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Die in Deutschland mit Abstand am häufigsten verwendeten Abdichtungssysteme für Betonbrücken (ca. 98 %) sind die Abdichtungssysteme nach den ZTV-ING 6-1 (alt ZTV-ING 7-1), bestehend aus einer Polymerbitumen-Schweißbahn und einer Schutzschicht aus Gussasphalt. Um eine Blasenbildung während des Aufschweißens der Polymerbitumen-Schweißbahn oder bei dem Einbau der Gussasphalt-Schutzschicht zu vermeiden, wird die Betonoberfläche mit einer Epoxidharz-Versiegelung behandelt.
Die standardmäßig nach den TL-BEL-EP verwendeten Epoxidharze benötigen zum Einbau und zur Aushärtung eine Mindesteinbau- und Aushärtetemperatur von ca. 8 °C sowie eine relative Luftfeuchte von höchstens 85 %. Aus diesen Gründen ist die Ausführung von Abdichtungsarbeiten auf Betonbrücken in der Regel in dem Zeitraum zwischen Oktober und März nicht sachgerecht möglich, obwohl der Einbau der eigentlichen Dichtungsschicht, der Polymerbitumen-Schweißbahn, unter Beachtung der notwendigen Sorgfalt, oftmals möglich wäre. Für eine Erweiterung des Einbauzeitraumes für Abdichtungssysteme auf Brücken wäre daher die Entwicklung alternativer Versiegelungen oder Grundierungen zielführend, die gegenüber niedrigen Einbautemperaturen und/oder Feuchte (Regen, Taubildung) unempfindlicher sind.
Ein möglicher Lösungsansatz für das oben genannte Problem ist die Verwendung von Versiegelungen oder Grundierungen auf der Basis von Polymethylmethacrylat (PMMA), bei denen der Einbau nahezu unabhängig von der Temperatur der Unterlage erfolgen kann.
Während bei Epoxidharzen die Aushärtung durch Polyaddition erfolgt (die beiden Komponenten Harz und Härter reagieren miteinander und bilden das Epoxidharz), erfolgt bei PMMA die Aushärtung durch Polymerisation. Der Harzkomponente (MMA) wird zum Start der Reaktion ein Initiator (Dibenzoylperoxid) zugefügt, bei der folgenden Reaktion polymerisiert das MMA zu PMMA. Je nach Zugabemenge des Initiators erfolgt die Reaktion langsamer oder schneller.
Auf diese Weise ist es möglich, die temperaturbedingte Verlangsamung der Aushärtung durch eine entsprechende Erhöhung der Zugabemenge des Initiators auszugleichen und damit die Aushärtezeit unabhängig von der Temperatur konstant zu halten.
Aufgrund der kurzen und weitgehend temperaturunabhängigen Aushärtezeiten eignen sich Versiegelungen und Grundierungen aus PMMA also insbesondere für Erneuerungs- und Instandsetzungsmaßnahmen, bei denen kurze Ausführungszeiten benötigt werden, sowie für Baumaßnahmen im Frühjahr und Herbst, bei denen Versiegelungen und Grundierungen aus Epoxidharz aufgrund der niedrigen Temperaturen nicht eingesetzt werden können.
In den vergangenen Jahren (Stand 2018) wurden mehr als 30 Baumaßnahmen nach Zustimmung im Einzelfall mit Versiegelungen oder Grundierungen auf der Basis von PMMA ausgeführt. Voraussetzung für die Zustimmung im Einzelfall war jeweils der prüftechnische Nachweis der grundsätzlichen Gleichwertigkeit der eingesetzten Systeme.
Für einen Bewährungsnachweis, aber auch zur Bestimmung der notwendigen Einbaubedingungen, wurde im Rahmen dieses Projektes eine Erfahrungssammlung ausgeführter Baumaßnahmen durchgeführt. Dabei wurden die Erfahrungen sowohl der Auftraggeber als auch der ausführenden Firmen bei 25 Baumaßnahmen erfasst und ausgewertet. Die überwiegend positiven Ergebnisse zeigen die grundsätzliche Anwendbarkeit von Versiegelungen und Grundierungen auf der Basis von PMMA für den beschriebenen Anwendungszweck. Außerdem konnte aus den Rückmeldungen eine Liste der baustoffspezifischen Besonderheiten abgeleitet werden, die für einen sicheren Einbau zu beachten sind.
Zwar ist der Beobachtungszeitraum der Erfahrungssammlung relativ kurz, jedoch handelt es sich bei den Versiegelungen und Grundierungen unter Polymerbitumen-Schweißbahnen grundsätzlich um eine bewährte Bauweise, es wird lediglich ein neuer, vom Regelwerk abweichender Baustoff für die Versiegelungen oder Grundierungen verwendet. Die eigentliche Dichtungsschicht, die Polymer-bitumen-Schweißbahn, bleibt unverändert. Daher wurde vom Arbeitsausschuss AA 7.7 „Brückenbeläge“ der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (FGSV) der Entwurf eines ersten Regelwerkes erarbeitet. Es handelt sich hierbei um die „Hinweise für die Herstellung von Abdichtungssystemen aus einer Polymerbitumen-Schweißbahn auf einer Versiegelung, Grundierung oder Kratzspachtelung aus PMMA für Ingenieurbauten aus Beton“ (H PMMA). In diesen Hinweisen werden die Erfahrungen der Hersteller, der einbauenden Firmen sowie der Auftraggeber der ausgeführten Baumaßnahmen zusammengefasst. Der Entwurf wurde zwischenzeitlich als Wissensdokument W1 von der FGSV eingeführt.
Mit dem ARS Nr. 21/2023 für das Sachgebiet 05.6: Brücken und Ingenieurbau; Brückenausstattung wurden Versiegelungen und Kratzspachtelungen aus PMMA zwischenzeitlich als eine weitere Regelbauweise eingeführt.