Hochaufgelöste multisensorielle Verkehrsdaten in der Streckenbeeinflussung

  • Die Verkehrsbeeinflussung auf Autobahnen erfolgt mittels proaktiver und reaktiver Maßnahmen, die z.B. über Streckenbeeinflussungsanlagen (SBA) umgesetzt werden können. Die Grundlage hierfür bilden die Messdaten der lokalen Verkehrsdatenerfassung (VDE), die derzeit an Messquerschnitten (MQ) erfolgt, in der Regel in Abständen von 1,5 bis 2,5 km. Allgemein profitiert die Erkennung von Verkehrssituationen davon, je besser die räumlich-zeitliche Datengrundlage ist, da z. B. Verkehrsdichtewellen hochgenau identifiziert und ihre Verläufe beobachtet werden können. Derzeit kommen hauptsächlich reaktive Maßnahmen zur Anwendung, da räumlich-zeitlich hochaufgelöste Daten, die für eine möglichst gute Verkehrs(zustands)prognose benötigt werden, noch nicht bzw. nicht flächendeckend und mit ausreichender Qualität vorliegen und somit auch wenige Erfahrungen mit einer solchen Datengrundlage bestehen. Für proaktive Maßnahmen werden häufig kurzfristige bis mittelfristige Verkehrszustandsprognosen bemüht. Diese Voraussagen könnten durch räumlich-zeitlich detailliertere Daten verbessert werden. Um weitere Erkenntnisse zu einer solchen Datenerfassung mit hohem Detaillierungsgrad zu generieren, wurde in diesem Forschungsvorhaben ein Erhebungskonzept erarbeitet, mit dem Daten in entsprechenden Detaillierungsgrad erfasst werden können und welches für spezifische Einsatzmöglichkeiten robust, ausreichend genau und wirtschaftlich ist, um es vor allem für SBA-Optimierungen einzusetzen. Das Konzept wurde an ausgewählten Untersuchungsstrecken (je ein Streckenabschnitt mit und ohne SBA) getestet. Mit dieser Datengrundlage wurde eine Methodik entworfen, mittels der die Wirksamkeit von SBA bewertet werden kann. Als weiteres Ergebnis dieser Untersuchung werden Empfehlungen für den Einsatz der verschiedenen, untersuchten Erhebungsmethoden (für Offline-Analysen der SBA-Wirksamkeit und einen Online-Einsatz) gegeben sowie ein Ausblick, wie diese Daten zukünftig genutzt werden könnten. Das entwickelte Erhebungskonzept wurde an einem Streckenabschnitt auf der A44 zwischen der AS Unna-Ost und dem AK Werl umgesetzt. Merkmale dieser Referenzstrecke sind eine Länge des Streckenabschnitts zwischen zwei aufeinanderfolgenden Anschlussstellen von bis ca. 13 km, ein MQ-Abstand im Bestand von ca. 1,5 km, ein Querschnitt mit durchgehend zwei Fahrstreifen und Aggregationsintervalle der lokalen Messdaten in der Verkehrsrechnerzentrale von einer Minute. In der Untersuchung wurde die lokale Verkehrsdatenerfassung der SBA für 14 Tage durch Seitenradar-Detektoren (SRD) so ergänzt, dass je Fahrtrichtung auf 2,5 km eine Verdichtung der lokalen Verkehrsdatenerfassung auf MQ-Abstände von 250 m vorlag. Des Weiteren wurden an zwei Tagen im selben Zeitraum für jeweils ca. drei Stunden Kameras mit Automatic Number Plate Recognition- (ANPR-) Technik zur Reisezeitmessung über Kennzeichenanalyse an zwei Querschnitten mit ca. einem Kilometer Abstand installiert sowie für den gesamten Zeitraum und Streckenabschnitt hochaufgelöste Floating Car Data (FCD) zugekauft. Für einen Teilabschnitt von ca. 1,5 km Länge wurden im gleichen Zeitraum wie die ANPR-Systeme mit Drohnen an vier Standorten gleichzeitig und mit überlappenden Sichtbereichen Luftbildaufnahmen vom Verkehr gemacht. Die so erhobenen Daten liegen je Erhebungsmethode in jeweils spezifischer Kombination räumlich-zeitlicher Diskretisierung vor. Für eine integrierte Analyse wurden die Daten in eine Datenbank überführt und in ein einheitliches räumlich-zeitliches Raster aufbereitet. Hierfür wurde der gesamte Streckenabschnitt in Segmente mit einer Länge von 250 m bei Zeitschritten von 10 s aufgeteilt, die wiederum in Subsegmente von 25 m Länge und 1 s unterteilt waren. Die Datenauswertungen ergaben: •Mit einer Verdichtung der lokalen VDE durch SRD können hochwertige lokale Geschwindigkeitsinformationen gesammelt werden. Auch die Verkehrsmengendetektion gelingt an zweistreifigen Richtungsfahrbahnen recht zuverlässig, bedarf aber gewisser Maßnahmen zur Qualitätssicherung. Der Einsatz von SRD ist sowohl für den Online-als auch für den Offline-Betrieb geeignet. Aus wirtschaftlichen Gründen ist die Anzahl der Geräte und somit auch der Erfassungsbereich bzw. der Verdichtungsgrad anwendungsbezogenen Begrenzungen unterworfen. •Reisezeiten aus ANPR weisen eine sehr hohe Güte auf. Das gilt prinzipbedingt auch für größere Abstände zwischen zwei ANPR-Querschnitten, die jedoch Einbußen hinsichtlich räumlicher Auflösung und größere zeitliche Latenzen nach sich ziehen. Letztgenannter Punkt ist insbesondere bei Online-Anwendungen zu beachten. Reisezeiten aus ANPR als Ergänzung zur lokalen Verkehrsdatenerfassung sind daher sowohl für den Offline- als auch für den Online-Einsatz wertvoll. •Hochaufgelöste (Basis Einzelfahrzeuge) FCD bilden Verkehrsabläufe und -zustände auf Basis von Geschwindigkeitsdaten im Streckenverlauf ab. Obwohl FCD nur für eine kleine Teilmenge des Verkehrs vorliegen, konnte in dieser Untersuchung beobachtet werden, dass diese Teilmenge bereits ausreicht, um räumlich-zeitlich sehr detaillierte Informationen zum Verkehrszustand zu gewinnen, insbesondere im räumlich-zeitlichen Umfeld um verkehrliche Störungsereignisse. Die Kopplung dieser Daten mit lokalen Verkehrsdaten ermöglicht die Schätzung von über das Fahrzeugkollektiv summierter Reisezeiten. FCD als Ergänzung zur lokalen Verkehrsdatenerfassung sind somit sowohl für den Offline- als auch für den Online-Einsatz wertvoll. •Die Daten aus den mit Drohnen aufgenommenen Luftbildern zeigen eine besonders gute räumlich-zeitliche Auflösung der Verkehrskenngrößen für das gesamte Verkehrskollektiv. Durch den großen Organisations- und Personalaufwand ist der Einsatz von Drohnen jedoch nur auf einen sehr eingeschränkten Strecken- (max. 3 km) sowie Zeitbereich (max. 3 Stunden) und auch lediglich für Offline-Anwendungen zu empfehlen, wenn detaillierte Erkenntnisse zum beobachteten Engpass gewonnen werden sollen. Das hier entwickelte Erhebungskonzept bzw. einzelne der vorgestellten Erhebungsmethoden eignen sich grundsätzlich auch für die Anwendung auf anderen Strecken. Für jede Erhebungsmethode sind die spezifischen Randbedingungen für den vorliegenden Einsatzzweck zu prüfen und die tatsächliche Wirtschaftlichkeit der Maßnahme zu prüfen.
  • Traffic control on highways is achieved by using proactive and reactive traffic control measures, which can be implemented, for example, via traffic control systems (TCS). For this the measurement data of local traffic data acquisition (TDA) is required, which is currently carried out at measurement cross sections (MCS), usually at spatial intervals of 1.5 to 2.5 km. The detection of traffic situations benefits from improved spatio-temporal data, since, for ex-ample, traffic density waves can be identified with high precision and their progressions can be observed. Currently mainly reactive measures are applied, since spatio-temporally high-resolution data, which is needed for the best possible traffic (state) forecast, is not yet available or not available area-wide and with sufficient quality, and thus there is also little experience with such a data basis. For proactive measures, short-term to medium-term traffic condition forecasts are often used. These forecasts could be improved by spatio-temporally detailed data. In order to generate further insights into such data collection with a high level of detail, this research project developed a data acquisition concept that can be used to collect data with a corresponding level of detail that is robust, sufficiently accurate, and economical for specific applications, especially for TCS optimization. The concept was tested on selected study sections (one section with and one without TCS). With this data basis, a methodology was de-signed by which the effectiveness of TCS can be evaluated. As a further result of this study, recommendations for the use of the different survey methods investigated (for offline analyses of TCS effectiveness and an online application) are given, as well as an outlook on how these data could be used in the future. The survey concept developed was implemented on a section of the A44 between the Unna-Ost junction and the Werl interchange. Characteristics of this reference section are a length of the section between two consecutive interchanges of up to approx. 13 km, an MCS distance in the inventory of approx. 1.5 km, a cross-section with two lanes throughout and aggregation intervals of the local measurement data in the traffic computer center of one minute. In the study, the local traffic data acquisition of the TCS was supplemented for 14 days by side radar detectors (SRD) in such a way that there was a compression of the local traffic data acquisition to MCS distances of 250 m for each direction of travel on 2.5 km. Furthermore, cameras with Automatic Number Plate Recognition (ANPR) technology for travel time measurement via li-cense plate analysis were installed on two days in the same period for approx. three hours each at two cross-sections with a distance of approx. one kilometer, and high-resolution Floating Car Data (FCD) was purchased for the entire period and route section. For a section of approximately 1.5 km in length, aerial video streams of traffic were taken with drones at four locations simultaneously and with overlapping viewing areas during the same period as the ANPR systems. The data collected in this way is available in specific combinations of spatio-temporal discretization for each survey method. For an integrated analysis, the data was transferred to a database and processed into a uniform spatio-temporal grid. For this purpose, the entire road section was divided into segments with a length of 250 m at time steps of 10 s, which in turn were subdivided into subsegments of 25 m in length and 1 s in length. Data evaluations revealed: •With a densification of local MCS by SRD, high-quality local speed information can be collected. Traffic volume detection also succeeds quite reliably on two-lane directional lanes, but requires certain quality assurance measures. The use of SRD is suitable for both online and offline operation. For economic reasons, the number of devices and thus also the detection area or the degree of compaction is subject to application-related limitations. •Travel times from ANPR have a very high quality. In principle, this also applies to larger distances between two ANPR cross sections, which, however, entail losses in terms of spatial resolution and greater temporal latencies. The latter point is particularly important for online applications. Therefore, travel times from ANPR as a supplement to local traffic data collection is valuable for both offline and online use. •High-resolution (single-vehicle basis) FCD depict traffic flows and conditions based on velocity data in detail. Although FCD is only available for a small subset of traffic, it was observed in this study that this subset is already sufficient to obtain spatio-temporally very detailed information on traffic conditions, especially in the spatio-temporal environment around traffic incidents. Coupling this data with local traffic data allows to estimate travel times summed over the vehicle collective. FCD as a supplement to local traffic data collection is thus valuable for both offline and online use. •The data from aerial video streams taken by drones shows a particularly good spatio-temporal resolution of traffic parameters for the entire traffic collective. However, due to the large organizational and personnel effort, the use of drones is only recommended for a very limited route (max. 3 km) and time range (max. 3 hours) and also only for offline applications, if detailed findings on the observed bottleneck are to be obtained. The survey concept developed here or some of the survey methods presented are in principle also suitable for use on other lines. For each survey method, the specific boundary conditions for the present application must be examined and the actual economic viability of the measure must be checked.

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Metadaten
Author:Christoph Schwietering, Denis Löbbering, Christian Weinreis, Friedrich Maier, Michael Feldges
URN:urn:nbn:de:hbz:opus-bast-30719
DOI:https://doi.org/10.60850/bericht-v388
ISBN:978-3-95606-819-5
ISSN:0943-9331
Title Additional (English):High-resolution multisensory traffic data in traffic control systems
Series (Serial Number):Berichte der Bundesanstalt für Straßenwesen, Reihe V: Verkehrstechnik (388)
Publisher:Fachverlag NW in der Carl Ed. Schünemann KG
Place of publication:Bremen
Document Type:Book
Language:German
Date of Publication (online):2025/01/06
Date of first publication:2025/01/29
Publishing institution:Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt)
Release Date:2025/01/29
Tag:Autobahn; Prognose; Verkehr
Highway; Motorway traffic; Transport forecast
Number of pages:143
Comment:
Projekt-Nr.:  03.0521
Projekttitel: Harmonisierung des Verkehrsablaufs im Bereich von SBA - Optimierung und Erweiterung der Verfahren
Fachbetreuung: Jessica Hegewald
Referat: Verkehrsbeeinflussung und Straßenbetrieb
Institutes:Abteilung Straßenverkehrstechnik
Dewey Decimal Classification:6 Technik, Medizin, angewandte Wissenschaften / 62 Ingenieurwissenschaften / 620 Ingenieurwissenschaften und zugeordnete Tätigkeiten
Licence (German):License LogoBASt / Link zum Urhebergesetz

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