Berichte der Bundesanstalt für Straßenwesen, Reihe F: Fahrzeugtechnik
21
Der Kraftschluss zwischen Reifen und Fahrbahn bestimmt in entscheidender Weise die Fahrsicherheit, insbesondere bei Nässe. Wer sein Fahrzeug mit breiteren Reifen ausrüsten will, hat oftmals keine Möglichkeit, die Eigenschaften der jeweiligen Reifen bei nachlassender Profiltiefe einzuschätzen. Es sollte in dieser Untersuchung geklärt werden, ob die Verwendung von Breitreifen Nachteile für die Fahrsicherheit bei Nässe mit sich bringt, insbesondere unter Berücksichtigung der im Betrieb zwangsläufig nachlassenden Profiltiefe. Im Innentrommelprüfstand der Bundesanstalt für Straßenwesen wurden Kraftschlussuntersuchungen an Pkw-Reifen in drei verschiedenen Breiten durchgeführt. Die Untersuchung beschäftigt sich mit dem Einfluss der Reifenbreite, der Profilgestaltung und der Profilhöhe auf den Kraftschluss bei Nässe. Dabei werden auch die Parameter Fahrgeschwindigkeit, Wasserfilmhöhe, Radlast und Reifeninnendruck berücksichtigt, die den Kraftschluss bei Nässe maßgeblich mitbestimmen. Steigende Fahrgeschwindigkeit, geringere Profiltiefe und höherer Wasserfilm verringern die maximal übertragbaren Bremskräfte. Höhere Radlasten verringern die Tendenz des Reifens, unter dem Druck des sich ausbildenden Wasserkeils aufzuschwimmen und verbessern dadurch das Kraftschlussverhalten bei Nässe. Niedrige Profilhöhen führen wegen der schlechter werdenden Wasserverdrängung zu einem stärkeren Abfall der Kraftschlussmaximalwerte bei steigender Geschwindigkeit oder höherem Wasserfilm. Insgesamt birgt die Kombination von hoher Fahrgeschwindigkeit, niedriger Profiltiefe und hohem Wasserfilm eine extrem hohe Aquaplaninggefahr, die sich noch verstärkt, wenn der korrekte Reifeninnendruck unterschritten wird. Bei niedrigen Fahrgeschwindigkeiten zeigen schmalere Reifen Vorteile, während bei höheren Fahrgeschwindigkeiten und niedrigen Wasserfilmhöhen Breitreifen das Niveau schmaler Reifen sogar übertreffen können. Dieser Effekt ist auf die spezielle laufrichtungsgebundene Profilgestaltung der hier untersuchten Breitreifen zurückzuführen.
18
Die vorliegende Studie untersucht die Auswirkung der Ausstattung von Motorrädern mit Anti-Blockier-System (ABS) auf die Fahrsicherheit von Motorrädern. Hierzu wurden Fahrversuche im realen Verkehr und auf abgesperrter Teststrecke durchgeführt. Erfahrene und wenig erfahrene Motorradfahrer absolvierten Testfahrten auf nasser und trockener Fahrbahn mit und ohne ABS-Aktivierung des Motorrades. Bei den Versuchsfahrten kam es zu einigen kritischen Fahrsituationen, bei denen die Versuchspersonen insbesondere zu Beginn des Bremsmanövers von ihrem "normalen" Bremsverhalten abwichen. Bei blockierendem Hinterrad wurde der Bremsdruck vorne und hinten reduziert, was zu einer deutlichen Bremswegverlängerung führte. Bei den Vollbremsungen unter idealen Bedingungen auf abgesperrter Strecke wurden von erfahrenen Fahrern ohne ABS kürzere Bremswege als mit ABS erreicht. Kurvenbremsungen mit ABS-Regelung wurden im mittleren Geschwindigkeits- und Schräglagebereich fahrstabil durchgeführt. Die Ergebnisse zeigen, dass selbst erfahrene Motorradfahrer Bremsweg in kritischen Situationen verschenken. Geeignete Antiblockiersysteme könnten Motorradfahrern die Angst vor Radblockaden nehmen. Dies dürfte einen erheblichen Beitrag zur Steigerung der aktiven Sicherheit leisten.
39
Optimierung des rückwärtigen Signalbildes zur Reduzierung von Auffahrunfällen bei Gefahrenbremsung
(2002)
Das derzeitige Bremssignalbild übermittelt dem nachfolgenden Verkehr nur dass gebremst wird, die Fahrer erhalten jedoch keine Information über die Stärke des Bremsmanövers. Im vorliegenden Bericht wird im Rahmen einer Literaturstudie untersucht, wie das rückwärtige Signalbild optimiert werden könnte, um vor allem Gefahrenbremsungen gesondert darzustellen. Einige praktikable Lösungsvorschläge, die bereits fertig entwickelt sind, werden vorgestellt und analysiert. Es hat sich gezeigt, dass prinzipiell zwei Maßnahmen geeignet sind, die Fahrerreaktionszeit zu verkürzen: - Eine Flächen- und Leuchtdichtevergrößerung der Bremsleuchten wird von den nachfolgenden Fahrern intuitiv als Annäherung an das vorausfahrende Fahrzeug erkannt. - Blinkende Leuchten sind besonders geeignet, die Aufmerksamkeit des nachfolgenden Fahrers auch bei Ablenkung auf das verzögernde Fahrzeug zu lenken. Als mögliche Weiterentwicklung für ein optimiertes rückwärtiges Signalbild wird vorgeschlagen: Bei Ansprechen eines Bremsassistenten oder Antiblockiersystems (ABS) beziehungsweise einer Fahrzeugverzögerung über 7 m/s2 ist die Gefahrenbremsung über ein Blinken der dritten hochgesetzten Bremsleuchte mit 3-5 Hz zu signalisieren. Optional sollten sich zusätzlich die Flächen beziehungsweise Leuchtdichten der beiden unteren Bremsleuchten vergrößern. Diese Maßnahmen erfordern Änderungen in den ECE-Regelungen Nummer 7 und Nummer 48 sowie im Wiener Weltabkommen. Ziel des vorgestellten Lösungsvorschlags ist die Reduzierung der Zahl beziehungsweise Schwere von Auffahrunfällen.
100
Das wesentliche Ziel des Projekts war es, Kennwerte des Reaktionsverhaltens in sicherheitskritischen Situationen zu erheben. Weiter sollten Rahmenbedingungen für eine standardisierte Erhebung dieses Reaktionsverhaltens erarbeitet werden. Dies kann vor allem als Basis für die Auslegung und Untersuchung der Wirkung von Fahrerassistenzsystemen genutzt werden. Zu diesem Zweck wurden drei Untersuchungen in einem statischen Fahrsimulator durchgeführt, die sich vom Kontext (Stadt: 50 km/h, Landstraße: 100 km/h, Autobahn: 130 km/h) unterschieden. Zur Validierung fand ein vergleichbarer Realversuch im Stadtbereich statt. Dabei wurde jeweils der Einfluss der Umgebung, der Erwartung und von kognitiver Ablenkung auf die Art der Reaktion (Lenken, Bremsen, kombinierte Reaktionen) und die Reaktionszeiten untersucht. An der Untersuchung nahmen insgesamt 131 Fahrer im mittleren Altersbereich zwischen 20 und 40 Jahren teil wobei etwa die Hälfte weiblich war. In den kritischen Situationen tauchte entweder ein Fußgänger oder stehendes Fahrzeug plötzlich vor dem eigenen Fahrzeug auf oder ein Führungsfahrzeug bremste unerwartet stark. Beim Vergleich von Realfahrt und Simulator zeigte sich eine hohe Validität der Simulatorergebnisse. Die Wahl des Fahrmanövers hing maßgeblich von der zur Verfügung stehenden Zeit und dem Ausweichraum ab. Bremsreaktionszeiten lagen zwischen 1.0 (Stadt) und 1.1 (Autobahn) Sekunden, Lenkreaktionszeiten zwischen 0.7 (Stadt) und 1.3 (Autobahn) Sekunden. Bei der Folgefahrt verlängerte sich die Reaktionszeit um etwa 0.2-0.3 Sekunden. Ein Einfluss der kognitiven Ablenkung war nicht nachzuweisen. Dagegen fanden sich deutliche Lerneffekte, was zu einer Verkürzung der Reaktionen um 0.2-0.4 Sekunden führte. Aus den Ergebnissen lässt sich ein Set von 9 Situationen definieren, mit denen man unterschiedliche Arten von Reaktionen und die durch die situativen Bedingungen beeinflussten Reaktionszeiten untersuchen kann.
119
Im Rahmen dieser Begleitstudie zum Feldversuch mit Lang-Lkw wurde untersucht, wie die technischen Anforderungen der Verordnung über Ausnahmen von straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften für Fahrzeuge und Fahrzeugkombinationen mit Überlänge (LKWÜberlStVAusnV) von teilnehmenden Speditionen umgesetzt wurden. Die Studie fußt auf den der BASt von den am Feldversuch teilnehmenden Speditionen zur Verfügung gestellten Daten sowie Fahrzeugbegutachtungen und Fragebögen. Sie bildet den Stand vom 23.06.2016 mit 147 Lang-Lkw von 58 Speditionen ab. 80 Lang-Lkw vom Typ 3 bilden hierbei den größten Anteil. Alternative Umsetzungsmöglichkeiten technischer Anforderungen wurden speziell bei Achslastüberwachungssystemen, Kamera-Monitor-Systemen am Heck und der Tauglichkeit für den Kombinierten Verkehr betrachtet. Bei den Achslastüberwachungssystemen zeigte sich, dass sich bei 80 % der Fahrzeuge alle Achslasten komfortabel direkt im Fahrerhaus ablesen lassen. Kamera-Monitor-Systeme am Heck werden von den Feldversuchsteilnehmern überwiegend als praxistauglich bewertet und insbesondere als Rangierhilfe positiv aufgenommen. Bei Bremswegmessungen zeigte sich, dass auf ihr zulässiges Gesamtgewicht von 40 t beladene Lang-Lkw einen geringfügig längeren Bremsweg aufweisen als Sattelzüge, die mit der gleichen Ladungsdichte, jedoch weniger Ladung auf ca. 28 t Gesamtgewicht volumetrisch voll beladen sind. Bei ganzheitlicher Betrachtung sowohl der Vorgängerstudie als auch dieser Studie kann jedoch von vergleichbaren Bremswegen von Lang-Lkw im Vergleich zu Lkw herkömmlicher Bauart ausgegangen werden. Die Wirksamkeit von Fahrdynamikregelsystemen bei Lang-Lkw wurde im Rahmen von Literaturrecherchen sowie Experten- und Herstellerinterviews untersucht. Die Auslegung der Systeme ist so gestaltet, dass sie den Lang-Lkw verlässlich stabilisieren und zur Fahrzeugsicherheit von Lang-Lkw beitragen.