Erfassung der subjektiven Wahrnehmung und Bewertung verkehrssicherheitsrelevanter Leistungsmerkmale und Verhaltensweisen älterer Autofahrer

Determination of the subjective perception and evaluation of road safety relevant competence characteristics and behaviour of elderly drivers

  • Im Rahmen des Projektes wurde ein online-basierter Selbstbericht-Fragebogen (Selbsttest) für Autofahrer ab 65 Jahren entwickelt, der die Zielgruppe für alters- und krankheitsbedingte Leistungseinbußen und Verhaltensweisen sensibilisieren soll. Das Ziel dieses Instruments besteht einerseits darin, den älteren Autofahrer für bereits erkannte Probleme und Schwierigkeiten im Fahralltag anhand ihrer individuellen Leistungsberichte konkrete Ratschläge zu geben, mit denen sie ihre Sicherheit im Straßenverkehr erhöhen können. Andererseits soll durch die Bearbeitung des Fragebogens und das Feedback die Selbstreflektion bezüglich der eigenen Fahrkompetenz erhöht und eine Sensibilisierung für das Thema Mobilität im Alter erreicht werden. Die Fragebogenkonstruktion erfolgte anhand der Erkenntnisse einer umfassenden Literaturrecherche zum Thema Fahrkompetenz im Alter sowie zu bereits bestehenden Selbsttest-Verfahren. Der Fragebogen thematisiert neben möglichen Defiziten in den Bereichen Visus, Kognition und Motorik auch die Handlungskompetenzerwartung und bereits angewandte Kompensationsmaßnahmen für bemerkte Einbußen. Die Nutzung des Fragebogens als quantitativ-diagnostisches Instrument zur Messung spezifischer Kompetenzen war in diesem Projekt nicht beabsichtigt und wird auch nicht empfohlen. Der Fragebogen wurde in zwei empirischen Studien angewandt. Zunächst wurde eine Repräsentativbefragung mit insgesamt 608 Autofahrern durchgeführt, von denen insgesamt 406 Personen zur Zielgruppe (65 Jahre oder älter) gehörten. Die verbleibenden 202 Personen waren zwischen 35 und 55 Jahren alt und wurden in die Studie aufgenommen, um das Antwortverhalten älterer Autofahrer mit dem Jüngerer zu vergleichen. In der Repräsentativbefragung zeigte sich eine Tendenz zu durchgehend niedrigen Zustimmungsraten zu den Items des Fragebogens, die sich auf mögliche Defizite der Leistungsfähigkeit beziehen. Die meisten Befragten berichteten also nur selten und sehr vereinzelt Defizite. Dieses Antwortmuster war über alle Altersgruppen hinweg gleich. Es konnten ferner keine bedeutenderen Unterschiede zwischen den Altersgruppen identifiziert werden. Da sich dieselben Antwortmuster auch in der nachfolgenden Studie 2 replizieren ließen, kann davon ausgegangen werden, dass es sich bei den gefundenen Antwortmustern und auch dem ausgebliebenen Altersunterschied nicht um eine Stichprobenverzerrung handelt. Beides lässt sich vielmehr damit erklären, dass einerseits viele Aspekte der Fahrkompetenz naturgemäß nur schwer der Selbsteinschätzung durch die Fahrer zugänglich sind und andererseits beobachtbare und somit berichtbare Problemen im Fahralltag nur dann auftreten können, wenn ein Defizit vorliegt und dieses Defizit nicht durch entsprechende Kompensation ausgeglichen wird. Das Ziel der zweiten Studie lag in einer Validierung der Selbstberichte aus dem Fragebogen anhand eines klinischen Assessments sowie einer einstündigen Fahrverhaltensbeobachtung, bei der die Fahrkompetenz von 40 teilnehmenden älteren Probanden per Schulnote und Zahl der Fehler durch zwei geschulte Fahrlehrer bewertet wurde. Es wurden die Zusammenhänge zwischen dem Selbsttest und den beiden Außenkriterien sowie der Zusammenhang des klinischen Assessments mit der Fahrverhaltensbeobachtung untersucht. Es zeigten sich nur sehr geringe und zum größten Teil nicht signifikante Zusammenhänge zwischen allen drei Erhebungen. Anhand der klinischen Ergebnisse und der Fahrverhaltensbeobachtung konnte geschlossen werden, dass die Stichprobe zwar insgesamt als durchschnittlich bis leicht überdurchschnittlich leistungsfähig klassifizierbar war und keine größere Zahl an extrem unfitten Fahrern beinhaltete, die Ergebnisse aber wiederum nicht allein auf eine zu varianzarme Stichprobe zurückgeführt werden können. Mögliche Gründe für die ausbleibenden Zusammenhänge werden u. a. in Form des grundlegenden Problems diskutiert, dass je nach Erhebungsform (Selbstbericht vs. Labormessung vs. Fremdbeobachtung in der Fahrverhaltensbeobachtung) unterschiedliche Defizite unterschiedlich auffällig und messbar sind. Eine wichtige Erkenntnis aus der zweiten Studie betrifft das Ergebnis, dass weder objektive Labormessungen der Leistungsfähigkeit noch die Selbsteinschätzung von Fahrern eine geeignete Prognose des realen Fahrverhaltens erlauben. Insbesondere der ausbleibende Zusammenhang von Selbsttest und Fahrverhaltensbeobachtung kann als deutliches Indiz gewertet werden, dass sich die Befragten oft nicht korrekt selbst einschätzen. Für eine Kompensation altersbedingter Einbußen ist allerdings eine realistische Selbsteinschätzung zwingend erforderlich. Dies untermauert die Relevanz des eigentlichen Hauptzieles des Fragebogens, der vor allem der Aufklärung und Sensibilisierung der Befragten dienen soll. Ein weiteres wichtiges Ergebnis fand sich indes in dem Umstand, dass in der Fahrverhaltensbeobachtung weniger als 50 % aller notwendigen Schulterblicke durchgeführt wurden und sich nur ein kleiner Teil dieser Auslassungen durch eine klinisch gemessene Einschränkung der Kopf- und Schulterbeweglichkeit erklären ließ. Aus qualitativen Randbemerkungen der Probanden gegenüber den Fahrlehrern ließ sich der Schluss ziehen, dass der Hauptgrund für die unterlassenen Schulterblicke oft vielmehr in mangelnder Motivation oder Einsicht in die Notwendigkeit des Schulterblicks begründet war.
  • As part of the project, an online self-report questionnaire for drivers age 65+ was designed, which can help sensitize the target group to age and illness-related capability losses relevant for road safety. One aim of the questionnaire is to provide older drivers with advice on how to improve their driving safety, with the advice and feedback being tailored to the individual reports on problems and difficulties the users are already aware of . Furthermore, answering the questionnaire and being informed about relevant competencies by the feedback is supposed to hone older drivers abilities to realistically self-assess their own driving competence and sensitize them to the topic of mobility at higher age. The questionnaire was constructed based on the findings of a comprehensive literature search about driving competence in old age and on existing selfevaluation test procedures. In addition to possible deficits in the areas of visual acuity, cognition and motor skills, the questionnaire also deals with the self-efficacy and compensation measures. The use the questionnaire as a psychometricallyquantitatively oriented measuring instrument for specific competencies was not an intended goal of the project, nor is such an application of the instrument advised. The questionnaire was used in two empirical studies. First, a representative survey was carried out with a total of 608 car drivers, a total of 406 of whom belonged to the target group of the questionnaire (65 years or older). The remaining 202 persons were between 35 and 55 years old and were included in the study to compare the response behaviour of older drivers with that of the younger subsample. The representative survey showed a tendency to low approval rates to the items of the questionnaire which focus on deficits. For the majority of participants, reported deficits were few and far between. This response pattern was the same across all age groups. Furthermore, no major differences between age groups could be identified. Since the same response patterns could also be replicated in the following Study 2, it can be assumed that the patterns found, and the lack of age differences, are not primarily caused by a selection bias. Both results can rather be explained by the fact that most aspects of driving competence are genuinely hard to realistically self-assess, and that observable and therefore reportable problems in everyday driving can only occur if a deficit is present that is not balanced out by compensational efforts. The aim of the second study was to validate the self-evaluation reports from the questionnaire based on a clinical assessment and a one-hour driving behaviour test in which the driving competence of 40 older study participants was evaluated by two trained driving instructors using school grades based on the number of mistakes. The correlations between all three data sources were calculated, i.e. the correlations between the self-evaluation test and both external criteria and the correlations between clinical assessment and the driving behaviour test. Only very small and for the most part non-significant correlations were found between all three surveys. Based on the clinical results and the driving behaviour test it could be concluded that the sample could be classified as average to slightly above average in overall performance and did not contain a larger number of extremely unfit drivers, but that the results, in turn, cannot only be attributed to a sample with too little variance. Possible reasons for the lack of correlations were discussed, among others, in the form of the fundamental problem that different deficits are of varying salience and measurability depending on the form of data collection (self-evaluation report vs. laboratory measurement vs. external observation in the driving behaviour test). One major insight gained by the empirical study is the fact that neither the conducted objective clinical measures of capability nor the self-assesment of the drivers could be used to reliably predict the real driving performance. The missing correlation between self-report and driving performance as shown in the on-road driving test can be interpreted as a sign that drivers oftentimes are not assessing their own driving ability in a realistic manner. This underlines the relevance of the main goal of the questionnaire as an educational tool intended to sensitize drivers for possible losses of their driving ability. Another important result was found with the fact that in the driving behaviour test, in less than 50% of all situations the necessary shoulder check was performed, and that only a fraction of these cases could be explained by a clinically measured mobility impairment of head and shoulder. Qualitative comments made by the participants further led to the conclusion that oftentimes the omission of necessary shoulder checks was rather caused by a lack of motivation or acceptance of the importance of shoulder checks. Regarding to the further measures, the necessary steps for the implementation, publication and distribution of the questionnaire are discussed first. In addition, opportunities for further research in connection with the self-evaluation test are pointed out.

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Metadaten
Verfasserangaben:Hanns-Peter Horn
URN:urn:nbn:de:hbz:opus-bast-24850
ISBN:978-3-95606-559-0
ISSN:0943-9315
Untertitel (Deutsch):Entwicklung und Prüfung eines Selbsttests
Untertitel (Englisch):Development and validation of a self-test
Schriftenreihe (Bandnummer):Berichte der Bundesanstalt für Straßenwesen, Reihe M: Mensch und Sicherheit (310)
Dokumentart:Buch (Monographie)
Sprache:Deutsch
Datum der Veröffentlichung (online):23.02.2021
Datum der Erstveröffentlichung:26.02.2021
Veröffentlichende Institution:Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt)
Urhebende Körperschaft:Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt)
Datum der Freischaltung:26.02.2021
Seitenzahl:102
Bemerkung:
Bericht zum Forschungsprojekt 82.0651
Entwicklung und Prüfung eines Selbsttests zur Erfassung der
subjektiven Wahrnehmung und Bewertung verkehrssicherheitsrelevanter
Leistungsmerkmale und Verhaltensweisen älterer Autofahrer
Institute:Abteilung Verhalten und Sicherheit im Verkehr
DDC-Klassifikation:6 Technik, Medizin, angewandte Wissenschaften / 62 Ingenieurwissenschaften / 620 Ingenieurwissenschaften und zugeordnete Tätigkeiten
Lizenz (Deutsch):License LogoBASt / Link zum Urhebergesetz

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