Refine
Auf die Fahrschulbranche wirken aktuell vielfältige Einflussfaktoren aus den verschiedensten sozialen, ökonomischen, politischen und technologischen Bereichen ein. Hierzu ist festzuhalten, dass aus dem Zusammenwirken der Faktoren komplexe Herausforderungen resultieren. Große Potenziale zur Bewältigung der Situation sowie zur Ausrichtung der Branche auf künftige Herausforderungen könnte dabei der Einsatz von Fahrsimulatoren in der Fahrausbildung bereithalten. Zentrale Gründe sprechen für diese Perspektive:
• Fahrsimulatoren haben im direkten Vergleich mit dem Einsatz von Fahrschul-Pkw einen wesentlich geringeren Energieverbrauch und verursachen zudem weniger Emissionen, insbesondere keine Feinstaub-Emissionen während des Fahrbetriebs.
• Die Anschaffungsinvestitionen und Betriebskosten geeigneter Fahrsimulatoren liegen deutlich unter denen von Fahrschulfahrzeugen, wodurch eine betriebswirtschaftliche Optimierung von Fahrschulen genauso möglich ist wie die Senkung der Ausbildungsaufwendungen von Fahrschülerinnen und -schülern.
• Ausbildungsstunden am Fahrsimulatoren sind ohne die direkte Einbindung einer Fahrlehrerin oder eines -lehrers durchführbar. Dies senkt die Kosten aus Fahrschulperspektive sowie den finanziellen Aufwand aus Fahrschülerinnen- und -schülerperspektive gleichermaßen. Außerdem könnte auch mittels Fahrsimulatoreinsatz dem akuten Fahrlehrermangel in der Branche begegnet werden.
• Fahrsimulatortrainings im „geschützten Raum“ der Fahrschule sind mit keinen ernst¬zunehmenden Risiken bei einem etwaigen Fahrfehlverhalten verbunden. Simulationstrainings bieten zudem spezifische Möglichkeiten, verschiedene Situationen, die kaum oder nicht während der realen Fahrstunden auftreten, systematisch in die Trainings einfließen zu lassen.
• Die Lehr-Lernform „Fahrsimulationstraining bietet konkrete Ansatzpunkte, sowohl die Qualität im Theorieunterricht als auch insbesondere in der fahrpraktischen Ausbildung nachhaltig zu optimieren, wenngleich eine gänzliche Substitution etablierter Lehr-Lern¬formen angesichts des Status Quo der technisch-konzeptionellen Spezifika aktuell ver¬fügbarer Fahrsimulatoren aktuell auszuschließen ist.
Aus didaktischer Perspektive und mit Blick auf die Erhöhung der Ausbildungsqualität sprechen viele Faktoren für eine Intensivierung des Simulatoreinsatzes in der Fahrausbildung. So können Simulatortrainings bei der Vermittlung von Lehr-Lerninhalten durch implizites Lernen zu Fakten- und Handlungswissen führen. Die Vermittlung von Handlungskompetenzen ist dagegen in vielen Fällen lediglich partiell möglich. Ebenfalls ist insbesondere auf die Transferproblematik von mittels Fahrsimulator erworbenen Kompetenzen auf die reale Situation im Straßenverkehr hinzuweisen. Die Analyse dieser Problematik führt letztlich zur Erkenntnis, dass reale Fahrstunden nicht gänzlich substituierbar sind. Die Verarbeitung von relevanten Lerninhalten und die Herausbildung von notwendigen Kompetenzen sowie die Erreichung von Mindest-Kompetenzstufen durch Fahrschülerinnen und -schüler erfordert zudem einen jeweils personenindividuellen Prozess, der wiederum von der personenspezifischen kognitiven Leistungsfähigkeit abhängig ist. Vor diesem Hintergrund sollte die Anzahl an Simulatorstunden durch Vorschriften weder nach oben noch nach unten hin begrenzt werden. Vielmehr sind die Fahrlehrerinnen und -lehrer in die Pflicht zu nehmen, auf Basis von systematischen Lernstandsüberprüfungen jeweils personenindividuelle Lernprozesse mit dem zur Verfügung stehenden didaktischen Instrumentarium zu definieren und umzusetzen. Bereits aktuell verfügbare Fahrsimulatoren bieten üblicherweise mit ihren Softwareapplikationen brauchbare Voraussetzungen, systematische Kontrollen des Lernstands abzubilden. Zudem bestünde die mit Simulationstrainings, die durch Fahrlehrerinnen und -lehrer oder durch Instruktoren begleitet werden, die Chance, zumindest einen Teil der „besonderen Ausbildungsfahrten“ anzuerkennen. Dies setzt jedoch voraus, dass die gesetzgebenden Institutionen von der Simulator-Ausbildungsqualität überzeugt werden können. Denn die Gesetzgebung bietet bislang keine Möglich¬keit, Ausbildungsanteile, die auf einem Fahrsimulator absolviert werden, als fahrpraktische Ausbildung gemäß §§ 5 und 5a der Fahrschüler-Ausbildungsordnung (FahrschAusbO) anzuerkennen bzw. anzurechnen (Reindl et al., 2015, 2023). Die Analysen der vorliegenden Studie beziehen zusammenfassend den gesamten Fahr¬ausbildungsprozess – vom Theorieunterricht über die praktische Fahrausbildung bis hin zum Führerscheinerwerb – ein. Entlang dieser parallel verlaufenden Prozessketten sind die konkreten Einsatzmöglichkeiten von Fahrsimulatoren nunmehr detailliert belegt. Zudem ermöglichen integrierte Fahrsimulatorkonzepte die Etablierung von Lernumgebungen, die individualisierbare Lernprozesse ermöglichen. Die zentralen Empfehlungen zur systematischen Integration von Simulatoren in die Fahrausbildung beziehen sich vor diesem Hintergrund auf die Integration einer systematischen Lernstandsüberprüfung und -diagnostik, die Verpflichtung von Fahrlehrerinnen und Fahrlehrern, die Lernstände ihrer Fahrschülerinnen und -schüler regelmäßig zu überprüfen, die Anreicherung und Optimierung von Ausbil¬dungseinheiten der Fahranfängerausbildung durch digitale Elemente, die Initiierung eines Zertifizierungsprozesses zur technischen und softwareseitigen Spezifikation von Fahrsimulatoren, die den Anforderungen einer qualitativ hochwertigen Fahrschulausbildung gerecht werden, die Absicherung und Fortentwicklung der Ausbildungsqualität in den Fahrschulen durch ein systematisches Qualitätsmanagement zu geeigneten prozessualen, organisatorischen und inhaltlichen Dimensionen sowie zur technischen Weiterentwicklung von Fahrsimulatoren.