Im Gegensatz zu Gebäude und Industrieanlagen wurde der Einsatz automatischer Brandbekämpfungsanlagen in Straßentunneln bislang eher kritisch gesehen. Eine umfangreiche Validierung ihrer Wirksamkeit in Großbrandversuchen, die Optimierung der Systeme für den Tunneleinsatz, sowie positive praktische Erfahrungen lassen ein Überdenken dieser Position angezeigt erscheinen. Im Rahmen des vorliegenden Forschungsprojektes wurde sowohl die Wirksamkeit von automatischen Brandbekämpfungsanlagen in Abhängigkeit von den verschiedenen Systemtypen, als auch deren Einbindung in das Gesamtsicherheitssystem eines Straßentunnels bewertet. Dabei wurden folgende Ergebnisse erarbeitet: - Ein früherer Aktivierungszeitpunkt hat wesentlichen Einfluss auf die Wirksamkeit einer automatischen Brandbekämpfungsanlage; - Korrekt geplante Brandbekämpfungsanlagen können Brandentwicklung und Temperaturen bei einem Brand in einem Tunnel sehr wirkungsvoll eindämmen; - Für den Personenschutz ist neben der Temperaturentwicklung die Rauchgasausbreitung wesentlich. Diesbezüglich gehen von einer automatischen Brandbekämpfungsanlage positive wie negative Wirkungen aus. Bei Modelltunnel mit mechanischer Lüftung konnte in Simulationen eine hohe Wirksamkeit von Brandbekämpfungsanlagen dargestellt werden; - Bei Modelltunneln mit Rauchabsaugung kann bei Aktivierung der Brandbekämpfungsanlage die Wirksamkeit der Lüftung durch den eingebrachten Impuls beeinträchtigt werden. Neben technischen Gesichtspunkten wurden auch die möglichen Einflüsse auf das menschliche Verhalten von Tunnelnutzern im Rahmen von Probandenversuchen mit virtueller Realität evaluiert. Dabei zeigte sich, dass bei gegebener Versuchsanordnung das Verhalten der Probanden (Ausstiegsverhalten, Flucht zum nächsten Notausgang) durch Aktivierung einer automatischen Brandbekämpfungsanlage nicht maßgeblich verändert wird. Die Ergebnisse gelten unter der Einschränkung, dass die haptischen Wirkungen einer automatischen Brandbekämpfungsanlage, wie Kälte oder Nässe, nicht modelliert werden konnten.
Unter bestimmten Voraussetzungen sind im Zuge der quantitativen Sicherheitsbewertung von Straßentunneln Risikoanalysen durchzuführen. Neben objekt-, verkehrs- oder ereignisspezifischen Parametern gibt es auch etliche Eingangsparameter, die fest im Risikomodell hinterlegt sind und deren Variation für gewöhnlich nicht vorgesehen ist. Dies trifft auch für Parameter des menschlichen Verhaltens zu. Im Zuge von Versuchsreihen zum Flucht- und Reaktionsverhalten der Verkehrsteilnehmer im Ereignisfall in Straßentunneln wurden verschiedene Verhaltensparameter ermittelt und analysiert, die den konventionellen Modell-Basisparametern erstmals im Österreichischen Tunnelrisikomodell (TuRisMo) gegenübergestellt werden. Als Ergebnis kann auf Basis der aktuell gewonnenen Verhaltensparameter eine Senkung des Gesamtrisikos aufgezeigt werden, dessen Einordnung im folgenden Beitrag diskutiert wird.
Mit der Einführung der RABT 2006 bzw. der Veröffentlichung der EABT 2019 werden die Vorgaben in der EU-Richtlinie 2004/54/EG zur Anwendung von Risikoanalysen bei der Bewertung der Sicherheit von Straßentunneln in das nationale Regelwerk überführt. Danach werden Risikoanalysen erforderlich, wenn ein Straßentunnel entweder eine besondere Charakteristik aufweist oder in seiner geometrischen Ausbildung bzw. sicherheitstechnischen Ausstattung von den Vorgaben im Regelwerk abweicht.
Seit der Veröffentlichung der aktuellen Methodik zur Sicherheitsbewertung von Straßentunneln gemäß BASt-Heft B66 „Sicherheitsbewertung von Straßentunneln“ im Jahr 2009 liegen zwischenzeitlich umfangreiche Erkenntnisse bei der Umsetzung des Verfahrens und der praktischen Anwendung in risikoanalytischen Untersuchungen vor. Des Weiteren wurden in dem Fachbereich zahlreiche Forschungsprojekte zu speziellen Fragestellungen durchgeführt und wesentliche neue Erkenntnisse zu bisher unberücksichtigten Parametern gewonnen. Sowohl das methodische Vorgehen als auch grundlegende Parameter und Annahmen der Methodik entsprechen daher nicht mehr dem aktuellen Stand der Technik. Aus den oben genannten Gründen ist es erforderlich, die Bewertungsmethodik zu analysieren und zweckmäßige Adaptierungsvorschläge festzulegen.
Der entwickelte Adaptierungsvorschlag für die Bewertungsmethodik behandelt die folgenden Anpassungen im Zuge der Risikobewertung, der Häufigkeitsermittlung, sowie der Schadensausmaßermittlung für Kollisionen und Brände im Tunnel.
Zur Risikobewertung wurde anstelle des absoluten Bewertungskriteriums innerhalb von Summenkurven im Häufigkeits-Ausmaßdiagramm ein relativer Ansatz implementiert, bei dem ein zu untersuchen-der Tunnel einem richtlinienkonformen theoretischen Tunnel gegenübergestellt wird. Dafür war es erforderlich die Rahmenbedingungen für die Festlegung eines solchen Referenztunnels für wesentliche Tunnelparameter zu definieren.
Der Adaptierungsvorschlag in der Häufigkeitsanalyse beinhaltet die Aktualisierung von Ereignisraten (Unfallrate, Brandrate) aufgrund von aktuellen Auswertungen der bundesweiten Ereignisdatenbank, der Festlegung von Einflussfaktoren auf die Unfallhäufigkeit im Tunnel, sowie eines Vorschlages zur Aktualisierung der Struktur des Ereignisbaumes inklusive dessen relativen Häufigkeiten.
Der Adaptierungsvorschlag für das Schadensausmaßmodell beinhaltet Neuerungen sowohl bei der Analyse der Auswirkungen von Kollisionen, als auch von Bränden im Tunnel. Mit Hilfe des Nilsson Power Modells kann fortan der Einfluss der Geschwindigkeit auf das Schadenausmaß nach Kollisionen abgebildet werden. Außerdem wurden für Wirkungsmodelle zur Abschätzung von Brandfolgen entsprechende Parameter und Randbedingungen festgelegt. Fokus dabei war die Festlegung von detaillierten Brandkurven und der zugehörigen Zeitschiene, die Implementierung eines akkumulations-basierten Fluchtmodells sowie Ansätze zur realitätsnahen Abbildung von Selbst- und Fremdrettungsvorgängen.
Der ganzheitliche Adaptierungsvorschlag basiert auf einer aktuellen Auswertung der Tunnelereignisse in Deutschland sowie dem Stand der Wissenschaft und Technik bei der Bewertung von Personenrisiken im Tunnel. Durch Implementierung der vorgeschlagenen Anpassungen ist es fortan möglich, die Risiken im Tunnel realitätsnaher zu analysieren und eine Vielzahl von Sicherheitsmaßnahmen besser zu bewerten.