Das Ziel der Untersuchung war, die Grenzen der Belastbarkeit eines Rollstuhl- und Personenrückhaltesystems mit Kraftknoten nach DIN 75078-2 zu ermitteln. Dazu wurden dynamische Schlittenversuche durchgeführt, bei denen die Verzögerungspulse sowie das Gesamtgewicht von Rollstuhl und Prüfpuppe variiert wurden. Für die Untersuchungen kamen ein Prüfrollstuhl, definiert nach ISO 10542, und Rückhaltesysteme mit Kraftknoten gemäß DIN 75078-2 zum Einsatz. Das Rückhaltesystem bestand aus einem Rollstuhl- und einem Personenrückhaltesystem, wobei das Rollstuhlrückhaltesystem (RRS) mit vier bzw. sechs Gurten und entsprechenden Retraktoren an einem dynamischen Schlittenaufbau befestigt wurde. Das Personenrückhaltesystem (PRS) bestand aus einem am Rollstuhl integrierten Beckengurt sowie einem Schulterschräggurt, der am Beckengurt und am Schlittenaufbau befestigt wurde. Ferner wurden bei den Versuchen Prüfpuppen verschiedener Alters- und Gewichtsklassen (P6, HIII 5 %, HIII 50 % und HIII 95 %) eingesetzt Die Belastungsanforderungen für das Rückhaltesystem wurden sukzessiv erweitert, indem einerseits das Gesamtgewicht (Rollstuhl und Prüfpuppe) und andererseits auch die Verzögerungspulse bis zur Versagensgrenze erhöht wurden. Das Vier-Gurt-Rückhaltesystem konnte bei einem Verzögerungspuls von 10 g einem Gesamtgewicht von bis zu 221 kg standhalten. Bei einem Verzögerungspuls von 20 g und einem Gesamtgewicht von 134 kg wurde das Vier-Gurt-System bis über die Grenzen belastet. Das Sechs-Gurt-Rückhaltesystem hat Belastungen bis 221 kg standgehalten. Infolgedessen ist bei einer Erhöhung der Verzögerungspulse auf 20 g und einem Gesamtgewicht von mehr als 109 kg ein Sechs-Gurt-System zu empfehlen.
Es ist zu beobachten, dass trotz einer Abnahme der Zahl der Verletzungen und der Verletzungsschwere der Insassen bei Pkw-Unfällen Halswirbelsäulen (HWS)-Distorsionen, speziell im unteren Geschwindigkeitsbereich häufiger auftreten. Neben anderen Faktoren werden auch veränderte Beschleunigungs- und Verzögerungsimpulse, die im Crashfall auf die Insassen wirken, als möglicherweise ursächlich für die Entstehung von HWS-Distorsionen angesehen. In der vorliegenden Arbeit wird untersucht, welchen Einfluss konstruktive Veränderungen, die durch Versicherungseinstufungstests bedingt werden, auf die Beschleunigungs- und Verzögerungsimpulse im Fahrzeuginnenraum haben. Versuche zum Fußgängerschutz wurden einvernehmlich nicht durchgeführt, da die Fahrzeuge noch nicht konsequent nach Fußgängerschutzkriterien konzipiert werden. Die Untersuchungsmethode lässt sich gliedern in: - Analyse von internationalen Versicherungssystemen und Analyse der aus den Versicherungseinstufungstests resultierenden Veränderungen von Fahrzeugstrukturen; - Durchführung und Analyse von eigenen Aufprallversuchen mit Fahrzeugteilstrukturen und vergleichende Analyse von Vollfahrzeugversuchen der Versicherungswirtschaft; Zusammenführen der getätigten Schritte. Bei der Ersteinstufung eines Pkw in die Vollversicherung dient der Versicherungseinstufungstest des RCAR/AZT (Prüfgeschwindigkeit 15 km/h) zur Bestimmung der Schadenshöhe und damit zur Einstufung in eine Typklasse. In vielen weiteren Staaten dienen dieser oder ähnliche Tests zur Bewertung der Reparaturfreundlichkeit von Pkw. Um bei einem Versicherungseinstufungstest den Schaden möglichst gering zu halten, haben nahezu alle Neufahrzeuge Querträgersysteme mit kostenarm wechselbaren Absorptionselementen, die die Crashenergie gezielt auf kurzem Weg aufnehmen. Durch die neu EG-Richtlinie 2003/102/EG zum Fußgängerschutz müssen zukünftig hinter der Stoßfängeraußenhaut und vor dem massiven Querträger weiche Schäume untergebracht werden. Der Bauraum für Querträger und Energieabsorptionselemente wird dadurch weiter eingeschränkt. Diese Anforderungen veranlassen die Hersteller dazu, die Energieabsorptionselemente steifer zu gestalten, um einen effektiven Energieabbau bei kurzen Stopplängen zu gewährleisten. Durch diese Maßnahmen wird zwar der Insassenschutz bei Frontalaufprallen im Hochgeschwindigkeitsbereich verbessert, es werden aber zugleich höhere Innenraumverzögerungen (schnellerer Anstieg, höhere mittlere Verzögerung) bei Crashs im gesamten Geschwindigkeitsbereich erzeugt. Eine durchgeführte Korrelation zwischen konstruktiven Veränderungen am Fahrzeug und empirisch bestimmten Verzögerungsverläufen zeigte, dass eine günstigere Einstufung in der Fahrzeugvollversicherung nicht zwangsläufig höhere Verzögerungsimpulse für den Innenraum bedingen muss. Bei der Analyse von 172 Crashversuchen des Allianz Zentrums für Technik mit Neufahrzeugen aus den Jahren 1992 bis 2003 zeichnen sich aber statistisch bedeutsame ßnderungen in den Verzögerungsverläufen über die Prüfjahre ab: - Anstieg der Verzögerung wird steiler; - Mittelwert der Verzögerung wird grösser; - Zeitdauer bis zum Auftreten der maximalen Verzögerung wird kürzer; - dynamische Gesamtdeformation wird kleiner. Die steife Auslegung der für den Versicherungseinstufungstest relevanten Crashteile verbessert den Insassenschutz bei Hochgeschwindigkeitscrashs. Wenn es sich aber durch weitere Untersuchungen bestätigt, dass höhere Verzögerungs- beziehungsweise Beschleunigungsimpulse die Auftretenswahrscheinlichkeit von HWS-Verletzungen im Niedriggeschwindigkeitsbereich vergrößern, so sollten gezielt Maßnahmen zur Verringerung dieser Verletzungsrisiken ergriffen werden. Dazu gehören die weitere Optimierung der Sitzstrukturen einschließlich der Kopfstützen und die Entwicklung adaptiver Crashstrukturen, die dem Crashfall angepasste Kraft-Weg-Kennlinien ermöglichen.
Falltests zur Untersuchung der Belastungen von Dummys beim Aufprall auf den Boden, Teil 1 und 2
(2010)
Beim Zusammenprall eines Motorrads mit einem Pkw unterscheidet man in der Unfallforschung sowohl den Erstanprall des Motorradfahrers an den Pkw als auch den Sekundäraufprall des Motorradfahrers auf dem Boden. So genannte Full-Scale-Crashtests mit Dummys haben beim Erstanprall gezeigt, dass Motorradfahrer durch Airbags potenziell geschützt werden können. Bei den entsprechenden Unfallsimulationen wurde jedoch im weiteren Bewegungsablauf beim nachfolgenden Sekundäraufprall auf dem Boden festgestellt, dass relativ hohe Belastungen auf den Dummy einwirken. Es stellt sich hierbei jedoch die Frage, ob die üblicherweise für Lasteinwirkungen im Falle eines Erstanpralls entwickelten und validierten Dummys die bei einem Sekundäraufprall auf einen Motorradfahrer einwirkenden Belastungen hinreichend genau wiedergeben können. Dazu wurden die Belastungen eines Dummys beim Aufprall auf den Boden untersucht, um das Verletzungsrisiko eines menschlichen Motorradfahrers einschätzen zu können. Im Dekra-Crash-Test-Center wurden vier verschiedene Aufprallsituationen mit einem Hybrid III Dummy durchgeführt, wobei diese Tests an eine andere Testreihe angelehnt sind, die bereits am US-amerikanischen Institut "Dynamic Research International" (DRI) durchgeführt worden waren. Nach der Erläuterung des Testaufbaus und seiner Durchführung wird detailliert auf die gemessenen Verzögerungsbelastungen des Dummys eingegangen. Hierbei geben zum einen Tabellen eine Übersicht über charakteristische Messwerte zur Quantifizierung der maximalen Belastung des Dummys, zum anderen veranschaulichen Bilder die zugehörigen zeitlichen Verzögerungsverläufe in Becken, Brust und Kopf des Dummys. Der Artikel schließt mit einer Interpretation der Versuchsergebnisse und gibt einen Ausblick auf den weiteren Untersuchungsbedarf.
Lkw-Notbremsassistenzsysteme
(2020)
Notbremsassistenzsysteme für Lkw können einen großen Beitrag zur Verkehrssicherheit leisten, indem sie Unfälle, die von schweren Lkw verursacht werden, wirkungsvoll vermeiden helfen. Die aktuellen Anforderungen für diese Notbremsassistenzsysteme wurden allerdings vor über zehn Jahren festgelegt. Der Stand der Technik hat sich seitdem stark weiterentwickelt. Aufgabe der Bundesanstalt für Straßenwesen war daher, zu überprüfen, ob die technischen Anforderungen für Notbremsassistenz noch zeitgemäß sind oder ob eine Anpassung sinnvoll für die Verkehrssicherheit ist. Der technische Fortschritt im Bereich der Fahrerassistenzsysteme ist so groß, dass die vor knapp 10 Jahren festgelegten Anforderungen an Notbremssysteme heute nicht mehr dem Stand der Technik entsprechen – sowohl hinsichtlich der in den derzeit geltenden Vorschriften explizit erlaubten Abschaltbarkeit der Notbremssysteme als auch hinsichtlich der geforderten Bremsleistung beziehungsweise des Geschwindigkeitsabbaus. Es war daher zunächst zu prüfen, ob die derzeit zulässige Abschaltbarkeit erforderlich ist, und falls ja, ob sie auf bestimmte Verkehrssituationen und Fahrzeugtypen eingeschränkt werden kann. Es war weiterhin zu prüfen, ob höhere Mindestverzögerungswerte gefordert werden können, ob insbesondere im Falle von stehenden Fahrzeugen vor dem Fahrzeug (z. B. am Stauende) Notbremsungen mit deutlich höherer Geschwindigkeitsreduktion eingeleitet werden können und durch die Systeme auch kleinere Fahrzeuge als bisher vorgeschrieben erkannt werden müssen. In Notbremssituationen ist es denkbar, dass Fahrer unabsichtlich eine Übersteuerung (und damit eine Abschaltung des Notbremssystems) vornehmen, indem sie beispielsweise „in das Pedal fallen“. Es sollte daher untersucht werden, ob dieser Fall relevant ist und Abhilfe bedarf. Auch eine Anpassung der Regelkriterien an unterschiedliche Straßenverhältnisse (Niedrigreibwert) sowie die Möglichkeit einer Warnung von Fahrern bei geringen Sicherheitsabständen sollte geprüft werden. Insbesondere die erforderlichen automatischen Geschwindigkeitsreduktionen bei bevorstehenden Kollisionen auf stehende Ziele können deutlich angehoben werden. Aus fahrdynamischen Grundlagen wurden, je nach Ausgangsfahrgeschwindigkeit, unterschiedliche Zeitpunkte für Bremseingriffe bestimmt. Als Voraussetzung für automatische Bremseingriffe wurde angenommen, dass diese spätestens dann gerechtfertigt sind, wenn ein menschlicher Fahrer keine Möglichkeit mehr hat, einem Zielobjekt auszuweichen. Messungen zeigen eine gute Übereinstimmung eines aus den Annahmen abgeleiteten Simulationsmodells mit den tatsächlichen Bremseingriffszeitpunkten und Bremseingriffen eines mit einem modernen Notbremssystem ausgerüsteten Lkw. Als Ergebnis wurden durchaus erzielbare Geschwindigkeitsreduktionen in Abhängigkeit von Ausgangsgeschwindigkeit und Fahrbahnoberfläche ermittelt, die sich als Anforderung für internationale Vorschriften eignen. Bezüglich der Abschaltbarkeit von Notbremsassistenzsystemen wurde anhand der durchgeführten Untersuchungen festgestellt, dass sich Fehlwarnungen im Fahrbetrieb, selbst unter Nutzung eines der derzeit am weitesten entwickelten Notbremssysteme, nicht gänzlich vermeiden lassen. Grund dafür ist im Wesentlichen die unzureichende Erkennbarkeit der Fahrerintention in bestimmten Verkehrssituationen. Fehlwarnungen in ungestörter Autobahnfahrt (= außerhalb von Autobahnbaustellen) konnten aber nicht gefunden werden. Aus technischer Sicht ist es daher sinnvoll, die Deaktivierbarkeit eines Notbremssystems nur in solchen Verkehrssituationen zu erlauben, in denen es durch Fehlinterpretationen seitens des Systems (Objekte abseits der Fahrbahn) zu Fehlfunktionen kommen kann. Ein Indikator hierfür kann eine bestimmte Geschwindigkeitsgrenze sein. Für eine zusätzliche frühzeitige Warnung des Fahrers bei zu geringem Mindestabstand ist gegebenenfalls eine Verbesserung der Verkehrssicherheit denkbar. Der tatsächliche Nutzen einer Abstandswarnung hängt aber davon ab, ob der Abstand irrtümlich oder bewusst gering gehalten ist und ob die Lkw-Fahrenden auf eine Warnung durch eine Vergrößerung des Abstands reagieren.
In der vorliegenden Untersuchung wurde das Geschwindigkeitsverhalten freifahrender Pkw bei etwa 400 Verfolgungsfahrten auf vier Bundes- und Landesstraßen im Odenwald und im Hessischen Ried analysiert. Dazu mussten die Geschwindigkeitsprofile relativ aufwendig geglättet werden, um die (Längs-)Beschleunigung und (Längs-)Rückprofile als Maß für die Reaktionsstärke und den Reaktionsort berechnen zu können. Die ermittelten Profile wurden getrennt nach typischen Fahrtengruppen aufgetragen. Außerdem wurden an auffälligen Stellen die Verteilungen der Geschwindigkeiten und der ausgenutzten Seitenreibungsbeiwerte ermittelt. Es zeigt sich, dass Verfolgungsfahrten recht gut geeignet sind, um das Reaktionsverhalten freifahrender Fahrer zu studieren. Die Messmethodik kann allerdings noch verfeinert werden. Die wichtigsten Ergebnisse sind: - Das höhere Beschleunigungsvermögen stärker motorisierter Fahrzeuge wirkt sich auf die gesamte Fahrweise aus. - Die höchsten Werte der Verzögerungen sind bei manchen engen und unübersichtlichen Kurven nicht vor, sondern in den Kurvenbereichen zu finden. - Die Fahrer akzeptieren vor allem bei Nässe wesentlich höhere Seitenreibungswerte als in den Richtlinien angenommen. Die akzeptierten Maxima der Seitenreibungswerte unterscheiden sich bei engen Radien von Kurve zu Kurve kaum. Die maximale Seitenbeschleunigung ist damit wahrscheinlich eine maßgebliche Eingangsgröße der Geschwindigkeitswahl. Die Sichtverhältnisse haben (auch bei der Trassierung im Höhenplan) einen großen Einfluss auf das Reaktionsverhalten. Sollten sich in den weiteren Teilen des gesamten Forschungsvorhabens noch Fragestellungen in Bezug auf bestimmte Fahrergruppen oder ähnliches ergeben, so wäre eine weitere Auswertung des vorhandenen Datenmaterials, zum Beispiel getrennt nach Fahreralter oder Ortsansässigkeit durchaus denkbar.
Um die Wirkung hochgesetzter Bremsleuchten auf das Uunfallgeschehen abzuschätzen, wurde eine Reihe von Untersuchungen eingeleitet. Die Zusammenfassung ihrer Ergebnisse: 1. Der Anteil der Pkw mit hochgesetzten Bremsleuchten ist gering und scheint weiter zu sinken. 2. Die Wirkung hochgesetzter Bremsleuchten kann noch nicht abschließend beurteilt werden. Es gibt aber Hinweise dafür, dass die auf Grund von Experimenten erwarteten positiven Effekte aus einer Reihe von Gründen relativiert werden müssen: - Wahrnehmungs- (Tiefen- und Entfernungseindruck) und Bremsgewohnheiten des Alltags entsprechen nicht den experimentellen Bedingungen; - Kompensationsverhalten auf Grund vermeintlich besserer Bremssignalisierung ist nicht auszuschließen; - hochgesetzte Bremsleuchten werden von den Betroffenen kontrovers beurteilt, teilweise nicht ohne starke Emotionen; - für das normale alltägliche Bremsverhalten sind Informationen über die Stärke der Verzögerung des Vordermanns wünschenswerter als der bloße Hinweis "Fahrer bremst". 3. Verletzungen von Pkw-Insassen durch hochgesetzte Bremsleuchten sind nicht zu erwarten. 4. Um ein positives Gesamtergebnis bei der Gegenüberstellung von Nutzen und Kosten zu erreichen, müssten hochgesetzte Bremsleuchten etwa 10 % der Folgen des theoretisch zu beeinflussenden Unfallpotentials vermeiden. 5. 36 % der befragten Autofahrer fordern ein Verbot hochgesetzter Bremsleuchten, 20 % eine Einbauvorschrift.