ein wesentliches Ziel dieses Gremiums war es, die Projektarbeit kritisch zu begutachten und beratend zu unterstützen. Das Endprodukt des Forschungsprojekts ist eine Handreichung mit Curriculum zur Mobilitätsförderung von Erwachsenen mit geistiger Behinderung, die in der Praxis (Berufsschule, Behindertenwerkstätten, Wohnheimen etc.) gut umsetzbar ist. Durch die Erweiterung und Festigung verkehrsspezifischer Kompetenzen, soll es zukünftig Erwachsenen mit geistiger Behinderung ermöglicht werden, mehr Sicherheit und Teilhabe im Straßenverkehr zu erhalten.
293
Die Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) wurde im Oktober 2013 vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) beauftragt, im Rahmen einer Projektgruppe weitere Maßnahmenvorschläge zur Absenkung des Fahranfängerrisikos zu erarbeiten. Der Projektgruppenauftrag umfasste zwei Aufgabenstellungen: Im Rahmen von Aufgabe A sollten weiterführende Maßnahmen zur Absenkung des Unfallrisikos von Fahranfängern in der Phase ihrer Höchstgefährdung unmittelbar am Anfang des selbständigen Fahrens (sogenannte „Hochrisikophase“) erarbeitet werden. Als Maßnahmenarten in der Hochrisikophase sollten berücksichtigt werden: Möglichkeiten 1. des erweiterten Fahrerfahrungsaufbaus unter risikoarmen Bedingungen, 2. der Verstärkung protektiver Regelungen und 3. der edukativen Intervention.
Im Rahmen von Aufgabe B sollten Konzepte zur Institutionalisierung einer breiteren wissenschaftlichen Abstützung von Fahrausbildung und Fahranfängermaßnahmen entwickelt werden. Die BASt richtete entsprechend eine Projektgruppe „Hochrisikophase Fahranfänger“ (PGHR) ein. Beteiligt an dieser Gruppe waren Vertreter der verkehrspolitischen Fachebene von Bund und Ländern, Experten der Praxisverbände (z.B. ADAC, DVR, Fahrlehrerverbände) sowie externe Wissenschaftler und die Fachreferenten der BASt. Die Projektgruppe traf sich zur Bearbeitung beider Aufgabenstellungen mehrfach zwischen Februar 2014 und Oktober 2018. Der vorliegende Abschlussbericht stellt die Ergebnisse der Projektgruppenarbeit dar. Er wurde von den Fachreferenten der BASt erstellt und mit den Projektgruppenmitgliedern abgestimmt.
Teil I des Abschlussberichts geht auf die Projektgruppenergebnisse zu Aufgabe A ein. Im Kern steht hier ein gemeinsamer Vorschlag der Projektgruppenmitglieder für eine zukünftige Ausrichtung des deutschen Systems der Fahranfängervorbereitung in der Phase nach der obligatorischen Fahrausbildung und Fahrerlaubnisprüfung. Der Projektgruppenvorschlag für die Hochrisikophase umfasst im Wesentlichen: • Eine generelle Verlängerung der Probezeit – Die Probezeit beträgt derzeit zwei Jahre. Es wird vorgeschlagen, die Probezeit auf drei Jahre auszudehnen, um Fahranfänger länger zu einem vorsichtigen und regelkonformen Fahren anzuhalten. • Probezeitreduzierungen bei freiwilliger Teilnahme an qualifizierten Maßnahmen – Als Anreiz zur freiwilligen Teilnahme an solchen qualifizierten Maßnahmen werden Probezeitreduzierungen vorgeschlagen. Das vorgeschlagene Schema sieht als maximal zu erreichende Probezeitreduzierung 12 Monate vor. Somit ergibt sich als Untergrenze eine zweijährige Probezeit entsprechend der derzeitigen Probezeitregelung. • Qualifizierte Maßnahmen – Begleitetes Fahren und edukative Maßnahmen werden als qualifizierte Maßnahmen vorgeschlagen. Diese einzelnen Elemente des Projektgruppenvorschlags werden sowohl detailliert beschrieben als auch begründet.
Teil II des Abschlussberichts geht – ebenfalls im Rahmen von Aufgabe A – ausführlich auf die im Projektvorschlag enthaltenen edukativen Maßnahmen für die Hochrisikophase ein. Hier sind zwei eigenständige Berichte enthalten, die – zusätzlich zur Projektgruppenarbeit – von den Erstellern der edukativen Maßnahmen in Auftrag gegeben wurden. Der erste dieser beiden eigenständigen Berichte stellt die zwei erarbeiteten edukativen Maßnahmen vor. Hierzu wird eingegangen auf zentrale Fragen zu Nutzenerwartungen für die Fahranfängervorbereitung, zu wissenschaftlichen Grundlagen der Gestaltung der edukativen Maßnahmen sowie zu organisatorischen Anforderungen an eine Implementierung der edukativen Maßnahmen. Der zweite dieser beiden eigenständigen Berichte beinhaltet eine Gegenüberstellung der beiden edukativen Maßnahmen des Projektgruppenvorschlags mit den früheren „Freiwilligen Fortbildungsseminaren für Fahranfänger“, um erstere von letzteren anhand von fünf Kriterien abzugrenzen.
In Teil III des Berichts werden die Ergebnisse der Projektgruppenarbeit zu Aufgabe B berichtet. Aus derzeitiger Sicht grundsätzlich realisierbar erscheint die dauerhafte Implementierung und Finanzierung einer Fachkommission "Fahranfängervorbereitung" aus Bundesmitteln.
290 n
Die vorliegende Untersuchung gibt einen zusammenfassenden Überblick über die Leistungen des öffentlichen Rettungsdienstes in der Bundesrepublik Deutschland im Zeitraum 2016/17. Das Forschungsprojekt 87.0014/2015 „Analyse des Leistungsniveaus im Rettungsdienst für die Jahre 2016 und 2017“ erfasst und analysiert eine repräsentative Stichprobe von Einsatzdaten zur Beurteilung der Leistungsfähigkeit des öffentlichen Rettungsdienstes in der Bundesrepublik Deutschland.
Die wesentlichsten Ergebnisse des Forschungsprojektes sind: Bundesweit wurden im öffentlichen Rettungsdienst im Zeitraum 2016/17 jährlich rund 13,9 Mio. Einsätze mit insgesamt 16,4 Mio. Einsatzfahrten durchgeführt. Die Einsatzrate beträgt rund 169 Einsätze pro 1.000 Einwohner und Jahr. An einem mittleren Werktag gingen bundesweit rund 41.000 rettungsdienstliche Hilfeersuchen in den Rettungsleitstellen ein. Am Wochenende sank die Zahl der eingehenden Hilfeersuchen auf rund 31.800 an einem mittleren Samstag und auf rund 29.700 an einem mittleren Sonntag. 52,5 % des Einsatzaufkommens wurden vom Leitstellenpersonal als Notfall eingestuft, 47,5 % entfallen auf die Kategorie Krankentransport. Über zwei Fünftel aller Notfalleinsätze wurden unter Hinzunahme eines Notarztes durchgeführt (Notarzteinsatz). Rund ein Viertel der Notfälle zu Verkehrsunfällen (24,8 %) wurde von einem Notarzt bedient. Das Rendezvous-System hat sich mit einem Anteil von 99,6 % gegenüber dem Stationssystem bundesweit etabliert. Rund 2,0 % der Notfalleinsätze galten einem Verkehrsunfall, was bundesweit rund 145.000 Einsätzen entspricht. Die Verteilung der übrigen Einsatzanlässe bei Notfällen mit und ohne Notarztbeteiligung betrug: Sonstiger Notfall 56 %, Internistischer Notfall 29 %, Sonstiger Unfall (z. B. Haus-, Schul- und Sportunfall) 12 % und Arbeitsunfall unter 1 %. Die Verteilung der Rettungsmitteltypen am bundesweiten Einsatzfahrtaufkommen im Zeitraum 2016/17 betrug: RTW 60 %, KTW 21 %, NEF 18 %, NAW und RTH/ITH rund 1 %. Beim Einsatzfahrtaufkommen wurden rund drei von fünf Einsatzfahrten mit Sonderrechten auf Anfahrt durchgeführt. Dies entspricht bundesweit jährlich 9,67 Mio. Einsatzfahrten unter Sonderrechten auf Anfahrt. Das Einsatzfahrtaufkommen wies im Bundesgebiet 2016/17 einen Fehlfahrtanteil von unter 5,4 % auf. Bundesweit waren dies jährlich rund 0,884 Mio. Fehlfahrten. Die Dispositions- und Alarmierungszeit bei Einsatzfahrten mit Sonderrechten auf Anfahrt betrug im Mittel 2,8 Minuten. Bei Einsatzfahrten ohne Sonderrechte auf Anfahrt lag die Dispositions- und Alarmierungszeit im Mittel bei 17,5 Minuten. Bei Einsätzen mit Sonderrechten auf Anfahrt errechnete sich nach dem zuerst eingetroffenen Rettungsmittel am Einsatzort eine mittlere Hilfsfrist von 9,0 Minuten, wobei 95 % der Notfälle innerhalb von 17,7 Minuten mit einem Rettungsmittel bedient wurden. Die Unterscheidung der Einsatzzeit nach Notfällen und Krankentransporten unter zwei Stunden ergab eine mittlere Einsatzzeit von 55 Minuten für Einsatzfahrten mit Sonderrechten auf Anfahrt und 59 Minuten für Einsatzfahrten ohne Sonderrechte auf Anfahrt. Die Transportzeit bei Einsatzfahrten mit Sonderrechten auf Anfahrt betrug im Mittel 14,1 Minuten. Bei Einsatzfahrten ohne Sonderrechte auf Anfahrt lag die Transportzeit im Mittel bei 18,9 Minuten. Die Verweilzeit am Transportziel/Wiederherstellungszeit bei Einsatzfahrten mit Sonderrechten auf Anfahrt betrug im Mittel 19,5 Minuten, während bei Einsatzfahrten ohne Sonderrechte auf Anfahrt der Vergleichswert im Mittel bei 17,6 Minuten lag. Die Ergebnisse einer weiterführenden Studie zur gemeinsamen Auswertung von Daten aus GIDAS (German In-Depth Accident Study) und Daten der Leistungsanalyse zu Verkehrsunfällen für die Jahre 2012/13 zeigen zum einem die Identifizierung zugehöriger Datensätze zu Verkehrsunfallereignissen und zum anderem die Vergleichbarkeit der Klassifizierung der Verletzungsschwere der Verkehrsunfallopfer zwischen beiden Erfassungsverfahren.
292
Das Projekt „Einfluss gleichaltriger Bezugspersonen (peers) auf das Mobilitäts- und Fahrverhalten junger Fahrerinnen und Fahrer" untersucht, inwiefern riskantes Verhalten im Straßenverkehr durch Merkmale des Freundeskreises (Peergruppe) erklärt werden kann. Dieser Forschungsansatz ist als Ergebnis neuerer theoretischer und empirischer Entwicklungen entstanden, die zur Erklärung individuellen Verhaltens zunehmend auch solche Faktoren bemühen, die nicht auf der Ebene der einzelnen Person liegen, sondern die Normen (das Verhalten und die Einstellungen) im sozialen Nahraum integrieren. Ein zweiter Fokus dieser Studie lag auf der Identifikation verhaltensspezifischer und differenzieller Einflussfaktoren, weshalb drei unterschiedliche Arten des Risikoverhaltens junger Fahrerinnen und Fahrer adressiert worden sind, die für die Verkehrssicherheit alle hochgradig relevant sind: Fahren mit deutlich erhöhter Geschwindigkeit, Fahren nach dem Konsum von Alkohol und Handybenutzung während des Fahrens. Im Rahmen dieses Projekts wurden zunächst 311 Personen repräsentativ ausgewählt, die einen Pkw-Führerschein besitzen und zwischen 18 und 24 Jahren alt sein mussten. Diese haben jeweils drei gute Freunde bzw. Freundinnen genannt, die anschließend ebenfalls ausführlich befragt worden sind. Die Ergebnisse basieren also auf einem Stichprobenumfang von 1.244 Personen und belegen einen starken Einfluss der Peergruppe auf das Risikoverhalten junger Fahrerinnen und Fahrer. Die Ergebnisse der Analysen auf individueller Ebene zeigen, dass die wahrgenommene Häufigkeit des Risikoverhaltens im Freundeskreis einen deutlich stärkeren Effekt auf die selbstberichtete Prävalenz des Risikoverhaltens hat als die wahrgenommene Einstellung der Freunde zu diesem Risikoverhalten. Die Befunde der vorliegenden Studie verweisen in vielfältiger Hinsicht darauf, dass die Peergruppe mit Blick auf die Entwicklung verkehrssicherheitsstrategischer Kommunikationsmaßnahmen zu adressieren ist.
291
Trotz intensiver Bemühungen zur Verbesserung der Verkehrssicherheit kam es im Jahr 2016 in Deutschland zu rund 2,6 Millionen Straßenverkehrsunfällen. Neben der Erforschung von Unfallursachen sind in den letzten Jahren zunehmend auch die Unfallfolgen in den Fokus nationaler und internationaler Forschungsaktivitäten gerückt. Im Zentrum stehen hierbei vor allem die Analyse von Verletzungsart und -schwere sowie die Kosten von Straßenverkehrsunfällen. Humanitäre Kosten, wie Trauer und Leid, die nicht nur die Verunglückten selber, sondern auch Angehörige, Zeugen oder Helfer betreffen können, fanden bislang jedoch kaum Berücksichtigung. Studien zeigen, dass ein relevanter Anteil von im Straßenverkehr verunglückten Personen nach dem Ereignis psychisch belastet ist. Während in Deutschland die Versorgungsstrukturen zur Behandlung körperlicher Verletzungen in Folge eines Unfalls gut etabliert und eng miteinander verzahnt sind, sind die Angebote und Strukturen zur Versorgung psychischer Unfallfolgen in der Bevölkerung eher weniger gut bekannt und auch von Forschungsseite bislang kaum untersucht. Primäres Ziel der vorliegenden Untersuchung war es daher, das Versorgungsangebot für Menschen mit psychischen Unfallfolgen in Deutschland zu erfassen und zu systematisieren. Zu diesem Zweck wurde erstmalig eine bundesweite Recherche potenziell an der Versorgung psychischer Unfallfolgen beteiligter Institutionen durchgeführt. Darüber hinaus wurden eine Online-Befragung und Interviews mit Vertretern dieser Institutionen realisiert, um das Versorgungsangebot zu analysieren und ggf. bestehenden Optimierungsbedarf zu identifizieren. Abschließend wurden die Ergebnisse in einem Experten-Workshop diskutiert und konkrete Ansätze zur Verbesserung der Versorgungssituation erarbeitet. Im Rahmen der Recherchearbeiten wurden 2.657 potenziell an der Versorgung von Menschen mit psychischen Unfallfolgen beteiligte Institutionen identifiziert. Diese Institutionen wurden dazu eingeladen, sich an einer Online-Befragung zu beteiligen. Anhand der erhobenen Basisdaten (n = 155) zeigte sich u.a., dass ein breites Spektrum inhaltlich unterschiedlich ausgerichteter Institutionen an der Versorgung psychischer Unfallfolgen beteiligt ist. Gleichzeitig existieren kaum spezialisierte Angebote für diese Zielgruppe. Im zweiten Befragungsteil (n = 110), in dem insbesondere bestehende Hürden und Verbesserungsmöglichkeiten im Versorgungsprozess eruiert wurden, zeigte sich deutlicher Optimierungsbedarf: Das Versorgungsangebot in Deutschland wurde von den Befragten mehrheitlich als „eher gering“ bis „mittelmäßig“ eingeschätzt. Vorhandene Angebote seien für die Betroffenen „eher schlecht“ auffindbar, sodass Patienten oftmals „Irrwege“ hinter sich hätten, bis sie ein adäquates Unterstützungsangebot erhielten. Zudem mangele es an Vernetzung zwischen den Institutionen und es gebe – unabhängig von der eigentlichen Betreuung der Betroffenen – einen hohen Arbeitsaufwand, zum Beispiel durch viel Bürokratie. …
289
Entwicklung und Überprüfung eines Instruments zur kontinuierlichen Erfassung des Verkehrsklimas
(2019)
In der öffentlichen Wahrnehmung hat sich das Verkehrsklima in den vergangenen Jahren verschlechtert. Dennoch wurde bis zum jetzigen Zeitpunkt noch kein Versuch unternommen, das Konstrukt des Verkehrsklimas in der breiten Bevölkerung wissenschaftlich zu erheben. Um diese Lücke zu schließen, hat die Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) infas mit dem Unterauftragnehmer IAPA Research beauftragt, ein Set von Instrumenten zu entwickeln, mit welchem in Zukunft das Verkehrsklima in Deutschland regelmäßig erhoben werden kann. Das „Verkehrsklima“ wird dabei als der Umgang der Verkehrsteilnehmer/ innen untereinander aufgefasst. Dabei wird es als subjektiv empfundene Größe interpretiert. Diese umfasst zusammengefasst die Wahrnehmung und Bewertung von Interaktionen von Verkehrsteilnehmern und grenzt sich von Begriffen wie „Verkehrssicherheitskultur“ und „Verkehrskultur“ ab. Bei der Entwicklung des Instrumentariums sollte zum einen geprüft werden, ob und wie dabei auf öffentliche Statistiken und sonstige Daten öffentlicher Behörden zurückgegriffen werden kann. Zum anderen sollte ein Fragebogen erstellt und getestet werden, mit dessen Hilfe die subjektive Erfahrung des Straßenverkehrs und damit das Verkehrsklima in der Bevölkerung gemessen werden kann. Die Evaluation öffentlicher Datenbestände ergab, dass diese nur eingeschränkt oder in der vorliegenden Form gar nicht zur Ermittlung des Verkehrsklimas geeignet sind. Dies hängt damit zusammen, dass sich die gesetzlichen oder sonstige Rahmenbedingungen verändert haben können oder unvorhergesehene Ereignisse die Messgenauigkeit beeinflussen, so dass die Bewertung eines Trends nicht möglich ist. Ein anderer Grund ist, dass die Daten öffentlicher Behörden teilweise nicht für das gesamte Bundesgebiet, sondern nur an speziellen Kontroll- bzw. Messpunkten erhoben werden, so dass keine Rückschlüsse auf das Bundesgebiet gezogen werden können. Zudem wurde ein Fragebogen entwickelt, mit welchem das wahrgenommene Verkehrsklima in der Bevölkerung erhoben werden kann. Diese Fragen wurden in einer bevölkerungsrepräsentativen Studie getestet. Ein reduziertes Fragebogeninstrument und ein darauf aufbauender Index können nun dazu benutzt werden, regelmäßig die Einschätzung des Verkehrsklimas in der Bevölkerung zu erheben. Es wird vorgeschlagen, dies alle drei Jahre mit einem Stichprobenumfang von 3.000 Befragten durchzuführen. Diese Größenordnung erlaubt sowohl die belastbare Messung von Veränderungen im Zeitverlauf als auch die Betrachtung von Teilgruppen der Bevölkerung wie etwa nach dem Alter, Regionen oder anderen Merkmalen. Objektive Daten wie etwa Geschwindigkeits-, Abstandsmessungen oder andere derartige Indikatoren sind in diesem Konzept nach intensiver Prüfung und Abwägung nicht enthalten. Ausschlaggebend für diese Entscheidung war der Befund, dass zurzeit nur sehr punktuelle Messungen und keine gut interpretierbaren Zeitreihen verfügbar sind. Sollen diese ergänzend zu den Befragungsdaten zu einer zuverlässigen Beurteilung der Verkehrsklimaentwicklung beitragen, müssen hier noch geeignete Ansätze konzipiert oder bestehende Verfahren fortentwickelt werden. Empfohlen wird daher, objektive Daten erst dann als Kontextmerkmale zur Interpretation des Verkehrsklimas hinzuzuziehen, wenn diese zuverlässig operationalisiert und im Zeitvergleich vorliegen.
286
Evaluation des Modellversuchs AM 15 : Teil 1 – Verkehrsbewährungsstudie, Teil 2 – Befragungsstudie
(2019)
Teil 1 – Verkehrsbewährungsstudie: Mit der dritten Verordnung über Ausnahmen von den Vorschriften der Fahrerlaubnis-Verordnung wurde mit Wirkung vom 1. Mai 2013 die Grundlage für den Modellversuch und damit den Erwerb der Fahrerlaubnisklasse (FE-Klasse) AM mit 15 Jah¬ren für die Bundesländer Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen geschaffen. Ziel der Evaluation war es zum einen zu untersuchen, ob sich aus dem Modellversuch Auswirkungen auf die beobachtbare Verkehrsbewährung ergeben. Zum anderen wurde der Frage nachgegangen, ob das Absenken des Mindestalters Auswirkungen auf die Attraktivität der im weiteren Lebensverlauf erwerbbaren FE-Klassen hat. Es lassen sich geschlechtsspezifische Präferenzen bei dem Erwerb von FE-Klassen aufzeigen, die auch aus der amtlichen Statistik bekannt sind. Junge Männer erwerben häufiger Zweirad-Klassen, somit auch die FE-Klasse AM. Das gilt sowohl in den Modellversuchs- als auch den Vergleichslän-dern (Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Bayern). Ebenso werden siedlungsstrukturelle Unterschiede im Fahrerlaubniserwerb (FE-Erwerb) deutlich. Auch hier lässt sich für die Modellversuchsländer und die Vergleichsländer zeigen, dass im ländlichen Raum deutlich mehr Personen die FE-Klasse AM erwerben. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass der Anteil verkehrsauffälliger Jugendlicher sehr gering ist. Während mehr Jugendliche aus den am Modellversuch beteiligten Bundesländern mit einem registerpflichtigen Verkehrsdelikt auffällig geworden sind, haben mehr Jugendliche aus den Bundesländern der Vergleichsgruppe das Recht des Führens fahrerlaubnispflichtiger Fahrzeuge verloren. Da ausschließlich männlichen Jugendlichen im ersten Jahr nach dem Erwerb der FE-Klasse AM die Fahrerlaubnis (FE) entzogen wurde, könnte dies auf eine höhere Risikobereitschaft hindeuten. Es gilt zu überlegen,…Teil 2 – Befragungsstudie: Mit der Absenkung des Mindestalters für den Erwerb der AM-Fahrerlaubnis auf 15 Jahre verfolgt der Gesetzgeber das Ziel der Verbesserung der Mobilität von Jugendlichen, insbesondere im ländlichen Raum. In der Befragungsstudie zur Evaluation des AM15-Modellversuchs in den seit Beginn der Maßnahme beteiligten Bundesländern Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen werden dazu 15-jährige AM-Fahrerlaubniserwerber aus den Modellversuchsländern und als Vergleichsgruppen 15- und 16-jährige Erwerber der Mofa-Prüfbescheinigung bzw. der AM- oder A1-Fahrerlaubnis aus den Nicht-Modellversuchsländern Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen zu Aspekten ihrer Verkehrssicherheit (Stürze, Unfälle, Gefahrenbewusstsein), ihres Mobilitätsverhaltens sowie zur Absicht des Erwerbs weiterer Fahrerlaubnisse befragt. Die Erstbefragung der AM15-Teilnehmer haben 906, die Wiederholungsbefragung 360 Jugendliche vollständig beantwortet. An der einmaligen Erhebung für die Vergleichsgruppen in den untersuchten Modell- und Nicht-Modellversuchsländern haben insgesamt 2.127 Jugendliche teilgenommen. Im Durchschnitt erwirbt etwa jeder zehnte 15-jährige Jugendliche in den Modellversuchsländern die AM15-Fahrerlaubnis. Nach dem Fahrerlaubniserwerb integrieren die 15-Jährigen das motorisierte Zweirad umgehend in ihren Mobilitätsalltag. Zum zweiten Erhebungszeitpunkt fahren alle AM15-Teilnehmer im Mittel 50,0 km pro Woche (arithmetischer Mittelwert: 86,7 km), die Mobilen durchschnittlich 62,0 km pro Woche (arithmetischer Mittelwert: 103,6 km). Parallel dazu steigt die Verunfallung der 15-jährigen Kleinkraftradfahrer in den Modellversuchsländern markant an. Ein auffälliges Unfallgeschehen dokumentieren auch die Selbstauskünfte der AM15-Teilnehmer. In der weiteren Fahrkarriere…
287
Vor dem Hintergrund von Maßnahmen zur Verbesserung der Verkehrssicherheit ist die Kenntnis über Veränderungen des Nutzungsverhaltens von Smartphones durch Pkw-Fahrer eine wichtige Information. Anders als beispielsweise zur Gurtnutzung, werden in Deutschland bislang jedoch noch keine regelmäßigen Erhebungen nach einer einheitlichen Methodik durchgeführt. Daher wurde ein Erhebungskonzept entwickelt und erprobt, mit dem, repräsentativ für Deutschland, wiederholt ermittelt werden kann, wozu und wie häufig Pkw-Fahrer Smartphones beim Fahren nutzen. Das entwickelte Konzept orientiert sich an den von der Bundesanstalt für Straßenwesen schon seit Mitte der 70er Jahren durchgeführten repräsentativen Verkehrsbeobachtungen, bei denen die Sicherungsquoten von Pkw-Insassen und das Tragen von Schutzhelmen und Schutzkleidung bei Zweiradfahrern erfasst werden. Es basiert auf Beobachtungen im Verkehr, die in acht Städten Deutschlands innerorts, außerorts und an Autobahnen durchgeführt werden. In die Konzeptentwicklung gingen die Erkenntnisse aus einer umfassenden Literaturübersicht nationaler und internationaler Beobachtungsstudien zur Häufigkeit der Nutzung mobiler Telefone beim Fahren ein. Die pilothaft erprobte Erhebung der Smartphonenutzung hat gezeigt, dass mit Erhebungen aus dem Seitenraum eine gute Qualität der Merkmalserfassung, auch bei höheren Fahrgeschwindigkeiten der Fahrzeuge, erreicht werden kann. Dazu sollten die Beobachtungen pro Standort von zwei Erhebern im Team durchgeführt werden. Zur Erfassung der Beobachtungen hat sich eine Tablet-PC-Anwendung als geeignet erwiesen. Es werden genaue Angaben zur Durchführung der Erhebungen gegeben.
288
Anforderungen an die Evaluation der Kurse zur Wiederherstellung der Kraftfahreignung gemäß § 70 FeV
(2019)
Kurse zur Wiederherstellung der Kraftfahreignung gemäß § 70 Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) – im Folgenden als §70-Kurse – bezeichnet, sind verkehrspsychologische Gruppenmaßnahmen für Personen, die im Straßenverkehr mit Alkohol und/oder Drogen auffällig wurden. In diesen Kursen sollen in der Begutachtung der Fahreignung (Medizinisch- Psychologische Untersuchung, MPU) festgestellte Eignungsdefizite ausgeräumt werden. Teilnehmenden an den Kursen wird nach erfolgreichem Abschluss die Fahrerlaubnis ohne erneute Begutachtung neu erteilt, d. h. diese Kurse haben Rechtsfolgen. Dementsprechend müssen an die Kurse hohe Qualitätsanforderungen gestellt werden. Dies beinhaltet auch die regelmäßige Evaluation der Kurse. Im vorliegenden Bericht werden einheitliche Anforderungen für die Evaluation definiert, die zukünftig durch die Träger der §70-Kurse, aber auch in anderen Bereichen der Fahreignungsförderung, angewendet werden können. Diese sollen dazu beitragen, die Transparenz und Nachvollziehbarkeit von Evaluationsbefunden zu erhöhen, und gleichzeitig neue Möglichkeiten für die Evaluation aufzeigen. Die Arbeitsgruppe hat die nachfolgenden Empfehlungen für die Evaluation entwickelt, eine verbindliche Festlegung wird empfohlen: - Kriterium: einschlägige Wiederauffälligkeit; - Datengrundlagen: ZFER und FAER; - Stichprobenziehung (grundsätzlich vor der Untersuchung festzulegen): bei kleineren Trägern: Vollerhebung aus zwei Rekrutierungsjahrgängen, bei größeren Trägern: zufällig gezogene Stichprobe aus zwei Rekrutierungsjahrgängen; - Beobachtungsdauer: drei Jahre mit Datum der Neuerteilung; - Grenzwert zur Bewertung des Kurserfolgs: 10 %. Für eine Evaluation sind als Untersuchungszeitraum einschließlich Versuchsplanung mindestens sieben Jahre zu veranschlagen.
285
Wenngleich die Gesamtgruppe der Älteren ab 65 Jahren im Vergleich zu jüngeren Altersgruppen deutlich weniger an Unfällen mit Personenschaden beteiligt ist, ist jedoch durch die zahlenmäßige Zunahme dieser Altersgruppe aufgrund des demografischen Wandels eine Zunahme der Unfallbeteiligung Älterer zu erwarten. Diese Tatsache begründet die Notwendigkeit, zukünftig die Verkehrssicherheit dieser Altersgruppe zu erhalten und zu verbessern. Die vorliegende Studie SENIORLIFE bietet eine Fülle von Erkenntnissen, auf die bei der Entwicklung von Verkehrssicherheitsmaßnahmen Bezug genommen werden kann. Die SENIORLIFE-Studie knüpft inhaltlich und methodisch an der AEMEIS-Studie Ältere Menschen im künftigen Sicherheitssystem Straße/Fahrzeug/Mensch der BASt aus dem Jahr 2002 an, aus der umfassende Beschreibungen mehr oder weniger gefährdeter Lebensstilgruppen von Seniorinnen und Senioren hervorgingen. Im Unterschied zur AEMEIS-Studie wurden in der Fragebogenstudie SENIORLIFE zur Bildung von Lebensstilgruppen die Werthaltungen hinzugenommen. Erfasst wurden außerdem die Lebenslage der Befragten, der Sicherheitsbedarf, das Sicherheitsengagement, die verkehrssicherheitsrelevanten Erwartungen und die Mediennutzung. Ein zentrales Ziel dieser Studie war es, eine differenzierte Charakterisierung unterschiedlicher Lebensstil- und Altersgruppen zu erstellen, die bei der Entwicklung und Umsetzung von Verkehrssicherheitsmaßnahmen für Seniorinnen und Senioren herangezogen werden kann. Um die Verkehrssicherheitsrelevanz der erfassten Personenmerkmale zu belegen, wurde ein komplexes theoretisches Modell, bestehend aus diesen Merkmalen, einer Prüfung unterzogen. Grundlegend für diese Studie ist eine bevölkerungsrepräsentative Befragung (N = 2.066) der ab 55-Jährigen. Diese Festlegung ermöglicht Vergleiche zwischen jüngeren und älteren Seniorinnen und Senioren sowie einen Vergleich zwischen den Altersgruppen der o. g. AEMEIS-Studie und den Altersgruppen der vorliegenden SENIORLIFE-Studie. Eine Clusteranalyse führte zur Identifikation von sechs Lebensstilgruppen von Seniorinnen und Senioren, die sich hinsichtlich der Gefährdung im Straßenverkehr deutlich voneinander unterscheiden. Die höchste Gefährdung als Autofahrer bzw. -fahrerin besteht für den antisozialen Typ und den Anregungen suchenden Typ. Abgesehen von den klassischen Medien wie Fernsehen, Radio und gedruckten Tageszeitungen sind Personen dieser Lebensstilgruppen auch gut über Smartphone und App-Anwendungen erreichbar. Insgesamt besteht ein relativ geringes Interesse an Verkehrssicherheit und ein geringes Eigenengagement (z. B. Arztberatung), was die Verbesserung der eigenen Verkehrssicherheit betrifft. Kompensationsmechanismen dagegen werden mit zunehmendem Alter deutlich erkennbar. Es hat sich gezeigt, dass zur Identifizierung von Risikogruppen innerhalb der heterogenen Gruppe der Seniorinnen und Senioren eine Segmentierung auf der Basis von Lebensstilen einer Segmentierung auf der Grundlage von Lebenslagen deutlich überlegen ist. Eine Segmentierung nach Altersgruppen dagegen bietet sich – je nach Fragestellung – ebenfalls an. Eine pfadanalytische Prüfung des theoretischen Modells dieser Studie zur Erklärung des berichteten Fahrverhaltens und Unfallrisikos von Seniorinnen und Senioren ergab eine gute Anpassung an die empirischen Daten für die Gesamtstichprobe. Diese Ergebnisse stützen damit die im vorliegenden SENIORLIFE-Projekt gewählten theoretischen Grundlagen. Ihre Anwendung in der zukünftigen Forschung wird daher empfohlen. Ebenfalls empfohlen werden eine Reihe von Maßnahmen zum Erhalt oder zur Verbesserung der Verkehrssicherheit von Seniorinnen und Senioren, die sich aus der Literaturanalyse sowie aus den Ergebnissen der Studie als zielführend ableiten lassen.
284
In der "Fahranfängerbefragung 2014" wurden ab März 2014 bundesweit 2.478 Teilnehmer am "Begleiteten Fahren ab 17 Jahre" kurz nach dem Beginn ihrer Begleitphase befragt. Von 834 dieser 17-Jährigen liegt auch ein Fragebogen aus der Wiederholungsbefragung gegen Ende der BF17-Teilnahme vor. Zudem haben 783 Begleiter einen Fragebogen ausgefüllt. Parallel wurden bundesweit 925 18-jährige Fahranfänger in den ersten drei Monaten ihres Fahrerlaubnisbesitzes einmalig befragt. Auch zu diesen Fahranfängern liegen zuordenbare Antworten von 373 Eltern vor. BF17-Teilnehmer beginnen ihre Fahrausbildung etwa 1,8 Monate vor dem 17. Geburtstag. Durchschnittlich verbringen die Jugendlichen 8,4 Monate im BF17 und fahren dabei ca. 2.500 km. Fast ein Viertel nutzt die maximal mögliche Dauer von zwölf Monaten aus und erbringt dabei eine Fahrleistung von über 3.600 km. Die Fahrausbildung der 18-Jährigen beginnt etwa 2,8 Monate vor dem 18. Geburtstag. Aus Sicht der 18-jährigen Fahranfänger sprach am häufigsten die fehlende Zeit gegen die Teilnahme am BF17. Die Befunde verweisen ferner auf ein Wissensdefizit unter jungen Erwachsenen hinsichtlich des Wirkmodells des Fahrerfahrungsaufbaus unter Begleitung und damit auf ein Kommunikationsdefizit im Rahmen der Fahranfängervorbereitung. Für 18-Jährige lässt sich eine jährliche Fahrleistung von ca. 5.300 km errechnen. Im Bericht finden sich Basisdaten zu vielen weiteren Aspekten der Exposition und des Fahrverhaltens 17- und 18-jähriger junger Fahrer. Für BF17-Teilnehmer werden die Kommunikationssituation während der Begleitfahrten und Einstellungen zum BF17 sowie zu Perspektiven seiner Weiterentwicklung berichtet. Optimierungspotenziale hinsichtlich der Verlängerung der Verweildauer im BF17, der Erhöhung des Fahrleistungsumfangs, der Einwirkung auf die Übungsqualität und der Verbreiterung der Teilnahmequote werden vor allem in der Verkehrserziehung und -aufklärung gesehen. Entsprechende Ansatzpunkte der Verkehrssicherheitskommunikation werden skizziert.
283
Das Thema Sicherheit von älteren Verkehrsteilnehmern hat sich zu einem wichtigen Schwerpunkt der verhaltenswissenschaftlichen Forschung der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) entwickelt. Im Rahmen verschiedener Forschungsprojekte wurden verkehrssicherheitsrelevante Leistungspotenziale, Defizite, Gesundheitsdaten und Kompensationsstrategien aelterer Verkehrsteilnehmer untersucht sowie Interventionsmaßnahmen zur Verbesserung ihrer Fahrkompetenz herausgearbeitet. Zudem war die BASt im November 2014 Veranstalter der Konferenz "Ageing and Safe Mobility", auf welcher aktuelle Ergebnisse aus empirischen Untersuchungen zum Verhalten älterer Verkehrsteilnehmer, zur Straßeninfrastruktur und zur Fahrzeugtechnik diskutiert wurden. Die hierbei gewonnenen Erkenntnisse werden im vorliegenden Bericht aufgegriffen und zusammen mit Ergebnissen aus relevanten nationalen und internationalen Publikationen aufbereitet. Diese Übersichtsarbeit soll helfen, die neuen Herausforderungen für die Verkehrssicherheit, welche aufgrund der steigenden Anzahl der Älteren und ihrer Mobilitätsbedürfnisse aufkommen, angemessen zu bewältigen. Sie gibt den Stand der Forschung zu Mobilitätsbedürfnissen, altersbegleitenden fahrrelevanten Funktionsveränderungen sowie zu Kompensationsmechanismen älterer Fahrer umfassend wieder. Weiterhin werden die Eignung von Testungen zur Vorhersage der Fahrkompetenz sowie fahrerlaubnisrechtliche Regelungen in anderen europäischen Ländern näher beleuchtet. Einen weiteren Schwerpunkt bildet das Aufzeigen von Maßnahmen zur Verbesserung der Verkehrssicherheit Älterer, wobei hier überwiegend auf Maßnahmen eingegangen wird, die auf eine Veränderung des Verhaltens der Verkehrsteilnehmer abzielen. Auch wenn sich die vorliegende Übersichtsarbeit vorwiegend mit Älteren als Autofahrer beschäftigt, werden auch Kenntnisse über und Maßnahmen fuer Ältere als Fußgänger und Radfahrer dargelegt.
282
Mit zunehmendem Alter kommt es häufig zu sensorischen, kognitiven und motorischen Leistungsveränderungen. Die Wahrscheinlichkeit für die Entwicklung einer Erkrankung steigt ebenso wie die Wahrscheinlichkeit für die Einnahme von Medikamenten. Diese Faktoren können die Fahrkompetenz im Alter beeinflussen. Zur Erfassung der Fahrkompetenz gilt eine Fahrprobe im Realverkehr als der Goldstandard. Sie ist jedoch auch mit gewissen Nachteilen (z. B. Abhängigkeit von Wetter und Verkehrssituation; Auftreten von Gefahrensituationen) verbunden. In der vorliegenden Studie wurde untersucht, ob mithilfe einer Fahrverhaltensbeobachtung im Fahrsimulator der BASt geprüft werden kann, wie sich die Fahrkompetenz einer Gruppe von Senioren (Durchschnittsalter > 65 Jahre) von der der übrigen Fahrer unterscheidet. Auf die Simulatorfahrt wurden die Fahrer mit einem speziellen Training zur Gewöhnung an das Fahren im Fahrsimulator vorbereitet. Die Strecke, auf der die Verhaltensbeobachtung durchgeführt wurde, beinhaltete alle wesentlichen Verkehrssituationen, mit denen Fahrer beim Befahren von Autobahnen, Überlandstrecken und im Stadtverkehr konfrontiert werden. Die Leistungsbewertung erfolgte mit einer standardisierten Verhaltensbeobachtung, die von geschulten Beobachtern durchgeführt wurde. Diese bewerteten das Verhalten der Fahrer in den Verkehrssituationen der Strecke mit Hilfe der Tabletanwendung S.A.F.E. (Standardized Application for Fitness-to-Drive Evaluations; KAUSSNER, HOFFMANN, FISCHER, & GREIN). Zusätzlich zur Simulatorfahrt wurden kognitive Leistungsbereiche, die für das sichere Fahren als relevant gelten, mit einem computerbasierten Test-Set erfasst. Nur ein geringer Anteil der Fahrer, der das Training zur Gewöhnung an das Fahren im Simulator absolviert hatte, brach die Fahrverhaltensbeobachtung aufgrund von Unverträglichkeit ab. In der computerbasierten Testung schnitten die Senioren etwas schlechter ab als die Fahrer der Vergleichsgruppe. Selbiges gilt für die Fahrverhaltensbeobachtung. Bei den Senioren waren die Unterschiede in der individuellen Leistung stärker ausgeprägt als in der Vergleichsgruppe. Es konnte gezeigt werden, dass nach einer entsprechenden Vorbereitung durch ein Gewöhnungstraining, auch mit Senioren Fahrverhaltensbeobachtungen in einem Simulator durchgeführt werden können. Hierbei hat sich wiederum das chronologische Alter nicht als geeigneter Prädiktor für die Fahrkompetenz von Senioren erwiesen. Eine Bewertung sollte daher immer auf individueller Basis erfolgen.
115(2018)
Die Begutachtungsleitlinien sind eine Zusammenstellung eignungsausschließender oder eignungseinschränkender körperlicher und/oder geistiger Mängel und sollen die Begutachtung der Kraftfahreignung im Einzelfall erleichtern. Sie dienen als Nachschlagewerk für Begutachtende, die Fahrerlaubnisbewerber oder -inhaber in Bezug auf ihre Kraftfahreignung beurteilen. In der 6. Auflage im Jahr 2000 wurden die Begutachtungsleitlinien "Krankheit und Kraftverkehr" (5. Auflage 1996) und das "Psychologische Gutachten Kraftfahreignung" von 1995 zusammengeführt. Für die weitere Überarbeitung wurden unter der Federführung der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) und unter Beteiligung der jeweiligen Fachgesellschaften Expertengruppen einberufen, die die Leitlinien kapitelweise überarbeiten. Die überarbeiteten Leitlinien werden nach Zustimmung des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur online veröffentlicht. Im allgemeinen Teil der Leitlinien werden grundsätzliche Beurteilungshinweise, Auswahl und rechtliche Stellung der Begutachtenden sowie die Anforderungen an die psychische Leistungsfähigkeit und die Möglichkeiten der Kompensation von Mängeln dargelegt. Im speziellen Teil werden in einzelnen Kapiteln körperliche und geistige Krankheiten und Mängel behandelt, die längerfristige Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit beim Führen eines Kraftfahrzeugs haben, und somit die Sicherheit im Straßenverkehr gefährden können.
115(2017)
Die Begutachtungsleitlinien sind eine Zusammenstellung eignungsausschließender oder eignungseinschränkender körperlicher und/oder geistiger Mängel und sollen die Begutachtung der Kraftfahreignung im Einzelfall erleichtern. Sie dienen als Nachschlagewerk für Begutachtende, die Fahrerlaubnisbewerber oder -inhaber in Bezug auf ihre Kraftfahreignung beurteilen. In der 6. Auflage im Jahr 2000 wurden die Begutachtungsleitlinien "Krankheit und Kraftverkehr" (5. Auflage 1996) und das "Psychologische Gutachten Kraftfahreignung" von 1995 zusammengeführt. Für die weitere Überarbeitung wurden unter der Federführung der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) und unter Beteiligung der jeweiligen Fachgesellschaften Expertengruppen einberufen, die die Leitlinien kapitelweise überarbeiten. Die überarbeiteten Leitlinien werden nach Zustimmung des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur online veröffentlicht. Im allgemeinen Teil der Leitlinien werden grundsätzliche Beurteilungshinweise, Auswahl und rechtliche Stellung der Begutachtenden sowie die Anforderungen an die psychische Leistungsfähigkeit und die Möglichkeiten der Kompensation von Mängeln dargelegt. Im speziellen Teil werden in einzelnen Kapiteln körperliche und geistige Krankheiten und Mängel behandelt, die längerfristige Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit beim Führen eines Kraftfahrzeugs haben, und somit die Sicherheit im Straßenverkehr gefährden können.
279
Dieser Schlussbericht bezieht sich sehr eng auf den Vorgängerbericht gleichen Titels. Der damalige Fragebogen wurde im Kern beibehalten, jedoch an die geänderte Frageweise angepasst und um einige vertiefende Zusatzfragen ergänzt. Die damalige Fahrprobe wurde jetzt weggelassen. Die theoretischen psychologischen Fragen zum Lang-Lkw wurden im Vorgängerbericht ausführlich diskutiert und wurden deshalb hier nicht wiederaufgenommen. Der entscheidende Unterschied zwischen der ersten und der zweiten Erhebungsphase besteht darin, dass jetzt ein Zwei-Gruppen-Versuchsplan mit Fahrern von Lang-Lkw und von herkömmlichen Lkw gewählt wurde. Darüber hinaus wurde die Datenbasis mit der Untersuchung von 100 Lang-Lkw- und 102 Lkw-Fahrern wesentlich vergrössert. Von den Lang-Lkw-Fahrern hatten n = 24 schon an der Vorgängeruntersuchung teilgenommen, sodass bei ihnen ein Nachher-Vorher-Vergleich mit abhängigen Daten möglich war. Die damit gegebenen Auswertungsmöglichkeiten haben das Bild über die Psychologie des Lang-Lkw wesentlich erweitert und vertieft. Die Vorteile des Lang-Lkw treten jetzt deutlicher hervor. Die drei Fragenblöcke "Fahreigenschaften/Fahrmanöver", "22 Fahrsituationen" und "Semantisches Differential Fahrerleben" zeigten eine klar "gute" bis "sehr gute" absolute Beurteilung des Lang-Lkw. Die Lkw-Fahrer zeigten vergleichbare Profile, jedoch signifikant um etwa einen viertel bis einen halben Punkt in Richtung "nicht gut" verschoben. Das steht im Gegensatz zu der leichten Verschlechterung des Lang-Lkw gegenüber dem Lkw in den Vergleichsurteilen der Vorgängerstudie. Bei den Vergleichsurteilen sollten jetzt beide Fahrergruppen beide Fahrzeugtypen mental miteinander vergleichen. Die Lang-Lkw-Fahrer zeigten praktisch die gleichen Profile wie früher, allerdings wieder ohne die genannte leichte Verschlechterung. Das spricht für die Stabilität der gemessenen Merkmale und ihre Konstanz über die Zeit. Die Lkw-Fahrer gaben im Schnitt einen halben Punkt in Richtung "schlechter" verschobene Profile an. Man gibt also für den Lang-Lkw ein wesentlich besseres Vergleichsurteil ab, wenn man ihn fährt, als wenn man ihn nicht fährt. Die Verbesserung zeigt sich sogar schon, wenn man sich nur mit ihm beschäftigt. Der Vergleich zwischen beiden Zeitpunkten brachte bei den drei Fragenblöcken für die 24 Personen, die zweimal teilgenommen haben, praktisch identische Profile. Die herausragenden positiven Bewertungsspitzen "Kurvenfahren" und "Kreisverkehr" zeigten sich jedoch bei der zweiten Teilnahme nicht mehr. Auch über alle Teilnehmer der neuen Untersuchung ließ sich keine Auswirkung der Dauer und Intensität der Lkw-Nutzung auf die Beurteilungen zeigen. Über diese Untersuchungsteile hinaus wurde eine Fülle von Details erfragt, deren bloße Aufzählung schon über die Länge dieser Kurzfassung hinausgehen würde. Die größten Herausforderungen wurden beim Parken und Rasten sowie bei Fahrstreifen-Verengungen und -Verschränkungen gesehen, und zwar wiederum von den Lang-Lkw-Fahrern in deutlich geringerem Ausmaß als von den Lkw-Fahrern. Sie erscheinen u. a. durch Baumaßnahmen oder Ummarkierungen behebbar. Andere Herausforderungen werden bei Stau und Straßensperrungen sowie den Einschränkungen für das Überholen gesehen. Für erhöhten Stress auf dem Arbeitsplatz Lang-Lkw finden sich auch jetzt wieder kaum Hinweise. Er wird von den Lang-Lkw-Fahrern als deutlich geringer beurteilt als von den Lkw-Fahrern. Eine Erhöhung der Unfallgefahr für einzelne Gruppen anderer Verkehrsteilnehmer durch die Einführung des Lang-Lkw sehen die Lang-Lkw-Fahrer nicht. Anders die Lkw-Fahrer: das Profil ist bei ihnen um durchschnittlich einen halben Punkt in Richtung "deutlich höher" verschoben. Die Einweisung in den Lang-Lkw dauerte im Durch-schnitt 6 Stunden und wurde von der Hälfte der Fahrer als "sehr hilfreich" empfunden. Verbesserungsvorschläge gehen überwiegend in Richtung "mehr praktisches Üben". Zusammengefasst ist die Sicht- und Erlebnisweise der Lang-Lkw-Fahrer in dieser Folgeuntersuchung klarer, prägnanter und positiver geworden. In der Schlussfrage antworteten 100 % von ihnen zustimmend auf die Frage "Sollte der Lang-Lkw nach der Testphase generell zugelassen werden?", 84 % "Ja, mit weniger Einschränkungen", 16 % "Ja, mit Einschränkungen wie bisher".
280
Ziel des Forschungsvorhabens war die Erarbeitung eines Durchführungskonzepts für eine Längsschnittstudie zur Erfassung der zeitlichen Entwicklung von Fahr- und Verkehrskompetenz bei Fahranfängern. Aus den Ergebnissen der Längsschnittstudie sollen Anforderungen an Massnahmen zur Unterstützung des Kompetenzerwerbs abgeleitet werden können. Zur Erfüllung dieses Forschungsziels wird im ersten Teil des Berichtes auf Basis theoretischer Überlegungen und vor dem Hintergrund veröffentlichter Befunde zur Verkehrssicherheit von jungen Fahrern und Fahranfängern sowie deren Unterschieden zu erfahrenen Fahrern ein theoretisches Gerüst zu Fahrvermögen, Fahrkompetenz und deren Erhöhung durch Übung und Erfahrung abgeleitet. Die Begriffe Fahrvermögen und Fahrkompetenz werden dabei als messbare Konstrukte definiert, die an die Verkehrssicherheit gekoppelt sind. Während Fahrvermögen das reine Fahrenkönnen beschreibt, umfasst der Begriff der Fahrkompetenz zusätzlich verkehrssicherheitsrelevante motivationale und volitionale Faktoren. Im Bericht wird eine neue Klassifikation der Fahraufgabe vorgestellt, die auf die Belange der Untersuchung von Fahranfängern zugeschnitten ist. Es wird weiterhin eine Modellvorstellung zum Informationsverarbeitungsprozess beim Autofahren und zu Prozessen der Fahrkompetenzerhöhung auf Basis einer Ressourcenbetrachtung erarbeitet. Demnach gibt es drei verschiedene Informationsverarbeitungsebenen: die rein kognitive, die kognitiv-sensumotorische und die rein sensumotorische. In der kognitiven Ebene werden Aufgaben bearbeitet, die keine direkte Verbindung zu motorischen Aktionen haben. In der kognitiv-sensumotorischen Ebene arbeiten Kognition und Sensumotorik zur Erfüllung der primären Fahraufgaben der Quer- und Längsführung dauernd und kontinuierlich Hand in Hand. Auf die rein sensumotorische Ebene hat die Kognition keinen Einfluss. Auf Basis der erarbeiteten Modellvorstellungen werden im zweiten Teil des Berichtes Anforderungen an das Design von Längsschnittstudien diskutiert. Der Kern der Untersuchung wird dabei durch die Erfassung von Befragungsdaten, durch Verhaltensbeobachtungen im Realverkehr sowie durch Simulatorversuche definiert. Schliesslich werden zwei unterschiedlich komplexe Designs für Längsschnittstudien mit Fahranfängern erarbeitet.
281
Mit dem Übergang zu den weiterführenden Schulen steigt die Unfallgefährdung von Rad fahrenden Kindern deutlich an. Daher hat das Land Baden-Württemberg ein Verfahren zur Erstellung von Rad-Schulwegplänen entwickelt. Mithilfe des computergestützten WebGIS-Tools werden die wichtigsten Planungsschritte zur Erstellung von Rad-Schulwegplänen ermöglicht, von der Erhebung der Angaben der Schüler in den Klassenräumen über die Weitergabe der Informationen zu den Radrouten und den Problemstellen an die Kommunen bis zur Ausweisung sicherer Rad-Schulwege. An dem Pilotprojekt beteiligten sich in 14 Kommunen 31 weiterführende Schulen. Die vorliegende Studie untersuchte das Pilotprojekt "Erstellung eines Rad-Schulwegplanes mithilfe des WebGIS-Tools" im Hinblick auf seine Praktikabilität, mit dem Ziel der landesweiten Einführung. Die schriftlichen Befragungen von rund 1.800 Schülern und 70 Lehrern sowie die telefonischen Interviews mit Mitarbeitern aus 13 Kommunen ergaben, dass die Erstellung von Rad-Schulwegplänen auf der Grundlage des Projekt-Konzeptes mit einigem Aufwand verbunden ist, jedoch gut umgesetzt werden kann. Das Umsetzungskonzept und die Software werden als zielführend bewertet, auch die schulische Verkehrserziehung profitiert von diesem Projekt. Sowohl Lehrer und Schüler als auch die Vertreter der Kommunen empfehlen die weitere Umsetzung. Auf der Grundlage der Evaluation ließ sich Optimierungspotenzial im Hinblick auf die Projektstruktur, die Weiterentwicklung der Software des WebGIS-Tools, die Verbesserung der Datenbasis sowie im Hinblick auf die Erstellung der Pläne durch kommunale Mitarbeit ableiten. Neben der Erstellung fundierter Rad-Schulwegpläne führt das Projekt langfristig zur Verbesserung der Infrastruktur für Radfahrer im Umfeld der Schulen und zur Intensivierung der Mobilitäts-/Verkehrserziehung an weiterführenden Schulen (Umgang mit kartografischem Material, Auseinandersetzung mit baulichem Umfeld, kommunaler Mitwirkung, Gefahrenwahrnehmung). Zeitgleich mit der Evaluation wurde das Verfahren weiterentwickelt und optimiert, sodass es nunmehr landesweit in Baden-Württemberg umgesetzt wird. Bis zum Jahr 2020 sollen alle weiterführenden Schulen mit einem Rad-Schulwegplan ausgestattet sein.
278
Zu Beginn des Jahres 2016 macht der Anteil der Pkws mit alternativem Antrieb rund 2% des Pkw-Gesamtbestandes aus. Der Bestand an Pkw mit alternativem Antrieb stieg auf rund 712.000 Fahrzeuge im Jahr 2016 (ein Plus von etwa 11% gegenüber 2013). Um die zukünftige Entwicklung von Fahrzeugen mit alternativem Antrieb in Deutschland beurteilen zu können, initiierte die Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) im Auftrag des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) schon im Jahr 2010 die Einrichtung einer langfristigen Beobachtung des Fahrzeugmarktes und des Unfallgeschehens von Fahrzeugen mit alternativen Antriebsarten mit dem Ziel, die tatsächliche Umsetzung des technologischen Fortschritts in marktgängige Produkte zu verfolgen, frühzeitig Kenntnis über die Bestandsentwicklung zu erhalten sowie mögliche Fehlentwicklungen " insbesondere mit Blick auf die Verkehrssicherheit " zu identifizieren. Vor allem die Betrachtung des letzten Punktes soll die Möglichkeit schaffen, Vorschläge für eine sinnvolle Steuerung der Entwicklung leisten zu können. Nachfolgend werden in Kapitel 2 die technischen Entwicklungslinien des Marktes für Fahrzeuge mit alternativem Antrieb dargestellt. In den Kapiteln 3 und 4 werden der Bestand sowie das Unfallgeschehen näher betrachtet.
277
Unfälle schwerer Güterkraftfahrzeuge (sGkfz) werden regelmäßig thematisiert, insbesondere da durch den Größen- und Massenunterschied ein erhöhtes Gefahrenpotential für den Unfallgegner entsteht. Schwere Güterkraftfahrzeuge werden jedoch im Rahmen der polizeilichen Unfallaufnahme nicht separat codiert. Somit sind Informationen zum Unfallgeschehen dieser Fahrzeuge " im Rahmen der regelmäßigen Veröffentlichungen des Statistischen Bundesamtes " nicht ausreichend verfügbar. Mit der vorliegenden Untersuchung knüpft die Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) daher an die letzte Untersuchung zum Unfallgeschehen dieser Fahrzeuge aus dem Jahr 2003 an, um ein umfassenden Statusbericht zum Unfallgeschehen schwerer Güterkraftfahrzeuge zu geben. Anhand der polizeilichen Aufzeichnungen eines Unfalls besteht keine direkte Möglichkeit, schwere Güterkraftfahrzeuge als Beteiligte in der amtlichen Statistik abzugrenzen. Die zusätzlichen Angaben des Kraftfahrt-Bundesamtes (KBA) enthalten jedoch Informationen, mit deren Hilfe die in dieser Untersuchung verwendeten Gruppen gebildet werden können. Daher wird im ersten Schritt eine Abgrenzung dieser Fahrzeuge in der amtlichen Straßenverkehrsunfallstatistik durchgeführt. Anschließend wird die zeitliche Entwicklung von 2002 bis 2015 sowie die Struktur der Unfälle unter Beteiligung schwerer Güterkraftfahrzeuge im Jahr 2015 untersucht. Da die Struktur insbesondere von Art und Typ des Unfalles abhängig ist, werden aus den Verschneidungen von Unfallart und Unfalltyp Konstellationen erstellt. Der Großteil der Konstellationen wird zu drei Szenarien zusammengefasst, die abschließend im Detail untersucht werden. Im Ergebnis werden charakteristische Merkmale des Unfallgeschehens und der beteiligten Fahrer von schweren Güterkraftfahrzeugen herausgearbeitet. Im Jahr 2015 ereigneten sich 11.261 Unfälle mit Personenschaden unter Beteiligung eines sGkfz. Dies entspricht etwa 4 % aller Unfälle mit Personenschaden dieses Jahres in Deutschland. Bei Unfällen unter Beteiligung eines sGkfz verunglückten 15.635 Personen, das entspricht ebenfalls 4 % aller bei Unfällen Verunglückten. Jedoch wurden bei Unfällen unter Beteiligung eines sGkfz 524 Personen getötet, das sind 15 % aller bei Unfällen Getöteten. Dementsprechend ist die Unfallschwere mit 350 Getöteten oder Schwerverletzten pro 1.000 Unfälle mit Personenschaden deutlich höher als im Durchschnitt (233) aller Unfälle.
276
Die Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) bringt zum Ende jeden Jahres eine Prognose der Unfall- und Verunglücktenzahlen des noch laufenden Jahres heraus, um so über die Entwicklung der Verkehrssicherheit in Deutschland Bilanz ziehen zu können. Dabei wird das Unfallgeschehen nach dem Schweregrad der Konsequenzen, der Ortslage sowie Alter und Art der Verkehrsbeteiligung der Verunglückten in 27 Zeitreihen unterteilt. Zu diesem Zeitpunkt sind die Daten lediglich für die ersten acht oder neun Monate erhältlich. Um Bilanz zu ziehen, werden die Anzahlen der letzten drei oder vier Monate prognostiziert. Gesamtziel des hier beschriebenen Forschungsvorhabens ist die Optimierung der jährlichen Unfallprognosen durch Anwendung von strukturellen Zeitreihenmodellen, bei denen die Vorhersagen aus dem Trend der vorliegenden Monate, und der Dynamik der vorhergehenden Jahre abgeleitet werden. Um dem Einfluss der Witterungsverhältnisse Rechnung zu tragen, werden dabei meteorologische Variablen in das Vorhersagemodell aufgenommen. Um die Modelle zu testen, werden die endgültigen Daten der letzten 15 Jahre jeweils aus den vorläufigen Daten der ersten Monate vorhergesagt und mit den tatsächlich beobachteten endgültigen Unfall- und Verunglücktenzahlen verglichen. Die Resultate zeigen, dass im Vergleich zu den bisherigen Vorhersagen mithilfe der hier vorgestellten Modelle die Vorhersagen für 25 der 27 Reihen präziser werden. Lediglich zwei Reihen zeigen einen leichten Anstieg des Vorhersagefehlers. Beim Vergleich von Modellen mit und ohne meteorologischen Variablen zeigt sich, dass 23 der 27 Reihen besser vorhergesagt werden können, wenn man das Wetter berücksichtigt. Neben der verbesserten Vorhersage ermöglicht die Aufnahme der Wettervariablen auch eine Einschätzung, wie groß der Einfluss der Witterungsgegebenheiten auf das Unfallgeschehen ist. Es zeigt sich also, dass die Anwendung von strukturellen Zeitreihenmodellen und die Berücksichtigung von meteorologischen Variablen zu einer deutlichen Verbesserung der Vorhersagegenauigkeit führen. Die Verbesserung der Vorhersagen durch die Aufnahme von Wettervariablen bestätigt nochmals den Einfluss der Witterungsumstände auf das Unfallgeschehen.
275
Im Koalitionsvertrag der Regierungsparteien CDU, CSU und SPD für die 18. Legislaturperiode wurde vereinbart, im Rahmen einer Reform des Fahrlehrerrechts auch die Qualität der Fahrlehrerausbildung zu verbessern. Um die inhaltlichen Voraussetzungen zur Erreichung dieses Ziels zu schaffen, hat die Bundesanstalt für Strassenwesen ein Gutachten in Auftrag gegeben. In diesem Gutachten wurde − unter Berücksichtigung des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstands und der vorliegenden Vorschläge zur Weiterentwicklung der Fahrlehrerausbildung in Deutschland − ein kompetenzorientiertes Konzept für eine modularisierte Fahrlehrerausbildung erarbeitet. Darüber hinaus wurden die für Fahrlehrer erforderlichen fachlichen sowie pädagogisch-psychologischen und verkehrspädagogischen Kompetenzen definiert, mit curricularen Ausbildungsinhalten untersetzt, auf wissenschaftlicher und berufspraktischer Ebene begründet sowie in einem Rahmenplan verankert. Schließlich wurden Vorschläge zur Anpassung der Zugangsvoraussetzungen zum Fahrlehrerberuf sowie zur Weiterentwicklung der curricularen Strukturen in der Fahrlehrerausbildung erarbeitet. Aufbauend auf den genannten Arbeiten wurde ein zweites Gutachten zur Novellierung der fahrlehrerrechtlichen Grundlagen bezüglich der Qualifizierung von Inhabern bzw. verantwortlichen Leitern einer Ausbildungsfahrschule sowie von Ausbildungsfahrlehrern in Auftrag gegeben. In diesem Gutachten wurden die im Einweisungsseminar zu vermittelnden Kompetenzen und Ausbildungsinhalte für Inhaber bzw. verantwortliche Leiter einer Ausbildungsfahrschule und für Ausbildungsfahrlehrer definiert, begründet und in einem Rahmenplan verankert. Darüber hinaus wurden weitere Vorschläge zur Novellierung der Qualifizierungsgrundlagen unterbreitet, die vor allem die Voraussetzungen für den Betrieb bzw. die verantwortliche Leitung einer Ausbildungsfahrschule, die Voraussetzungen zur Tätigkeit als Ausbildungsfahrlehrer und die Einführung einer Fortbildungspflicht für Ausbildungsfahrlehrer betreffen.
274
Fahrschulüberwachung in Deutschland : Gutachten im Auftrag der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt)
(2017)
Zwischen den Bundesländern bestehen erhebliche Unterschiede bezüglich der Form, des Inhalts und des Umfangs der Fahrschulüberwachung. Daraus ergeben sich Wettbewerbsverzerrungen für die Fahrlehrerschaft und ungenutzte Potenziale zur Verbesserung der Ausbildungsqualität. Daher hat die Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) ein Gutachten erstellen lassen, in dem Möglichkeiten zur Schaffung eines einheitlichen, hohen Überwachungsniveaus in Deutschland sondiert wurden. Im Gutachten werden zunächst die rechtlichen Grundlagen sowie die inhaltliche und methodische Ausgestaltung der Fahrschulüberwachung in den Bundesländern vergleichend analysiert. Darüber hinaus wird der Stand der maßnahmenpolitischen Diskussion zur Weiterentwicklung der Fahrschulüberwachung zusammengetragen. Darauf aufbauend werden dann die Anforderungen an die fahrlehrerrechtlichen Grundlagen der Fahrschulüberwachung, ihre Inhalte und Methoden, die Zugangs- und Tätigkeitsvoraussetzungen für Sachverständige und die Sanktionen aus wissenschaftlicher Sicht beschrieben. Schließlich werden unterschiedliche Modelle zur Umsetzung der Fahrschulüberwachung vorgestellt.
273
Der vorliegende Innovationsbericht beschreibt die Forschungs- und Entwicklungsschwerpunkte der TÜV | DEKRA arge tp 21 im Hinblick auf das Fahrerlaubnisprüfungssystem für den Zeitraum 2011 - 2014. Diese lagen (1) in der Aufbereitung wissenschaftlicher Grundlagen zur Vermittlung und Erfassung von Kompetenzen im Bereich der Verkehrswahrnehmung und Gefahrenvermeidung bei Fahranfängern, (2) in der Evaluation und Weiterentwicklung der Theoretischen Fahrerlaubnisprüfung und (3) in Forschungs- und Entwicklungsarbeiten zur Optimierung der Praktischen Fahrerlaubnisprüfung sowie (4) in der Beschreibung des fahrzeugtechnischen Wandels und seiner Bedeutung für die Fahrausbildung und Fahrerlaubnisprüfung. Zu (1): Kompetenzdefizite von Fahranfängern gegenüber erfahrenen Fahrern in der Verkehrswahrnehmung und Gefahrenvermeidung sind durch eine Vielzahl empirischer Studien belegt. Die systematische Vermittlung und Aneignung entsprechender Fähigkeiten im Vorfeld der selbständigen Verkehrsteilnahme erscheint deshalb vielversprechend für die Verringerung fahranfängertypischer Unfallrisiken. Der Entwicklung diesbezüglicher Ausbildungs- und Prüfungskonzepte muss jedoch zunächst eine Beschreibung der zugrunde liegenden psychologischen Konstrukte vorausgehen. Im Berichtszeitraum wurden dazu die relevanten wahrnehmungs- und verkehrspsychologischen Grundlagen aufgearbeitet. Weiterhin wurden die international im Fahrerlaubniswesen bereits praktizierten innovativen PC-basierten Prüfungsansätze wie auch experimentelle Untersuchungen aus der "Hazard Perception"-Forschung analysiert. Schließlich wurden Lehr-Lernangebote für Fahranfänger recherchiert. Mit den im Bericht vorgelegten Ergebnissen wurde der theoretische Grundstein für die künftige Verankerung der Verkehrswahrnehmung und Gefahrenvermeidung in der Fahranfängervorbereitung gelegt. Hieran wird nun die Erarbeitung innovativer Lernangebote und Prüfungsaufgaben für Fahranfänger anschließen. Zu (2): Die Arbeiten zur Theoretischen Fahrerlaubnisprüfung umfassten die Evaluation von Prüfungsaufgaben und Paralleltests sowie auch weiterführende empirische Untersuchungen zur Bearbeitung anlassbezogener Fragestellungen (u. a. Modellrechnungen zur Erarbeitung von empirisch gestützten Empfehlungen für eine optimierte Prüfungsbewertung). Weiterhin wurden 2014, d. h. zum Ende des Berichtszeitraums, erstmals Aufgaben mit dynamischen Situationsdarstellungen eingesetzt. Die vorbereitenden Forschungs- und Entwicklungsarbeiten werden im Bericht überblicksartig dargestellt. Nicht zuletzt werden erste Ergebnisse der empirischen Erprobung innovativer Aufgabenformate diskutiert, bei denen neuartige Formen der Antworteingabe (Tastendruck, Pedal) und der Leistungsbewertung (Reaktionszeit) verwendet wurden. Die skizzierten Forschungsarbeiten lassen erkennen, dass seit einigen Jahren die Vorteile des Prüfmediums "Computer" erfolgreich genutzt werden. Sie zeigen jedoch auch, dass die PC-gestützte Prüfung weitere Potentiale " insbesondere im Bereich der Aufgabenentwicklung und Testkonstruktion " birgt, die es zukünftig auszuschöpfen gilt. Zu (3): Die Arbeiten zur Praktischen Fahrerlaubnisprüfung waren im Wesentlichen durch drei verbundene Projekte gekennzeichnet: Das BASt-Projekt "Optimierung der Praktischen Fahrerlaubnisprüfung" diente der Erarbeitung methodischer Grundlagen (es begann 2008 und endete im ersten Jahr des Berichtszeitraumes). Als zweites folgte eine von der TÜV | DEKRA arge tp 21 durchgeführte Machbarkeitsstudie (2011 bis 2012) zur Untersuchung der Praktikabilität einer elektronischen Prüfungsdokumentation ("e-Prüfprotokoll"). Das BASt-Projekt "Revision zu einer optimierten Praktischen Fahrerlaubnisprüfung" stellt schließlich das dritte Projekt dar (es begann im Jahr 2013 und wird über den Berichtszeitraum hinaus bis 2015 fortgeführt). Es dient dazu, die Inhalte, Verfahren und Abläufe der Prüfung (einschließlich Verfahrensweisen zu einer kontinuierlichen Evaluation) bis hin zur Einsatzreife weiterzuentwickeln und in ausgewählten Modellregionen zu erproben. Mit einer bundesweiten Implementierung der erarbeiteten Standards würde gewährleistet, dass die Entscheidung über die Zulassung zum motorisierten Straßenverkehr künftig auf einer differenzierten Fahrkompetenzeinschätzung basiert und festgestellte Kompetenzdefizite systematisch erfasst und zurückgemeldet werden " dies lässt eine verbesserte Sicherheitswirksamkeit der Praktischen Fahrerlaubnisprüfung erwarten. Zu (4): Fahrzeugtechnische Innovationen " seien es Fahrerassistenzsysteme, Antriebskonzepte ("e-Mobilität") oder das (teil-)automatisierte Fahren " kommen in immer kürzeren Abständen auf den Markt. Diese Entwicklungen sind mit veränderten Anforderungen an das Fahren verbunden und haben daher maßgeblichen Einfluss auf den Erwerb, die Überpruefung und den Erhalt von Fahrkompetenz. Im Bericht werden die daraus resultierenden zukünftigen Aufgabenstellungen für die Technischen Prüfstellen skizziert.
115(2016)
Die Begutachtungsleitlinien sind eine Zusammenstellung eignungsausschließender oder eignungseinschränkender körperlicher und/oder geistiger Mängel und sollen die Begutachtung der Kraftfahreignung im Einzelfall erleichtern. Sie dienen als Nachschlagewerk für Begutachtende, die Fahrerlaubnisbewerber oder "inhaber in Bezug auf ihre Kraftfahreignung beurteilen. In der 6. Auflage im Jahr 2000 wurden die Begutachtungsleitlinien "Krankheit und Kraftverkehr" (5. Auflage 1996) und das "Psychologische Gutachten Kraftfahreignung" von 1995 zusammengeführt. Für die weitere Überarbeitung wurden unter der Federführung der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) und unter Beteiligung der jeweiligen Fachgesellschaften Expertengruppen einberufen, die die Leitlinien kapitelweise überarbeiten. Die überarbeiteten Leitlinien werden nach Zustimmung des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung online veröffentlicht. Im allgemeinen Teil der Leitlinien werden grundsätzliche Beurteilungshinweise, Auswahl und rechtliche Stellung der Begutachtenden sowie die Anforderungen an die psychische Leistungsfähigkeit und die Möglichkeiten der Kompensation von Mängeln dargelegt. Im speziellen Teil werden in einzelnen Kapiteln körperliche und geistige Krankheiten und Mängel behandelt, die längerfristige Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit beim Führen eines Kraftfahrzeugs haben, und somit die Sicherheit im Straßenverkehr gefährden können.
272
Die vorliegende Studie liefert Ergebnisse zur Marktdurchdringung von Fahrzeugsicherheitssystemen im Jahr 2015. Wie bereits im Jahr 2013 wurde die Studie von infas und dem Institut fuer Kraftfahrzeuge (ika) durchgeführt. Dazu wurden 5.040 Haushalte zur Ausstattung eines ihnen zur Verfügung stehenden Fahrzeugs befragt und 56 Fahrzeugsicherheitssysteme ausgewählt. Neben den quantitativen Interviews wurden zwei Fokusgruppen mit Neu- bzw. Gebrauchtwagenkäufern durchgeführt. In der vorangegangenen Studie von 2013 wurden Experten befragt, die beruflich mit dem Ein- oder Verkauf von Pkw fuer Unternehmensflotten befasst sind. Die weiteste Verbreitung haben passive Sicherheitssysteme wie Airbags, die darauf abzielen, die Folgen eines Unfalls fuer die Beteiligten abzumildern. Aber auch aktive und intervenierende Systeme, die Risiken vermeiden oder einzelne Fahraufgaben übernehmen, gehören haeufig zur Fahrzeugausstattung. Die häufigsten Vertreter aus dieser Gruppe sind der Bremsassistent, ESP und der Tempomat. Die meisten Fahrzeugsicherheitssysteme sind in Fahrzeugen der oberen Mittelklasse und Oberklasse zu finden. Mit der jährlichen Fahrleistung und der Nutzungshäufigkeit nimmt die Anzahl der Systeme ebenso zu wie bei jüngeren Fahrzeugen und Dienstwagen. Die grössten Veränderungen gibt es im Segment der SUVs und Geländewagen. Hier steigt die Zahl der Neuzulassungen in den letzten Jahren deutlich und die Ergebnisse zeigen, dass diese Fahrzeuge häufig mit einer Vielzahl von Sicherheitssystemen ausgestattet sind. Die Ergebnisse aus der Vorgängerstudie zeigen, dass gewerbliche Fahrzeughalter solche Fahrzeugsicherheitssysteme in die Standardausstattung aufnehmen, deren Nutzen nachgewiesen ist. In der diesjährigen Studie wird deutlich, dass auch private Käufer Systeme insbesondere dann als sicherheitsrelevant und sinnvoll erachten, wenn sie durch den Gesetzgeber vorgeschrieben oder bereits seit längerer Zeit auf dem Markt etabliert sind. Es zeigt sich auch, dass insbesondere die eigene Erfahrung mit Sicherheitssystemen Vorurteile abbaut und zu einer positiven Einstellung gegenüber solchen Systemen führt.
271
Seit nun rund sechs Jahren wird die vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) und dem Deutschen Verkehrssicherheitsrat (DVR) initiierte Verkehrssicherheitskampagne "Runter vom Gas!" fortgeführt. Die neuen Motivserien "Lebensretter" (2013) und "Scheinbar schöne Welt" (2014) sprechen neben dem Hauptthema der nicht angepassten Fahrgeschwindigkeit ein breites Spektrum weiterer problematischer Verhaltensweisen im Straßenverkehr an. Das Evaluationsprojekt umfasst eine Medienresonanzanalyse und eine Umfragestudie zur Bekanntheit und Bewertung des Kampagnenguts. Die Medienresonanzanalyse zeigt, dass der Verlauf der Medienberichterstattung über die "Lebensretter"-Motivlinie stark von früheren Motivlinien abwich. Während bei den zurückliegenden Wellen vor allem über den Kampagnenstart berichtet wurde, konzentrierte sich die Berichterstattung dieses Mal auf die Aktion "Udo Walz trägt Helm" sowie die Vorstellung der Verkehrsunfallstatistik im August 2013. Insgesamt wurde die "Lebensretter"-Motivlinie zwar seltener, jedoch etwas positiver als die meisten vorhergehenden Motivlinien bewertet. Die Ausweitung der Kampagnenziele schlug sich in der Medienberichterstattung nieder. Die Befunde der repräsentativen Umfragestudie zeigen, dass die Bekanntheit der Kampagne "Runter vom Gas!" in der Bevölkerungsbreite leicht rückläufig ist. Beide Motivserien werden zwar durchaus positiv bewertet; die "Lebensretter"-Serie schneidet jedoch im Vergleich zur Motivlinie "Scheinbar schöne Welt" und auch zu vorangegangenen Kampagnenwellen schlechter ab. Insbesondere bei der Risikogruppe der jungen Fahrer scheint die in dieser Motivserie gewählte mahnende Ansprachestrategie nicht optimal anzukommen. Aus den Befunden der beiden Studien werden eine Reihe von Handlungsempfehlungen abgeleitet, insbesondere eine gestalterische Weiterentwicklung hin zu mehr Aktivierung unter Berücksichtigung des Kampagnenmottos, eine stärkere Nutzung von Online-Kanälen sowie eine Ausdifferenzierung der Zielgruppen und der entsprechenden Kampagnenarchitektur.
270
Fahrzeuge, die mit alternativen Antrieben ausgestattet sind, machen 2013 lediglich etwa 2 Prozent des Pkw-Gesamtbestandes aus. Um jedoch die zukünftige Entwicklung von Fahrzeugen mit alternativem Antrieb in Deutschland analysieren und mögliche negative Auswirkungen auf die Verkehrssicherheit identifizieren zu können, ist eine langfristige Beobachtung des Fahrzeugmarktes und des Unfallgeschehens notwendig. Der vorliegende Bericht zeigt in den Kapiteln 2 und 3 die technischen Entwicklungen von Fahrzeugen mit alternativem Antrieb auf und gibt einen Überblick über die Rahmenbedingungen des deutschen Marktes bis 2015. In den Kapiteln 4 und 5 werden der Bestand sowie das Unfallgeschehen näher betrachtet. Der Bericht liefert in diesem statistischen Teil Daten für das Berichtsjahr 2013.