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Mit der Fortschreibung des europäischen Übereinkommens über die internationale Beförderung gefährlicher Güter auf der Straße (ADR) von 2007 wurden Tunnelbeschränkungscodes für Gefahrgüter eingeführt. Hierdurch wurde die Grundlage für eine europaweit einheitliche Regelung im Falle einer Beschränkung von Gefahrguttransporten durch Straßentunnel geschaffen. Unter Berücksichtigung der EG-Tunnelrichtlinie und den RABT 2006 wurde für Deutschland ein Verfahren entwickelt, mit dem die Gefahrgutrisiken für alle Straßentunnel auf Basis von Risikoanalysen einheitlich bewertet und Einschränkungen für den Gefahrguttransport durch definierte Tunnelkategorien kenntlich gemacht werden können. Das entwickelte Verfahren zur risikobasierten Kategorisierung von Straßentunneln nach ADR 2007 ist zweistufig aufgebaut. In einer Grobbeurteilung (Stufe 1) wird in zwei Schritten ein Tunnel dahingehend überprüft, ob dieser für sämtliche Gefahrguttransporte freigegeben werden kann. Werden die Gefahrgutrisiken mit den einfachen Modellen der Stufe 1 als zu hoch bewertet, muss der Tunnel vertieft untersucht werden. Bei dieser vertieften Analyse (Stufe 2a) wird zunächst das intrinsische Risiko des Tunnels mit detaillierten Modellen und verfeinerten Eingangsdaten bestimmt. Liegt das ermittelte Risiko unterhalb einer auf Erfahrungswerten beruhenden Vergleichskurve, kann der Tunnel für sämtliche Gefahrguttransporte freigegeben werden. Liegt die Risikokurve oberhalb der Vergleichskurve, wird der Tunnel nach Bedarf kategorisiert, d. h. er wird für Transporte von Gefahrgüter mit gleichem Tunnelbeschränkungscode gesperrt bzw. es werden bauliche, technische oder organisatorische Maßnahmen getroffen um das Risiko zu reduzieren. Im Falle einer Beschränkung sind die betroffenen zu transportierenden Güter über eine Umfahrungsstrecke zu leiten. Für die Umfahrungsstrecke ist in der Stufe 2b nachzuweisen, dass sie die aus der Umlegung resultierenden zusätzlichen Gefahrgutrisiken aufnehmen kann. Für die einzelnen Stufen bzw. Schritte wurden die Randbedingungen hergeleitet und definiert. Anforderungen an Modelle, Daten und Anwendung sind im Bericht mit Anhang so beschrieben, dass eine einheitliche Umsetzung möglich ist. Das entwickelte Verfahren ist als Hilfsmittel für die Kategorisierung anzuwenden. Die in der Methodik festgelegten Grenzwerte bzw. Vergleichskurven zur Beurteilung des Handlungsbedarfs wurden auf Grundlage der existierenden vergleichsweise geringen Datenbasis hergeleitet und festgelegt. Es wird empfohlen, die aus der Anwendung gewonnenen Erfahrungen für eine Fortschreibung des Verfahrens nach der Einführungsphase und ggf. nach weiteren 5 bis 8 Jahren zu nutzen.
Die Regelwerke RABT 2006 beziehungsweise 2004/54/EG legen heute die einheitlichen Mindestanforderungen an die Ausstattung und den Betrieb von Straßentunneln in Deutschland fest. Wird von diesen Anforderungen in begründeten Fällen abgewichen oder weist ein Tunnel eine besondere Charakteristik auf, so ist durch eine Risikoanalyse aufzuzeigen, dass durch den Einsatz alternativer Maßnahmen ein vergleichbar hohes Sicherheitsniveau gewährleistet werden kann. Um die in den Richtlinien genannte Forderung zu konkretisieren und eine praktische Umsetzung zu ermöglichen, wurde eine quantitative Methodik zur Sicherheitsbewertung von Straßentunneln entwickelt. Als Grundlage für die Herleitung der erforderlichen statistischen Eingangsgrößen wurden im Rahmen einer Unfallanalyse für 80 Tunnel rund 1'000 Unfallprotokolle spezifisch ausgewertet. Mit der Methodik können die Vorgaben für eine einheitliche und vergleichbare Durchführung von Sicherheitsbeurteilungen geschaffen werden. Bei der Entwicklung der Methodik wurden die Erfahrungen aus anderen, vergleichbaren Sicherheitsbereichen herangezogen und die entsprechenden Ansätze auf ihre Tauglichkeit hin für eine Anwendung im vorliegenden Kontext geprüft. Daneben wurden die aktuellen Entwicklungen und methodischen Ansätze zur Umsetzung der Forderungen gemäß Artikel 13 der Richtlinie 2004/54/EG im Ausland analysiert und die entsprechenden Erkenntnisse soweit sinnvoll in die Entwicklung der Methodik einbezogen. Die Methodik basiert in ihren Grundsätzen und dem gewählten Vorgehen auf einem risikoorientierten Ansatz, der er in verschiedenen Ländern zu unterschiedlichsten Sicherheitsfragen bereits erfolgreich angewandt wird. Bei der Erarbeitung der Methodik wurde darauf geachtet, dass der gewählte Ansatz neben der Erarbeitung der wissenschaftlichen Grundlagen im Hinblick auf die künftige Anwendung auch einen engen praxisorientierten Bezug aufweist. Die Methodik gibt aber bewusst nicht zu allen Aspekten "rezeptartige" Vorgaben vor, sondern definiert einen Rahmen, innerhalb dessen die konkrete Anwendung durchzuführen ist. Für das Regelwerk wurden Empfehlungen zum weiteren Vorgehen abgegeben sowie weiterer Forschungsbedarf aufgezeigt, welcher insbesondere die Aspekte der Risikobewertungskriterien sowie der Datengrundlagen betrifft. Um die Suche innerhalb des Berichtes zu erleichtern, wird dieser zusätzlich noch einmal auf der beiliegenden CD angeboten. Sie enthält darüber hinaus die Anlagen und den Bericht in englischer Sprache.
Reaktions- und Wiederherstellungsprozess für die Straßeninfrastruktur nach disruptiven Ereignissen
(2021)
Um die Funktionsfähigkeit sowie den Betrieb einer Straßeninfrastruktur nach disruptiven Ereignissen aufrechtzuerhalten bzw. möglichst schnell wiederherzustellen, bedarf es geeigneter Methoden und Konzepte, welche eine ganzheitliche, konzeptionelle und systematische Beurteilung der Systemresilienz ermöglichen.
Auf Grundlage des aktuellen nationalen und internationalen Stands der Forschung wurde ein anwendungsorientierter Ansatz für ein Resilienzmanagementkonzept entwickelt, welches mit den Bedürfnissen der potenziellen Nutzer sowie den in Deutschland vorhandenen Ansätzen und Managementsystemen im Straßeninfrastrukturmanagement abgestimmt wurde. Durch die methodischen Elemente des Resilienzscreenings, der Maßnahmen¬beurteilung sowie der Resilienzoptimierung werden geeignete Maßnahmen für eine möglichst effiziente Erhöhung der Systemresilienz identifiziert und priorisiert. Der verwendete pragmatische Ansatz zur Abschätzung des Einflusses einer Maßnahme zur Erhöhung der Resilienz wird für den Anwender nachvollziehbar auf Objektebene durchgeführt und anschließend für Aussagen der Maßnahmenwirkung auf die Resilienz des Gesamtsystems aggregiert.
Unter Berücksichtigung der jährlichen Maßnahmenkosten liefert die entwickelte Methodik für den Entscheidungsträger letztendlich pro Maßnahme vier verschiedene Kennwerte: Die Resilienzwirkung, das Kosten-Wirksamkeits-Verhältnis, den potenziellen Umsetzungszeitraum und die Umsetzungswahrscheinlichkeit (Machbarkeit). Auf dieser Grundlage obliegt es dem Entscheidungsträger, eine Rangliste der umzusetzenden Maßnahmen zu erstellen, die je nach strategischen oder politischen Zielvorgaben für seine Situation und sein System am geeignetsten sind.
Die Anwendung der Methodik des Resilienzmanagements erlaubt es erstmals, sehr unterschiedliche Arten von Maßnahmen miteinander zu vergleichen und ihre Wirkungen und Kosten hinsichtlich Resilienz einander vergleichend gegenüberzustellen.
Eine wesentliche Herausforderung für Entschei- dungsträger im Infrastrukturmanagement besteht in der Beurteilung der Resilienz ihres Infrastrukturnet- zes (und der zugehörigen Einzelobjekte) sowie in der Wahl geeigneter Maßnahmen, um die Resilienz ihres Netzes zu gewährleisten oder im Bedarfsfall sogar zu erhöhen. Insbesondere unter Berücksich-tigung immer knapper werdender Ressourcen ist es erforderlich, anhand geeigneter Methoden nur sol-che Maßnahmen zur Erhöhung der Resilienz durch-zuführen, die in einem ausgewogenen Verhältnis zwischen Maßnahmenkosten und dem dadurch be-wirkten Nutzen stehen.
Das Ziel des vorliegenden Forschungsvorhabens besteht in der Erarbeitung einer Übersicht des aktu-ellen Stands an Methoden zur Abwägung von Nut-zen und Kosten von Maßnahmen zur Erhöhung der Resilienz von Straßeninfrastrukturen. Auf dieser Grundlage sollen Empfehlungen zur Wahl geeigne-ter Verfahren resp. methodischer Ansätze ausge- sprochen werden. Anhand von Fallbeispielen soll abschließend der aktuelle internationale Anwen- dungsstand von Resilienzkonzepten in der Praxis aufgezeigt werden. ...
Ausfälle der Verkehrsinfrastruktur bedingt z. B. durch Naturereignisse, menschliche Einwirkungen oder technisches Versagen können zu hohen volkswirtschaftlichen Kosten führen, wenn sie zu längeren Unterbrechungen von kritischen Streckenelementen führen. Ein wachsendes Mobilitätsbedürfnis, alternde Infrastrukturen sowie die Zunahme von externen Stressfaktoren wie beispielsweise dem Klimawandel stellen zusätzliche Herausforderungen für die Betreiber von Verkehrsinfrastrukturen dar. Ein umfassendes Infrastrukturmanagement ist deshalb für eine hohe Verfügbarkeit und eine Aufrechterhaltung der Funktionalität im Ereignisfall unabdingbar. Was heute mehrheitlich noch fehlt, ist ein ganzheitliches, systematisches Management, das die übergeordnete Systemresilienz beurteilt und die Beurteilung von Maßnahmen hinsichtlich ihres Beitrags zur Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit der Verkehrsinfrastruktur ermöglicht.
Dieses Forschungsprojekt knüpft an das Forschungsprojekt FE 89.0330/2017 Reaktions- und Wiederherstellungsprozess für die Straßeninfrastruktur nach disruptiven Ereignissen an, indem der bestehende Ansatz zur Bewertung der Resilienz von Straßeninfrastrukturen methodisch und inhaltlich optimiert und weiterentwickelt wird. Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf dem Transfer in die Praxis. Dafür wird ein webbasiertes IT-Tool entwickelt, mit welchem die Resilienz der Straßeninfrastruktur sowie die Resilienzwirkung von Maßnahmen bewertet werden können. Um die Nutzung des IT-Tools zu erleichtern, wird ein Benutzerleitfaden erstellt. Ein Implementierungskonzept zeigt auf, wie Methodik und IT-Tool in der Praxis zur Anwendung kommen sollen.
So wird ein wichtiger Meilenstein für die Integration einer Resilienzbewertung als fester Bestandteil des Verkehrsinfrastrukturmanagements erreicht und der Grundstein für eine Überführung der theoretischen Konzepte aus der Forschung in die Praxis gelegt werden, sodass auch zukünftig Entscheidungen im Infrastrukturmanagement zur Aufrechterhaltung der Funktionalität der Straßen besser vorbereitet und Maßnahmen respektive Investitionen besser begründet werden können.
Mit der Einführung der RABT 2006 bzw. der Veröffentlichung der EABT 2019 werden die Vorgaben in der EU-Richtlinie 2004/54/EG zur Anwendung von Risikoanalysen bei der Bewertung der Sicherheit von Straßentunneln in das nationale Regelwerk überführt. Danach werden Risikoanalysen erforderlich, wenn ein Straßentunnel entweder eine besondere Charakteristik aufweist oder in seiner geometrischen Ausbildung bzw. sicherheitstechnischen Ausstattung von den Vorgaben im Regelwerk abweicht.
Seit der Veröffentlichung der aktuellen Methodik zur Sicherheitsbewertung von Straßentunneln gemäß BASt-Heft B66 „Sicherheitsbewertung von Straßentunneln“ im Jahr 2009 liegen zwischenzeitlich umfangreiche Erkenntnisse bei der Umsetzung des Verfahrens und der praktischen Anwendung in risikoanalytischen Untersuchungen vor. Des Weiteren wurden in dem Fachbereich zahlreiche Forschungsprojekte zu speziellen Fragestellungen durchgeführt und wesentliche neue Erkenntnisse zu bisher unberücksichtigten Parametern gewonnen. Sowohl das methodische Vorgehen als auch grundlegende Parameter und Annahmen der Methodik entsprechen daher nicht mehr dem aktuellen Stand der Technik. Aus den oben genannten Gründen ist es erforderlich, die Bewertungsmethodik zu analysieren und zweckmäßige Adaptierungsvorschläge festzulegen.
Der entwickelte Adaptierungsvorschlag für die Bewertungsmethodik behandelt die folgenden Anpassungen im Zuge der Risikobewertung, der Häufigkeitsermittlung, sowie der Schadensausmaßermittlung für Kollisionen und Brände im Tunnel.
Zur Risikobewertung wurde anstelle des absoluten Bewertungskriteriums innerhalb von Summenkurven im Häufigkeits-Ausmaßdiagramm ein relativer Ansatz implementiert, bei dem ein zu untersuchen-der Tunnel einem richtlinienkonformen theoretischen Tunnel gegenübergestellt wird. Dafür war es erforderlich die Rahmenbedingungen für die Festlegung eines solchen Referenztunnels für wesentliche Tunnelparameter zu definieren.
Der Adaptierungsvorschlag in der Häufigkeitsanalyse beinhaltet die Aktualisierung von Ereignisraten (Unfallrate, Brandrate) aufgrund von aktuellen Auswertungen der bundesweiten Ereignisdatenbank, der Festlegung von Einflussfaktoren auf die Unfallhäufigkeit im Tunnel, sowie eines Vorschlages zur Aktualisierung der Struktur des Ereignisbaumes inklusive dessen relativen Häufigkeiten.
Der Adaptierungsvorschlag für das Schadensausmaßmodell beinhaltet Neuerungen sowohl bei der Analyse der Auswirkungen von Kollisionen, als auch von Bränden im Tunnel. Mit Hilfe des Nilsson Power Modells kann fortan der Einfluss der Geschwindigkeit auf das Schadenausmaß nach Kollisionen abgebildet werden. Außerdem wurden für Wirkungsmodelle zur Abschätzung von Brandfolgen entsprechende Parameter und Randbedingungen festgelegt. Fokus dabei war die Festlegung von detaillierten Brandkurven und der zugehörigen Zeitschiene, die Implementierung eines akkumulations-basierten Fluchtmodells sowie Ansätze zur realitätsnahen Abbildung von Selbst- und Fremdrettungsvorgängen.
Der ganzheitliche Adaptierungsvorschlag basiert auf einer aktuellen Auswertung der Tunnelereignisse in Deutschland sowie dem Stand der Wissenschaft und Technik bei der Bewertung von Personenrisiken im Tunnel. Durch Implementierung der vorgeschlagenen Anpassungen ist es fortan möglich, die Risiken im Tunnel realitätsnaher zu analysieren und eine Vielzahl von Sicherheitsmaßnahmen besser zu bewerten.