Berichte der Bundesanstalt für Straßenwesen, Reihe M: Mensch und Sicherheit
191
Der Allgemeine Deutsche Automobil-Club e.V. (ADAC) und die Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) veranstalteten am 13. Oktober 2006 in Baden-Baden das 6. Symposium "Sicher fahren in Europa". Die Fachvorträge befassten sich mit den Themenbereichen: Ansätze zu mehr Verkehrssicherheit, - Verbesserung der Fahrzeugsicherheit, - Besondere Zielgruppen. Die CD-ROM dokumentiert die Grußworte, die Referate und die Podiumsdiskussion.
207
Der Allgemeine Deutsche Automobil-Club e.V. (ADAC) und die Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) veranstalteten am 15. Oktober 2009 in Baden-Baden ihr 7. Symposium \"Sicher fahren in Europa\". Nach 1991, 1994, 1997, 2000, 2003 und zuletzt 2006 trafen sich auch dieses Mal wieder zahlreiche Fachleute aus Wissenschaft und Politik, Industrie, Wirtschaft und Verbänden aus dem In- und Ausland, trugen neue Forschungsergebnisse vor und erörterten aktuelle Ansätze zur Erhöhung der Verkehrssicherheit. Dabei ging es in den Referaten und Diskussionsbeiträgen und in den vier Workshops vor allem darum, die verkehrspolitischen Entwicklungen und Herausforderungen für die europäische Verkehrssicherheitsarbeit im Hinblick auf folgende Themen zu beleuchten: "Verkehrssicherheit Junger Fahrer", - Das "Auto der Zukunft", - "Demographischer Wandel", - "Landstraßensicherheit". Den Grundsatzreferaten folgten vertiefte Bearbeitungen in den Workshops. Die CD-ROM dokumentiert die Grußworte, Referate und Diskussionsbeiträge.
211
Für junge Fahranfänger besteht bereits bei niedrigen Alkoholkonzentrationen ein erhöhtes Unfallrisiko. Diese Tatsache begründet die gesetzliche Einführung des Alkoholverbots für Fahranfängerinnen und Fahranfänger in Deutschland. Das seit dem 1.8.2007 gültige Alkoholverbot betrifft alle Fahranfänger in der (regelmäßig) zweijährigen Probezeit und/oder Personen, die das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Für diesen Personenkreis ist es verboten, im Straßenverkehr alkoholische Getränke zu sich zu nehmen oder die Fahrt anzutreten, obwohl die betreffende Person unter der Wirkung eines solchen Getränks steht. Im Rahmen dieses BASt-Projekts erfolgte eine Evaluation dieser Verkehrssicherheitsmaßnahme. In diesem Projekt wurde geprüft, wie sich das neue Gesetz auf das Unfallgeschehen sowie auf alkoholbedingte Verkehrsverstöße der Zielgruppe niederschlägt. Hierzu wurden die Daten der amtlichen Unfallstatistik sowie die Daten des Verkehrszentralregisters herangezogen. Für die Analyse und Interpretation der Daten wurden zudem Kenntnisse über den Umgang mit der neuen Regelung im Rahmen der polizeilichen Überwachung und Unfallaufnahme berücksichtigt. Ergänzend wurde zur besseren Beurteilung der Akzeptanz des Alkoholverbots in der Zielgruppe eine repräsentative Befragung von Fahranfängerinnen und Fahranfängern zu Einstellungen, berichteten Verhaltensweisen und Verhaltensabsichten durchgeführt. Die Evaluation des Alkoholverbots für Fahranfänger ergab folgende zentrale Ergebnisse, die den Erfolg dieser Maßnahme in der Zielgruppe belegen: - Insgesamt ist die Anzahl der unfallbeteiligten Fahranfänger (Pkw) mit einem BAK-Wert von mindestens 0,3 Promille in den ersten 12 Monaten nach Einführung der Maßnahme im Vergleich zum entsprechenden Zeitraum vor der Einführung um 15% beziehungsweise 1.210 Personen zurückgegangen. - Die Gesamtwirksamkeit der Maßnahme liegt dabei unter Berücksichtigung verschiedener Vergleichsgruppen bei -9%, d.h. allein durch die Maßnahme wurde eine über den generellen Trend hinausgehende Reduzierung um mehr als 700 Personen erreicht. - Für den Zeitraum nach Einführung der Gesetzesänderung lässt sich ein deutlich überdurchschnittlicher Rückgang aller festgestellten Alkoholverstöße bei jungen Fahrerinnen und Fahrern unter 21 Jahren um insgesamt 17% feststellen " im Gegensatz zu einem Rückgang von 2,5% bei Personen, die 21 Jahre und älter sind. - Es liegt eine hohe Akzeptanz des Alkoholverbots in der Zielgruppe der Fahranfänger (95%) vor. 98% wissen, dass es für alle Fahranfänger verboten ist, Alkohol zu trinken und Auto zu fahren. - Es zeigt sich eine deutliche Verhaltensanpassung der Befragten an das Gesetz: Damit bei abendlichen Unternehmungen Alkohol getrunken werden kann, benutzen - häufig oder immer - 41% öffentliche Verkehrsmittel, 21% das Fahrrad, schließen sich 46% einer Fahrgemeinschaft an und gehen 25% zu Fuß; 7% bleiben zu Hause. Nach den Ergebnissen der vorliegenden Evaluationsstudie hat die Einführung des Alkoholverbots für Fahranfängerinnen und Fahranfänger einen wichtigen Beitrag zur Verbesserung der Verkehrssicherheit in der Zielgruppe geleistet. Dieser deutliche Effekt beruht nach derzeitigen Erkenntnissen nicht auf einem gemeinsamen Effekt verschiedener Verkehrssicherheitsmaßen im Untersuchungszeitraum. Inwieweit der deutliche Rückgang von alkoholisierten Unfallbeteiligten und Alkoholverstößen bei Fahranfängern auch längerfristig greift, bleibt abzuwarten.
330
Die Fahrausbildung fungiert als ein zentraler Bezugspunkt für alle anderen Maßnahmen der Fahranfängervorbereitung: Von ihr müssen die Impulse, die fachliche Orientierung und die Koordination für die Weiterentwicklung des Gesamtsystems der Fahranfängervorbereitung ausgehen. Die derzeitige Fahrausbildung kann diesem hohen Anspruch jedoch noch nicht gerecht werden. Ihr fehlen sowohl wichtige pädagogisch-psychologische Steuerungsinstrumente (z. B. Kompetenzrahmen inklusive Mindest-Ausbildungsinhalte, Ausbildungsplan, Evaluationskonzept) zur eigenen Qualitätssicherung als auch fachlich-strukturelle Voraussetzungen für die Realisierung von Aktivitäten zu ihrer Weiterentwicklung im Rahmen des Gesamtsystems der Fahranfängervorbereitung (z. B. eine Fachkommission).
Zur Behebung der genannten Defizite wurde im vorliegenden Projekt ein Konzept für die Optimierung der Fahrausbildung zum Erwerb einer Fahrerlaubnis der Klasse B erarbeitet. Den Kern dieses Konzepts bilden ein Kompetenzrahmen und ein Ausbildungsplan. Im Kompetenzrahmen wurden sowohl die für den Erwerb von Fahr- und Verkehrskompetenz erforderlichen Kompetenzen als auch die zugehörigen Kompetenzstandards und Mindest-Ausbildungsinhalte nach aktuellen wissenschaftlichen Maßstäben festgelegt. Auf dieser Grundlage wurden dann im Ausbildungsplan die zum Erwerb der Kompetenzen zu vermittelnden Mindest-Ausbildungsinhalte den verschiedenen Lehr-Lernformen (Selbständiges Theorielernen, Theorieunterricht, Fahrpraktische Ausbildung) unter inhaltlichen, pädagogisch-psychologischen und fachdidaktischen Gesichtspunkten zugeordnet und mit Blick auf den Lehr-Lernprozess zeitlich angeordnet. Darüber hinaus wurden im Rahmen des vorliegenden Projekts inhaltliche, methodische und mediale Gestaltungsempfehlungen für das Selbständige Theorielernen und den Theorieunterricht bereitgestellt. Schließlich wurden ein belastbarer Implementationsplan und ein geeignetes Evaluationskonzept beschrieben, mit dem die Lern- und Sicherheitswirksamkeit der optimierten Fahrausbildung noch in der Implementationsphase weiter erhöht (Formative Evaluation) und danach summarisch überprüft (Summative Evaluation) werden kann.
201
Mit dem BASt-Projekt 82.232/2002 "Bedeutung der Fahrpraxis für den Kompetenzerwerb beim Fahrenlernen" sollen Erkenntnisse zu einer verbesserten Fahranfängervorbereitung und zur Verringerung des Fahranfängerrisikos erarbeitet werden. In der vorliegenden Literaturstudie als erstem Projektteil wurde eine umfassende Analyse des internationalen Erkenntnistandes zum Fahrfertigkeitserwerb unter besonderer Berücksichtigung des Einflussfaktors Fahrerfahrung durchgeführt. Herangezogen wurden Forschungsbefunde zu Kompetenzdefiziten junger Fahrer und Fahranfänger, zum Vorgehen bei der Ausbildung und Fahrerlaubniserteilung sowie zu weiteren Trainingsmaßnahmen, die sich an Fahranfänger richten. Zur Identifikation von Risikofaktoren und Bestimmung von Kompetenzdefiziten von Fahranfängern und jungen Fahrern werden meist Unfallstatistiken und Vergleiche von Fahranfängern (Novizen) und mit fahrerfahrenen Fahrern (Experten) herangezogen. Das Forschungsvorgehen ist hauptsächlich themengeleitet (zum Beispiel Unfalltypen und "ursachen, situationale Bedingungen, Alkohol, Fahrverhalten, Risiko- und Gefahrenwahrnehmung) und methodisch durch querschnittliche Daten- beziehungsweise Erhebungsdesigns gekennzeichnet. Längsschnittstudien, die sich gezielt mit der Entwicklung von Fahrfertigkeiten befassen, sind in der Literatur kaum zu finden. Es zeigt sich insgesamt, dass zwar viel darüber bekannt ist, was Fahranfänger und junge Fahrer " vor allem nach dem Fahrerlaubniserwerb " nicht können, unklar ist bisher jedoch wie lange der Fahrfertigkeitserwerb tatsächlich andauert und in welchen zeitlichen Sequenzen einzelne Fertigkeiten erlernt werden. Im Zusammenhang mit der Vorbereitung von Fahranfängern wird national und international mit hohem Aufwand an Maßnahmen zur Senkung der hohen Unfallraten junger Fahrer gearbeitet. Es steht eine Vielzahl an Veröffentlichungen über die Gestaltung der Fahrausbildung und das Vorgehen bei der Fahrerlaubniserteilung zur Verfügung. Innerhalb und außerhalb Europas sind in diesem Bereich große Unterschiede festzustellen. Als genereller Trend ist in den letzten Jahren zu beobachten, dass in der Ausbildung lange Lernzeiten angestrebt werden, um eine möglichst umfassende Fahrkompetenz aufzubauen. Unterschiedliche Auffassungen bestehen vor allem zu folgenden Aspekten: (1) Ausbildungsdauer und zeitliche Sequenz der Ausbildungsabschnitte, (2) Anteil und Rolle des formalen Lernens, (3) Verhältnis von theoretischer und praktischer Ausbildung und (4) Art und Zeitpunkt der Erteilung von Fahrerlaubnisrechten. Diese Aspekte werden vor allem hinsichtlich ihrer Implikationen für den Fahrfertigkeitserwerb im Ausbildungsverlauf diskutiert. Weiterhin werden ausbildungsergänzende Maßnahmen für Fahranfänger angeboten, bei denen Formen des E-Learnings (computerbasierte, interaktive Lernprogramme und simulatorgestützte Trainings) und der personalen Instruktion (Aufbaukurse mit theoretischen und fahrpraktischen Lerneinheiten) zu nennen sind. Beispielhaft werden einige dieser ergänzenden Ausbildungsmaßnahmen vorgestellt und hinsichtlich ihrer Rolle im Prozess des Fertigkeitserwerbs diskutiert. Die umfangreiche Literatur zum Verhalten und zur Ausbildung junger Fahrer spiegelt die nachhaltigen Bemühungen zur Senkung der hohen Unfallrate junger Fahrer wider. Dennoch hat sich die Problemsituation bisher nur wenig geändert. Dies könnte mit dadurch bedingt sein, dass die Forschung sich bislang überwiegend mit der Frage nach dem "WAS" des Lernens und weniger mit der Frage nach dem "WANN" oder dem "WIE" beschäftigt hat. Die Aufgabe einer weiteren Studie zur Frage des Kompetenzerwerbs kann daher nicht sein, den vorhandenen Katalogen von notwendigen Kompetenzen einen weiteren hinzuzufügen, sondern einen Ansatz zu verfolgen, der den Lernprozess selbst thematisiert und empirisch überprüft. Ein entsprechender Ansatz wird vorgeschlagen.
154
In Deutschland besteht ein hoher verkehrspolitischer Handlungsbedarf zur Absenkung des Unfallrisikos junger Fahrer. Mit einem fünffach höheren Risiko gegenüber dem Gesamtdurchschnitt ist die Altersgruppe der 18- bis 20-jährigen am stärksten gefährdet. In dieser jüngsten Altersgruppe der Pkw-Fahrer finden sich die höchsten Anteile von Fahranfängern. Derzeit bestehen in Deutschland noch keine Maßnahmenansätze, um Fahranfänger bereits zum Start in die selbständige Fahrkarriere mit umfassenderen fahrpraktischen Erfahrungen auszustatten. Im Ausland wurden dagegen in den 90er Jahren mit fahrpraxisbezogenen Maßnahmenansätzen bereits beträchtliche Erfolge erzielt: So konnte in Schweden das Unfallrisiko von Fahranfängern um bis zu 40 Prozent, in Nordamerika - je nach Maßnahmenausgestaltung - zwischen 4 und 60 Prozent gesenkt werden (GREGERSEN, 2000; MEI-LI LIN, 2003). Im Mai 2002 richtete der Bundesminister für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen bei der Bundesanstalt für Straßenwesen die Projektgruppe "Begleitetes Fahren" mit Experten aus Bund und Ländern, Verbänden und Wissenschaft ein. Die Projektgruppe erhielt den Auftrag, die Übertragbarkeit der ausländischen Erfahrungen zu prüfen und ggf. einen Modellvorschlag für einen fahrpraxisbezogenen Maßnahmenansatz in Deutschland zu erarbeiten. Als Ergebnis ihrer Arbeit legt die Projektgruppe mit dem vorliegenden Bericht den Modellvorschlag "Begleitetes Fahren ab 17" vor, verbunden mit der Aufforderung an den Bundesminister für Verkehr, Bau und Wohnungswesen, die rechtlichen Voraussetzungen zu schaffen, damit die interessierten Bundesländer den Maßnahmenansatz erproben können. Nach dem Vorschlag der Projektgruppe erhalten Fahranfänger mit dem Begleiteten Fahren die Möglichkeit einer zusätzlichen Übungspraxis von bis zu einem Jahr vor dem Beginn des selbständigen Fahrens ab 18 Jahren. Auf der Grundlage wissenschaftlicher Abschätzungen zur Kompetenzentwicklung bei Fahranfängern wird ein Übungsumfang von 5000 km empfohlen. Die Projektgruppe sieht das "Begleitete Fahren ab 17" als eine Ergänzung der anderen Maßnahmenansätzen für junge Fahrer und Fahranfänger, nicht als eine Alternative oder Konkurrenz. Das Begleitete Fahren verfolgt mit dem längerfristigen Aufbau fahrpraktischer Erfahrungen eine eigenständige Aufgabenstellung, die von den anderen Maßnahmenansätzen nicht wahrgenommen wird. Ebenso wie die freiwillige Fortbildung von Fahranfängern (Zweiphasenausbildung), für die im Mai 2003 die erforderliche Rechtsgrundlage geschaffen wurde, und das Pkw-Sicherheitstraining ist das Begleitete Fahren als ein freiwilliges Modell angelegt, das Fahranfängern zusätzliche Möglichkeiten des Dazulernens bietet. Das Projektgruppenmodell ist auf das Ziel einer Sicherheitsverbesserung für Fahranfänger ausgerichtet. Diese Zielsetzung wird mit den Zielen der Zugangsfreundlichkeit und der Praktikabilität verbunden, damit eine breite Nutzung des Modells und die Ausschöpfung seines Sicherheitspotentials ermöglicht wird. Die Projektgruppe geht aufgrund der Daten zum Risikoverlauf nach dem Fahrerlaubniserwerb (Halbierung des Anfangsrisikos nach neun Monaten Fahrpraxis) von einem hohen Potential zur Absenkung des Fahranfängerrisikos aus. Der tatsächlich erzielbare Sicherheitsertrag des Begleiteten Fahrens in Deutschland ist jedoch im Rahmen einer praktischen Erprobung zu klären.
213
In der Prozessevaluation wurden 3.780 Modellversuchsteilnehmer während der Phase des begleiteten Fahrens bis zu viermal und 1.735 Begleitpersonen einmalig zu unterschiedlichen Aspekten der Maßnahmenumsetzung befragt. Die Teilnahmegründe der Jugendlichen und ihrer Begleiter ließen erkennen, dass das Begleitete Fahren als Bestandteil der Fahranfängervorbereitung gut in den altersspezifischen Lebensabschnitt der jungen Fahrer integriert werden konnte. Insgesamt belegen die Befunde eine große Zugangsfreundlichkeit des Modells und eine hohe Praktikabilität. Im Durchschnitt erbrachten Jugendliche an Tagen mit Begleitfahrt eine Fahrleistung von 32,4 km (Median: 24,0 km). Monatlich wurde eine mittlere Fahrleistung von 318,5 km erbracht. In durchschnittlich acht Monaten Begleitdauer erwarben die Jugendlichen etwa 2.400 km Fahrpraxis. Bei voller Ausschöpfung der Begleitdauer von zwölf Monaten ergab sich eine durchschnittliche Fahrleistung von 3.800 km. Hauptfahrtzwecke waren private Fahrten (Familie, Besuche), Haushaltserledigungen, Freizeitfahrten und Fahrten zur Schule / Ausbildung. Hinsichtlich der Interaktion zwischen Fahranfänger und Begleiter ergibt sich auf der Grundlage zahlreicher Einzelbefunde das Bild einer angemessenen Rolleninterpretation und -ausübung im Sinne eines konstruktiven Zusammenwirkens von Fahranfänger und Begleiter beim fahrpraktischen Kompetenzerwerb. Im Verlauf der Begleitphase war eine deutliche Abnahme unsicherer Fahranfänger zu beobachten. Dies ist Ausdruck des subjektiv wahrgenommenen Zuwachses von Fahrerfahrung während der Begleitphase. Unfälle, Verkehrsverstöße und Verwarnungen in der Begleitphase wurden behördlicherseits nur in geringem Umfang berichtet. Dies lässt erkennen, dass die Maßnahmenpraxis den gebotenen Verkehrssicherheitserfordernissen in hohem Maße gerecht wird. Die erhebliche Ausweitung der fahrpraktischen Vorbereitung durch das Modell "Begleitetes Fahren ab 17 Jahre" hat zu einer strukturellen Veränderung der Fahranfängervorbereitung in Deutschland geführt. Die gegebenen Möglichkeiten hinsichtlich der Nutzungsdauer der Begleitphase und des Umfangs der erbrachten Fahrleistung erscheinen gleichwohl noch nicht ausgeschöpft und empfehlen sich daher als Gegenstand künftiger Optimierungsanstrengungen. Neben der vertieften Ausschöpfung des originären Maßnahmenpotenzials eines längerfristigen fahrpraktischen Erfahrungsaufbaus empfiehlt sich zudem eine sinnvolle Verbindung dieses Maßnahmenansatzes mit weiteren zielführenden Maßnahmen im Rahmen eines integrierten Systems der Fahranfängervorbereitung in Deutschland.
202
Das Ziel des Projektes war eine Bestandsaufnahme des Einsatzes computerbasierter Lehr-Lern-Medien in der Fahranfängervorbereitung und ihrer Anwendung im In- und Ausland. Darauf aufbauend sollten die Anforderungen herausgearbeitet werden, die an eine künftige umfassende Einbeziehung dieser Medien in die Fahranfängervorbereitung zu stellen sind. Zunächst wurde eine umfangreiche Recherche zu Erfassung der national und international in Anwendung befindlichen Lehr-Lern-Medien durchgeführt. Daraufhin konnte eine erste grobe Kategorisierung der Applikationen vorgenommen werden. Zudem zeigte sich, dass die Verbreitung verschiedener Produktgruppen im internationalen Vergleich stark variiert und ganz entscheidend von den jeweiligen gesetzlichen Rahmenbedingungen abhängt. Es folgte die Ableitung einer Systematisierungsgrundlage, mit Hilfe derer computergestützte Lehr-Lern-Medien detailliert betrachtet und bewertet werden können. Diese Systematisierungsgrundlage basiert in wesentlichen Teilen auf Erkenntnissen der Lehr-Lern-Forschung speziell im Bereich des E-Learning. Unter Beachtung einschlägiger Arbeiten im Bereich der Verkehrspsychologie, insbesondere zum Thema der Fahraufgabe. wurde ein starker Fokus auf den Erwerb fahraufgabenrelevanter Wissensinhalte beziehungsweise Kompetenzen gelegt. Anschließend wurden ausgewählte computerbasierte Lehr-Lern-Medien vor dem Hintergrund der zuvor erarbeiteten Systematisierungsgrundlage betrachtet und bewertet. Zudem wurden die Möglichkeiten, die sich durch die Nutzung derartiger Anwendungen ergeben, diskutiert sowie diesbezügliche Grenzen des bestehenden Systems der Fahrausbildung identifiziert. Im abschließenden Ausblick konnten Entwicklungspotentiale im Bereich der computerbasierten Lehr-Lern-Medien aufgezeigt sowie Empfehlungen zur Verbesserung der bisherigen Praxis der Fahranfängervorbereitung formuliert werden.
239
Das Fahrerlaubnisprüfungssystem und seine Entwicklungspotenziale - Innovationsbericht 2009/2010
(2013)
Innovationsberichte dienen dem Ziel, alle zwei Jahre über die mit der mittel- und langfristigen Weiterentwicklung des Fahrerlaubnisprüfungssystems zusammenhängenden Forschungs- und Entwicklungsprozesse zu informieren. Mit Hilfe der Innovationsberichte können somit Qualität, Planmäßigkeit und wissenschaftliche Absicherung der Weiterentwicklung der Fahrerlaubnisprüfung beurteilt werden. Der vorliegende Innovationsbericht beschreibt die Hauptschwerpunkte der Tätigkeit der TÜV | DEKRA arge tp 21 im Hinblick auf die Theoretische Fahrerlaubnisprüfung für den Berichtszeitraum 2009/2010. Diese lagen in (1) Arbeiten zur Modellierung von Fahrkompetenz, (2) der Evaluation und Weiterentwicklung der traditionellen Aufgabenformate und der Prüfungsmethodik, der (3) Durchführung von Forschungsarbeiten zur Verwendung computergenerierter dynamischer Fahrszenarien und der (4) Erschließung innovativer Aufgabentypen zur Prüfung bislang nicht ausreichend geprüfter Fahrkompetenzkomponenten im Bereich des Handlungswissens. Zu (1): Unter Berücksichtigung von inhaltlichen Anforderungsebenen des Fahrverhaltens (z.B. DONGES, 2009) und Aneignungsstufen von Fahrkompetenz (z. B. GRATTENTHALER, KRUEGER & SCHOCH, 2009) wurde ein "Fahrkompetenzstrukturmodell" entworfen, um inhaltliche Komponenten der Fahrkompetenz einzuordnen und die Prüfungsaufgaben strukturieren zu können. Weiterhin lassen sich damit prototypische Anforderungssituationen zur Operationalisierung von Prüfungsinhalten erarbeiten sowie die Inhalts- und Fahrkompetenzbereiche beschreiben, welche durch verschiedene Prüfungsformen abgedeckt werden können. Zu (2): Mit der Einführung der TFEP am PC wurden die technischen Rahmenbedingungen der Prüfungsdurchführung verändert und Verbesserungen zur Gewährleistung der Manipulationssicherheit umgesetzt. Die auf dem Revisionsprojekt aufbauende kontinuierliche Evaluation der Prüfungsaufgaben und Paralleltests zeigte grundsätzlich, dass die große Mehrheit der eingesetzten Prüfungsaufgaben unter Abwägung unterschiedlicher testpsychologischer Kriterien ihre Funktion zur Überprüfung der jeweiligen Kompetenzen erfüllt. Zu (3): Zur Verbesserung der Darbietungsformen bzw. Instruktionsformate wurde von der TÜV | DEKRA arge tp 21 die Softwareloesung "VICOM" entwickelt. Mit dieser Software wurden zum einen die bisher verwendeten Fotos durch computergenerierte statische Abbildungen ersetzt, die mit geringem Aufwand erstellt und variiert werden können. Zum anderen wurde dadurch die Erarbeitung von dynamischen Videosequenzen ermöglicht. Die Erprobung von Aufgaben mit dynamischer Situationsdarstellung deutet darauf hin, dass die intendierte Erfassung der Kompetenzen zur Gefahrenerkennung mit dem neuen Instruktionsformat, das keine Lösungshinweise im Abschlussbild mehr enthält, besser gelingen könnte (FRIEDEL, WEIßE & RÜDEL, 2010). Zu (4): Entwicklungspotenziale für die TFEP werden insbesondere bezüglich der Erfassung von Handlungskompetenzen im Bereich der Verkehrswahrnehmung und Gefahrenvermeidung deutlich. Diese verkehrssicherheitsrelevanten Kompetenzen können in der traditionellen "Wissensprüfung" nicht geprüft werden, da ihre Aneignung Fahrerfahrungen voraussetzt, die zum Prüfungszeitpunkt in der Regel noch nicht gegeben sind. Auch in der traditionellen Fahrprüfung ist eine Erfassung dieser Kompetenzen nur eingeschränkt möglich, weil die Anforderungssituationen im Realverkehr nicht beliebig vom Fahrerlaubnisprüfer gesteuert werden können und Gefahrensituationen aufgrund von Sicherheitserfordernissen auch nicht herbeigeführt werden dürfen. Daher erscheint es notwendig, im Rahmen der deutschen Fahrerlaubnisprüfung eine innovative Prüfungsform zu entwickeln, bei der Verkehrs- und insbesondere Gefahrensituationen realitätsnah am Computer simuliert und zur Operationalisierung der obengenannten Kompetenzkomponenten genutzt werden. Derartige "Verkehrswahrnehmungstests" (bzw. "Hazard Perception Tests") finden sich bereits in einigen Fahranfängervorbereitungssystemen im Ausland. Zur Ausschöpfung der Potenziale der Fahrerlaubnisprüfung in Deutschland muss ihre Weiterentwicklung unter Berücksichtigung des Gesamtsystems der Fahranfängervorbereitung erfolgen. Dabei sind die Qualitätssicherungs- und Entwicklungsmaßnahmen neben Input-Vorgaben wie Lehrpläne und Prüfungsrichtlinien stärker auf Output-Vorgaben wie das von den Fahranfängern zu erreichende Kompetenzniveau zu fokussieren. In festzulegenden Ausbildungsstandards müssen Niveaustufen der Fahrkompetenz, die Fahranfänger bei den Übergängen zwischen den einzelnen Phasen der Fahranfängervorbereitung mindestens erreicht haben sollen, so konkret beschrieben werden, dass sie in Prüfungsaufgaben umgesetzt und im Rahmen der Fahrerlaubnisprüfungen erfasst werden können.
331
Ziel des vorliegenden Projektes war die Entwicklung eines computerbasierten Trainings, das gewinnbringend in der Fahranfängervorbereitung eingesetzt werden kann sowie der empirische Wirksamkeitsnachweis dieser Lernanwendung.
Entwickelt und evaluiert wurde ein multimediales Lernangebot, das den Erwerb sicherheitsrelevanter Fahrkompetenzen unterstützen sollte. Im Fokus stand die Vermittlung von Teilkompetenzen, die bei Fahranfängern noch weniger gut entwickelt und daher unfallrelevant sein können. In diesem Zusammenhang erschien die Förderung von Gefahrenwahrnehmung und damit verbunden Teilfertigkeiten geeignet.
Die Erstellung der Lernanwendung erfolgte unter Berücksichtigung allgemein geltender Gestaltungsrichtlinien für multimediales Lehr-Lernmaterial. Zur Veranschaulichung kritischer Verkehrsszenen wurden dynamische Visualisierungen (Computeranimationen) eingesetzt. Konzeptionell basiert die entwickelte Lernanwendung auf einem Instruktionsdesignmodell, das explizit auf die Förderung komplexer Fertigkeiten ausgerichtet ist, dem Four-Component Instructional Design (4C/ID)-Modell.
Neben authentischen Lernaufgaben sowie Teilübungsaufgaben postuliert das 4C/ID-Modell Unterstützende und Prozedurale Lerninformationen als unverzichtbare Komponenten von Lernumgebungen zur Förderung komplexer Fertigkeiten. In zwei Studien wurden daher zunächst geeignete Lernszenarien zur Vermittlung von Gefahrenwahrnehmung identifiziert sowie einerseits überprüft, ob Unterstützende und Prozedurale Zusatzinformationen für den Erwerb von Gefahrenwahrnehmungsfähigkeiten notwendig sind und anderseits, wie diese Zusatzinformationen gestaltet sein sollten, um diese Kompetenzen optimal zu fördern.
Die Überprüfung der Lernwirksamkeit einer adaptiven sowie einer non-adaptiven Variante des entwickelten multimedialen Trainings erfolgte im Rahmen einer dritten Studie, in der u. a. verhaltensnahe Maße wie die Geschwindigkeitsregulierung im Fahrsimulator erfasst wurden.