Berichte der Bundesanstalt für Straßenwesen, Reihe M: Mensch und Sicherheit
Refine
Keywords
- Verbesserung (4) (remove)
Institute
- Abteilung Verhalten und Sicherheit im Verkehr (4) (remove)
31
In Deutschland haben sich die medizinisch-psychologischen Untersuchungen der Kraftfahrereignung zu einem wesentlichen Baustein der Verkehrssicherheitsarbeit entwickelt. Zur Zeit werden in den amtlich anerkannten Untersuchungsstellen jährlich weit über 100.000 Eignungsbegutachtungen durchgeführt. Die vorliegende Arbeit hat es sich zum Ziel gesetzt, anhand einer systematischen Darstellung der historischen, rechtlichen und fachlichen Aspekte der Fahrereignungsbegutachtung und einer Diskussion neuerer Ansätze und Erkenntnisse auf diesem Gebiet eine Art Standortbestimmung aus psychologischer Sicht vorzunehmen. Neben dem Konzept der "bedingten Eignung" wird die von STEPHAN aufgestellte Abstinenzforderung bei alkoholauffälligen Kraftfahrern mit einer Blutalkoholkonzentration von 1,6 Promille und mehr näher betrachtet. Darüber hinaus werden auch geeignete Indikatoren für Alkoholmissbrauch und ihre Bedeutung für die psychologische Begutachtung sowie Modelle für eine problemlösende Nutzung der vom Gericht verhängten Sperre für die Neuerteilung der Fahrerlaubnis und die voranschreitende computergestützte Testdiagnostik behandelt. Dabei stützt sich die Studie auf eine umfangreiche Literatursichtung und eine gezielte Auswertung von Daten, die im Rahmen der Oberbegutachtung alkoholauffälliger Kraftfahrer erhoben wurden. Abschließend werden Vorschläge für eine Optimierung der medizinisch-psychologischen Begutachtung von Kraftfahrzeugführern unterbreitet und der dafür erforderliche Forschungsbedarf aufgezeigt.
211
Für junge Fahranfänger besteht bereits bei niedrigen Alkoholkonzentrationen ein erhöhtes Unfallrisiko. Diese Tatsache begründet die gesetzliche Einführung des Alkoholverbots für Fahranfängerinnen und Fahranfänger in Deutschland. Das seit dem 1.8.2007 gültige Alkoholverbot betrifft alle Fahranfänger in der (regelmäßig) zweijährigen Probezeit und/oder Personen, die das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Für diesen Personenkreis ist es verboten, im Straßenverkehr alkoholische Getränke zu sich zu nehmen oder die Fahrt anzutreten, obwohl die betreffende Person unter der Wirkung eines solchen Getränks steht. Im Rahmen dieses BASt-Projekts erfolgte eine Evaluation dieser Verkehrssicherheitsmaßnahme. In diesem Projekt wurde geprüft, wie sich das neue Gesetz auf das Unfallgeschehen sowie auf alkoholbedingte Verkehrsverstöße der Zielgruppe niederschlägt. Hierzu wurden die Daten der amtlichen Unfallstatistik sowie die Daten des Verkehrszentralregisters herangezogen. Für die Analyse und Interpretation der Daten wurden zudem Kenntnisse über den Umgang mit der neuen Regelung im Rahmen der polizeilichen Überwachung und Unfallaufnahme berücksichtigt. Ergänzend wurde zur besseren Beurteilung der Akzeptanz des Alkoholverbots in der Zielgruppe eine repräsentative Befragung von Fahranfängerinnen und Fahranfängern zu Einstellungen, berichteten Verhaltensweisen und Verhaltensabsichten durchgeführt. Die Evaluation des Alkoholverbots für Fahranfänger ergab folgende zentrale Ergebnisse, die den Erfolg dieser Maßnahme in der Zielgruppe belegen: - Insgesamt ist die Anzahl der unfallbeteiligten Fahranfänger (Pkw) mit einem BAK-Wert von mindestens 0,3 Promille in den ersten 12 Monaten nach Einführung der Maßnahme im Vergleich zum entsprechenden Zeitraum vor der Einführung um 15% beziehungsweise 1.210 Personen zurückgegangen. - Die Gesamtwirksamkeit der Maßnahme liegt dabei unter Berücksichtigung verschiedener Vergleichsgruppen bei -9%, d.h. allein durch die Maßnahme wurde eine über den generellen Trend hinausgehende Reduzierung um mehr als 700 Personen erreicht. - Für den Zeitraum nach Einführung der Gesetzesänderung lässt sich ein deutlich überdurchschnittlicher Rückgang aller festgestellten Alkoholverstöße bei jungen Fahrerinnen und Fahrern unter 21 Jahren um insgesamt 17% feststellen " im Gegensatz zu einem Rückgang von 2,5% bei Personen, die 21 Jahre und älter sind. - Es liegt eine hohe Akzeptanz des Alkoholverbots in der Zielgruppe der Fahranfänger (95%) vor. 98% wissen, dass es für alle Fahranfänger verboten ist, Alkohol zu trinken und Auto zu fahren. - Es zeigt sich eine deutliche Verhaltensanpassung der Befragten an das Gesetz: Damit bei abendlichen Unternehmungen Alkohol getrunken werden kann, benutzen - häufig oder immer - 41% öffentliche Verkehrsmittel, 21% das Fahrrad, schließen sich 46% einer Fahrgemeinschaft an und gehen 25% zu Fuß; 7% bleiben zu Hause. Nach den Ergebnissen der vorliegenden Evaluationsstudie hat die Einführung des Alkoholverbots für Fahranfängerinnen und Fahranfänger einen wichtigen Beitrag zur Verbesserung der Verkehrssicherheit in der Zielgruppe geleistet. Dieser deutliche Effekt beruht nach derzeitigen Erkenntnissen nicht auf einem gemeinsamen Effekt verschiedener Verkehrssicherheitsmaßen im Untersuchungszeitraum. Inwieweit der deutliche Rückgang von alkoholisierten Unfallbeteiligten und Alkoholverstößen bei Fahranfängern auch längerfristig greift, bleibt abzuwarten.
285
Wenngleich die Gesamtgruppe der Älteren ab 65 Jahren im Vergleich zu jüngeren Altersgruppen deutlich weniger an Unfällen mit Personenschaden beteiligt ist, ist jedoch durch die zahlenmäßige Zunahme dieser Altersgruppe aufgrund des demografischen Wandels eine Zunahme der Unfallbeteiligung Älterer zu erwarten. Diese Tatsache begründet die Notwendigkeit, zukünftig die Verkehrssicherheit dieser Altersgruppe zu erhalten und zu verbessern. Die vorliegende Studie SENIORLIFE bietet eine Fülle von Erkenntnissen, auf die bei der Entwicklung von Verkehrssicherheitsmaßnahmen Bezug genommen werden kann. Die SENIORLIFE-Studie knüpft inhaltlich und methodisch an der AEMEIS-Studie Ältere Menschen im künftigen Sicherheitssystem Straße/Fahrzeug/Mensch der BASt aus dem Jahr 2002 an, aus der umfassende Beschreibungen mehr oder weniger gefährdeter Lebensstilgruppen von Seniorinnen und Senioren hervorgingen. Im Unterschied zur AEMEIS-Studie wurden in der Fragebogenstudie SENIORLIFE zur Bildung von Lebensstilgruppen die Werthaltungen hinzugenommen. Erfasst wurden außerdem die Lebenslage der Befragten, der Sicherheitsbedarf, das Sicherheitsengagement, die verkehrssicherheitsrelevanten Erwartungen und die Mediennutzung. Ein zentrales Ziel dieser Studie war es, eine differenzierte Charakterisierung unterschiedlicher Lebensstil- und Altersgruppen zu erstellen, die bei der Entwicklung und Umsetzung von Verkehrssicherheitsmaßnahmen für Seniorinnen und Senioren herangezogen werden kann. Um die Verkehrssicherheitsrelevanz der erfassten Personenmerkmale zu belegen, wurde ein komplexes theoretisches Modell, bestehend aus diesen Merkmalen, einer Prüfung unterzogen. Grundlegend für diese Studie ist eine bevölkerungsrepräsentative Befragung (N = 2.066) der ab 55-Jährigen. Diese Festlegung ermöglicht Vergleiche zwischen jüngeren und älteren Seniorinnen und Senioren sowie einen Vergleich zwischen den Altersgruppen der o. g. AEMEIS-Studie und den Altersgruppen der vorliegenden SENIORLIFE-Studie. Eine Clusteranalyse führte zur Identifikation von sechs Lebensstilgruppen von Seniorinnen und Senioren, die sich hinsichtlich der Gefährdung im Straßenverkehr deutlich voneinander unterscheiden. Die höchste Gefährdung als Autofahrer bzw. -fahrerin besteht für den antisozialen Typ und den Anregungen suchenden Typ. Abgesehen von den klassischen Medien wie Fernsehen, Radio und gedruckten Tageszeitungen sind Personen dieser Lebensstilgruppen auch gut über Smartphone und App-Anwendungen erreichbar. Insgesamt besteht ein relativ geringes Interesse an Verkehrssicherheit und ein geringes Eigenengagement (z. B. Arztberatung), was die Verbesserung der eigenen Verkehrssicherheit betrifft. Kompensationsmechanismen dagegen werden mit zunehmendem Alter deutlich erkennbar. Es hat sich gezeigt, dass zur Identifizierung von Risikogruppen innerhalb der heterogenen Gruppe der Seniorinnen und Senioren eine Segmentierung auf der Basis von Lebensstilen einer Segmentierung auf der Grundlage von Lebenslagen deutlich überlegen ist. Eine Segmentierung nach Altersgruppen dagegen bietet sich – je nach Fragestellung – ebenfalls an. Eine pfadanalytische Prüfung des theoretischen Modells dieser Studie zur Erklärung des berichteten Fahrverhaltens und Unfallrisikos von Seniorinnen und Senioren ergab eine gute Anpassung an die empirischen Daten für die Gesamtstichprobe. Diese Ergebnisse stützen damit die im vorliegenden SENIORLIFE-Projekt gewählten theoretischen Grundlagen. Ihre Anwendung in der zukünftigen Forschung wird daher empfohlen. Ebenfalls empfohlen werden eine Reihe von Maßnahmen zum Erhalt oder zur Verbesserung der Verkehrssicherheit von Seniorinnen und Senioren, die sich aus der Literaturanalyse sowie aus den Ergebnissen der Studie als zielführend ableiten lassen.
293
Die Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) wurde im Oktober 2013 vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) beauftragt, im Rahmen einer Projektgruppe weitere Maßnahmenvorschläge zur Absenkung des Fahranfängerrisikos zu erarbeiten. Der Projektgruppenauftrag umfasste zwei Aufgabenstellungen: Im Rahmen von Aufgabe A sollten weiterführende Maßnahmen zur Absenkung des Unfallrisikos von Fahranfängern in der Phase ihrer Höchstgefährdung unmittelbar am Anfang des selbständigen Fahrens (sogenannte „Hochrisikophase“) erarbeitet werden. Als Maßnahmenarten in der Hochrisikophase sollten berücksichtigt werden: Möglichkeiten 1. des erweiterten Fahrerfahrungsaufbaus unter risikoarmen Bedingungen, 2. der Verstärkung protektiver Regelungen und 3. der edukativen Intervention.
Im Rahmen von Aufgabe B sollten Konzepte zur Institutionalisierung einer breiteren wissenschaftlichen Abstützung von Fahrausbildung und Fahranfängermaßnahmen entwickelt werden. Die BASt richtete entsprechend eine Projektgruppe „Hochrisikophase Fahranfänger“ (PGHR) ein. Beteiligt an dieser Gruppe waren Vertreter der verkehrspolitischen Fachebene von Bund und Ländern, Experten der Praxisverbände (z.B. ADAC, DVR, Fahrlehrerverbände) sowie externe Wissenschaftler und die Fachreferenten der BASt. Die Projektgruppe traf sich zur Bearbeitung beider Aufgabenstellungen mehrfach zwischen Februar 2014 und Oktober 2018. Der vorliegende Abschlussbericht stellt die Ergebnisse der Projektgruppenarbeit dar. Er wurde von den Fachreferenten der BASt erstellt und mit den Projektgruppenmitgliedern abgestimmt.
Teil I des Abschlussberichts geht auf die Projektgruppenergebnisse zu Aufgabe A ein. Im Kern steht hier ein gemeinsamer Vorschlag der Projektgruppenmitglieder für eine zukünftige Ausrichtung des deutschen Systems der Fahranfängervorbereitung in der Phase nach der obligatorischen Fahrausbildung und Fahrerlaubnisprüfung. Der Projektgruppenvorschlag für die Hochrisikophase umfasst im Wesentlichen: • Eine generelle Verlängerung der Probezeit – Die Probezeit beträgt derzeit zwei Jahre. Es wird vorgeschlagen, die Probezeit auf drei Jahre auszudehnen, um Fahranfänger länger zu einem vorsichtigen und regelkonformen Fahren anzuhalten. • Probezeitreduzierungen bei freiwilliger Teilnahme an qualifizierten Maßnahmen – Als Anreiz zur freiwilligen Teilnahme an solchen qualifizierten Maßnahmen werden Probezeitreduzierungen vorgeschlagen. Das vorgeschlagene Schema sieht als maximal zu erreichende Probezeitreduzierung 12 Monate vor. Somit ergibt sich als Untergrenze eine zweijährige Probezeit entsprechend der derzeitigen Probezeitregelung. • Qualifizierte Maßnahmen – Begleitetes Fahren und edukative Maßnahmen werden als qualifizierte Maßnahmen vorgeschlagen. Diese einzelnen Elemente des Projektgruppenvorschlags werden sowohl detailliert beschrieben als auch begründet.
Teil II des Abschlussberichts geht – ebenfalls im Rahmen von Aufgabe A – ausführlich auf die im Projektvorschlag enthaltenen edukativen Maßnahmen für die Hochrisikophase ein. Hier sind zwei eigenständige Berichte enthalten, die – zusätzlich zur Projektgruppenarbeit – von den Erstellern der edukativen Maßnahmen in Auftrag gegeben wurden. Der erste dieser beiden eigenständigen Berichte stellt die zwei erarbeiteten edukativen Maßnahmen vor. Hierzu wird eingegangen auf zentrale Fragen zu Nutzenerwartungen für die Fahranfängervorbereitung, zu wissenschaftlichen Grundlagen der Gestaltung der edukativen Maßnahmen sowie zu organisatorischen Anforderungen an eine Implementierung der edukativen Maßnahmen. Der zweite dieser beiden eigenständigen Berichte beinhaltet eine Gegenüberstellung der beiden edukativen Maßnahmen des Projektgruppenvorschlags mit den früheren „Freiwilligen Fortbildungsseminaren für Fahranfänger“, um erstere von letzteren anhand von fünf Kriterien abzugrenzen.
In Teil III des Berichts werden die Ergebnisse der Projektgruppenarbeit zu Aufgabe B berichtet. Aus derzeitiger Sicht grundsätzlich realisierbar erscheint die dauerhafte Implementierung und Finanzierung einer Fachkommission "Fahranfängervorbereitung" aus Bundesmitteln.