Berichte der Bundesanstalt für Straßenwesen, Reihe M: Mensch und Sicherheit
Filtern
Erscheinungsjahr
Dokumenttyp
- Buch (Monographie) (158)
- Konferenzveröffentlichung (3)
Schlagworte
- Deutschland (161) (entfernen)
Institut
266
Bewertungen zum Nutzen von Verkehrssicherheitskampagnen wie z.B. "Runter vom Gas!" basieren zumeist auf Medienresonanzanalysen und Befragungsstudien. Dabei werden in aller Regel Aspekte wie Bekanntheit und Akzeptanz erfasst. Die Wahrnehmung der vermittelten Botschaften in konkreten Fahrsituationen und daraus resultierende Verhaltenseffekte wurden bislang hingegen kaum untersucht. Ausgehend von einer umfassenden Literaturanalyse wurde eine Methodik zur Erfassung der Wahrnehmung und kurzfristiger Verhaltenseffekte von Verkehrssicherheitsbotschaften entwickelt und in einer Pilotstudie (N = 27) im Fahrsimulator erprobt. Hierbei wurden die beiden Kampagnenthemen "Fahren mit überhöhter Geschwindigkeit" und "Ablenkung beim Fahren" untersucht. Im Laufe einer Autobahnfahrt im Fahrsimulator fuhren die Probanden an entsprechenden Plakaten vorbei. Während einer Gruppe von Fahrern (Experimentalgruppe) das Kampagnenplakat mit der entsprechenden Botschaft präsentiert wurde, wurde der anderen (Kontrollgruppe) ein Plakat mit neutralem Inhalt, aber ähnlicher Gestaltung präsentiert. Als Leistungsmaße wurden u.a. Blickbewegungen, Erinnerungsleistung, Maße der Längsregulation sowie die Ausführung einer Nebenaufgabe erfasst. Während sich für das Plakat zum Fahren mit überhöhter Geschwindigkeit ein Effekt im Blickverhalten abzeichnete, unterschieden sich die Erinnerungsleistungen bei beiden Kampagnenthemen nicht zwischen Experimental- und Kontrollgruppe. Für das Kampagnenplakat zum Fahren mit überhöhter Geschwindigkeit ergab sich kein relevanter Einfluss auf die Fahrgeschwindigkeit. Dagegen wurden im Vergleich zur Kontrollgruppe tendenziell weniger Nebenaufgaben bearbeitet, wenn die Fahrer am entsprechenden Plakat zur Ablenkung vorbeigefahren waren. Die Fahrsimulation ist folglich eine sinnvolle Ergänzung zu etablierten Untersuchungsmethoden bei der Evaluation von Verkehrssicherheitskampagnen. Mit der entwickelten Methodik können Wahrnehmung und Wirkung von Verkehrssicherheitsbotschaften in konkreten Fahrsituationen untersucht und verschiedene Kampagnenkonzepte bereits in frühen Entwicklungsphasen miteinander verglichen werden.
176
Eine Umschau in sechs Ländern Europas lässt grobe Trends und jeweils nationale Schwerpunkte der Verkehrssicherheitsarbeit für Kinder im lokalen und regionalen Rahmen erkennen. Die Bemühungen um mehr Verkehrssicherheit für Kinder haben inhaltlich häufig die Verbesserung der Nachhaltigkeit kindlicher Mobilität zum Ziel. Kinder sollen sich häufiger selbst aktiv zu Fuß oder mit dem Fahrrad fortbewegen und seltener passiv als Pkw-Mitfahrer. In der praktischen Umsetzung bilden (inter-)nationale Aktionstage oder -wochen häufig den organisatorischen Rahmen. Darüber hinaus finden sich auch Verkehrssicherheitsmaßnahmen, die sich nicht primär der Zielgruppe Kinder widmen, jedoch durch Engineering-Maßnahmen die Verkehrsumwelt von Kindern mit beeinflussen. Kinder profitieren dann im Zuge der Produktion von mehr Verkehrssicherheit als öffentliches Gut für alle Bewohner eines Gemeinwesens, von dessen "Konsum" niemand ausgeschlossen werden kann. In Ländern mit national quantifizierten Zielgrößen zur Reduzierung der Verkehrsunfallopfer ist die Einbeziehung der Gemeinden zur Zielerreichung besonders stark und die Verbesserung der Verkehrssicherheit besonders erfolgreich. In allen Ländern sind Schulen herausgehobene Akteure der lokalen Verkehrssicherheitsarbeit für Kinder. Für die weitere Diskussion in Deutschland erscheinen zum Beispiel die im Ausland verbreiteten Schul-Mobilitätspläne und Fußgänger- oder Fahrrad-Busse interessant. Auch die Verbindung von Enforcement- mit Education-Maßnahmen erscheint bedenkenswert. Die auf Dauer gestellte Einrichtung eines Observatoriums für Verkehrssicherheit könnte wertvolle Hilfe für die Programm- und Aktionsentwicklung leisten. Auch Maßnahmen der Qualitätssicherung und des Benchmarkings lassen Erfolge in der Verkehrssicherheitsarbeit erwarten. Sowohl die Denk- und Handlungsweise "vom Kind aus" als auch die Vernetzung mit Akteuren aus anderen Handlungsfeldern mit ähnlichen Zielen sollten verstärkt werden. Der Originalbericht enthält als Anhänge Synopsen der lokalen Verkehrssicherheitsmaßnahmen in tabellarischer Form für Kinder in Belgien, Frankreich, den Niederlanden, Österreich, Schweden, im Vereinigten Königreich sowie supranationale Maßnahmen. Auf die Wiedergabe dieser Anhänge wurde in der vorliegenden Veröffentlichung verzichtet. Sie liegen bei der Bundesanstalt für Straßenwesen vor und sind dort einsehbar. Verweise auf die Anhänge im Berichtstext wurden zur Information des Lesers beibehalten.
265
Ziel dieser Studie war es zum einen, für die Evaluation von Maßnahmen im Bereich der Kraftfahrerrehabilitation aktualisierte Referenzwerte zur Beurteilung der Legalbewährung bereitzustellen. Zum anderen sollte ein Standardverfahren konzipiert werden, das in Zukunft eine regelmäßige Aktualisierung dieser Referenzwerte ermöglicht. Die Aktualisierung der Referenzwerte erfolgte auf der Basis von Daten des Verkehrszentralregisters. Für die Operationalisierung der Legalbewährung stehen verschiedene Indikatoren zur Verfügung. Aus Sicht der Autoren bietet sich für die Evaluation insbesondere die Rückfallquote der Kursteilnehmerinnen und -teilnehmer in Bezug auf eine erneute Entziehung sowie das erstmalige Auftreten einer registrierten Verkehrsauffälligkeit an. Für diese beiden und alle anderen besprochenen Indikatoren wurden die aktualisierten Referenzwerte ermittelt. Die Verwendung der Referenzwerte zur Beurteilung der Legalbewährung ist an eine weitere Prämisse gebunden. Die Rückfallquote der Kursteilnehmerinnen und Kursteilnehmer darf sich nicht wesentlich vom vergleichbaren Durchschnitt unterscheiden. Auf der Grundlage einer juristisch anerkannten Auslegung werden die Referenzwerte deshalb um einen "Erheblichkeitszuschlag" ergänzt. Die daraus resultierenden Grenzwerte werden ebenfalls präsentiert. Im Verlauf dieser Studie wurde das Verkehrszentralregister vom Fahreignungsregister abgelöst. Damit waren zahlreiche verkehrsrechtliche Änderungen verbunden. Für die Indikatoren der Legalbewährung und damit auch für die Referenzwerte ergibt sich daraus ein Anpassungsbedarf. Diese Überlegungen sind bereits in die Konzeption des Standardverfahrens eingeflossen, dass am Ende der Studie vorgestellt wird. Das präsentierte Verfahren kann in regelmäßigen Abständen aktualisierte Referenzwerte bereitstellen und deshalb auch in Zukunft anstehende Entwicklungen und Veränderungen berücksichtigen.
264
Obwohl die Zahl der verunglückten Fahrradfahrer nach der amtlichen Unfallstatistik in den letzten Jahrzehnten stetig rückläufig ist, hat die Unfallbeteiligung dieser Verkehrsteilnehmergruppe nicht im gleichen Umfang abgenommen wie dies bei anderen Verkehrsbeteiligungsarten der Fall ist. Die Zahl älterer verunglückter Radfahrer ist sogar angestiegen. Demnach besteht die Notwendigkeit, sich vertiefender mit der Verkehrssicherheit und weiteren Verkehrssicherheitsgewinnen von Radfahrern zu beschäftigen. Die vorliegende Studie beinhaltet erstmals eine umfassende, repräsentative Darstellung der Radfahrerpopulation in Deutschland (N = 2.158). Es werden u.a. Nutzungsgewohnheiten, Unfallbeteiligung, Nutzungsmotive, Einstellungen und Risikowahrnehmung beschrieben. Darüber hinaus wird eine umfangreiche Analyse von Fahrradunfällen durchgeführt (N = 2.768). Die Unfallbeschreibungen der Radfahrer werden um Verletzungs- und Behandlungsdaten der behandelnden Kliniken ergänzt. Die Ergebnisse der Befragung und der Unfallanalysen ermöglichen es im Zusammenhang mit Erkenntnissen aus der Literatur, Problemfelder der Verkehrssicherheit von Radfahrern zu identifizieren und darauf basierend Maßnahmen für die Verkehrssicherheitsarbeit abzuleiten.
263
Kenntner-Mabiala et al. (2015) konnten für einen Fahrsimulator mit Bewegungssystem zeigen, dass die von ihnen entwickelte Fahrverhaltensprobe geeignet ist, alkoholbedingte Leistungsbeeinträchtigungen des Fahrers nachzuweisen. Mit dem Ziel, diesen Nachweis auch für den Fahrsimulator der BASt zu erbringen, der zwar mit derselben Software betrieben wird, jedoch über kein Bewegungssystem verfügt, wurde die vorliegende Studie durchgeführt. Dabei absolvierten 24 Probanden (doppelblind, randomisiert) diese Fahrprobe mit einem Blutalkoholspiegel von 0‰, 0.5‰ und 0.8‰. Die Fahrtdauer betrug etwa 45 Minuten. Dabei wurden die Fahrer mit Verkehrsszenarien konfrontiert, die typisch sind für Fahrten auf Landstraßen, Autobahnen und im Innenstadtbereich. Die Leistungsbewertung erfolgte über Selbsteinschätzungen, durch geschulte Beobachter sowie über die Erfassung von Verhaltensmaßen der Längs- und Querregulation. Zusätzlich wurde die Leistung in fahrsicherheitsrelevanten Leistungsbereichen mit einem computerbasierten Testsystem erfasst, das auch im Rahmen der amtlichen Fahreignungsbegutachtung eingesetzt wird. Zusammenhänge zwischen beiden Erfassungsmethoden wurden geprüft. Es konnte gezeigt werden, dass die abgeleiteten Leistungsparameter ähnlich gut wie in der Vergleichsstudie zwischen den nüchtern und den unter Beeinträchtigung absolvierten Fahrten differenzieren. Dabei waren die relativen Veränderungen in den Leistungsparametern vergleichbar, in deren absoluter Höhe jedoch gewisse Unterschiede bestanden. Zusammenhänge zwischen der Leistung in der Fahrprobe und in der computerbasierten Testung konnten nicht nachgewiesen werden. Zusammenfassend konnte für diese Fahrprobe gezeigt werden, dass sie auch bei Durchführung in einem Fahrsimulator ohne Bewegungssystem geeignet ist, alkoholbedingte Leistungsbeeinträchtigungen nachzuweisen. Die dabei erzeugten Daten können somit als Referenzdaten in weiteren Studien herangezogen werden, in denen Beeinträchtigungen durch Alter, Medikamente oder Erkrankungen untersucht werden.
261
Die Radfahrausbildung (RA) im vierten Schuljahr ist der wichtigste Baustein der Verkehrssicherheitsarbeit in der Schule. Ihr Stellenwert entspricht der Bedeutung, die das Fahrrad für Kinder und Jugendliche zunächst als Spielgerät, dann zunehmend als Verkehrsmittel hat. Die Verkehrsteilnahme von Kindern hat sich in den letzten Jahren jedoch stark verändert, die eigenständige Mobilität hat abgenommen. Das Fahrrad stellt zwar weiterhin ein für Kinder aller Altersgruppen wichtiges Verkehrsmittel dar, Kinder haben jedoch insbesondere in den Städten immer weniger Gelegenheit, es eigenständig zu nutzen. Auch deshalb nehmen Kinder heute mit anderen motorischen Voraussetzungen an der schulischen RA teil als früher. Im vorliegenden Forschungsprojekt war zu untersuchen, mit welchen Inhalten und Vorgehensweisen die heutige Radfahrerziehung in der Grundschule arbeitet. Andererseits war auch zu klären, wie sich individuelle Leistungsunterschiede und -schwächen von Kindern beim Beherrschen des Fahrrads empirisch erfassen lassen und von welchen individuellen, sozialen oder physischen Randmerkmalen sie vorrangig beeinflusst werden; der derzeitige Forschungsstand hierzu wurde diskutiert und bildete die Grundlage für die Planung der breit ausgelegten empirischen Erhebungen. Auf der Grundlage der Erkenntnisse sollten Vorschläge für eine künftige Radfahrausbildung in der Schule erarbeitet werden. Dazu wurden während laufender Kurse zur Radfahrausbildung Polizisten, Lehrerinnen, Eltern und Kinder (insgesamt etwa 3.000) schriftlich befragt, zusätzlich erfolgte eine bundesweit repräsentative Online-Befragung von 1.000 Eltern 8-10-jähriger Kinder. In einer weiteren Befragung von Polizeiverkehrslehrern wurde nach innovativen Modellen der motorischen Förderung gesucht, von denen 17 Polizeidienststellen, die zuständigen Klassenlehrerinnen, Eltern sowie Kindern als zweite Welle der Hauptbefragung näher untersucht wurden. Zur qualitativen Analyse der Abläufe bei der Radfahrausbildung und zur Entwicklung von Vorschlägen wurden vier Fachkonferenzen und ergänzende Interviews bundesweit durchgeführt. Die Auswertung der Befragungen zeigte, dass die Radfahrausbildung nach wie vor flächendeckend im ganzen Land durchgeführt wird, in der Regel in der Arbeitsteilung von Schule und Polizei. Allerdings gibt es auf Seiten der Polizei in den letzten Jahren Veränderungen. Die Inklusion wird zunehmend wichtiger, stößt aber bei der praktischen Radfahr-Ausbildung vor allem im Verkehrsraum an ihre Grenzen. Die von allen Beteiligten intensiv diskutierten motorischen Schwächen der Kinder beim Radfahren lassen sich anhand der erhobenen Kenngrößen (Einschätzungen von Eltern, Selbsteinschätzungen der Kinder, Ergebnisse von experimentellen Kurztests, Schulnoten) ausreichend präzise erfassen, wobei eine Fülle verschiedener Faktoren als Ursachen anzusehen sind. Allerdings ist das Thema für die Polizei wichtiger als für Lehrkräfte, die motorische Schwächen der Kinder vergleichsweise seltener erkennen. Eine vielfältige motorische Förderung gehört heute zur Praxis der Schulen, ist aber oft nicht umfassend und kontinuierlich genug. In einem Umfeld, das Bewegungserfahrungen der Kinder einschränkt, wird vermehrt eine besonders intensive Förderung angeboten, wie die Untersuchung belegt. Fast alle Kinder haben ein Kinderrad (im Mittel seit dem Alter von 3,6 Jahren), 50 % der Kinder haben vorher mit einem Laufrad gespielt. Die Laufradnutzung wirkt sich positiv auf die motorischen Fertigkeiten aus. Etwa 1/6 der Kinder hat im Umfeld der Wohnung keine Möglichkeit zum Radfahren. Der Großteil der Eltern hat mit dem Kind das Radfahren geübt, am intensivsten zwischen dem 5. und 8. Lebensjahr. Ein Drittel der Eltern hatte die Kinder dabei jedoch nicht oder nur wenig unterstützt. Die Autoren empfehlen, wegen des großen Stellenwertes der Polizei-Mitwirkung diese unbedingt zu erhalten. In Bundesländern, wo Kürzungen nicht verhindert werden können, sollte vorab versucht werden, durch Absprachen zwischen allen Beteiligten (Schule, Polizei, Elternvertreter, außerschulische Unterstützer) Erfolg und Qualität der Ausbildung langfristig zu sichern. Unabhängig davon sollte auch überlegt werden, wie Eltern in stärkerem Maße selber unterstützen können und in stärkerem Maße beteiligt werden können. Ein gewisses grundlegendes Maß an Polizeiunterstützung ist aber aus Sicht der Autoren unverzichtbar, damit das System funktionsfähig bleibt. Optimierungspotenziale werden auch bei einer intensiveren Abstimmung und Kommunikation zwischen allen Beteiligten (Kindergärten, Schulen, Polizei, Eltern), bei einer umfassenderen motorischen Förderung sowie bei der Lehrerausbildung gesehen. Eltern sollten frühzeitig schon im Kindergarten informiert werden (z. B. über den Nutzen von Laufrädern) und klare Hinweise sowie Übungsangebote erhalten, z.B. in Form von Hausaufgaben mit Bewegungsanteil oder zu Radfahrübungen.
260
Die wesentlichsten Ergebnisse des Forschungsprojektes sind: - Bundesweit werden im öffentlichen Rettungsdienst im Zeitraum 2012/13 jährlich rund 12,0 Mio. Einsätze mit insgesamt 14,3 Mio. Einsatzfahrten durchgeführt. Die Einsatzrate beträgt rund 147 Einsätze pro 1.000 Einwohner und Jahr. - 52 % des Einsatzaufkommens werden vom Leitstellenpersonal als Notfall eingestuft, 48 % entfallen auf die Kategorie Krankentransport. - Über zwei Fünftel aller Notfalleinsätze werden unter Hinzunahme eines Notarztes durchgeführt (Notarzteinsatz). Fast ein Drittel der Notfälle zu Verkehrsunfällen (29 %) wird von einem Notarzt bedient. - Rund 3,5 % der Notfalleinsätze gelten einem Verkehrsunfall, was bundesweit rund 208.000 Einsätzen entspricht. Die Verteilung der übrigen Einsatzanlässe bei Notfällen mit und ohne Notarztbeteiligung beträgt: Sonstiger Notfall 51 %, Internistischer Notfall 34 %, Sonstiger Unfall (z.B. Haus-, Schul- und Sportunfall) 11 % und Arbeitsunfall unter 1 %. - Die Verteilung der Rettungsmitteltypen am bundesweiten Einsatzfahrtaufkommen im Zeitraum 2012/13 beträgt: RTW 57 %, KTW 24 %, NEF 18 %, NAW und RTH/ITH unter 1 %. - Beim Einsatzfahrtaufkommen werden rund die Hälfte der Einsatzfahrten mit Sonderrechten bei der Anfahrt durchgeführt. Dies entspricht bundesweit jährlich 8,4 Mio. Einsatzfahrten unter Sonderrechten bei der Anfahrt. - Die Dispositions- und Alarmierungszeit bei Einsatzfahrten mit Sonderrechten bei der Anfahrt beträgt im Mittel 2,5 Minuten. Bei Einsatzfahrten ohne Sonderrechte bei der Anfahrt liegt die Dispositions- und Alarmierungszeit im Mittel bei 14,5 Minuten. - Bei Einsätzen mit Sonderrechten bei der Anfahrt errechnet sich nach dem zuerst eingetroffenen Rettungsmittel am Einsatzort eine mittlere Hilfsfrist von 8,4 Minuten, wobei 95 % der Notfälle innerhalb von 16,9 Minuten mit einem Rettungsmittel bedient werden. - Die Unterscheidung der Einsatzzeit nach Notfällen und Krankentransporten unter zwei Stunden ergibt eine mittlere Einsatzzeit von 52 Minuten für Einsatzfahrten mit Sonderrechten bei der Anfahrt und 56 Minuten für Einsatzfahrten ohne Sonderrechte auf Anfahrt.
258
Aufgabe der Studie war eine erstmalige umfassende Erhebung der Ausstattung der Pkw in Deutschland mit Fahrzeugsicherheitssystemen. Dazu wurden 5.070 Haushalte zur Ausstattung eines ihnen zur Verfügung stehenden Fahrzeugs befragt. Für die Befragung wurden 53 Fahrzeugsicherheitssysteme ausgewählt. Darunter sind neue Systeme wie Stauassistenten und Kreuzungsassistenten sowie auch weitgehend etablierte Systeme wie die Fahrdynamikregelung (ESP) und Airbags. Neben den Nutzern wurden auch Experten befragt, die beruflich mit dem Ein- oder Verkauf von Pkw für Unternehmensflotten befasst sind. Diese zehn qualitativen Interviews geben einen Einblick in die Bedeutung verschiedener Kriterien bei der Fahrzeugwahl und speziell den Stellenwert von Fahrzeugsicherheitssystemen. Die weiteste Verbreitung haben passive Sicherheitssysteme wie Airbags, die darauf abzielen, die Folgen eines Unfalls für die Beteiligten abzumildern. Aber auch aktive und intervenierende Systeme, die Risiken vermeiden oder einzelne Fahraufgaben übernehmen, gehören häufig zur Fahrzeugausstattung. Die häufigsten Vertreter aus dieser Gruppe sind der Bremsassistent, ESP und der Tempomat. Die meisten Fahrzeugsicherheitssysteme sind in Fahrzeugen der oberen Mittelklasse und Oberklasse zu finden. Mit der jährlichen Fahrleistung und der Nutzungshäufigkeit nimmt die Anzahl der Sicherheitssysteme ebenso zu wie bei jüngeren Fahrzeugen und Dienstwagen. Die Ergebnisse zeigen ein Muster: Sind Systeme insgesamt selten, unterscheiden sich die Anteile innerhalb der verschiedenen Fahrzeugsegmente teilweise erheblich. Neue Systeme sind dann in den Fahrzeugen der oberen Mittelklasse und Oberklasse deutlich häufiger zu finden und in den Minis und Kleinwagen teilweise mit nicht messbaren Anteilen. Die Experteninterviews, die mit Flottenbetreibern und Fahrzeugverkäufern geführt wurden, zeigen, dass solche Fahrzeugsicherheitssysteme in die Standardausstattung aufgenommen werden, deren Nutzen nachgewiesen ist.
259
Die Feststellung empirisch belegten Alkoholkonsums bei Kindern und Jugendlichen, aber nur rudimentärer Dokumentation entsprechender Verkehrsunfälle begründete die vorliegende Untersuchung. Qualitative mündliche Befragungen von Experten und Jugendlichen, Feldbeobachtungen und quantitative schriftliche Befragungen von Jugendlichen führten zu folgenden Ergebnissen: Etwa 65 % der schriftlich befragten 12- bis 22-Jährigen waren vor dem 18. Lebensjahr mindestens einmal im Monat übermäßig alkoholisiert mobil. Mit durchschnittlich 15 Jahren findet nicht nur der erste übermäßige Alkoholkonsum statt, sondern auch die ersten Situationen alkoholisierter Mobilität, vorrangig bei männlichen Jugendlichen. Wenngleich nur rd. 5 % der Befragten eine erlebte gefährliche Verkehrssituation als "echten" Verkehrsunfall bezeichneten, verwiesen immerhin etwa 27 % auf mindestens eine gefährliche Verkehrssituation unter Alkoholeinfluss vor dem 18. Lebensjahr. Von den insgesamt 349 berichteten gefährlichen Verkehrssituationen gingen 113 mit leichten und 24 mit schweren Verletzungen einher. Aber auch die Nichtverletzten verwiesen auf zahlreiche erlebte Gefahren bei ihrer Mobilität unter Alkoholeinfluss. Vorrangig männliche Jugendliche erleben solche Situationen mit durchschnittlich 15,7 Jahren. In mehr als der Hälfte der gefährlichen Verkehrssituationen unter Alkoholeinfluss waren die Akteure alleine unterwegs. Die alkoholisierten Kinder und Jugendlichen verunfallten zumeist als Fahrradfahrer und Fußgänger. In rd. 40 % der Fälle erfolgte eine medizinische Versorgung, von nur rd. 20% dieser Alkoholunfälle erlangt die Polizei Kenntnis. Unterstrichen wird die Notwendigkeit weiterer, differenzierender Untersuchungen, um die explorativ gewonnenen Erkenntnisse zu verifizieren und geeignete Präventionsmaßnahmen zu begründen. Inhaltlich und aufwandsökonomisch wird die ressortübergreifende Zusammenarbeit mit der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung empfohlen.
149
Aufgrund neuer Informationstechnologien stehen dem Fahrer bereits jetzt eine Vielzahl von Systemen und Informationen im Fahrzeug zur Verfügung oder werden in Kürze verfügbar sein. Die Funktionsweise der Systeme wird erläutert, die auf sie gerichteten Erwartungen dargestellt, ebenso vorliegende Studien zur Evaluation. Eine ungefilterte Ausgabe der Informationen würde den Fahrer überfordern. Daher wird ein "Informations-Manager" vorgestellt, der verhindert, dass zu viele Informationen zur gleichen Zeit oder in einer ungünstigen Verkehrssituation dem Fahrer übermittelt werden. Der Informations-Manager teilt die Informationen in Kategorien wie "Fahrer- oder Fahrzeug-initiiert", "sicherheitsrelevant" oder "dringend bzw. aufschiebbar" etc. ein. Die Ausgabelogik wird - neben dieser Kategorisierung - durch einen Belastungsprädiktor gesteuert, der aufgrund von Fahrzeugparametern, von Aktionen des Fahrers und Umweltbedingungen eine Analyse und Vorhersage der Belastung ermöglicht. Versuche zum Brems-, Beschleunigungs- und Überholverhalten zeigen, dass es möglich ist, anhand von Daten, die im Fahrzeug am sog. CAN-Bus anliegen (z.B. Pedalstellungen, Lenkwinkel, ABS-, ESP-Sensor), Aussagen über Fahrmanöver sowie den Fahrstil zu treffen. Die zusätzliche Berücksichtigung von Schalterstellungen (z.B. Licht, Nebelleuchte etc. "ein") und Betätigung von Systemen (z.B. Navigationssystem aktiv) gibt eine gute Abschätzung des Fahrerzustands. In einem groß angelegten Feldversuch zur Evaluation des Informations-Managers werden drei Versuchsbedingungen realisiert: Ein Serien-System, ein Informations-Manager, der Informationen situationsabhängig ausgibt, sowie als Fahrerunterstützungs-Systeme Rückschaukameras (mit bzw. ohne Warnpiktogramm) und Distanzregelung (ACC bzw. ACC mit Stop- & Go-Funktion). 36 Personen (Alter 30 - 50) fahren auf parallelisierten Strecken (nach Schwierigkeit, Verkehrsaufkommen) unter allen Versuchsbedingungen. In den normalen Verkehr werden spezifische Verkehrssituationen durch instruierte Teilnehmer eingebaut. Als abhängige Variablen werden Blickverhalten, Fahrzeugparameter (Gas, Bremse, Lenkwinkel) und Fragebogendaten erhoben. Die sequentielle Ausgabe von Informationen wird klar bevorzugt. Besonders interessante Ergebnisse der objektiven Daten sind: Auch redundante Display-Inhalte und irrelevante Anzeigen ziehen den Blick des Fahrers länger an. Das Aufrufen eines Ziels aus dem Zielspeicher des Navigationssystems erfordert lange Blickzuwendungen. Mit Informations-Manager blicken die Teilnehmer länger, dafür aber seltener zum Mittendisplay als ohne. Der Informations-Manager führt zu einem entspannteren Fahrstil. Auch wirkt er sich positiv auf die Verkehrssicherheit aus. Durch ein Warnpiktogramm im Rückschau-Display (Fahrzeug im toten Winkel) wird die Sicherheit in Überholsituationen verbessert. Der Originalbericht enthält als Anhänge nähe Informationen zur den Versuchstrecken (A) und dem Versuchsablauf (B), eine Aufgabenübersicht über den Versuchsplan (C) sowie Auswertungen des Blickverhaltens (D, E) und der Fahrzeugdaten (F). Auf die Wiedergabe dieser Anhänge wurde in der vorliegenden Veröffentlichung verzichtet. Sie liegen bei der Bundesanstalt für Straßenwesen vor und sind dort einsehbar. Verweise auf die Anhänge im Berichtstext wurden beibehalten.
254
Mit zunehmendem Alter kommt es zu Veränderungen sensorischer, motorischer und kognitiver Funktionen, die durch Erkrankungen und die Einnahme von Medikamenten verstärkt werden können. Diese Veränderungen können sich auf das Autofahren auswirken und zu Fehlverhalten und Unfällen führen, die zum Teil im Verkehrszentralregister (VZR) erfasst werden. Um Funktionseinschränkungen zu begegnen und weiterhin fahren zu können, aktivieren Ältere häufig Kompensationsmechanismen, wie das Beschränken auf bekannte Strecken. Solche Kompensationsmechanismen könnten bewirken, dass manche ältere Fahrer nur einmal VZR-auffällig werden. Andere Gründe für die unterschiedliche Frequenz der Auffälligkeit können Unterschiede in fahrrelevanten Kompetenzen, Persönlichkeitsmerkmalen und Selbstbildern sein. In der vorliegenden Studie wurde untersucht, wie sich ältere VZR-Auffällige, die nur einmal registriert wurden, von Mehrfach-Auffälligen im Hinblick auf Persönlichkeitsmerkmale, kognitive Funktionen und Fahrverhalten unterscheiden. Darüber hinaus wurde überprüft, ob und ggf. welche Kompensationsstrategien die Einfach-Auffälligen aktuell im Vergleich zu früher (mit ca. 45 Jahren) anwenden. Hierzu wurden zwei Gruppen von älteren Autofahrern (72+, 199 Einfach- und 200 Mehrfach-Auffällige, fast ausschließlich Männer) hinsichtlich Fahrgewohnheiten, Persönlichkeitsmerkmalen, Einstellungen und v.a. Kompensationsmechanismen beim Autofahren telefonisch befragt. Eine Teilstichprobe (N = 96) wurde darüber hinaus einer verkehrspsychologischen Testung mit psychometrischen Leistungstests und Persönlichkeits- und Einstellungsskalen sowie einer Fahrverhaltensprobe unterzogen. Die Fahrverhaltensprobe wurde auf einer anspruchsvollen Teststrecke in Dortmund durchgeführt; das Fahrverhalten wurde von geschulten Fahrlehrern mit Hilfe der TRIP-Protokolle beurteilt. Zu den Kompensationsstrategien gaben die meisten Befragten an, kritische Situationen wie Autofahrten bei Müdigkeit und Dunkelheit zu vermeiden. Am häufigsten wurden das vorsichtigere Fahren und das Einhalten eines größeren Sicherheitsabstandes im Vergleich zu früher genannt. In der verkehrspsychologischen Testung zeigten sich bei den Befragten keine Hinweise für Demenz oder Depression, und ihre Intelligenz war allgemein hoch oder im Normbereich. Bei der Fahrprobe zeigten ca. 18% der Teilnehmer eine zweifelhafte generelle Fahrqualität. Bei der Qualität der Verkehrswahrnehmung und -einsicht wurde die Leistung bei 30% der Teilnehmer als zweifelhaft und bei 7,3% als unzureichend bewertet. Der Vergleich der Einfach- und Mehrfach-Auffälligen offenbarte insgesamt nur wenige Unterschiede: Mehrfach-Auffällige fahren mehr Kilometer und häufiger täglich Auto als Einfach-Auffällige. Bei den Kompensationsmechanismen zeigte sich insgesamt kein signifikanter Unterschied zwischen Einfach- und Mehrfach-Auffälligen. Die Einfach-Auffälligen vermeiden heute im Vergleich zu früher signifikant mehr kritische Situationen als die Mehrfach-Auffälligen, was auf altersbedingte Kompensation hindeutet. Allerdings war der numerische Unterschied gering und nur in wenigen der Situationen signifikant. Insbesondere vermeiden Einfach-Auffällige im Vergleich zu Mehrfach-Auffälligen das Fahren in Dunkelheit heute mehr als früher. Bei den Persönlichkeitsmerkmalen und Einstellungen zum Autofahren zeigten sich keine Gruppenunterschiede. Ein klarer Unterschied ergab sich hingegen im Selbstbild: Mehrfach-Auffällige schätzen ihre Fahrkompetenz häufiger als "besser als jüngere Fahrer" ein. Bei der verkehrspsychologischen Testung zeigten sich Unterschiede im Subtest Ablenkbarkeit des TAP-M, bei dem zentrale Reize und irrelevante Ablenkreize präsentiert werden: Mehrfach-Auffällige reagierten hier deutlich langsamer auf die relevanten zentralen Reize als Einfach-Auffällige. Bei der Fahrverhaltensprobe zeigten sich keine Gruppen-Unterschiede. Die Ergebnisse der vorliegenden Studie liefern keine klaren Anhaltspunkte dafür, dass Mehrfach-Auffällige größere sensorische, kognitive oder motorische Defizite aufweisen oder eine andere Persönlichkeits- und Einstellungsstruktur haben als Einfach-Auffällige. Auch hinsichtlich ihrer Kompensationsstrategien und Fahrkompetenz zeigten sich keine konsistenten Unterschiede zwischen den Gruppen. Daher sind somit weder verstärkte Kontrollen noch zusätzliche Auflagen für Mehrfach-Auffällige zu rechtfertigen. Bei der Interpretation der Daten ist außerdem zu berücksichtigen, dass die Trennschärfe der beiden Gruppen vermutlich nicht sehr hoch ist. In zukünftigen Studien sollten daher (vorzugsweise mehrfach) VZR-Auffällige mit unauffälligen Senioren verglichen werden. Darüber hinaus ist grundsätzlich zu empfehlen, Trainingsmaßnahmen für ältere Fahrer zu entwickeln, mit denen ihre Fahrkompetenz und damit die Verkehrssicherheit erhöht werden können.
243 b
Within the overall system of novice driver preparation, the practical driving test plays an especially important role for the objective of improved driving safety: On the one hand, the test contents, assessment criteria and test results provide important orientation for the organisation of driving school training and the individual learning processes of the novice drivers (control function); on the other hand, the practical test serves to ensure that only novice drivers with adequate driving competence are entitled to participate in motorised road traffic (selection function). The aim of the present project is to elaborate a scientifically founded model for a future, optimised practical driving test, together with a contextual and methodical (implementation) concept for its continuous maintenance, quality assurance and further development. In addition, the institutional structures of the test system, test methods and test procedures - including the necessary demand, assessment, documentation and evaluation standards - are to be described in a "System Manual on Driver Licensing (Practical Test)". As a first step, selected psychology-based driving competence models and the contents of training and test documents are to be analysed. The results of this analysis will then serve as the starting point for a discussion of possibilities to model and measure driving competence, and for the outlining of a driving competence model for the theoretical determination of appropriate test content. Subsequently, demand standards for an optimised practical driving test can be derived by applying action theory principles to the demands of motor vehicle handling, and thereby defined as minimum personal standards for driving test candidates. This elaboration is to take into account not only latest knowledge from the fields of traffic and test psychology, but also relevant stipulations in licensing regulations, international trends in the further development of test standards, and novice-specific accident causes and competence deficits. A further outcome of the project - alongside theoretical-methodical foundations for optimisation of the practical driving test and for the draft of a system manual - is to be a "Catalogue of driving tasks (Category B)", in which the demand standards for the practical driving test are described in the form of situation-related driving tasks and situation-independent observation categories, as a means to specify the criteria for event-oriented performance assessment and overall competence evaluation. At the same time, criteria for the examiner's test decision are to be defined. This optimisation work will contribute, finally, to further development of the adaptive control strategy for the practical driving test. To enable implementation of the further developed demand, assessment and documentation standards of an optimised practical driving test, a contextual and methodical concept for an electronic test report is to be presented, together with an ergonomically founded design proposal for both hardware and software. The computer-assisted documentation of test performance is intended to support the driving test examiner in planning of the course of a driving test and assessment of the candidate's driving behaviour. Furthermore, optimisation of the performance feedback to candidates and improved possibilities for scientific evaluation of the optimised practical driving test are expected. With regard to test evaluation, a fundamental model is to be described, which - alongside monitoring of the psychometric quality criteria within the framework of an instrumental evaluation - incorporates an evaluation of test results, product audits and the responses to candidate and driving instructor surveys. Finally, the possible influence of driver assistance and accident avoidance systems on the realisation of a driving test and on the assessment of test performance is to be discussed.
256
Bereits im Jahr 2002 wurden anhand einer regionalen Studie der BASt erste Rückschlüsse auf einen für die Verkehrssicherheit bedeutsamen Zusammenhang zwischen gesundheitlichen Aspekten und dem Mobilitäts- und Risikoverhalten älterer Verkehrsteilnehmer erkennbar. Mit der hier vorgelegten repräsentativen Studie, welche die Forschungsfrage nach eben diesem möglichen existenten Zusammenhang zwischen gesundheitlichen Aspekten und dem Mobilitäts- sowie Risikoverhalten älterer Verkehrsteilnehmer anhand empirischer Erkenntnisse untersucht, erfolgt ein Lückenschluss. Zur Gewinnung aktueller repräsentativer mobilitäts- und gesundheitsbezogener Eckdaten der Zielgruppe bediente man sich des Instruments der Telefonbefragung von n = 2.000 Personen im Alter ab 50 Jahren und n = 1.000 Personen zwischen 16 und 49 Jahren. Die Planung der Untersuchung erfolgte auf Grundlage einer umfassenden Literaturrecherche sowie bereits vorliegender Erhebungsinstrumente und Befunde aus abgeschlossenen Forschungsprojekten der BASt, beispielsweise der im Auftrag der BASt bearbeiteten Studie "Ältere Menschen im künftigen Sicherheitssystem Straße/Fahrzeug/Mensch (AEMEÃS)"; auf Grundlage dieser Konzeption wurden die gewonnenen Daten zur Mobilität sowie zum Verkehrsverhalten mit den Ergebnissen der Befragungen aus den Projekten "Lebenssituation, Einstellung und Verhalten älterer Autofahrer und Autofahrerinnen" von 1986 sowie "Ältere Menschen im künftigen Sicherheitssystem Straße/Fahrzeug/Mensch (AEMEÃS)" von 1998 verknüpft. Diese Vergleiche zeigen, dass der Besitz einer Fahrerlaubnis wie auch eines Pkws unter den Älteren für beide Geschlechter zunehmend selbstverständlich geworden ist; gleichzeitig fahren immer mehr Ältere 7.500 km oder weniger pro Jahr. Die Analysen zur Erkenntnisgewinnung im Rahmen der vorliegenden Studie "Verkehrsbezogene Eckdaten und verkehrssicherheitsrelevante Gesundheitsdaten älterer Verkehrsteilnehmer (AGE-V3)" erfolgten zum einen durch eine Beschreibung des Mobilitätsverhaltens (ZEM), der verkehrssicherheitsrelevanten Gesundheitsdaten (IfADo) sowie der Unterschiede, die sich auf Grundlage der Gesundheitsdaten im Mobilitätsverhalten zeigen (ZEM). Zum anderen erhielt man auf der Grundlage des Vergleichs jüngerer (16 bis 49 Jahre) und älterer Verkehrsteilnehmer (ab 50 Jahre) Anregungen für die Entwicklung von Verkehrssicherheitsmaßnahmen, stets vor dem Hintergrund der Passung auf die Bedürfnisse älterer Verkehrsteilnehmer. Die Untersuchungen zum Gesundheitszustand sowie zur Medikamenteneinnahme erfolgten unter Berücksichtigung und auf Grundlage der Wirkstoff-Risikoklassifikation für Medikamente aus dem EU-Forschungsprojekt "Driving under the Influence of Drugs, Alcohol and Medicines" (DRUID). Auf der Ebene der Befragungsergebnisse lässt sich festhalten, dass die älteren Befragten wesentlich häufiger verkehrssicherheitsrelevante Medikamente einnehmen und entsprechende Erkrankungen aufweisen. Insgesamt erfolgt durchaus eine Kompensation im Sinne einer Nutzung von Alternativen zum Auto. Insbesondere (ältere) Männer fahren jedoch häufiger nach Einnahme dieser Präparate oder bei Vorliegen einer entsprechenden Erkrankung noch Auto. In den vorgenommenen Modelltests stellte sich die Handlungskompetenzerwartung bezogen auf einzelne Verkehrssituationen " allerdings nur in Kombination mit der Fahrpraxis " als besser geeigneter Prädiktor des Unfallrisikos im Vergleich zu Multimorbidität und Polymedikation heraus. Aus den Ergebnissen der vorliegenden Untersuchung wurden erste Hinweise auf die Entwicklung zielgruppenadäquater Empfehlungen abgeleitet, welche den Bedürfnissen und Schwierigkeiten älterer Verkehrsteilnehmer Rechnung tragen und der zukünftigen Gestaltung der Verkehrssicherheit, Verkehrsplanung und verkehrspolitischen Entscheidungsprozessen zur Orientierung dienen können. Eine wesentliche Empfehlung betrifft hierbei die Sensibilisierung (älterer) Männer für die Auswirkungen eingenommener Medikamente auf die Verkehrstüchtigkeit, um eine verbesserte Selbstkontrolle überhaupt erst zu ermöglichen. Darüber hinaus erscheint es von höchster Bedeutung, die von den Älteren laut der Befragungsergebnisse häufiger in Anspruch genommene hausärztliche Behandlung in dem Sinne produktiv zu nutzen, als der Hausarzt als "Berater" bezüglich der eigenen Mobilität bzw. Verkehrssicherheit fungieren sollte. Hierbei ergibt sich die Notwendigkeit adäquater Fortbildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen für die Hausärzte. Eine weitere Empfehlung betrifft die Kompensation altersbedingter Leistungseinbußen durch gezielte und regelmäßige Trainingsmaßnahmen bspw. des Arbeitsgedächtnisses sowie weiterer für die Fahraufgabe relevanter Kompetenzen.
257
Im März 2012 wurde die Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) vom damaligen Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) mit der Konzeption einer sogenannten MPU-Reform beauftragt. Ein wichtiger Bestandteil war die Einrichtung einer Projektgruppe, die Ansatzpunkte für eine wissenschaftlich-fachliche Weiterentwicklung der Medizinisch-Psychologischen Untersuchung (MPU) identifizieren sollte. Die Projektgruppe MPU-Reform bestand aus insgesamt 16 Mitgliedern, die sich aus Fachexperten, Vertretern der Träger der Begutachtungsstellen für Fahreignung, Trägern von Kursen zur Wiederherstellung der Kraftfahreignung nach -§ 70 Fahrerlaubnis-Verordnung (Kursträgern), niedergelassenen Verkehrspsychologen, Fachgesellschaften und Behördenvertretern zusammensetzten. Die PG MPU nahm ihre Arbeit im November 2012 auf und schließt sie mit dem vorliegenden Bericht ab. Der vorliegende Bericht dokumentiert die Arbeitsergebnisse der Projektgruppe MPU-Reform. Es werden die als prioritär identifizierten Themenfelder für eine wissenschaftlich-fachliche Weiterentwicklung der MPU ausführlich beschrieben, die jeweiligen Arbeitsergebnisse der Projektgruppe hinsichtlich dieser Aspekte dargestellt sowie entsprechende Handlungsempfehlungen abgeleitet.
252
Die Studie befasst sich mit den psychologischen Aspekten des Betriebs derjenigen Lang-Lkws, die für den Feldversuch der Bundesregierung bis Januar 2013 angemeldet waren (19 Unternehmen mit 33 Fahrzeugen und etwa 60 Fahrern). Die Untersuchung sollte sich möglichst reibungslos in den regulären Geschäftsbetrieb der beteiligten Speditionen einfügen. Insgesamt wurden 38 Fahrer interviewt und 35 von Ihnen auf einer anschließenden Fahrt begleitet. Interview und begleitete Fahrt dauerten jeweils durchschnittlich eine Stunde. Die Untersuchung fand zwischen dem 15. Dezember 2012 und dem 07. Januar 2013 statt. Die meisten Interviewfragen baten die Fahrer, das Fahren mit dem Lang-Lkw mit dem eines Normal-Lkws zu vergleichen. Bei vielen Verkehrssituationen wurde eine leichte Erschwerung mit dem Durchschnitt von 3,1 auf der Skala von 1,0 (Deutlich besser) bis 5,0 (Deutlich schlechter) mit dem Mittelpunkt 3,0 angegeben. Diese marginale Erschwernis wurde selten als Problem, sondern meist nur als gewöhnungsbedürftige Neuerung angesehen. Deutliche Verbesserungen ergaben sich " überraschenderweise " bei Kreisverkehr und Kurvenfahren, Erschwernisse beim Fahren innerorts und bei Betriebsaufgaben, die nicht zum Fahren im engeren Sinn gehören, wie Be- und Entladen, Aufsuchen von Pannenbuchten sowie Parken/Übernachten auf dem Rastplatz. Probleme wurden gesehen, wenn Pkws den Lang-Lkw auf den verengten Fahrstreifen oder Verschwenkungen an Autobahnarbeitsstellen überholen. Das oft bemühte Thema Stress am Arbeitsplatz Lang-Lkw wurde an mehreren Stellen im Interview und bei der Fahrbeobachtung angesprochen. Es fanden sich keinerlei Hinweise auf einen hohen oder gegenüber dem Fahren eines Normal-Lkw erhöhten Stress. Bei der Fahrbeobachtung erwies sich die Fahrsicherheit der Lang-Lkw-Fahrer als hoch. Fahrfehler oder Regelverstöße waren leicht und selten. Ein methodisch gesicherter Vergleich mit den entsprechenden Häufigkeiten beim Normal-Lkw war allerdings nicht möglich, wenn auch Hinweise auf eine Erhöhung fehlten. Die Reaktionen anderer Verkehrsteilnehmer, vor allem von Lkw- und Pkw-Fahrern, wurden von den Lang-Lkw-Fahrern überwiegend als freundlich und positiv berichtet. Alle Fahrer wünschten sich die dauerhafte Zulassung des Lang-Lkw. Wegen des hohen technischen Standes der Fahrwerke, der Bremsen und der Fahrerassistenzsysteme und des hohen Sicherheitsstandards der Fahrer ist aus psychologischer Sicht keine Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit durch die Teilnahme von Lang-Lkws erkennbar.
137
Das Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen hat die Bundesanstalt für Straßenwesen damit beauftragt, die allgemeine Entwicklung des Unfallgeschehens von Motorradfahrern zu untersuchen. Einen Schwerpunkt bildet dabei die Frage nach der Auswirkung des ab 01.01.1999 möglichen "Direkteinstiegs" in die unbeschränkte Fahrerlaubnisklasse A für Personen ab 25 Jahren. Aus der allgemeinen Analyse des Unfallgeschehens heraus werden Schwerpunkte abgeleitet und spezielle Fragestellungen vertieft untersucht. Außerdem wird die Frage behandelt, inwieweit die Entwicklungen im Zusammenhang mit Änderungen im Fahrerlaubnisrecht stehen. Grundlage der Untersuchung sind die Einzeldaten der amtlichen Straßenverkehrsunfallstatistik zu Unfällen mit Personenschaden, an denen mindestens ein Motorrad (Leichtkraftrad, Kraftrad oder -roller) beteiligt war. Insgesamt ist der Anstieg der Unfall- und Verunglücktenzahlen in den letzten Jahren in erster Linie auf die Zunahme von leichteren Unfällen zurückzuführen. Die Zahlen für Unfälle mit Getöteten und Schwerverletzten sind leicht rückläufig. Damit ist eine Abnahme der Unfallschwere für Motorradunfälle mit Personenschaden zu verzeichnen. Die Unfallschwere von Motorradunfällen liegt aber immer noch deutlich über der mittleren Unfallschwere aller Unfälle mit Personenschaden. Die höchste Unfallschwere ist erwartungsgemäß bei Unfällen auf Außerortsstraßen festzustellen. Etwa ein Drittel der Außerortsunfälle mit Motorrädern sind Alleinunfälle. Besonders schwerwiegend sind dabei solche Unfälle, bei denen ein Aufprall auf ein Hindernis neben der Fahrbahn erfolgt. Als häufigste Unfallursache wird bei Motorrad-Alleinunfällen "Nicht angepasste Geschwindigkeit" angegeben. Bei der Betrachtung der beteiligten Motorradfahrer nach Altersgruppen weisen insbesondere Leichtkraftradfahrer unter 18 Jahren ein hohes bestandsbezogenes Risiko auf. Die durchschnittliche Unfallschwere ist aufgrund eines höheren Innerortsanteils jedoch deutlich niedriger als bei den übrigen Motorradunfällen. Die zahlenmäßige Zunahme der Unfallbeteiligungen von Fahrern ab 35 Jahren ist auf den starken Bestandszuwachs in dieser Altersgruppe zurückzuführen. Abweichungen vom längerfristigen Trend bei der Entwicklung des Unfallgeschehens mit Motorrädern können durch unterschiedliche Witterungsbedingungen einzelner Jahre verursacht werden. Da ein großer Teil des Motorradverkehrs durch Freizeitverkehr geprägt ist, kommt es hierdurch zu Schwankungen der Unfallzahlen. Änderungen gesetzlicher Voraussetzungen oder Vorschriften, welche die Nutzungs- oder Kaufgewohnheiten beeinflussen, haben dagegen einen längerfristigen Einfluss auf das Unfallgeschehen mit Motorrädern. Die Möglichkeit des Direkteinstiegs in die unbeschränkte Klasse A seit dem 1.1.1999 für Personen ab 25 Jahren zeigt bislang keine Auswirkungen im Unfallgeschehen.
101
Im vorliegenden Bericht wird das Unfallgeschehen beim Gefahrguttransport analysiert. Grundlage der Untersuchung sind die Einzeldaten der amtlichen Straßenverkehrsunfallstatistik, die der BASt für Zwecke der Unfallforschung übermittelt werden. Untersucht werden die Unfalldaten der Jahre 1992 bis 1995. Ein Unfall wird als Gefahrgutunfall definiert, wenn im verfügbaren Datenmaterial der Unfälle mit Personenschaden bei mindestens einem Güterkraftfahrzeug mindestens zu einem gefahrgutspezifischen Merkmal eine Angabe vorliegt. Es erfolgt eine detaillierte Betrachtung der Struktur der Unfälle mit Personenschaden beim Transport gefährlicher Güter anhand wichtiger Unfall- und Beteiligtenmerkmale. Weiterhin werden spezifische Unterschiede zwischen dem Unfallgeschehen von Güterkraftfahrzeugen beim Gefahrguttransport und dem Gütertransport insgesamt herausgearbeitet. Beim Gefahrguttransport hat sich während des Untersuchungszeitraums die Zahl der Unfälle mit Personenschaden pro Jahr deutlich verringert. Unter der Voraussetzung, dass die Dunkelziffer und Qualität der Unfalldaten im Betrachtungszeitraum annähernd konstant geblieben ist, kann auf einen Rückgang der Unfälle beim Transport gefährlicher Güter geschlossen werden. Im Vergleich zum Unfallgeschehen des allgemeinen Güterverkehrs auf der Straße sind Unfälle beim Transport gefährlicher Güter seltene Ereignisse. "Nur" rund 8 von 1.000 Unfällen mit Personenschaden, an denen Güterkraftfahrzeuge beteiligt waren, wurden nach der vorliegenden Definition als Gefahrgutunfall eingestuft. Die Folgen dieser Unfälle sind jedoch deutlich schwerer. Im Mittel wurden bei 1.000 Unfällen mit Personenschaden beim Gefahrguttransport 69 Personen und beim Güterverkehr insgesamt 46 Personen getötet. Dabei hat jedoch das transportierte Gefahrgut bei 92 Prozent der betrachteten Unfälle nicht unmittelbar zu der deutlich höheren Unfallschwere beigetragen, da es "nur" bei 8 Prozent der Unfälle zu einem Austritt von Gefahrgut kam. Die entstandenen volkswirtschaftlichen Kosten liegen bei den Personenschäden um 40 Prozent und bei den Primär-Sachschäden um das Dreifache über den mittleren Kosten eines Unfalls im allgemeinen Güterverkehr. Sekundär-Sachschäden, das sind überwiegend die durch das Gefahrgut verursachten Langzeitschäden, konnten bei dieser Untersuchung nicht ermittelt werden, da entsprechende Informationen nicht vorlagen. Eine frühere BASt-Untersuchung (PÖPPEL, KÜHNEN; 1993) hat aber gezeigt, dass Sekundär-Sachschäden - bei den damals untersuchten Tankfahrzeugunfällen - nochmals bis zu etwa 40 Prozent höher liegen als Primär-Sachschäden.
103
Das der vorliegenden Arbeit zugrunde liegende Forschungskonzept soll klären, inwieweit sich Lebens- und Freizeitstile auch aktuell als Prädiktoren des Verkehrsverhaltens junger Erwachsener eignen. Die Ausweitung der Befragtengruppe auf die 25- bis 34-jährigen erfolgte mit dem Ziel der Klärung zweier bislang offener Fragen: - Hat sich die bislang für die 18- bis 24-jährigen festgestellte überhöhte Gefahrenexposition aufgrund der stetig gestiegenen zeitlichen Ausdehnung des Jugendalters und der Zunahme hedonistischer Freizeitorientierungen zwischenzeitlich auch auf Teile der nachfolgenden Altersgruppe der 25- bis 34-jährigen ausgedehnt? - Besteht Bedarf an spezifischen Maßnahmen zur Reduktion des Unfallrisikos 25- bis 34-jähriger? Zur Klärung der prognostischen Relevanz des lebens- und freizeitstilanalytischen Vorgehens innerhalb der Unfall- und Sicherheitsforschung wurde darüber hinaus ein längsschnittlicher Vergleich von Lebens- und Freizeitstilen im Zeitverlauf durchgeführt. Die für die Altersgruppen 18- bis 24-jährige und 25- bis 34-jährige getrennt durchgeführten Lebensstilanalysen führten jeweils zu fünf Lebens- und Freizeitstilgruppen. Vergleicht man dieses Ergebnis mit dem der Analyse des Jahres 1989, so ist inzwischen offensichtlich eine Homogenisierung der Stile eingetreten. Drei der 1989 ermittelten sieben Lebens- und Freizeitstilgruppen 18- bis 24-jähriger haben sich zwischenzeitlich aufgelöst ("Fan-Typ", "Kontra-Typ", "Sportlicher Typ") beziehungsweise wurden in andere Stilgruppen überführt ("Kicksuchender Typ"). Wie die Ergebnisse der früheren lebensstilanalytischen Studien der Bundesanstalt für Straßenwesen weisen auch die Ergebnisse der vorliegenden Studie für beide Altersgruppen eindeutige Zusammenhänge zwischen Lebensstil, Freizeitstil und ausnahmslos alle verkehrsbezogenen Einstellungen und Verhaltensweisen bis hin zur Unfallverwicklung nach. Gemessen an verkehrssicherheitsabträglichen Einstellungen und Verhaltensweisen erweisen sich heute 37,5 Prozent der 18- bis 24-jährigen und 30,5 Prozent der 25- bis 34-jährigen als ein besonderes Risikokollektiv. Bei beiden Altersgruppen sind das die Stilvarianten "Action-Typ" und "Kicksuchender Typ", deren Verkehrsverhalten durch ein ganzes Bündel negativer verkehrsbezogener Einstellungen und Verhaltensweisen gekennzeichnet ist. Insgesamt legen die Ergebnisse der Lebens- und Freizeitstilanalysen 25- bis 34-jähriger nahe, dass die besonders gefährdete Teilgruppe dieses Alterssegments die gleichen Risikodeterminanten aufweist wie die jüngeren High-Risk-Fahrer, so dass, mit Ausnahme einer Einbeziehung 25- bis 34-jähriger in die Zielgruppe der jungen Fahrer, kein Bedarf an speziellen Verkehrssicherheitsmaßnahmen für diese Altersgruppe erkennbar wird. Die festgestellte hohe zeitliche Stabilität von Lebens- und Freizeitstilen sowie die ebenfalls hohe zeitliche Stabilität der mit diesen Stilen verbundenen verkehrsbezogenen Einstellungen und Verhaltensweisen verweisen dagegen auf die Notwendigkeit möglichst frühzeitiger Verhaltenskorrekturen. Im Hinblick auf den gestiegenen Anteil risikodisponierter junger Frauen erscheint es sinnvoll, junge Fahrerinnen stärker als bisher in den Mittelpunkt von Maßnahmen zur Erhöhung der Verkehrssicherheit junger Leute zu stellen.
99
In Deutschland wird eine besorgniserregende Zahl alkoholbedingter Freizeitunfälle im Straßenverkehr registriert. Ziel einer im Dezember 1997 modellhaft in drei Regionen durchgeführten Verkehrsaufklärungsaktion war es, sowohl junge Fahrer und Fahrerinnen als auch junge Mitfahrer und Mitfahrerinnen bei dem Besuch von Discotheken zu einer strengen Trennung von Trinken und Fahren zu bewegen. Zur Evaluation dieser Verkehrsaufklärungsaktion wurden drei Untersuchungsansätze kombiniert: qualitative Erhebung, quantitative Erhebung und die Auswertung fremder Datenquellen. In Intensivinterviews mit Schülern, Maurer-, Industriemechaniker- und Einzelhandelsauszubildenden wurde der soziale Hintergrund der alkoholbedingten Freizeitunfälle aufgeklärt. Zur Ermittlung der Wirkungsweise der Aktion erhielten 10.991 Personen aus der Zielgruppe ein Anschreiben mit einem Fragebogen zu den für die Freizeitunfälle relevanten Einstellungen und zu ihren Verhaltensänderungen im Zusammenhang mit der Aufklärungsaktion. Zur Objektivierung der Frage nach den Wirkungen wurden die Unfalldaten und die Resultate polizeilicher Alkoholkontrollen aus den Aktionsregionen ausgewertet. Mit der Aktion wird bei den Jugendlichen ein aktuelles Problem aufgegriffen. Das Ausmaß der durch die Aktion veranlassten Auseinandersetzung der Jugendlichen mit der Thematik des Trinkens und Fahrens und dem Problem des Mitfahrens mit einem alkoholisierten Fahrer erweist sich als hoch. Die gewählte Aktionsform wird von den Jugendlichen gut akzeptiert. Sie erreicht bei einem großen Teil der Zielgruppe die angestrebte Überprüfung des eigenen Verhaltens. Die Gruppengespräche und die Befragungsergebnisse zeigen, dass die hier relevanten Einstellungen und Verhaltensweisen geschlechtsspezifische Komponenten haben, wobei sich aber das Verhalten von Männern und Frauen überlappt. Ein kleiner Personenkreis riskiert entgegen den Zielen der Aktion weiterhin das Mitfahren mit einem alkoholisierten Fahrer. Die Analyse der Befragungsdaten legt nahe, dass möglicherweise der eigene Alkoholkonsum des Mitfahrers dazu führt, dass er bei einem alkoholisierten Fahrer einsteigt. Die Auswertung der Resultate polizeilicher Alkoholkontrollen zeigt eine deutlich verminderte Quote von alkoholauffälligen Fahrern und alkoholbedingten Unfällen in den Aktionsregionen im Anschluss an die Verkehrsaufklärungsaktion.
91
In Wiederholung einer Erhebung aus dem Jahr 1988/89 wurden alle schweren Unfälle junger Fahrer analysiert, die sich im Rahmen des nächtlichen Freizeitgeschehens im Zeitraum von September bis November 1995 auf den Straßen der Bundesrepublik ereignet haben. Die Befunde der Analyse wurden in aktuelle Informationen zum Freizeit- und Verkehrsverhalten junger Fahrer eingeordnet. Nächtliche Freizeitunfälle ereignen sich hauptsächlich nach dem Besuch von Discos, Kneipen, privaten Parties und Feten. Für 18- bis 24-jährige stehen Disco-Unfälle, für 25- bis 34-jährige Unfälle im Zusammenhang mit Kneipenbesuchen an erster Stelle. Gemessen an der durchschnittlichen Anzahl pro Unfall getöteter und schwerverletzter Pkw-Insassen erwiesen sich Disco-Unfälle als die folgenschwersten nächtlichen Freizeitunfälle, was unter anderem auch in der hohen durchschnittlichen Insassenzahl der Unfallfahrzeuge begründet ist. Obwohl sich nächtliche Freizeitunfälle junger Fahrerinnen und Fahrer meist infolge mehrerer ungünstiger Faktoren ereignen, wäre die Mehrzahl dieser Unfälle ohne den Einfluss von Alkohol vermeidbar gewesen. Der Zeitvergleich des Unfallgeschehens im Zusammenhang mit Disco-Fahrten lässt den Schluss zu, dass sich die Anzahl schwerer nächtlicher Disco-Unfälle im Jahre 1995 gegenüber 1988/89 insgesamt erheblich reduziert hat. Veränderte Bedingungen des Freizeitverhaltens, ein sinnvollerer Umgang mit dem Auto und ein moderateres Trink-/Fahrverhalten sind die wichtigsten Erklärungsansätze dieser positiven Entwicklung. Gleichwohl kristallisiert sich nach wie vor eine besondere Teilgruppe junger nachtmobiler Fahrer heraus, die auf psychologischer Ebene weniger durch eine rationale als emotionale Verhaltenssteuerung und ein erhöhtes subjektives Sicherheitsgefühl gekennzeichnet ist. Gezielte Verkehrssicherheitsmaßnahmen für diese besonders gefährdete Gruppe sollten zu einem möglichst frühen Zeitpunkt, das heißt weit vor dem Beginn der Fahrausbildung, korrigierenden Einfluss nehmen. Hierbei sollten bildungs- und berufsgruppenspezifische Kontexte des Risikoverhaltens Berücksichtigung finden. Die besondere Unfallsituation in den östlichen Bundesländern, in denen sich 40 Prozent aller registrierten schweren nächtlichen Freizeitunfälle ereigneten, verweist auf die Notwendigkeit der Durchführung gezielter Schwerpunktmaßnahmen vor Ort.
89
Ausgangspunkt der in diesem Bericht dargestellten Forschungsarbeiten und -ergebnisse ist ein Untersuchungsauftrag des Bundesverkehrsministeriums an die BASt zur Frage, inwieweit das Telefonieren am Steuer unfallursächlich ist. Hierzu fand im Jahr 1996 bei der polizeilichen Unfallaufnahme eine Zusatzerhebung in Rheinland-Pfalz und ausgewählten Gebieten Bayerns statt. Parallel führte die BASt eine repräsentative Bevölkerungsbefragung von Pkw-Fahrern in Deutschland durch. Zur Anlehnung der durchgeführten Analysen an den aktuellen Forschungsstand wird ein Überblick über die verfügbare Literatur mit Darstellung bisheriger Studien über die Auswirkungen des Telefonierens am Steuer gegeben. Auch auf die rechtlichen Regelungen anderer Länder wird eingegangen. Da für Pkw und Fahrzeuge des Schwerverkehrs unterschiedliche Bedingungen für Verkehrsteilnahme, Fahrzeugnutzung und Ausstattung mit Telefon bestehen, werden beide Gruppen einer getrennten Analyse unterzogen. Rund 8 Prozent der Pkw-Fahrer führten 1996 laut Befragung ein Telefon mit sich, darunter 30 Prozent mit Freisprecheinrichtung: Fahrer mit Telefon weisen im Mittel überdurchschnittliche Fahrleistungen auf. Der mit Fahrleistungen gewichtete Verkehrsanteil der Pkw-Fahrer mit Telefon liegt bei 15 Prozent. Im ausgewerteten Unfallgeschehen wurde bei 5,6 Prozent der an Unfällen mit Personenschaden (UPS) und bei 6,8 Prozent der an Unfällen mit schwerwiegendem Sachschaden (USS) beteiligten Pkw-Fahrer ein Telefon festgestellt, hiervon verfügten 33,2 Prozent über eine Freisprechmöglichkeit. Es kann nicht auf ein insgesamt höheres Unfallrisiko der Pkw-Fahrer mit Telefon geschlossen werden. Die Unfalldaten zeigen, dass Telefone in überwiegend leistungsstärkeren, relativ neuen Pkw genutzt werden. Dies korrespondiert mit den Ergebnissen der Befragung. Unfallstrukturbetrachtungen beziehen sich auf Pkw und Hauptverursacher mit/ohne Telefon, um eine mögliche Unfallursächlichkeit des Telefonierens für bestimmte Ortslagen, Unfalltypen, Unfallarten, Unfallursachen und Unfallzeitpunkte herauszufiltern. Pkw mit Telefon sind analog zur Fahrzeugnutzung dieser Gruppe zu wesentlich höherem Anteil auf den BAB unfallverwickelt als Pkw ohne Telefon. Auffällige Befunde ergeben sich bei Auffahrunfällen innerorts: Fahrzeuge ohne Freisprecheinrichtung sind innerorts deutlich häufiger an Auffahrunfällen beteiligt als Fahrzeuge mit Freisprecheinrichtung und Pkw ohne Telefon. Dies gilt verstärkt bei weniger leistungsstarken Fahrzeugen. Telefonieren war nach den Feststellungen der Polizei bei etwa jedem zweiten Unfall, bei dem telefoniert wurde, mit unfallursächlich. Die Fahrzeuge des Schwerverkehrs, bei denen die Erreichbarkeit der Berufskraftfahrer häufig als erforderlich gilt, haben eine deutlich höhere Telefonausstattung als Pkw, mit großen Unterschieden zwischen den Fahrzeuggruppen. Die Unfallstruktur der Hauptverursacher mit Telefon zeigt Auffälligkeiten auf Landstraßen und insbesondere BAB. Bei den meisten Schwerverkehrsunfällen, bei denen die Polizei angab, dass (vermutlich) telefoniert wurde, war das Telefonieren mit ursächlich.
80
Das Bundesministerium für Verkehr hat die Bundesanstalt für Straßenwesen damit beauftragt, die internationale Entwicklung zum Thema "Fahrsimulatoren" zu beobachten und über die Ergebnisse zu berichten. Hierzu ist eine Umfrage bei Herstellern von Fahrsimulatoren im In- und Ausland durchgeführt worden. Von Interesse war dabei ausschließlich die Gruppe der Trainingssimulatoren. Dabei konnte auf eine vorangehende Befragung aus dem Jahre 1994 aufgebaut werden. Der seinerzeit verwendete Fragebogen zu technischen Merkmalen von Fahrsimulatoren wurde in einigen Aspekten modifiziert. Darüber hinaus wurde ein Fragebogen über didaktische Merkmale von Fahrsimulatoren konzipiert und der Umfrage beigefügt. Beide Fragebögen wurden an 43 Firmen und Institutionen verschickt; von den erhaltenen 15 Rückantworten waren sieben nicht verwertbar, sei es weil die Fragebögen nur unzureichend ausgefüllt waren, sei es weil es sich bei den beschriebenen Fahrsimulatoren nicht um Trainingssimulatoren handelt. Ein Hersteller hat zwei Fahrsimulatoren beschrieben, so dass in den acht verwertbaren Rückantworten neun Simulatoren nach technischen Merkmalen beschrieben worden sind. Die didaktischen Konzeptionen wurden von sieben Herstellern dargestellt. Die rund 150 abgefragten technischen Merkmale werden in dem Bericht zunächst für jeden Fahrsimulator separat mitgeteilt. Um Fahrsimulatoren nach diesen Merkmalen besser untereinander vergleichen zu können, werden die Daten darüber hinaus nach Merkmalen geordnet dargestellt. Die Überlegungen zur didaktischen Konzeption sind in dem Bericht unverändert so abgedruckt, wie sie von den Herstellern übersandt worden sind. Im Hinblick auf die technischen Merkmale haben sich im Vergleich zur ersten Befragung keine entscheidenden Veränderungen ergeben. Bemerkenswert ist allerdings, dass die meisten Hersteller von Fahrsimulatoren zu Ausbildungszwecken im Lkw-Bereich ihren Schwerpunkt setzen. Mit der Zusammenstellung der didaktischen Konzeptionen wird Neuland betreten. Die Ergebnisse zeigen große Unterschiede auf diesem Gebiet. Es darf erwartet werden, dass in Zukunft hier noch elaboriertere Konzeptionen vorgelegt werden.
77
Mit dem wachsenden Anteil älterer Menschen an der Gesamtbevölkerung in Deutschland nehmen auch immer mehr Personen mit altersbedingten Leistungsminderungen am motorisierten Straßenverkehr teil. Bei verkehrsauffälligen älteren Kraftfahrern mit erheblicher Minderung des psychisch-funktionalen Leistungsvermögens, die sich wegen behördlicher Bedenken hinsichtlich ihrer Kraftfahreignung einer Untersuchung in einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung unterziehen müssen, kommt der Frage nach den individuell vorhandenen Kompensationsvoraussetzungen eine zentrale Bedeutung zu. Hier entstehen für den psychologischen Sachverständigen nicht selten Schwierigkeiten, da es an empirisch abgesicherten Prädiktoren für ausreichendes Kompensationsverhalten mangelt und nicht in jedem Einzelfall Befunde aus einer konkreten Fahrverhaltensbeobachtung zur Verfügung stehen. Die vorliegende Arbeit hat sich daher zum Ziel gesetzt, die Erkenntnisse über die bei älteren Kraftfahrern vorhandenen psychischen Kompensationsstrategien und über die in diesem Zusammenhang relevanten Faktoren zusammenzutragen und zu erweitern. Dazu wurden die amtliche Unfallstatistik und die einschlägige Fachliteratur ausgewertet. In einem weiteren Schritt wurde das in der Obergutachterstelle für das Land Nordrhein-Westfalen bei der psychologischen Eignungsbegutachtung älterer Kraftfahrzeugführer erhobene Datenmaterial (unter anderem Leistungstest-, Fahrtest-, Persönlichkeitstest- und Explorationsbefunde) einer Sekundäranalyse unterzogen. Insgesamt wurden die Untersuchungsdaten von 150 älteren männlichen Kraftfahrern mit psychisch-funktionalen Leistungsdefiziten ausgewertet. Die Ergebnisse zeigen, dass ältere Kraftfahrer durchaus zu einer Kompensation ihrer mit dem Alter einhergehenden Leistungsbeeinträchtigungen imstande sind. Dieser Ausgleich erfolgt in erster Linie durch die Vermeidung ungünstiger Verkehrssituationen und -bedingungen und durch die vorausschauende Anpassung des Fahrverhaltens. Neben der Verkehrserfahrung, einer geringen Risikobereitschaft und einer selbstkritischen Haltung gegenüber eigenen Schwächen und Problemen scheint auch die affektive Struktur der Persönlichkeit von entscheidender Bedeutung für ein angemessenes Kompensationsverhalten zu sein. Die Auswertung der Begutachtungsdaten hat ferner deutlich gemacht, dass es sich bei der Kompensation von Leistungsmängeln offenkundig um einen recht komplexen Prozess handelt, für den sich ein auf wenige Faktoren begrenztes Prognoseschema nicht finden lässt. Insgesamt liefern die Resultate der durchgeführten Sekundäranalyse dem in der Praxis tätigen Gutachter wichtige Hinweise zur Gestaltung der Fahreignungsbegutachtung und zur Absicherung seiner Prognose über die künftige Verkehrsbewährung älterer Kraftfahrer mit Leistungsdefiziten.
51
Auf Autobahnen entfallen ca. 30 Prozent der gesamten Kraftfahrzeugfahrleistung. Die Anzahl der Unfälle und Verunglückten im Straßenverkehr ist dagegen auf Autobahnen vergleichsweise gering. Autobahnen gelten somit, gemessen an der Fahrleistung, als die sichersten Straßen. Denoch verunglücken auf Autobahnen jährlich mehr als 1.000 Verkehrsteilnehmer tödlich. Voraussetzung für gezielte Maßnahmen zur weiteren Verbesserung der Verkehrssicherheit auf Autobahnen sind Kenntnisse über die wesentlichen Gefahrenpotentiale. Im Vordergrund stehen die Unfälle mit Getöteten und Schwerverletzten. Die Bewertung der Unfallfolgen erfolgt anhand der Unfallkosten aller Autobahnunfälle mit Personenschaden. Bei der Strukturanalyse der BAB-Unfälle wird durchgängig zwischen den Alten Ländern (Gebiet der früheren Bundesrepublik) und den Neuen Ländern (fünf neue Bundesländer und Berlin-Ost) unterschieden, da zum einen die Strukturuntersuchung in der zeitlichen Entwicklung nur für das Gebiet der Alten Länder möglich ist, und zum anderen dem (noch) grundlegenden Unterschied hinsichtlich des BAB-Netzes der Alten und Neuen Länder Rechnung zu tragen ist. Auf Basis der Einzeldaten der amtlichen Straßenverkehrsunfallstatistik erfolgt zunächst ein Überblick über wesentliche strukturelle Veränderungen auf den Autobahnen der Alten Länder in den Jahren seit 1985. Danach wird die Unfallstruktur der Alten und der Neuen Länder nach Unfallmerkmalen, nach der Struktur ihrer Verursacher und in ihrer Bedeutung für die Unfallschwere dargestellt. Für sechs ausgewählte Themenbereiche (Baustellen-, Nebel-, Güterkraftfahrzeug-, Ausländer-, Nacht- und Alkoholunfälle) wird die Struktur der schweren BAB-Unfälle gesondert analysiert. Ergänzend werden die in der Sonderuntersuchung "Struktur der Unfälle mit Getöteten auf Autobahnen in Bayern im Jahr 1991" des Büro für Kfz-Technik des HUK-Verbandes festgestellten Schwerpunktthemen in den Kontext der übrigen Bundesländer gestellt. Es kann festgestellt werden, dass die strukturellen Veränderungen im Verkehrsgeschehen auf den Autobahnen ihren Niederschlag in der Unfallstruktur gefunden haben. So ist die Zunahme des Freizeitverkehrs auf den Autobahnen nicht nur von der Unfallhäufigkeit her als Problemgebiet einzustufen; bedenklich ist vor allem, dass der insgesamt festgestellte Rückgang der mittleren Unfallschwere das nächtliche Unfallgeschehen nicht berührt. In diesem Zusammenhang sind auch die Alkoholunfälle, die vorwiegend nachts registriert werden, als besonderes Problemgebiet einzustufen: Im Jahre 1992 war jeder 10. Verkehrstote auf Autobahnen Opfer eines Alkoholunfalls.
21
Fahrerverhaltensbeobachtung im Raum Berlin : Anpassungsprobleme im Rahmen der Deutschen Einheit
(1993)
Durch die Deutsche Einheit und der damit verbundenen Verschmelzung von zwei Verkehrswelten stiegen die Unfallzahlen in den "Neuen Ländern" beängstigend an. Eine Fahrerverhaltensstudie unmittelbar nach Grenzöffnung durchzuführen, war deshalb nicht nur historisch naheliegend. Es war eine "einmalige Chance", Anpassungsprozesse durch konkrete Interaktionsmuster, antizipatorische Aspekte und Geschwindigkeitswahl in verschiedenen Verkehrsräumen zu erheben und auf Verkehrssicherheitsrelevanz hin zu bewerten. Die Versuchsfahrten fanden auf einer standardisierten Strecke in und um Berlin statt. Typische Streckenmerkmale des Ostens und Westens konnten dabei verglichen werden. Das Versuchspersonenkollektiv setzte sich aus drei Gruppen zu je 20 Probanden zusammen: - Fahrer aus den "Alten Bundesländern"; - Fahrer aus den "Neuen Bundesländern", die schon auf ein Westfahrzeug umgestiegen waren (Umsteiger); - Fahrer aus den "Neuen Bundesländern", die noch ein untermotorisiertes Fahrzeug fuhren. Die Versuchspersonen aus dem Westen lagen mit ihrem Verhalten gewissermaßen "zwischen" dem der beiden Gruppen aus dem Osten. Bei der Geschwindigkeitswahl im städtischen Bereich sind keine größeren Mittelwertunterschiede festzustellen. Die Fahrer aus den "Neuen Bundesländern" sind bei ihrer Geschwindigkeitswahl inhomogener. Auf Landstraßen fahren beide Versuchspersonengruppen aus dem Osten schneller. Auf Autobahnen sind die Probanden, die zum Testzeitpunkt privat noch untermotorisiert fuhren, langsamer. Die "Umsteiger" realisieren unabhängig von der Geschwindigkeit eine geringere Zeitlücke (Abstandsverhalten) und sichern weniger nach hinten ab. Die Gruppe, die zum Zeitpunkt der Testfahrten privat noch untermotorisiert fuhr, ist normorientiert und kooperiert weniger mit den anderen Verkehrsteilnehmergruppen. Darüber hinaus ist die Gruppe bei der Geschwindigkeitsauswahl insgesamt inhomogener und situationsunangepasster. Beim Fahren fehlen antizipatorische Aspekte. Die Beeinflussungsbandbreiten durch Verkehrsraumgestaltungselemente sind bei allen annähernd gleich ausgeprägt. Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass durch Kampagnen in den "Neuen Bundesländern" verstärkt auf partnerschaftliches Fahren hingewirkt werden muss. Des weiteren sollten antizipatorisches Fahren, Abstandsverhalten und optimale Absicherungsstrategien (Blickmuster im situativen Kontext) vermittelt werden, um Geschwindigkeitsextreme zu vermeiden. Auch könnte durch eine entsprechende Verkehrsraumgestaltung die Geschwindigkeitswahl positiv beeinflusst werden.
250
Die Untersuchung zum Forschungsprojekt FE 82.0499/2011 "Ausdehnung der Kostentragungspflicht des -§ 25a StVG auf den fließenden Verkehr" befasst sich mit der Thematik einer möglichen Ausdehnung der bislang ausschließlich für den ruhenden Verkehrs geltenden Kostentragungspflicht des -§ 25a StVG auf Verkehrsverstöße im fließenden Verkehr. Dieses Forschungsprojekt hatte die Aufgabenstellung zu erfüllen, aus der Arbeitspraxis der Bußgeldbehörden in den Bundesländern eine für die Ansprüche wissenschaftlicher Auswertungen qualitativ und quantitativ ausreichende Datenmenge zur Bearbeitung digital erfasster Geschwindigkeits-, Rotlicht- und Abstandsverstöße zu erheben. Dieser Gesamtdatenbestand sollte gesammelt, thematisch geordnet und hinsichtlich der einschlägigen Tatbestände sowie der Verfahrenseinstellungen aufbereitet werden. Hauptergebnis der Studie ist: - Bei einer Gesamtanzahl von 10,7 % eingestellter Bußgeldverfahren wird eine Anzahl von 2,5 % Bußgeldverfahren eingestellt, weil bei einem mittels digitaler Messtechnik beweissicher festgestellten Verkehrsverstoß und zweifelsfrei dokumentiertem Kfz-Kennzeichen der Fahrzeugführer trotz mindestens einer Ermittlungsmaßnahme nicht vor Eintritt der Verfolgungsverjährung ermittelt werden konnte.
253
Smartphones sind mittlerweile weiter verbreitet als herkömmliche Mobiltelefone. Ihre vielfältigen Funktionen werden auch beim Fahren genutzt. In zwei Simulatorstudien wurde untersucht, wie sich diese fahrfremden Tätigkeiten auf das sichere Fahren auswirken. Im Fahrsimulator der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) wurde untersucht, ob Fahrer in der Lage sind, die Beschäftigung mit einer fahrfremden Tätigkeit an die Anforderungen anzupassen, die aus unterschiedlichen Verkehrssituationen erwachsen. Hierzu wurde eine visuo-motorische Nebenaufgabe untersucht, ähnlich dem Eingeben einer Telefonnummer. In einer Bedingung musste diese Aufgabe unter Zeitdruck in vorgegebenen Streckenabschnitten bearbeitet werden (Blockbedingung), während die Fahrer in der anderen Bedingung die Möglichkeit hatten, diese Aufgabe nur dann zu bearbeiten, wenn die Verkehrssituation dies ihrer Meinung nach erlaubte (Selbstregulationsbedingung). Zusätzlich wurden Vergleichsdaten zum Fahren ohne Nebenaufgabe erhoben. In kritischen Verkehrssituationen traten in der Blockbedingung unter Ablenkung signifikant mehr Fahrfehler auf. Insbesondere die Spurhaltung war stark beeinträchtigt. Bei der Anzahl der Kollisionen ließen sich dagegen keine Unterschiede nachweisen. Abgelenkte Fahrer fuhren in kritischen Situationen allerdings auch oftmals langsamer (Kompensationsreaktion). Hatten die Fahrer die Möglichkeit zur Selbstregulation, machten sie kaum mehr Fahrfehler als nicht abgelenkte Fahrer. Sie bearbeiteten dabei in den kritischen Situationen weniger Aufgaben. Die Ergebnisse werden unter Berücksichtigung spezifischer Strategien bei der Selbstregulation sowie moderierender Faktoren diskutiert. Im Fahrsimulator des Würzburger Instituts für Verkehrswissenschaften (WIVW GmbH) wurden verschiedene Aufgaben untersucht, die an Smartphones ausgeführt werden können: Verfassen und Lesen von SMS, Eingeben von Telefonnummern sowie der Informationsabruf aus dem Internet. Eine Gruppe bearbeitete diese Aufgaben in einem freien Bedienkontext, d. h. direkt über Eingaben am Smartphone, das in einer Halterung am Armaturenbrett befestigt war. Die andere Gruppe bearbeitete diese Aufgaben in einer integrierten Bedienlösung. Diese ermöglichte die Steuerung über Sprachbefehle und umfasste eine Vorlesefunktion. Weiterhin war die Nutzung des Internets beschränkt. Die Auswirkungen auf das Blick- und Fahrverhalten wurden sowohl in einer standardisierten Folgefahrt (CarFollow-Anordnung) als auch in einem komplexen Prüfparcours untersucht, der vielfältige Szenarien mit unterschiedlichen Anforderungen beinhaltete, mit denen Fahrer typischerweise konfrontiert werden. Es zeigte sich zusammenfassend, dass die Leistung der Fahrer sowohl im Hinblick auf die Längs- und die Querregelung als auch in Bezug auf das Auftreten von Fahrfehlern besonders stark beeinträchtigt ist, wenn Aufgaben am Smartphone ausgeführt werden, die hohe visuell-motorische Anforderungen an den Fahrer stellen, wie beim Lesen und beim Eingeben von längeren Texten. Daher sind das Verfassen von Kurznachrichten und E-Mails sowie anspruchsvolle Internetaktivitäten, wie z. B. das Lesen auf Mobilseiten von Nachrichtenanbietern und Zeitungen während der Fahrt als eher kritisch zu betrachten. Insgesamt schneiden diese Aufgaben, werden sie mittels einer integrierten Bedienlösung ausgeführt, im Hinblick auf das verursachte Ausmaß der Beeinträchtigung besser ab. So ist die Ablenkung beim Verfassen von Textnachrichten mittels Spracherkennung und bei Nutzung der Vorlesefunktion für eingehende Textnachrichten deutlich reduziert. In der Folge kann die Spurhaltung besser aufrechterhalten werden und es treten weniger Fehler beim Fahren auf. Die Fahrer standen einer Kopplung ihres Smartphones an das fahrzeuginterne Informationssystem und den damit verbundenen Möglichkeiten und Einschränkungen positiv gegenüber. Trotz zum Teil feststellbarer Leistungsbeeinträchtigungen waren keine gravierenden Auswirkungen der Smartphonebenutzung auf die Fahrsicherheit feststellbar. Die Anzahl kritischer Situationen (u. a. Gefährdungen anderer Verkehrsteilnehmer, Kollisionen) stieg aufgrund der Benutzung des Smartphones nicht bedeutsam an. Dies lässt sich unter anderem auf erhöhte Kompensationsbemühungen der Fahrer zurückführen, die sich in größeren Abständen oder geringeren Geschwindigkeiten während der Ausführung dieser Aufgaben zeigten. In besonders zeitkritischen Situationen verzichtete ein bedeutsamer Teil der Fahrer komplett auf die Bearbeitung der Aufgaben. So wurde auch in dieser Studie deutlich, dass die Interaktion mit Nebenaufgaben an die Anforderungen der jeweiligen Fahrsituationen angepasst wird.
249
Für die Gruppe der 18- bis 24-Jährigen besteht auch weiterhin das höchste Risiko, bei einem Verkehrsunfall verletzt oder getötet zu werden. Diese Tatsache begründet die Notwendigkeit, sich auch in Zukunft intensiv der Verbesserung der Verkehrssicherheit dieser Altersgruppe zu widmen. Verschiedene Formen der Ansprache sind dabei ein zielführender Weg, junge Fahrerinnen und Fahrer im Hinblick auf die Gefahren im Straßenverkehr zu sensibilisieren und somit auch längerfristig ihre Einstellungen und Verhaltensweisen zu verändern. Die vorliegende Studie knüpft unmittelbar an die JUFA-Studie der BASt aus dem Jahr 2012 an, aus der umfassende Beschreibungen mehr oder weniger gefährdeter Lebensgruppen junger Fahrerinnen und Fahrer hervorgingen. Mit der Fortsetzung der JUFA-Studie wurden drei zentrale Ziele verfolgt: (1) eine stärkere Differenzierung der Lebensstilgruppen durch die Hinzunahme von Werthaltungen, (2) eine differenzierte Charakterisierung der Mediennutzung als Grundlage für die Entwicklung zielgruppenspezifischer Anspracheformen und (3) die Untersuchung des Zusammenhangs zwischen Persönlichkeitsmerkmalen, Lebensstilen, verkehrssicherheitsrelevanten Erwartungen und verschiedenen Formen der Mediennutzung. Um diese Ziele zu erreichen, wurde eine Repräsentativbefragung (N = 1.995) in der Zielgruppe der 15- bis 24-Jährigen durchgeführt. Die Erweiterung der Lebensstildefinition um die Werthaltungen führte zur Identifikation von neun Lebensstilgruppen, die sich hinsichtlich der Gefährdung im Straßenverkehr deutlich voneinander unterscheiden. Durch die Ausdifferenzierung der Lebensstilgruppen kristallisierten sich zwei unterschiedliche autozentrierte Typen heraus. Die höchste Unfallgefährdung besteht für den "autozentrierten Typ A", der große Ähnlichkeit mit dem gleichnamigen Lebensstiltyp aus der JUFA-Studie besitzt. Abgesehen von den klassischen Medien, die unterhaltsam über Autothemen berichten, sind Personen dieser Lebensstilgruppe prinzipiell sehr gut über Mobiltelefone, App-Anwendungen oder soziale Netzwerke erreichbar. Ihr relativ geringes Interesse an Verkehrssicherheit macht es jedoch erforderlich, sich in der Risikokommunikation einer angemessenen Strategie und "Verpackung" zu bedienen, um diese Zielgruppe erreichen zu können. Die Prüfung des theoretischen Modells dieser Studie im Rahmen von Pfadanalysen ergab eine sehr gute Anpassung an die empirischen Daten für alle Lebensstilgruppen und beide Geschlechter. Diese Ergebnisse stützen damit erneut die im JUFA-Projekt entwickelten theoretischen Grundlagen und empfehlen ihre Anwendung in der zukünftigen Forschung und bei Umsetzung von Maßnahmen im Bereich der Risikokommunikation. Für eine solche Umsetzung, in der zielgruppenspezifische strategische und inhaltliche Aspekte zu berücksichtigen sind, bietet der hohe Differenzierungsgrad der Beschreibungen der neun Lebensstilgruppen eine breite empirische Grundlage.
251
Im Straßenverkehr stellen Fahrten unter Alkoholeinfluss nach wie vor ein ernstes Verkehrssicherheitsproblem dar. Internationale Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass die Nutzung von atemalkoholgesteuerten Wegfahrsperren (Alkohol-Interlocks, AII) in Kombination mit rehabilitativen Maßnahmen zu einer deutlichen Reduktion des Rückfälligkeitsrisikos von Trunkenheitsfahrern beiträgt. Da in Deutschland noch keine entfalteten Konzepte für entsprechende Maßnahmenansätze existieren, bestand ein wesentliches Projektziel in der Ausarbeitung eines umfassenden Programmkonzepts zur Etablierung eines bundesweit flächendeckenden Einsatzes von AII in Deutschland. Insbesondere sollte überprüft werden, ob die Anwendung eines Programms "Alkohol-Interlock in Kombination mit einer Rehabilitationsmaßnahme" für Trunkenheitsfahrer in Deutschland praktikabel ist und inwiefern ein solches Programm zur Erhöhung der Sicherheitswirksamkeit des bisherigen Maßnahmensystems beitragen könnte. Dazu wurden Kriterien für die Gruppe der Alkoholfahrer, die für ein AII-Programm in Frage kommen, definiert und eine Rehabilitationsmaßnahme erarbeitet, die auch die Erfahrungen mit der Trink-Fahr-Realität des einzelnen Trunkenheitsfahrers, wie sie sich im Datenspeicher der Wegfahrsperre widerspiegelt, thematisiert. Darüber hinaus wurden konkrete Anwendungsempfehlungen erarbeitet, die sich auf die Qualitätssicherung (u. a. bezüglich des Datenschutzes sowie dem Schutz vor Manipulationen), beteiligte Institutionen (Werkstätten, Service-Stellen, Träger von Rehabilitationsmaßnahmen), Ablaufprozesse und die Gruppe möglicher Teilnehmer beziehen. Insgesamt ist festzustellen, dass die Einführung von AII plus einer begleitenden Rehabilitationsmaßnahme das bisherige Maßnahmenspektrum des Deutschen Fahrerlaubnissystems sinnvoll ergänzen kann. Allerdings bedarf es für die Einführung eines AII-Programms in Deutschland einer entsprechenden gesetzlichen Grundlage.
248
Immer mehr Ältere nehmen als Fahrer am Straßenverkehr teil. Mit zunehmendem Alter zeigen sich jedoch spezifische Veränderungen sensorischer, motorischer und kognitiver Funktionen, die auch für das Autofahren relevant sind. Andererseits fahren viele Ältere unauffällig, da sie Kompensationsmechanismen aktivieren. Hieraus ergibt sich die Frage, ob durch ältere Kraftfahrer besondere Risiken zu erwarten sind und ob diesen Risiken durch Interventionen begegnet werden kann. Auf Basis einer Literaturrecherche werden in diesem Band Interventionsmaßnahmen zur Absenkung des Unfallrisikos bzw. zur Verbesserung der Fahrkompetenz älterer Kraftfahrer zusammengestellt. Maßnahmen können auf mehreren Ebenen zum Tragen kommen, nämlich a) Gestaltung der Verkehrsumwelt, b) Gestaltung der Fahrzeugtechnik, c) Schulungen auf allgemeiner Ebene und d) Trainings auf individueller Ebene. Letzteres ist Schwerpunkt der vorliegenden Arbeit. In Kapitel 2 werden zunächst altersbegleitende fahrrelevante Funktionsveränderungen und Kompensationsmechanismen erörtert und die Frage nach sensorischen und kognitiven Tests zur Prädiktion der Fahrtüchtigkeit diskutiert. Hier wird vorgeschlagen, ganzheitliche Screeningtests einzusetzen, die ggf. von einer Fahrprobe und dann ggf. von Interventionsmaßnahmen gefolgt sein sollten. Im zentralen Kapitel 3 werden Interventionsmaßnahmen anhand kontrollierter Studien vorgestellt und kritisch diskutiert. Die Gestaltung der Verkehrsumwelt erscheint v. a. für kritische Situationen wichtig, bei denen Ältere Schwierigkeiten haben. Hier ist v. a. die mangelhafte Gestaltung der Verkehrsführung beim Linksabbiegen an komplexen Kreuzungen zu bemängeln. Hier besteht Erneuerungsbedarf bei besonders kritischen Kreuzungen. Die Gestaltung der Fahrzeugtechnik, insbesondere der Einsatz von Fahrerassistenzsystemen (FAS), könnte v. a. bei kritischen Fahrsituationen hilfreich sein. FAS sind allerdings teuer und ihr Nutzen ist oft fraglich. Als besonderes sinnvoll erscheinen (noch in der Entwicklung befindliche) Kreuzungsassistenten, die den Fahrer beim Linksabbiegen unterstützen. Zu wenig Aufmerksamkeit wird auf kleine Systeme gelegt, wie drehbare Sitzauflagen, welche verstärkt eingesetzt werden sollten. Zu personenbezogenen Interventionen finden sich nur wenige kontrollierte Studien. Vereinzelt werden Studien zu Schulungen berichtet, die das Fahrerverhalten beeinflussen können, aber insgesamt wenig wirkungsvoll für die Vermeidung von Unfällen sind. Kontrollierte Studien zu praktischen Fahrtrainings im Realverkehr und im Simulator sind extrem selten. Als wesentliche Realverkehr-Trainingsstudie zeigt sich die Dortmunder Fahrtrainingsstudie (POSCHADEL et al., 2012a). Hier konnte gezeigt werden, dass sich im Kontrollgruppenvergleich ältere Fahrer durch ein spezielles Fahrtraining im Realverkehr in ihrer Fahrleistung bedeutsam steigern konnten, was vor allem den schwächeren Fahrern zu Gute kam. Simulator-Trainings erbringen v. a. Verbesserungen einzelner fahrrelevanter Handlungsstränge. Funktionszentrierte Trainings, welche fahrrelevante Funktionen direkt trainieren, werden am häufigsten genannt, stammen jedoch hauptsächlich aus einer Arbeitsgruppe und beinhalten i. W. das "UFOV-®-Training". Dies erbringt deutliche Verbesserungen der Fahrkompetenz und eine längere Aufrechterhaltung der Mobilität älterer Fahrer. Angesichts der dürftigen Studienlage besteht jedoch erheblicher Nachholbedarf für weiterführende Forschung zur Effektivität anderer und kombinierter Funktionstrainings. Zur Einbeziehung der Betroffenen wurde eine Fokusgruppe älterer Fahrer zu ihrer Einschätzung eigener Fahrprobleme sowie von Interventionsmaßnahmen befragt. Alle Teilnehmer hatten Erfahrung mit einem Fahrtraining im Realverkehr. Komplexe Assistenzsysteme wurden eher negativ, einfache Hilfsmittel hingegen positiv eingeschätzt. Bei der Verkehrsgestaltung wurde v. a. eine Reduktion der Informationsflut angemahnt. Die Älteren bemerkten sehr wohl eine Verschlechterung ihres Sehens bei Dunkelheit und Regen. Ein Großteil sprach sich für die Einführung eines jährlichen verpflichtenden Sehtests aus; eine regelmäßige Überprüfung der Fahreignung wird jedoch weitgehend abgelehnt. Alle Teilnehmer befürworten praktische Trainingsmaßnahmen, haben allerdings Bedenken wegen der Kosten. Insgesamt zeigen v. a. die praktischen individualzentrierten Fahrtrainings gute langfristige Effekte auf die Fahrkompetenz Älterer. Der Nutzen von Fahrtrainings im Realverkehr ist relativ klar: bei der Dortmunder Fahrtrainingsstudie zeigt sich vor allem für die in der Eingangsmessung schlechter bewerteten Fahrer ein deutlicher Gewinn. Die wenigen Studien zu Simulator- und Funktionstrainings zeigen positive und z. T. nachhaltige Effekte auf Fahren und Mobilität Älterer. Hier sind dringend weitere Forschungsanstrengungen nötig, um den Nutzen zu erhärten, wobei v. a. Low-cost-Technik eingesetzt werden sollte.
247
Nach der amtlichen Unfallstatistik haben Motorradfahrerinnen und -fahrer ein großes Risiko, im Straßenverkehr verletzt oder getötet zu werden. Besonders junge Fahrer und Fahrerinnen sind in den Unfallzahlen, gemessen an der Bevölkerungszahl dieser Altersgruppe, überrepräsentiert. Allerdings hat in den letzten Jahrzehnten die Zahl verunglückter älterer Motorradfahrer und -fahrerinnen rapide zugenommen. Die Gruppe der 55- bis 65-Jährigen hat sogar gemessen an der Bevölkerungszahl das größte Risiko, bei einem Motorradunfall getötet zu werden. In der vorliegenden Studie wurden die psychologischen Aspekte, die mit der Verkehrssicherheit beim Motorradfahren im Zusammenhang stehen, untersucht. Zu diesem Zweck wurden eine Literaturanalyse und eine Repräsentativbefragung von 1.039 Motorradfahrerinnen und -fahrern durchgeführt. Die Unfallprävalenz ist für die Altersgruppe zwischen 18 und 24 Jahren mit 17 % erwartungsgemäß am höchsten (Gesamtgruppe: 10 %). Zwei auf unterschiedlichen Konzepten basierende Clusteranalysen ergaben vier Lebensstil- und fünf Persönlichkeitsgruppen als Subgruppen aller Befragten. Jeweils eine dieser Subgruppen hat die deutlich höchste Unfallgefährdung: Lebensstilcluster 1 (15 %) und Persönlichkeitstyp 3 (23 %). Für beide Gruppen zeigen sich riskante Einstellungen zum Motorradfahren und riskante Fahrverhaltensweisen. In Persönlichkeitstyp 3 wird auch häufig von Eintragungen im Verkehrszentralregister (VZR) und der Beteiligung an einem Pkw-Unfall berichtet. Die Kombination beider Gruppen ermöglicht durch eine weitere Ausdifferenzierung der Merkmalskombinationen die Identifikation einer Hochrisikogruppe (28 % Unfallbeteiligung). Als stärkste Prädiktoren der Unfallbeteiligung erweisen sich im angenommenen Modell die verhaltensbezogene Komponente der Einstellung zu Geschwindigkeit und die Anzahl der Eintragungen für Motorradverstöße im VZR. Aus den Ergebnissen von Literaturanalyse und Befragung konnten folgende Handlungsempfehlungen abgeleitet werden: - Da die jungen Fahrer und Fahrerinnen im Alter zwischen 18 und 24 Jahren, wie bei den Pkw-Fahrerinnen und -Fahrern, in der Unfallbeteiligung überrepräsentiert sind, sollten Maßnahmen äquivalent zu denen für junge Pkw-Fahrer und -Fahrerinnen geprüft werden. - Für die Hochrisikogruppen der beiden Clusteranalysen sollten maßgeschneiderte Inhalte entwickelt und in zielgruppenorientierten Medien (z. B. Motorrad- oder Motorsportzeitschriften) platziert werden. - Die Maßnahmen für Motorradfahrerinnen und -fahrer sollten sich nicht nur auf die Verkehrssicherheit beim Motorradfahren beziehen, sondern insgesamt regelkonformes und rücksichtsvolles Verhalten im Straßenverkehr thematisieren. - Andere Verkehrsteilnehmer sollten auf die spezifischen Gefährdungen von und durch Motorradfahrer und -fahrerinnen (z. B. hohe Geschwindigkeiten, Gefahr, Zweiradfahrer zu übersehen) aufmerksam gemacht werden. - Verstärken der polizeilichen Überwachung insbesondere im Hinblick auf Geschwindigkeitsverstöße. - Verbesserung der Fahrerkompetenz besonders im Hinblick auf Gefahrenwahrnehmung und entsprechende Reaktionsfähigkeit in der Fahrausbildung oder in entsprechenden Fahrsicherheitstrainings unter der Voraussetzung der Evaluation bestehender Trainingsangebote und der Entwicklung eines Trainingscurriculums. - Weiterentwicklung, Implementierung und Evaluation von Fahrerassistenzsystemen für Motorräder. - Förderung des Tragens von Sicherheitskleidung (z. B. in Kampagnen) zur Vermeidung und Reduktion schwerer Verletzungen. - Konsequente Umsetzung von Empfehlungen zur Optimierung der Verkehrsinfrastruktur zur Vermeidung von Unfällen und Reduktion der Unfallschwere.
245
In der vorliegenden Multicenterstudie wurde eine prospektive Befragung von Verkehrsunfallopfern, die sich zur stationären Behandlung in einem Akutkrankenhaus befanden, durchgeführt. Ziel der Untersuchung war es insbesondere, Informationen zur Häufigkeit psychischer Auffälligkeiten infolge von Verkehrsunfällen zu gewinnen und Faktoren zu eruieren, die die Entwicklung psychischer Beschwerden im Sinne von Schutz- oder Risikofaktoren beeinflussen. Die Befragung der Verunfallten erfolgte zu drei Messzeitpunkten: Beginn der stationären Behandlung (T1, n=226), bei Entlassung aus der Klinik (T2, n=20) und sechs bis zwölf Monate nach dem Unfall (T3, n=189; T1+T3, n=160). Die Datenerhebung erfolgte mittels Interview, Fragebogen und Auszügen aus der Patientenakte. Prävalenz psychischer Auffälligkeiten: In der untersuchten Stichprobe ergibt sich eine Auffälligkeitsrate von etwa 25%: Jedes vierte Unfallopfer leidet unter ernstzunehmenden psychischen Beschwerden (Angst oder Depression oder PTBS). Bei dem Großteil der Betroffenen sind die psychischen Symptome persistierend. Patientinnen und Patienten mit psychischen Vorbelastungen sind besonders häufig betroffen. Risiko- und Schutzfaktoren: Hinsichtlich der untersuchten prätraumatischen Faktoren (allgemeinen Zufriedenheit, aktuellen und vorangegangenen Belastungen; Kompetenz- und Kontrollüberzeugungen; soziale Unterstützung) scheint der Großteil der Patientinnen und Patienten gute Voraussetzungen mitzubringen, um den erlebten Verkehrsunfall psychisch gut zu bewältigen. Ein jeweils kleinerer Anteil erlangt in den angewandten Testverfahren jedoch auffällige Werte. Diese Unfallopfer sind als Risikopatientinnen und -patienten anzusehen, d.h. die Wahrscheinlichkeit, infolge des Unfalls psychisch zu erkranken, ist bei ihnen erhöht. Als besonders bedeutsam scheinen hierbei aktuelle und frühere Belastungen, geringe internale und hohe externale Kontrollüberzeugungen sowie eine Abnahme der erlebten sozialen Unterstützung im Laufe des Jahres nach dem Unfall zu sein. Als peritraumatische Faktoren wurden die Rahmenbedingungen des Unfalls und das Erleben des Unfallgeschehens sowie peritraumatische Dissoziation und Belastung erhoben. In der Zusammenschau der Ergebnisse kristallisiert sich ein Befund als wesentlich heraus, dem in vorherigen Untersuchungen noch kaum Aufmerksamkeit geschenkt wurde: Das Erleben von Hilflosigkeit während des Unfallgeschehens scheint bei der Entwicklung psychischer Auffälligkeiten eine zentrale Rolle zu spielen. Als posttraumatische Faktoren wurden u.a. Informationen zur Initialsymptomatik, der Verletzungsschwere, dem Behandlungsverlauf sowie der Krankheitsverarbeitung untersucht. In Einklang mit früheren Studien leiden Verunglückte mit einer auffälligen Initialsymptomatik (T1) ein Jahr nach dem Unfall (T3) signifikant häufiger unter ernstzunehmenden psychischen Beschwerden als Unfallofer, die zu T1 einen unauffälligen psychischen Befund haben. Die Verletzungsschwere, die Lokalisation der Verletzung und Behandlungsparameter scheinen im Hinblick auf die Entwicklung psychischer Auffälligkeiten hingegen keine Rolle zu spielen. Hinsichtlich der individuellen Krankheitsverarbeitung scheint ein depressiver Copingstil eher mit psychischen Beschwerden assoziiert zu sein als ein aktives problemorientieres Coping bzw. eine Krankheitsverarbeitung im Sinne von Ablenkung und Selbstaufbau. Vorhersage psychischer Auffälligkeiten: Es wurde eine binäre logistische Regression zur Vorhersage psychischer Auffälligkeiten (T3) durchgeführt. Drei der 12 Prädiktoren erweisen sich als signifikant: psychische Auffälligkeit zu T1, Verschlechterung der erlebten sozialen Unterstützung innerhalb des Follow-up-Zeitraums und psychische Vorbelastung (Psychotherapie innerhalb der letzten zwei Jahre oder psychische Vorerkrankung). Als Fazit kann aus den Studienergebnissen gezogen werden: - Ernstzunehmende psychische Beschwerden infolge von schweren Straßenverkehrsunfällen sind häufig. Es können Risikofaktoren benannt werden, die die Wahrscheinlichkeit erhöhen, infolge eines Unfalls psychisch zu erkranken: Vorliegen einer psychischen Initialsymptomatik, Erleben einer Verschlechterung der sozialen Unterstützung in den Monaten nach dem Unfall und/oder Bestehen einer psychischen Vorbelastung. - Die Relevanz weiterer Risikofaktoren (z.B. Hilflosigkeitsgefühle während des Unfallgeschehens) bedarf vertiefender Untersuchungen. Hieraus leitet sich ein Handlungsbedarf auf unterschiedlichen Ebenen ab. Zum Einen stehen die behandelnden Krankenhäuser in der Verantwortung, gefährdete Patientinnen und Patienten frühzeitig zu identifizieren und geeignete (präventive) Maßnahmen anzubieten. Zum Anderen besteht die Aufgabe im Rahmen der Verkehrssicherheitsarbeit die Thematik weiter publik zu machen und vertiefende Forschung zu unterstützen.
234b
Learner drivers are readied for their participation in motorised transport within the framework of specific, internationally-diverse preparation systems. These systems are historically developed and are characterised by country-specific economic, infrastructural, legal and cultural circumstances. With the aid of functionally-distinguishable teaching and learning methods as well as testing methods, a conceptual framework was created whilst drawing upon research-methodological approaches of comparative political science as well as teaching and learning principles that facilitated a description and analysis of the systems for a comparative observation to be performed. The systems for the preparation of learner drivers in 44 countries are illustrated in the report. The descriptions are based upon surveys of experts from various institutions (ministries of transport, driving instructor associations, testing organisations) as well as upon literary and Internet research. Alongside European countries with a traditional formal driver training, \"Graduated Driver Licensing\" systems that are primarily encountered in English-speaking countries were also taken into account when selecting the countries. They are characterised by the guarantee of gaining comprehensive driving experience under reduced risk conditions in the form of supervised driving prior to the start of independent driving as well as protective special rules for learner drivers whilst gaining further driving experience during the initial phase of independent driving. The results enable a detailed insight into the country-specific structure of learner driver preparation with the components of the formal driver training in driving schools, informal teaching and learning methods such as supervised driving, the driving tests that must be successfully completed as well as legal frameworks and quality assurance measures. The functionality of system components and architectures shall be discussed against the backdrop of evaluation findings regarding the effectiveness in terms of safety.
244
Die Fahranfängervorbereitung in Deutschland erstreckt sich von der schulischen Verkehrserziehung, über die Fahrschulausbildung, das Begleitete Fahren und das erste Alleinefahren. Zur Unterstützung einer intensiven Nutzung und abwechslungsreichen Ausgestaltung dieses Lernprozesses bietet sich die elektronische Sicherheitskommunikation via Internet und Mobiltelefonie an. Beide Medien werden von Jugendlichen und jungen Erwachsenen intensiv genutzt und auch Eltern, Lehrer und Fahrlehrer sind darüber gut erreichbar. Die elektronische Sicherheitskommunikation im Rahmen der Fahranfängervorbereitung wird insbesondere dann erfolgreich sein, wenn die breite Zielgruppenöffentlichkeit möglichst "personalisiert" angesprochen wird und die Zielgruppenmitglieder auch die Möglichkeit haben, in einen Austausch einzutreten (Partizipation, Interaktivität). Hierzu bietet das Web 2.0 vielfältige Möglichkeiten. Dabei können Strategien aus dem Sozialmarketing ("Social Marketing") zur stärkeren Bindung der Zielgruppen an die Verkehrssicherheitsanliegen im Kontext der Fahranfängervorbereitung aufgegriffen werden und in den sozialen Medien ("Social Media") des Internets und der Mobiltelefonie zum Einsatz kommen ("Social Media Marketing"). Im Bericht werden kommunikationswissenschaftliche Grundlagen und psychologische Faktoren der Sicherheitskommunikation erläutert. Ein Überblick über entsprechende Kommunikationsstrategien in der Gesundheitsförderung wird gegeben und auch Anspracheformen von Fahranfängern via Internet in Deutschland sowie einschlägige Angebote aus GDL-Ländern werden vorgestellt. Als Defizite lassen sich in Deutschland vor allem die Behandlung des Anfängerrisikos in den Kontexten Familie, Schule und erstes selbstständiges Fahren sowie generell die Elternansprache ausmachen. Ein Rahmenkonzept und konkrete Handlungsfelder für die zukünftige Nutzung der elektronischen Sicherheitskommunikation in der Fahranfängervorbereitung werden vorgestellt.
115(2014)
Die Begutachtungsleitlinien sind eine Zusammenstellung eignungsausschließender oder eignungseinschränkender körperlicher und/oder geistiger Mängel und sollen die Begutachtung der Kraftfahreignung im Einzelfall erleichtern. Sie dienen als Nachschlagewerk für Begutachtende, die Fahrerlaubnisbewerber oder -inhaber in Bezug auf ihre Kraftfahreignung beurteilen. In der 6. Auflage im Jahr 2000 wurden die Begutachtungsleitlinien "Krankheit und Kraftverkehr" (5. Auflage 1996) und das "Psychologische Gutachten Kraftfahreignung" von 1995 zusammengeführt. Für die weitere Überarbeitung wurden unter der Federführung der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) und unter Beteiligung der jeweiligen Fachgesellschaften Expertengruppen einberufen, die die Leitlinien kapitelweise überarbeiten. Die überarbeiteten Leitlinien werden nach Zustimmung des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur online veröffentlicht. Im allgemeinen Teil der Leitlinien werden grundsätzliche Beurteilungshinweise, Auswahl und rechtliche Stellung der Begutachtenden sowie die Anforderungen an die psychische Leistungsfähigkeit und die Möglichkeiten der Kompensation von Mängeln dargelegt. Im speziellen Teil werden in einzelnen Kapiteln körperliche und geistige Krankheiten und Mängel behandelt, die längerfristige Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit beim Führen eines Kraftfahrzeugs haben, und somit die Sicherheit im Straßenverkehr gefährden können.
243
Die Praktische Fahrerlaubnisprüfung besitzt im Gesamtsystem der Fahranfängervorbereitung eine besondere Bedeutung für die Erhöhung der Verkehrssicherheit: Einerseits stellen die Prüfungsinhalte, Bewertungskriterien und Prüfungsergebnisse wichtige Orientierungspunkte für die Ausrichtung der Fahrschulausbildung und der individuellen Lernprozesse der Fahranfänger dar (Steuerungsfunktion). Andererseits dient sie dazu, nur Fahranfänger mit ausreichender Fahrkompetenz zur motorisierten Teilnahme am Straßenverkehr zuzulassen (Selektionsfunktion). Das Ziel des vorliegenden Projekts besteht darin, ein wissenschaftlich begründetes Modell für eine künftige optimierte Praktische Fahrerlaubnisprüfung sowie ein inhaltliches und methodisches (Betriebs-)Konzept für ihre kontinuierliche Pflege, Qualitätssicherung und Weiterentwicklung zu erarbeiten. Weiterhin sollen die institutionellen Strukturen des Prüfungssystems sowie die Prüfungsverfahren und Prüfungsabläufe einschließlich der notwendigen Anforderungs-, Bewertungs-, Dokumentations- und Evaluationsstandards in dem "Handbuch zum Fahrerlaubnisprüfungssystem (Praxis)" beschrieben werden. Zur Erreichung der Ziele werden zunächst ausgewählte verkehrspsychologische Fahrkompetenzmodelle sowie die Inhalte von Ausbildungs- und Prüfungsunterlagen analysiert. Darauf aufbauend werden Möglichkeiten zur Modellierung und Messung von Fahrkompetenz erörtert sowie ein Fahrkompetenzmodell zur theoretischen Bestimmung der Prüfungsinhalte skizziert. Auf dieser Grundlage werden dann die Anforderungsstandards der optimierten Praktischen Fahrerlaubnisprüfung aus handlungstheoretischen Anforderungsanalysen der Kraftfahrzeugführung hergeleitet und als personenbezogene Mindeststandards für Fahrerlaubnisbewerber definiert. Dabei werden - neben dem verkehrspädagogischen und testpsychologischen Erkenntnisstand - auch fahrerlaubnisrechtliche Vorgaben, internationale Trends bei der Weiterentwicklung der Prüfungsstandards sowie fahranfängerspezifische Unfallursachen und Kompetenzdefizite berücksichtigt. Im Ergebnis des Projektes wird - zusätzlich zur theoretisch-methodischen Begründung der optimierten Praktischen Fahrerlaubnisprüfung und zu einem Entwurf für das Prüfungshandbuch - ein "Fahraufgabenkatalog (Fahrerlaubnisklasse B)" vorgelegt, in dem die Anforderungsstandards der Prüfung im Sinne von situationsbezogenen Fahraufgaben und situationsübergreifenden Beobachtungskategorien beschrieben sowie darauf bezogene Kriterien für eine ereignisorientierte Leistungsbewertung und eine zusammenfassende Kompetenzbeurteilung festgelegt sind. Darüber hinaus werden Kriterien für das Treffen der Prüfungsentscheidung definiert. Diese Optimierungsarbeiten fließen schließlich in die Weiterentwicklung der adaptiven Steuerungskonzeption der Praktischen Fahrerlaubnisprüfung ein. Zur Umsetzung der weiterentwickelten Anforderungs-, Bewertungs- und Dokumentationsstandards der optimierten Praktischen Fahrerlaubnisprüfung wird ein inhaltliches und methodisches Konzept für ein elektronisches Prüfprotokoll (e-Prüfprotokoll) einschließlich eines hard- und softwareergonomisch begründeten Gestaltungsvorschlags vorgestellt. Durch die computergestützte Dokumentation der Prüfungsleistungen soll der Fahrerlaubnisprüfer künftig bei der Planung des Prüfungsablaufs und bei der Bewertung des Fahrverhaltens der Fahrerlaubnisbewerber unterstützt werden. Darüber hinaus werden eine Optimierung der Leistungsrückmeldung an die Bewerber und eine Verbesserung der Möglichkeiten für die wissenschaftliche Evaluation der optimierten Praktischen Fahrerlaubnisprüfung erwartet. Für die Prüfungsevaluation wird ein grundlegendes Modell beschrieben, das - neben der Kontrolle der psychometrischen Gütekriterien im Rahmen einer instrumentellen Evaluation - die Auswertung von Prüfungsergebnissen, von Produktaudits sowie von Bewerber- und Fahrlehrerbefragungen beinhaltet. Schließlich wird der mögliche Einfluss von Fahrerassistenz- und Unfallvermeidungssystemen auf die Prüfungsdurchführung und die Bewertung der Prüfungsleistungen diskutiert.
241
Aus einer aktuellen BASt-Studie ("Legalbewährung nach Neuerteilung der Fahrerlaubnis") geht hervor, dass eine Fahrerlaubnisentziehung bei mehrfach verkehrsauffälligen Fahrern nicht unbedingt zur Verhaltensänderung führt: Personen, denen der Führerschein wegen Überschreitens der Punktegrenze entzogen wurde, bergen ein doppelt so hohes Risiko, schuldhaft einen Unfall zu verursachen, wie Personen, deren Fahrerlaubnis wegen Alkohol- oder Drogenkonsums entzogen wurde. Eine Interventionsmaßnahme im Rahmen des Punktsystems stellt ein Hilfsangebot dar, das Fahrerlaubnisinhabern die Möglichkeit gibt, ihr riskantes Fahrverhalten mit professioneller Unterstützung langfristig zu verändern, um zukünftig regelkonform am Straßenverkehr teilzunehmen. Eine Interventionsmaßnahme kann damit einen wichtigen Beitrag zur Reduktion des Unfallrisikos von mehrfach verkehrsauffälligen Fahrern und damit zur Erhöhung der Verkehrssicherheit leisten. Für die bisherigen Aufbauseminare für Punkteauffällige (ASP) konnte kein Wirksamkeitsnachweis erbracht werden. Aus wissenschaftlicher Sicht wurde der den Aufbauseminaren zugrunde liegende Moderationsansatz kritisch hinterfragt. So geht aus einem Gutachten über die Qualität der Aufbauseminare hervor, dass Zweifel bestehen, dass das Ziel der Einstellungsänderung verkehrsauffälliger Fahrer mit dem zugrundeliegenden Ansatz erreicht werden kann. Vor diesem Hintergrund wurde die BASt im Rahmen der Reform des Verkehrszentralregisters vom Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) im Juni 2012 beauftragt, die Grundlagen für ein wissenschaftlich begründetes Konzept für eine neue, wirksame Interventionsmaßnahme (Fahreignungsseminar, FES) für Punkteauffällige vorzulegen. Die Grundlagen zum Fahreignungsseminar wurden in drei Forschungsprojekten erarbeitet. Diese werden im vorliegenden Bericht dargestellt. Teil 1: Optimierung der Interventionsmaßnahmen im Rahmen der Reform des Mehrfachtäter-Punktsystems. Teil 2: Konzeption einer edukativen Teilmaßnahme der Fahreignungsseminare für verkehrsauffällige Kraftfahrer. Teil 3: Entwicklung eines Rahmenlehrplans für den edukativen Teil des im Rahmen der Reform des Punktsystems geplanten Fahreignungsseminars.
242
Die Bewertung von Projekten im Rahmen von Kosten-Nutzen-Analysen erfordert quantitative Input-Informationen zu den Kosten von Verkehrsunfällen. In der deutschen Bewertungspraxis werden bislang ausschließlich die mittel- und unmittelbar anfallenden monetären Folgen von Verkehrsunfällen quantitativ berücksichtigt, während die immateriellen Folgen wie Schmerz, Leid, Verlust an Lebensqualität bzw. die Zahlungsbereitschaft der Bevölkerung zur Verringerung/Vermeidung dieser Folgen unberücksichtigt bleiben. Die hier vorgelegte Vorstudie fasst den heutigen Stand der Forschung zur Quantifizierung von Zahlungsbereitschaften für die Verkehrssicherheit durch eine umfassende und systematische Übersicht der wissenschaftlichen Literatur zusammen. Die fünf Verfahren hedonische Preisbildung, kontingente Bewertungsmethode, Risiko-Risiko-Analyse, Standardlotteriemethode und Stated-Choice (SC) werden hinsichtlich ihrer theoretischen Fundierung, der verwendeten methodischen Ansätze (Art der Befragung, Modellierung etc.) und den Anwendungserfahrungen untersucht. Unter den verfügbaren Verfahren stellen die SC-Methoden den heutigen State-of-the-Art in der Forschung zur Ermittlung der Zahlungsbereitschaft der Bevölkerung für nicht marktfähige Güter dar. Allerdings liegen die meisten Anwendungserfahrungen mit SC-Ansätzen bislang für die Bewertung der Reisezeit und der Zuverlässigkeit vor. Zusammenfassend ist festzustellen, dass im Laufe der letzten Jahre eine Lücke zwischen dem Stand der Forschung (SC-Methoden) und dem Stand der Praxis (andere Methoden) entstanden ist, die mit Anwendungserfahrungen gefüllt werden sollte. Insbesondere für Deutschland liegt ein wesentlicher Forschungsbedarf vor. Basierend auf diesem Überblick werden daher Vorschläge für die weitere Forschung entwickelt.
240
Um die zukünftige Entwicklung von Fahrzeugen mit alternativem Antrieb in Deutschland verfolgen, analysieren und mögliche negative Auswirkungen auf die Verkehrssicherheit zeitnah identifizieren zu können, hat die Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) im Jahr 2010 die Einrichtung einer langfristigen Beobachtung des Fahrzeugmarktes und des Unfallgeschehens von Pkw mit alternativen Antriebsarten initiiert. Die Daten des vorliegenden Berichtes dokumentieren die Marktdurchdringung von Personenkraftwagen mit alternativen Antriebsarten und informieren über die Unfallbeteiligung von Fahrzeugen mit alternativem Antrieb bis 2011. Es hat sich gezeigt, dass Fahrzeuge mit Hybridantrieb nach wie vor ein starkes Marktwachstum aufweisen. Die Zuwachsrate ist nahezu auf dem gleichen hohen Niveau wie in den Vorjahren (ca. 28%, getypter Bestand). Bei den reinen Elektrofahrzeugen ist die Anzahl getypter Fahrzeuge sehr stark angestiegen, von 212 im Jahr 2010 auf 1880 im Jahr 2011. Der reale Bestand an Elektrofahrzeugen (inklusive ungetypter Fahrzeuge) hat sich demgegenüber von 2010 auf 2011 auf 4.541 Pkw verdoppelt. Dies deutet auf eine zunehmende Serienreife von Elektro-Kfz hin. Pkw mit alternativem Antrieb weisen 2011 (bis auf Gas) einen höheren Anteil an Unfällen innerorts auf als Pkw mit herkömmlichem Antrieb. Hybrid Fahrzeuge haben dabei eine erhöhte Beteiligungsquote innerorts von ca. 76%. Der relativ hohe Anteil von Innerortsunfällen von alternativ betriebenen Fahrzeugen ist vor allem vor dem Hintergrund der Nutzung der Fahrzeuge zu interpretieren.
239
Das Fahrerlaubnisprüfungssystem und seine Entwicklungspotenziale - Innovationsbericht 2009/2010
(2013)
Innovationsberichte dienen dem Ziel, alle zwei Jahre über die mit der mittel- und langfristigen Weiterentwicklung des Fahrerlaubnisprüfungssystems zusammenhängenden Forschungs- und Entwicklungsprozesse zu informieren. Mit Hilfe der Innovationsberichte können somit Qualität, Planmäßigkeit und wissenschaftliche Absicherung der Weiterentwicklung der Fahrerlaubnisprüfung beurteilt werden. Der vorliegende Innovationsbericht beschreibt die Hauptschwerpunkte der Tätigkeit der TÜV | DEKRA arge tp 21 im Hinblick auf die Theoretische Fahrerlaubnisprüfung für den Berichtszeitraum 2009/2010. Diese lagen in (1) Arbeiten zur Modellierung von Fahrkompetenz, (2) der Evaluation und Weiterentwicklung der traditionellen Aufgabenformate und der Prüfungsmethodik, der (3) Durchführung von Forschungsarbeiten zur Verwendung computergenerierter dynamischer Fahrszenarien und der (4) Erschließung innovativer Aufgabentypen zur Prüfung bislang nicht ausreichend geprüfter Fahrkompetenzkomponenten im Bereich des Handlungswissens. Zu (1): Unter Berücksichtigung von inhaltlichen Anforderungsebenen des Fahrverhaltens (z.B. DONGES, 2009) und Aneignungsstufen von Fahrkompetenz (z. B. GRATTENTHALER, KRUEGER & SCHOCH, 2009) wurde ein "Fahrkompetenzstrukturmodell" entworfen, um inhaltliche Komponenten der Fahrkompetenz einzuordnen und die Prüfungsaufgaben strukturieren zu können. Weiterhin lassen sich damit prototypische Anforderungssituationen zur Operationalisierung von Prüfungsinhalten erarbeiten sowie die Inhalts- und Fahrkompetenzbereiche beschreiben, welche durch verschiedene Prüfungsformen abgedeckt werden können. Zu (2): Mit der Einführung der TFEP am PC wurden die technischen Rahmenbedingungen der Prüfungsdurchführung verändert und Verbesserungen zur Gewährleistung der Manipulationssicherheit umgesetzt. Die auf dem Revisionsprojekt aufbauende kontinuierliche Evaluation der Prüfungsaufgaben und Paralleltests zeigte grundsätzlich, dass die große Mehrheit der eingesetzten Prüfungsaufgaben unter Abwägung unterschiedlicher testpsychologischer Kriterien ihre Funktion zur Überprüfung der jeweiligen Kompetenzen erfüllt. Zu (3): Zur Verbesserung der Darbietungsformen bzw. Instruktionsformate wurde von der TÜV | DEKRA arge tp 21 die Softwareloesung "VICOM" entwickelt. Mit dieser Software wurden zum einen die bisher verwendeten Fotos durch computergenerierte statische Abbildungen ersetzt, die mit geringem Aufwand erstellt und variiert werden können. Zum anderen wurde dadurch die Erarbeitung von dynamischen Videosequenzen ermöglicht. Die Erprobung von Aufgaben mit dynamischer Situationsdarstellung deutet darauf hin, dass die intendierte Erfassung der Kompetenzen zur Gefahrenerkennung mit dem neuen Instruktionsformat, das keine Lösungshinweise im Abschlussbild mehr enthält, besser gelingen könnte (FRIEDEL, WEIßE & RÜDEL, 2010). Zu (4): Entwicklungspotenziale für die TFEP werden insbesondere bezüglich der Erfassung von Handlungskompetenzen im Bereich der Verkehrswahrnehmung und Gefahrenvermeidung deutlich. Diese verkehrssicherheitsrelevanten Kompetenzen können in der traditionellen "Wissensprüfung" nicht geprüft werden, da ihre Aneignung Fahrerfahrungen voraussetzt, die zum Prüfungszeitpunkt in der Regel noch nicht gegeben sind. Auch in der traditionellen Fahrprüfung ist eine Erfassung dieser Kompetenzen nur eingeschränkt möglich, weil die Anforderungssituationen im Realverkehr nicht beliebig vom Fahrerlaubnisprüfer gesteuert werden können und Gefahrensituationen aufgrund von Sicherheitserfordernissen auch nicht herbeigeführt werden dürfen. Daher erscheint es notwendig, im Rahmen der deutschen Fahrerlaubnisprüfung eine innovative Prüfungsform zu entwickeln, bei der Verkehrs- und insbesondere Gefahrensituationen realitätsnah am Computer simuliert und zur Operationalisierung der obengenannten Kompetenzkomponenten genutzt werden. Derartige "Verkehrswahrnehmungstests" (bzw. "Hazard Perception Tests") finden sich bereits in einigen Fahranfängervorbereitungssystemen im Ausland. Zur Ausschöpfung der Potenziale der Fahrerlaubnisprüfung in Deutschland muss ihre Weiterentwicklung unter Berücksichtigung des Gesamtsystems der Fahranfängervorbereitung erfolgen. Dabei sind die Qualitätssicherungs- und Entwicklungsmaßnahmen neben Input-Vorgaben wie Lehrpläne und Prüfungsrichtlinien stärker auf Output-Vorgaben wie das von den Fahranfängern zu erreichende Kompetenzniveau zu fokussieren. In festzulegenden Ausbildungsstandards müssen Niveaustufen der Fahrkompetenz, die Fahranfänger bei den Übergängen zwischen den einzelnen Phasen der Fahranfängervorbereitung mindestens erreicht haben sollen, so konkret beschrieben werden, dass sie in Prüfungsaufgaben umgesetzt und im Rahmen der Fahrerlaubnisprüfungen erfasst werden können.
238
Die Umsetzungspraxis der Verkehrserziehung / Mobilitätsbildung in Kindergärten und Grundschulen wird durch zwei bundesweite Befragungen bei 685 Erzieherinnen bzw. 1.235 Lehrkräften erhoben. Erzieherinnen sind sich ihrer verkehrspädagogischen Verantwortung bewusst und erweisen sich als offen für die entsprechenden Anliegen der Kinder und deren Lebenswelt im räumlichen Umfeld. In Kindergärten dominieren die Sicherheitserziehung sowie die Förderung der Wahrnehmungsfähigkeit und Motorik. Thematisch wird die Kindersicherung im Pkw eher vernachlässigt. Gemeinwesenorientierte Kooperationen sind weit verbreitet. Dabei ist die Zusammenarbeit mit den Verkehrserziehern der Polizei zentral. Die Kooperation mit Grundschulen zeigt deutliche Defizite. Erzieherinnen fühlen sich meist nicht ausreichend auf das Thema "Verkehrserziehung / Mobilitätsbildung" vorbereitet. Die Verkehrserziehung / Mobilitätsbildung an den Grundschulen ist keineswegs randständig. Ihr Stellenwert bei den Lehrkräften ist hoch und die Befassung mit dem Thema wird überwiegend positiv gesehen. Hinsichtlich der verwendeten Methoden und aufgegriffenen Themen liegt der Schwerpunkt in der Sicherheitserziehung sowie in Bewegungsspielen. Die Potenziale der Ganztagsschule werden noch wenig für verkehrspädagogische Inhalte genutzt. Es zeigen sich Informationsdefizite bei den nicht als Obleute etc. tätigen Lehrkräften. Bei Kontaktierung, Materialienbezug und Kooperation stechen die Polizei, die Verkehrswacht und der lokale Verkehrsbetrieb hervor. Die schulinternen wie -externen Unterstützungs- und Beratungsangebote werden gut angenommen. Nur eine Minderheit der Befragten hat eine verkehrspädagogische Lehrveranstaltung besucht, eine entsprechende Zusatzqualifikation erworben oder an einer Fortbildung teilgenommen. Die Lehrkräfte zeigen Interesse an einschlägigen Fortbildungen. Der Bericht enumeriert Handlungsempfehlungen für die Entwicklung der Verkehrserziehung / Mobilitätsbildung im Elementar- und Primarbereich.
237
Die vorliegende Literaturdurchsicht gibt einen Überblick über (inter-)nationale Befunde zum Zusammenhang zwischen dem Verkehrsunfallrisiko und dem ökonomischen, sozialen und kulturellen Hintergrund der Verkehrsteilnehmer. Dabei werden schwer erreichbare oder sozial schwache Personen als Zielgruppen fokussiert. Personen können entweder organisatorisch schwer erreichbar sein (Identifikation; Ansprechbarkeit), oder die Verkehrssicherheitsangebote erreichen ihr Zielpublikum nicht (Akzeptanz; kognitive Ebene) bzw. werden nicht verhaltensrelevant (Compliance; Verhaltensebene). Sozial Schwache werden auf ökonomischen, sozialen und kulturellen Dimensionen von besser Gestellten unterschieden. Parallelen in der Zielgruppenansprache und Ansatzpunkte für Kooperationsmöglichkeiten werden explizit bei Akteuren der Gesundheitsförderung gesehen. Deren Strategie der Verknüpfung verhaltenspräventiver mit verhältnispräventiven Maßnahmen in einem Setting-Ansatz wird vorgestellt. Das Setting Stadtteil/ Quartier erscheint für Interventionen besonders Erfolg versprechend. Zur Verkehrssicherheitsarbeit anschlussfähige Programme der Gesundheitsförderung werden vorgestellt. Der Bericht zeigt die Anknüpfungspunkte der Verkehrssicherheitsarbeit für eine Kooperation im Programm "Soziale Stadt" auf. Ein solches Vorgehen eröffnet für die Verkehrssicherheitsarbeit neue Potenziale zur Ansprache schwer erreichbarer oder sozial schwacher Zielgruppen. Als konkrete Beispiele für eine verhaltens- und verhältnispräventive Verkehrssicherheitsarbeit im Setting Schule wird auf Ansätze der personalen Kommunikation im Setting beruflicher Schulen sowie ein sich gegenüber dem lokalen Umfeld öffnendes Mobilitätsmanagement von Schulen verwiesen. Ein Pilotprojekt zur Kooperation mit anderen Partnern in einem Setting-Ansatz wird ebenso empfohlen wie die Dokumentation vorhandener Maßnahmeansätze für schwer erreichbare Zielgruppen in einer Online-Datenbank oder die Nutzung des Internets zur Zielgruppenansprache.
235
Beispielhaft am Begleiteten Fahren wurde eine Methode zur standardisierten Erfassung der Fahrsicherheit im Realverkehr entwickelt. Hierfür wurde eine Fahrstrecke mit einer Fahrdauer von etwa 90 Minuten festgelegt, die eine repräsentative Auswahl von Verkehrsszenarien enthielt, mit denen Fahrer üblicherweise beim Fahren konfrontiert werden. Diese Strecke umfasste Innerortsbereiche sowie Landstraßen- und Autobahnabschnitte. Auf dieser Strecke wurden Referenzdaten von 40 Fahrern erhoben. 26 dieser Fahrer waren zwischen 18 und 22 Jahren alt, davon hatten 17 am Begleiteten Fahren teilgenommen. Das Alter der übrigen 14 Fahrer, die allesamt nicht am Begleiteten Fahren teilgenommen hatten, lag zwischen 23 und 50 Jahren. Während der Fahrten wurden elf Variablen elektronisch im Fahrzeug erfasst (u. a. Fahrgeschwindigkeit, Abstand zum vorausfahrenden Fahrzeug). Diese elektronisch erfassten Daten wurden nach dem System I-TSA (INVENT " Traffic Safety Assessment; Glaser, Waschulewski & Schmid, 2005) ausgewertet und um Papier-und-Bleistift-Tests sowie um Beurteilungen durch den Untersuchungsleiter ergänzt. Insgesamt ergaben sich 18 Skalen. Diese zeigten hohe Reliabilitäten. Die Skalen ermöglichen eine profilartige Darstellung der Fahrsicherheit einzelner Fahrer und von Fahrergruppen, jeweils relativ zu einer Referenzgruppe. In einer Ex-Post-facto-Analyse der gegebenen Stichprobe konnte anhand dieser Skalen zwischen Fahrern, die am Begleiteten Fahren teilgenommen hatten und denen, die dies nicht getan hatten, unterschieden werden. Damit steht ein umfassendes, auf einer psychometrischen Methodik basierendes Testsystem zur Verfügung, das auf einer standardisierten Fahrprobe im Straßenverkehr basiert. Dieses System kann, ohne aufwändige und substanzielle Änderungen, auch für andere verkehrsmedizinische und verkehrspsychologische Fragestellungen eingesetzt werden.
234
Fahranfänger werden im Rahmen spezifischer, international unterschiedlich ausgestalteter Vorbereitungssysteme auf die motorisierte Verkehrsteilnahme vorbereitet. Diese Systeme sind historisch gewachsen und von länderspezifischen ökonomischen, infrastrukturellen, rechtlichen und kulturellen Gegebenheiten geprägt. Für eine vergleichende Systembetrachtung wurde unter Rückgriff auf forschungsmethodische Ansätze der Vergleichenden Politikwissenschaft und lehr-lerntheoretische Grundlagen ein begrifflicher Rahmen erarbeitet, der eine Systembeschreibung und -analyse anhand funktional unterscheidbarer Lehr-Lernformen und Prüfungsformen ermöglicht. Im Bericht werden die Systeme der Fahranfängervorbereitung von 44 Ländern dargestellt. Die Beschreibungen basieren auf Befragungen von Experten verschiedener Institutionen (Verkehrsministerien, Fahrlehrerverbände, Prüforganisationen) sowie auf Literatur- und Internetrecherchen. Bei der Länderauswahl wurden " neben europäischen Ländern mit einer traditionell stark ausgeprägten formalen Fahrschulausbildung " auch "Graduated Driver Licensing"-Systeme berücksichtigt, die vor allem in der englischsprachigen Welt in Übersee anzutreffen sind. Sie sind durch die Gewährleistung eines umfangreichen Fahrerfahrungsaufbaus unter niedrigen Risikobedingungen durch Begleitetes Fahren ("supervised driving") vor dem Beginn des selbständigen Fahrens und protektive Sonderregelungen für Fahranfänger beim weiteren Fahrerfahrungsaufbau in der Anfangsphase des selbständigen Fahrens gekennzeichnet. Die Ergebnisse ermöglichen einen detaillierten Einblick in die länderspezifische Ausgestaltung der Fahranfängervorbereitung mit den Bestandteilen der formalen Fahrausbildung in Fahrschulen, informeller Lehr-Lernformen wie des Begleiteten Fahrenlernens, zu absolvierender Fahrerlaubnisprüfungen sowie rechtlicher Rahmenbedingungen und qualitätssichernder Maßnahmen. Vor dem Hintergrund von Evaluationsbefunden zur Sicherheitswirksamkeit wird die Funktionalität von Systembestandteilen und -architekturen diskutiert.
218 b
To determine whether the model "Accompanied driving from age 17" (AD17) contributes to improvement of young drivers' road safety, two large random samples of novice drivers drawn from the Central Register of Driving Licences (ZFER) held at the Federal Motor Transport Authority (KBA) were compared in terms of the rates of accident involvement and traffic offences at the start of their solo driving career. The samples comprised former participants in the AD17 model and novice drivers of the same age who had obtained a driving licence in the conventional manner immediately after their 18th birthday. Both analysis groups were contacted by post and asked to complete an online questionnaire. In response, 19,000 drivers reported on their first year of solo driving and on the occurrence of any accidents or traffic offences during this period. The analyses were repeated with two "silent" analysis groups comprising a total of 75,000 drivers, for whom any records of traffic offences were retrieved from the Central Register of Traffic Offenders (VZR), with a distinction being made between offences in connection with an accident and other offences. The AD17 model was introduced in all 16 German federal states between April 2004 and January 2008. By the end of 2009, almost one million novice drivers had participated in the model, and almost three-quarters of the target group - so-called "early beginners" who wished to commence solo driving immediately after reaching the age of 18 years - opted for the AD17 model. The phase of introduction of the model was associated with a temporary increase of around five per cent in the demand for driving licences from persons under 19 years of age. During the first year of solo driving, the rate of accident involvement for AD17 participants was 19 per cent lower and the rate of traffic offences 18 per cent lower than for drivers of the same age who had obtained their driving licence in the conventional manner. After adjustment for confounds (e.g. gender and vehicle availability), a reduction in accidents by 17 per cent and in traffic offences by 15 per cent remained as an effect attributable to the model. A comparison on the basis of the distances driven indicated 22 per cent fewer accidents and 20 per cent fewer traffic offences. The results are statistically significant and apply to both male and female drivers. The findings were confirmed in the replication study based on VZR data, with one exception: For female AD17 drivers, and here only for VZR-recorded offences excluding accidents, no significant reduction was found. On the other hand, the rate for female drivers is already lower than that of their male counterparts by three-quarters. Approximately 1,700 injury accidents were prevented by implementation of the model in 2009.
236
Mit der vorliegenden Untersuchung knüpft die Bundesanstalt für Straßenwesen an die letzte Untersuchung zum Unfallgeschehen von Wohnmobilen aus dem Jahr 1999 an. Neben der Entwicklung der Anzahl der Unfälle von Wohnmobilen im Zeitraum 2000 bis 2010 wird die Struktur der Unfälle beleuchtet. Auch die charakteristischen Merkmale der beteiligten Fahrer der Wohnmobile und einige technische Merkmale wie z.B. die Motorisierung und das zulässige Gesamtgewicht werden untersucht. Weiterhin wird die im Unfallgeschehen kleine Gruppe der Pkw mit Wohnanhänger soweit möglich in die Untersuchung einbezogen. Diese beiden Gruppen werden der Gesamtgruppe der Pkw-Unfälle vergleichend gegenübergestellt. Wohnmobile werden in der amtlichen Unfallstatistik nicht explizit codiert. Somit sind -im Rahmen der regelmäßigen Veröffentlichungen des Statistischen Bundesamtes -keine Informationen zum Unfallgeschehen von Wohnmobilen verfügbar. Dennoch ist es möglich, über die vom Kraftfahrt-Bundesamt ergänzten fahrzeugtechnischen Angaben zum Kraftfahrzeug, deutsche Wohnmobile zu identifizieren und mit der vollen Merkmalsbreite des amtlichen Datenmaterials auszuwerten. Mit einem Anteil von weniger als 0,3% an allen Unfällen mit Personenschaden stellen Unfälle unter Beteiligung von Wohnmobilen keinen Schwerpunkt im Unfallgeschehen dar. Im Jahr 2010 wurden 743 Unfälle mit Personenschaden registriert, an denen ein Wohnmobil beteiligt war. Die Entwicklung der Unfallbeteiligung stellt sich im Zeitraum 2000 bis 2010 mit einem Rückgang von 36% bei den Unfällen mit Personenschaden sogar günstiger dar, als die Entwicklung der Unfälle unter Pkw-Beteiligung (-28%). Bei Unfällen unter Beteiligung von Wohnmobilen wurden im Jahr 2010 insgesamt 19 Personen getötet und 202 Personen schwer verletzt. Darunter waren jedoch nur 4 getötete und 62 schwerverletzte Personen Insassen eines Wohnmobils; die übrigen Verunglückten wurden beim Unfallgegner registriert. Gleichwohl zeigt die nach Fahrern und Mitfahrern differenzierte Betrachtung der Unfallschwere bei den Wohnmobilen Ansatzpunkte zur Verbesserung der Sicherheit. Im Mittel des Zeitraumes 2000 bis 2010 weisen die Mitfahrer von Wohnmobilen eine deutlich erhöhte Unfallschwere im Vergleich zu den Fahrern auf. So liegt die Kenngrösse \"Schwere Personenschäden bezogen auf die Fahrer bzw. Mitfahrer\" bei den Mitfahrern bei 51 schweren Personenschäden je 1.000 Mitfahrer und bei den Fahrern bei 34 schweren Personenschäden je 1.000 Fahrer.
231
In Deutschland sind ältere Menschen das am stärksten wachsende Segment der Bevölkerung. Insofern wird der Straßenverkehr " den Prognosen nach " in den nächsten Jahrzehnten durch einen wachsenden Anteil älterer Kraftfahrer geprägt werden. Bisher fehlt jedoch eine umfassende Dokumentation, in der die Grundlagen über verkehrsbezogene Leistungspotenziale und -defizite sowie über Kompensationsmöglichkeiten älterer Verkehrsteilnehmer zusammengefasst dargestellt sind, um auf diese Entwicklungen adäquat reagieren zu können. Darüber hinaus besteht die Frage, welche Mindestanforderungen für verschiedene verkehrssicherheitsrelevante Leistungsbereiche an ältere Autofahrer in Zukunft zu stellen sind. In dem vorgelegten Forschungsprojekt wurde weitgehend zusammengetragen, was derzeit aus international wissenschaftlicher Perspektive zur Frage von Leistungspotenzialen, Defiziten und Kompensationsmöglichkeiten älterer Kraftfahrer auf der Mikro- und der Makroebene ausgesagt werden kann. Die Literaturbefunde wurden außerdem (zum Teil) in einer Fahrverhaltensprobe im Realverkehr überprüft. Neuere Forschungsergebnisse der psychologisch-neurologischen und medizinischen Wissenschaften zeigen deutlich, dass der alternde Mensch gut in der Lage ist, sich den eigenen nachlassenden Fähigkeiten anzupassen, auch im Straßenverkehr. Zwar verringert sich über die Lebensspanne das Leistungsvermögen (auch beim Autofahren), wird aber meist durch eine aktive Anpassung des Verhaltens an die Situationsanforderungen (Kompensation) ausgeglichen. Auch sind die absoluten Unfallzahlen älterer Autofahrer gering im Vergleich mit allen anderen Altersgruppen. Das zeigt einen insgesamt sehr verantwortungsvollen Umgang mit der Fahrerlaubnis. Individuelle Leistungsunterschiede sind mit zunehmendem Alter in allen untersuchten Bereichen ganz erheblich. Es lassen sich deshalb auf Basis des kalendarischen Alters kaum individuelle Vorhersagen über das Leistungsvermögen in einzelnen Bereichen machen. Zusammenfassend hat sich gezeigt, dass das psychometrische und motorische Leistungspotenzial weitgehend gesunder älterer Kraftfahrer erheblich ist und durch gezieltes Training aktiviert werden sollte. Wenn allerdings eine Krankheit vorliegt, deren Risikopotenzial bekannt ist, sollte gegebenenfalls geprüft werden, welches Leistungsvermögen in Bezug auf das Autofahren noch besteht. Eine grundsätzliche Frage bestand darin zu prüfen, ob es sinnvoll ist (und aus wissenschaftlicher Sicht vertretbar wäre), aufgrund der bei Älteren nachlassenden motorischen und kognitiven Fähigkeiten andere Mindestkriterien für das Führen eines Kraftfahrzeuges anzulegen als bei allen anderen Gruppen von Autofahrern. Nach der Würdigung aller Ergebnisse des Forschungsprojektes muss diese Frage eindeutig verneint werden. Wie schon früher gezeigt wurde, ist es nicht möglich, die Fahrkompetenz bei Älteren auf Basis von Laborwerten vorherzusagen. Im Wesentlichen hat sich im Empiriemodul des Forschungsprojektes gezeigt, dass das gute Abschneiden in verschiedenen Untersuchungen (augenärztlich, verkehrsmedizinisch, Befragungsdaten) eine relativ gute Vorhersage zulässt, ob ein älterer Kraftfahrer noch über die nötigen Kompetenzen zum Autofahren verfügt. Der Umkehrschluss ließ sich nicht bestätigen: Das schlechte Abschneiden älterer Autofahrer war kein guter Prädiktor für eine schlechte Fahrkompetenz. Viele der als unterdurchschnittlich geltenden Autofahrer haben trotz der eher schlechten Labor- und Ärztewerte zufriedenstellende Leistungen bei der Fahrverhaltensbeobachtung gezeigt. Aus diesem Grund wird eine alterskohortenbezogene Aberkennung der Fahreignung nur auf Basis von Laborkennwerten klar abgelehnt. Bei Zweifeln einer Fahreignung (im Sinne von Fahrkompetenz) sind schlechte Leistungswerte in psychometrischen und/oder medizinischen Tests kein hinreichendes Kriterium, um die Fahreignung grundsätzlich infrage zu stellen. Die in Deutschland bestehenden Gesetze werden für absolut ausreichend angesehen. Wenn die Fahrkompetenz eines älteren Menschen überhaupt infrage steht, ist eine Fahrverhaltensbeobachtung nach dem derzeitigen Stand die beste Methode, dies zu überprüfen. In diesem Zusammenhang sollte " trotz aller bestehender Schwierigkeiten in dieser Frage " die Rolle der Hausärzte als kompetente Kontaktstellen bei sich verschlechternden allgemeinen Leistungswerten überdacht werden bzw. nach Wegen gesucht werden, sie in die "Defiziterkennung" einzuschließen. Gute Laborwerte sind schließlich ein guter Prädiktor.
232
Mit diesem Bericht wird der zweite Kinderunfallatlas der Bundesanstalt für Straßenwesen vorgelegt, in dem die Verkehrsunfallsituation von Kindern für alle Kreise, Städte und Gemeinden in Deutschland abgebildet wird. Während der erste Kinderunfallatlas die regionale Verteilung der Kinderverkehrsunfälle von 2001 bis 2005 analysierte, fokussiert der vorliegende Kinderunfallatlas auf die Situation für die naechsten fünf Jahre. Dadurch ist es wieder möglich, die Verkehrssicherheitssituation von Kindern vor Ort mit der in anderen Kreisen und Gemeinden gleicher Größe zu vergleichen und somit einen Hinweis darüber zu erhalten, ob und wie sich die Situation vor Ort von anderen unterscheidet. Zudem ist es wichtig zu wissen, ob und wie sich die Unfallsituation von Kindern in den folgenden Jahren weiterentwickelt hat. Daher wurden nicht nur für den Folgezeitraum 2006 bis 2010 die Kinderunfalldaten nach dem gleichen Prinzip ausgewertet, zusätzlich wurde berechnet, ob die Situation jedes Kreises/kreisfreien Stadt im Trend der bundesdeutschen Gesamtentwicklung liegt, ob die Verkehrsunfälle vor Ort überdurchschnittlich zurückgegangen sind oder ob sich in den letzten Jahren im Vergleich zur gesamtdeutschen Entwicklung wenig getan hat. Diese Analysen wurden auch im Rahmen des Städtevergleiches angestellt. Da die Zuständigkeit für die Durchführung von Verkehrssicherheitsmaßnahmen in weiten Bereichen bei den Ländern liegt, wurde das Konzept erweitert und für jedes Bundesland eine Sonderauswertung der Daten vorgenommen, sodass die Verantwortlichen auf Landesebene für ihre Verwaltungseinheit zusätzlich die Information erhalten, wie die Kreise landesintern zueinander stehen. Ergebnis ist, dass Kinderverkehrsunfälle in der Bundesrepublik nicht gleichmäßig verteilt sind, vielmehr belegt die bevölkerungsbezogene Analyse auf Kreisebene ein deutliches Nord-Süd-Gefälle. Die Analyse nach Art der Verkehrsteilnahme ergab, dass Kinder als Fußgänger besonders häufig in Nordrhein-Westfalen und großen Städten der Bundesrepublik verunglücken, während Kinder als Radfahrer in Kreisen und kreisfreien Staedten in Schleswig-Holstein, Niedersachen, Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg besonders gefährdet sind. Als Mitfahrer in Pkw verunglücken die meisten Kinder in den ländlichen Regionen Bayerns und den östlichen Regionen der Bundesrepublik. Insbesondere für den Osten der Bundesrepublik und das östliche Bayern konnte durch den Vergleich der Daten der Kinderverkehrsunfälle von 2001 bis 2010 nachgewiesen werden, dass der deutliche Rückgang der Kinderverkehrsunfälle über den allgemeinen bundesdeutschen positiven Trend hinausgeht. Es wurde allerdings auch festgestellt, dass in manchen Kreisen bereits 1984 (Unfallatlas Heinrich/Hohenadel) hohe Unfallbelastungen zu beobachten waren. Diese Ergebnisse der Kreisanalyse finden sich auch auf Gemeindeebene wieder. Danach steigt das auf die Altersgruppe bezogene Risiko für Fußgänger mit der Größe einer Stadt, während Radfahrer in sogenannten Mittelstädten besonders häufig verunglücken. Als Mitfahrer in Pkw tragen Kinder in sehr kleinen Orten unter 10.000 Einwohnern ein deutlich erhöhtes Risiko. Die Analyse der Unfallentwicklung in den Städten berücksichtigte ebenfalls den bundesdeutschen Trend. Fuer die 15 Großstädte konnte so nachgewiesen werden, dass sich in der Mehrzahl der Großstädte die Unfallkennziffern zwischen 2003-2005 und 2008-2010 positiv im bundesdeutschen Trend entwickelten. In sieben Großstädten lagen die Werte sogar darüber. Während die Vergleiche der mittleren und großen Kreise und Gemeinden auf einer stabilen Berechnungsbasis erfolgten, sind bei den sehr kleinen Kreisen und Gemeinden aufgrund geringer Bevölkerungsdichte Verzerrungen möglich. Daher sollten insbesondere bei hohen Unfallbelastungen keine voreiligen Schlüsse gezogen werden, vielmehr ist eine sorgfältige Interpretation angezeigt. So ist beispielsweise insbesondere in vom Tourismus geprägten Gebieten eine erhöhte Unfallbelastung identifiziert worden, die allerdings aufgrund der erhöhten Anzahl von Kindern, die sich nur vorübergehend in den Gebieten aufhalten und nicht gemeldet sind, relativiert werden muss. Die Analyse und Erklärung spezifischer Verkehrsunfallsituationen vor Ort sollte daher die gesamte Bandbreite möglicher Zusammenhänge einbeziehen. Denn nur, wenn die wirklichen Probleme und Zusammenhänge erkannt sind, können sinnvolle Maßnahmen zur Verbesserung der Verkehrssicherheit von Kindern eingeleitet werden.
230
Ziel dieses Forschungsprojektes war es, eine bundesweite Analyse von Schulwegplänen durchzuführen. Dabei wurden sowohl der Entstehungsprozess als auch die Verbreitung und Nutzung betrachtet. Im Ergebnis sollten daraus Handlungsempfehlungen für eine zukünftige Ausrichtung abgeleitet werden. Dazu wurden umfangreiche Erhebungen und Analysen durchgeführt. Neben einer Befragung der zuständigen Länderministerien für Kultus, Inneres und Verkehr zur Erlasslage und weiteren landesweiten Hintergründen erfolgte eine bundesweite Bestandsaufnahme von Schulwegplänen in Kommunen und Schulen. Hierzu wurde eine repräsentative, geschichtete Zufallsstichprobe von 1.178 Kommunen gebildet. Es lagen aus 377 Kommunen und 1.646 Schulen auswertbare Antworten vor. Insgesamt wurden in diesem Zusammenhang 622 Schulwegpläne zur Verfügung gestellt, deren Inhalte systematisch klassifiziert und entsprechend aufbereitet wurden. Ergänzend zu diesem Gesamtüberblick erfolgten Detailanalysen zu knapp 100 Schulwegplänen. Hierzu wurden neben der Verwaltung der Kommunen erneut die Schulen und zusätzlich die Polizei befragt. Im Rahmen von Elternbefragungen an 16 Schulen wurden Erkenntnisse zur Nutzung, Bedeutung und Bewertung von Schulwegplänen gesammelt. Abschließend erfolgte für 26 Schulwegpläne eine Überprüfung ausgewählter Inhalte im Rahmen von Vor-Ort-Begehungen. Die aus diesen Erhebungen und Analysen abgeleiteten Handlungsempfehlungen wurden auf einem Workshop mit Experten aus Praxis und Wissenschaft diskutiert, um zu gewährleisten, dass diese möglichst praxis- und bedarfsgerecht sind. Im Ergebnis konnten für 17 Problembereiche Handlungsempfehlungen abgeleitet werden, die übersichtlich dargestellt und mit konkreten Beispielen ergänzt sind. Zudem wurden Hinweise formuliert, die zukünftig bei der Erarbeitung von Schulwegplänen berücksichtigt werden sollten. Schulwegpläne sind ein bekanntes und angenommenes Instrument zur Erhöhung der Verkehrssicherheit auf Schulwegen. Dies zeigen die Ergebnisse in Bezug auf den Verbreitungsgrad, zumindest für einige Bundesländer. Aber obwohl es zahlreiche sehr gute Beispiele von Schulwegplänen, Radschulwegplänen, Schulwegratgebern und Kinderstadt(teil)plänen gibt, wird es für erforderlich gehalten, die gewonnenen empirischen Erkenntnisse in zukünftigen Empfehlungen und Hinweisen zur Erstellung von Schulwegplänen stärker zu berücksichtigen. Dies ist notwendig, da sich der Bedarf aufgrund gesellschaftlicher Veränderungen in den Kommunen und Schulen " z. B. im Hinblick auf das Mobilitätsverhalten der Kinder " bereits zeigt. Die Frage, was ein guter Schulwegplan ist und was dieser enthalten soll, hängt von den Problemen und Zielen ab, die vor Ort beschrieben und konkretisiert werden müssen. Den "einen optimalen Schulwegplan" kann es daher nicht geben. Ein guter Schulwegplan ist grundsätzlich ein Hilfsmittel, um sowohl allgemein übliche als auch vor Ort konkretisierte Ziele zu erreichen. Grundlage eines guten Schulwegplanes ist neben der Unfallanalyse die Berücksichtigung der örtlichen Rahmenbedingungen und der Bedürfnisse der Kinder und Eltern auf den Schulwegen. Die Überprüfung der Schulwegpläne hat ergeben, dass die Empfehlungen oft fehlerhaft sind. Häufige Defizite auf empfohlenen Schulwegen sind zu hohe zulässige Geschwindigkeiten, mangelnde Sichtbeziehungen und zu weite, nicht akzeptierte Umwege. Daher sind bei der Erstellung eines Schulwegplanes Vor-Ort-Begehungen unerlässlich, um derartige Fehler und falsche Wegeempfehlungen zu vermeiden. Gefahrenstellen sind mindestens textlich, am besten mittels Bildern zu erläutern und es sollten Handlungsoptionen für die Bewältigung der Gefahrenstellen angegeben werden. Zudem können didaktische Hilfestellungen für Eltern zum Einüben der Schulwege sinnvoll sein. Ein weiteres Ergebnis dieses Forschungsvorhabens ist ein Leitfaden, der Schritt für Schritt auch für "Laien" die Erstellung von Schulwegplänen beschreibt und dabei die Erkenntnisse dieses Projektes berücksichtigt. Inhaltliche Schwerpunkte dieses Leitfadens sind neben Beispielen die Bestandsaufnahmen und Schulweganalysen mittels Checklisten und die Bereitstellung aller notwendigen Vorlagen und Grafiken.
229
Das Risiko, bei einem Verkehrsunfall verletzt oder getötet zu werden, ist in der Gruppe der 18- bis 24-Jährigen deutlich größer als in allen anderen Altersgruppen. Diese Tatsache besitzt trotz eines deutlichen Rückgangs der Zahl der Verletzten bzw. Getöteten in dieser Altersgruppe in den vergangenen zehn Jahren weiterhin Gültigkeit. Somit bleibt die Verbesserung der Verkehrssicherheit insbesondere für die 18- bis 24-Jährigen auch in Zukunft ein vordringliches gesellschaftliches Anliegen. Im Rahmen einer Repräsentativbefragung (N=2084) wurde der Frage nachgegangen, in welchem Zusammenhang Erwartungen, Motive und Erfahrungen sowie weitere psychologische Merkmale (z.B. Lebensstile) und bestimmte Lebensumstände mit dem Fahrstil und dem Unfallrisiko junger Fahrerinnen und Fahrer stehen. Zur Beantwortung dieser Frage wurde ein theoretisches Modell entwickelt, das Bezüge zu verschiedenen etablierten Theorien der Psychologie aufweist. Die vorliegende Studie knüpft an älteren Studien an, aus denen hervorging, dass die Zielgruppe der jungen Fahrerinnen und Fahrer im Hinblick auf die Gefährdung im Straßenverkehr ausgesprochen heterogen ist und sich die Lebensstile der Personen zur Identifikation von Risikogruppen sehr gut eignen. Deshalb wurde eine Aktualisierung der Lebensstil-Typologie vorgenommen und ihre Relevanz im Hinblick auf eine Identifikation von Risikogruppen untersucht. Zur zusätzlichen Beschreibung dieser Gruppen wurden - theoretisch abgeleitet - zahlreiche verkehrssicherheitsrelevante Merkmale herangezogen, die bislang in diesem Forschungsfeld keine oder nur eine geringe Berücksichtigung gefunden haben. Hierzu wurden u.a. eigene Skalen entwickelt, die sich als ausgesprochen zuverlässig erwiesen haben. Eine Clusteranalyse ergab sechs Lebensstilgruppen, die sich hinsichtlich der Gefährdung im Straßenverkehr deutlich voneinander unterscheiden und eindeutig durch die Ausprägung bestimmter psychologischer, demographischer und sozioökonomischer Merkmale beschreibbar sind. Die stärkste Gefährdung kristallisiert sich beim "autozentrierten Typ" heraus, der mit einem Anteil von 10 % an der Gesamtgruppe der jungen Fahrerinnen und Fahrer vertreten ist. Diese Lebensstilgruppe hat sowohl den mit Abstand höchsten Anteil an Unfallbeteiligten (39 %) als auch den deutlich höchsten Anteil an Personen mit mindestens einem Punkt im Verkehrszentralregister. Für zwei weitere Lebensstilgruppen liegt der Anteil der Unfallbeteiligung bei 20 % oder darüber, für drei Lebensstilgruppen unter 20 %. Beim so genannten "kicksuchenden Typ" zeigt sich mit 15 % der geringste Anteil Unfallbeteiligter. Im Rahmen eines Querschnittsvergleichs wird eine relativ große Stabilität der Lebensstilgruppen über einen Zeitraum von dreizehn Jahren belegt. Hierzu wurden die 18- bis 24-Jährigen aus dem Jahr 1996 (Studie 1) mit den 31- bis 37-Jährigen aus dem Jahr 2010 (Studie 2) verglichen. Beide Gruppen gehören demnach der gleichen Generation bzw. der gleichen Geburtskohorte an. Die Stabilität zeigt sich sowohl im Hinblick auf die Gruppen bildenden Lebensstilmerkmale (z.B. Freizeitverhalten) als auch in der Ausprägung verkehrssicherheitsrelevanter Merkmale in den jeweiligen Lebensstilgruppen. Andererseits jedoch haben sich innerhalb von dreizehn Jahren auch eine Reihe von Ausdifferenzierungen herausgebildet, die zum Teil markante Veränderungen innerhalb der Lebensstilgruppen erkennen lassen. Der auffälligste Unterschied zwischen den beiden Studien ist die Identifikation des "autozentrierten Typs" in 2010. Abschließende Pfadanalysen bestätigen über alle Lebensstilgruppen, über zwei Altersgruppen und über beide Geschlechter hinweg eine sehr gute Anpassung eines theoretischen Modells an die empirischen Daten. Damit besteht ein wichtiger empirischer Beleg für den signifikanten Einfluss von Einstellungen, der erwarteten Handlungskompetenz und von verschiedenen Temperamentsdimensionen auf das berichtete Verhalten und die Unfallbeteiligung junger Fahrerinnen und Fahrer. Insgesamt zeichnen sich die Beschreibungen der sechs Lebensstilgruppen durch einen hohen Differenzierungsgrad aus. Damit ist eine breite empirische Grundlage für die Entwicklung von Verkehrssicherheitsmaßnahmen sowohl für die Gesamtgruppe der 18- bis 24-Jährigen als auch für bestimmte Zielgruppen innerhalb der Gesamtgruppe (z.B. bestimmte Lebensstiltypen, Fahranfänger) gegeben. Darüber hinaus liegen nunmehr auch aktuelle Kenntnisse über die Vergleichsgruppe der 25- bis 37-Jährigen vor, die bei der Entwicklung von Verkehrssicherheitsmaßnahmen für diese Zielgruppe ebenfalls berücksichtigt werden können.